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08.02.2016 · IWW-Abrufnummer 183581

Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt: Urteil vom 14.04.2015 – 6 Sa 358/14


Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Zwischenurteil des Arbeitsgerichts Halle vom 07.08.2014 - 2 Ca 2288/13 - teilweise unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert und hinsichtlich der Ziffer 1. des Tenors wie folgt neu gefasst:

Die Feststellungsklage bezüglich des Eingangs der Klagschrift vom 14.08.2013 wird als unzulässig abgewiesen.

Die Kündigungsschutzklage vom 14.08.2013 wird nachträglich zugelassen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund einer fristgemäßen Kündigung der Beklagten vom 24.07.2013 zum 31.12.2013, vorab über die rechtzeitige Klageerhebung bzw. die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage.



Die vorgenannte Kündigung ist dem Kläger durch Übergabe am 24.07.2013 zugegangen. Die von ihm unter dem Datum 14.08.2013 durch seine Prozessbevollmächtigten bei dem Arbeitsgericht Halle eingereichte Kündigungsschutzklage trägt den Eingangsstempel des Justizzentrums Halle (Bl. 1 d. A.) vom 15.08.2013. Es handelt sich um einen sog. Tagesstempel, mit dem die nach 24.00 Uhr in den Nachtbriefkasten eingeworfenen Postsendungen versehen werden.



Die Kanzleiräume der Prozessbevollmächtigten des Klägers befinden sich unmittelbar gegenüber dem Eingangsbereich des Justizzentrums Halle. Dort ist auch der Nachtbriefkasten angebracht.



Über das aufgestempelte Eingangsdatum erhielten die Klägervertreter durch Information des Arbeitsgerichts im Zusammenhang mit der Ladung zum Gütetermin am 30.08.2013 Kenntnis. Sie beantragten mit Schriftsatz vom selben Tage - per Fax am 30.08.2013 bei dem Arbeitsgericht eingegangen - "vorsorglich" die nachträgliche Zulassung der Klage und führten zur Begründung aus, die Klage sei bereits am 24.07.2013 in den Nachmittagsstunden in den Nachtbriefkasten des Justizzentrums Halle eingeworfen worden. Mit weiterem Schriftsatz vom 04.09.2013 - am selben Tage bei dem Arbeitsgericht per Fax eingegangen - haben die Prozessbevollmächtigten zur Glaubhaftmachung dieses Vortrages eidesstattliche Versicherungen der Mitarbeiterinnen V (Bl. 37 d. A.) und U (Bl. 38 d. A.) vorgelegt. Weiter baten die Prozessbevollmächtigten des Klägers um einen gerichtlichen Hinweis, sollte ergänzender Sachvortrag hinsichtlich des Antrages nach § 5 KSchG erforderlich sein.



In den vorgenannten eidesstattlichen Versicherungen haben die Mitarbeiterinnen V und U u. a. dargestellt, dass durch die sachbearbeitende Rechtsanwältin F am 14.08.2013 die ausdrückliche Anweisung erteilt worden sei, die den vorliegenden Rechtsstreit betreffende Kündigungsschutzklage zu fertigen, ihr zur Unterschrift vorzulegen und noch am selben Tage in den Nachtbriefkasten des Justizzentrums Halle einzuwerfen. Diese Anweisung habe die Mitarbeiterin V gegen 16.30 Uhr ausgeführt. Am späten Nachmittag habe Frau F erneut in der Kanzlei angerufen und bei der noch diensthabenden Frau U nachgefragt, ob die Kündigungsschutzklage in den Nachtbriefkasten eingeworfen sei, was Frau U, die den Einwurf von den Kanzleiräumen aus beobachtet habe, bestätigt habe.



Der Kläger hat behauptet, die Kündigungsschutzklage sei entgegen der Angaben auf dem Eingangsstempel des Justizzentrums Halle bereits am 14.08.2013 gegen 16.30 Uhr durch die Mitarbeiterin seiner Prozessbevollmächtigten, Frau V, tatsächlich in den Nachtbriefkasten des Justizzentrums Halle eingeworfen worden. Der Stempelaufdruck beruhe seiner Auffassung nach auf einer versehentlichen Zuordnung des Schriftsatzes zu jenen Postsendungen, die erst nach 24.00 Uhr in den Nachtbriefkasten eingeworfen worden seien.



Der Kläger hat beantragt,



1. festzustellen, dass die Klageschrift vom 14.08.2013 am 14.08.2013 bei dem Arbeitsgericht Halle eingegangen ist,



2. für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag Ziffer 1 die vorliegende Klage gemäß § 5 KSchG nachträglich zuzulassen.



Die Beklagte hat beantragt,



die Anträge zurückzuweisen.



Sie hat einen Einwurf der Kündigungsschutzklage in den Nachtbriefkasten des Justizzentrums Halle bereits am 14.08.2013 ebenso bestritten wie den Inhalt der von Frau V und Frau U erstellten eidesstattlichen Versicherungen.



Das Arbeitsgericht hat nach Einholung einer dienstlichen Stellungnahme des Leiters des Wachtmeisterdienstes sowie Vernehmung der Frau V und Frau U als Zeugen und Abhaltung eines Ortstermins in den Kanzleiräumen der Klägervertreter durch Zwischenurteil vom 07.08.2014 sowohl den Haupt- als auch den Hilfsantrag abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme habe der Kläger den ihm aufgrund des Eingangsstempels obliegenden Gegenbeweis, die Klage sei bereits am 14.08.2013 in den Nachtbriefkasten eingeworfen worden, nicht zweifelsfrei erbringen können. Die vernommenen Zeuginnen seien nicht glaubwürdig. Auch der Hilfsantrag (nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage) sei unbegründet, weil der Kläger keine Gründe vorgebracht habe, die eine nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage rechtfertigen könnten. Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf Bl. 239 bis 248 d. A. verwiesen.



Gegen dieses, ihm am 12.08.2014 zugestellte Zwischenurteil hat der Kläger am 26.08.2014 Berufung eingelegt und diese am 13.10.2014 begründet.



Mit seinem Rechtsmittel verfolgt er im Zwischenverfahren die erstinstanzlich gestellten Anträge voll umfänglich weiter. Seiner Auffassung nach sei der Gegenbeweis insbesondere aufgrund der Zeugenaussagen der Mitarbeiterinnen V und U erbracht worden. Zumindest sei die Kündigungsschutzklage aber nachträglich zuzulassen, wenn ein Arbeitnehmer aus Beweisnot den Beweiswert des gerichtlichen Eingangsstempels nicht widerlegen könne.



Der Kläger beantragt,



1. das Zwischenurteil des Arbeitsgerichts Halle/Saale zum Aktenzeichen 2 Ca 2288/13, verkündet am 11. März 2014, zugestellt am 12. August 2014, abzuändern und festzustellen, dass die Klageschrift vom 14. August 2013 am 14. August 2013 bei dem Arbeitsgericht Halle/Saale eingegangen ist,



2. hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1., das Zwischenurteil des Arbeitsgerichts Halle/Saale zum Aktenzeichen 2 Ca 2288/13, verkündet am 11. März 2014, zugestellt am 12. August 2014, abzuändern und die vorliegende Klage gemäß § 5 KSchG nachträglich zuzulassen.



Die Beklagte beantragt,



die Berufung des Klägers zurückzuweisen.



Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertritt - nach Hinweis des Landesarbeitsgerichts im Beschluss vom 19.01.2015 (Bl. 320 d. A.) - die Auffassung, eine nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage müsse bereits daran scheitern, dass die formalen Voraussetzungen für diesen Antrag nicht gegeben seien. Im Übrigen bestreitet die Beklagte weiter den Sachvortrag des Klägers betreffend den Einwurf der Kündigungsschutzklage bereits am 14.08.2013.



Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.



Entscheidungsgründe



A.



Die Berufung des Klägers ist zulässig. Es handelt sich hierbei um das gemäß § 5 Abs. 4 Satz 3 KSchG i. V. m. §§ 8 Abs. 2, 64 ArbGG statthafte Rechtsmittel. Der Kläger hat die Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG eingehalten. Die Berufungsbegründung entspricht den Vorgaben des § 520 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 ZPO. Der Kläger setzt sich auch hinsichtlich des Hilfsantrages mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinander. Das Arbeitsgericht stellt mit einem Satz (Entscheidungsgründe Seite 8) fest, dass weitere Umstände, die die Verspätung verursacht haben könnten, ausscheiden. Dem hält der Kläger (Berufungsbegründung Seite 9) entgegen, dass bei einer aufgrund des Eingangsstempels als verspätet anzusehenden Kündigungsschutzklage, wenn der Arbeitnehmer aus Beweisnot den Beweiswert des Stempels nicht widerlegen könne, eine nachträgliche Zulassung zu erfolgen habe, sofern der Kläger bzw. sein Prozessvertreter mit aller zumutbaren Sorgfalt gehandelt habe. Der Kläger greift mithin das Zwischenurteil hinsichtlich des Hilfsantrages entscheidungserheblich mit rechtlichen Argumenten an.



B.



Die Berufung des Klägers ist hinsichtlich des Hauptantrages unbegründet, jedoch hinsichtlich des Hilfsantrages begründet.



I.



Die Berufung ist nicht begründet, soweit der Kläger mittels einer allgemeinen Feststellungsklage den rechtzeitigen Eingang der Kündigungsschutzklage festgestellt wissen will. Die Klage ist bereits unzulässig, weil sie nicht auf den Bestand bzw. Nichtbestand eines Rechtsverhältnisses abzielt (§ 256 Abs. 1 ZPO). Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 2 ZPO sind ebenfalls nicht gegeben.



Auch über § 5 Abs. 4 KSchG wird eine solche Feststellungsklage nicht eröffnet. Die Frage, ob die Klage überhaupt verspätet eingereicht wurde, ist nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 22.03.2012 - 2 AZR 224/11 - Rn. 14), der sich die Kammer anschließt, in dem Zulassungsverfahren als Vorfrage aufzuklären. Eine Entscheidung über den hilfsweise für den Fall, dass das Gericht die Klage als verspätet ansieht, gestellten Antrag darf daher nur ergehen, wenn die Verspätung vorab festgestellt worden ist.



II.



Die Berufung des Klägers ist jedoch, soweit er mit seinem Hilfsantrag die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage verfolgt, begründet.



1. Der Antrag ist zulässig.



a) Der Kläger hat die Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG, wonach der Antrag innerhalb zweier Wochen nach Beseitigung des Hindernisses gestellt werden muss, gewahrt.



aa) Das Hindernis ist mit Zugang der Terminsladung zum Gütetermin am 30.08.2013 in der Kanzlei seiner Prozessbevollmächtigten weggefallen. Diese haben durch den Hinweis auf das Eingangsdatum der Klageschrift davon erfahren, dass jene nach dem dort angebrachten Eingangsstempel erst am 15.08.2013 und damit außerhalb der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 KSchG bei dem Arbeitsgericht eingegangen sein soll.



Zwar fällt das Hindernis nicht erst dann weg, wenn der Kläger positive Kenntnis hiervon erlangt. Ausreichend ist es, wenn er aufgrund konkreter Anhaltspunkte bei gehöriger Sorgfalt erkennen musste, dass die Frist möglicherweise versäumt ist (BAG 16.03.1988 - 7 AZR 587/87 - juris Rn. 30). Andererseits besteht für den Prozessvertreter keine generelle Verpflichtung, den Eingang von Schriftstücken durch Rückfrage bei Gericht zu überwachen. Eine solche Verpflichtung entsteht erst nach Ablauf einer angemessenen Wiedervorlagefrist, die regelmäßig vier Wochen beträgt (BAG 06.10.2010 - 7 AZR 569/09).



bb) Der Antrag, zulässigerweise als Hilfsantrag für den Fall der Verspätung gestellt, ist noch am selben Tage bei dem Arbeitsgericht per Fax eingegangen.



b) Weiter entspricht der Antrag vom 30.08.2013 den Vorgaben des § 5 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 KSchG, wonach in dem Antrag auf die bereits erhobene Klage Bezug zu nehmen ist. Eine solche Bezugnahme ergibt sich vorliegend aus dem im Antrag aufgeführten Kurzrubrum und der Benennung des Geschäftszeichens des bereits anhängigen Kündigungsschutzrechtsstreits. Darüber hinaus enthält auch der Antrag selbst einen Verweis auf die "verspätete(r) Klage".



c) Schlussendlich sind die Vorgaben des § 5 Abs. 2 Satz 2 KSchG, wonach der Antrag die Angabe der die nachträgliche Zulassung begründenden Tatsachen und der Mittel für deren Glaubhaftmachung enthalten muss, gewahrt.



Im Hinblick auf die Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist es ausreichend, wenn die antragsbegründenden Tatsachen und die Benennung der Mittel zur Glaubhaftmachung innerhalb der vorgenannten zweiwöchigen Frist nachgereicht werden (BAG 28.05.2009 - 2 AZR 732/08 - Rn. 24; ErfK/Kiel 15. Auflage KSchG § 5 Rn. 25).



So verhält es sich vorliegend. Der Kläger hat durch Bezugnahme im Schriftsatz vom 04.09.2013 auf diesem beigefügte eidesstattliche Versicherungen der Frau V und der Frau U die antragsbegründenden Tatsachen vorgebracht und zugleich die Mittel der Glaubhaftmachung - eidesstattliche Versicherung - benannt. Darüber hinaus hat der Kläger bereits im Schriftsatz vom 30.08.2013 die vorgenannten Mitarbeiterinnen seiner Prozessbevollmächtigten als Zeuginnen benannt.



Diese Angaben sind, da die vorgenannten Schriftsätze jeweils noch am selben Tage bei dem Arbeitsgericht eingegangen sind, innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG erfolgt.



Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dem Schriftsatz vom 04.09.2013 auch zu entnehmen, dass der Kläger sich zur Begründung seines Antrages auf den Inhalt der beigefügten eidesstattlichen Versicherung beziehen will. Dies wird aus der Bitte an das Gericht, sofern zur Begründung des Antrages gemäß § 5 KSchG ergänzender Vortrag für erforderlich erachtet wird, einen Hinweis zu erteilen, deutlich.



2. Der Antrag ist begründet. Die Voraussetzungen für eine nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage vom 14.08.2013 liegen vor. Gemäß § 5 Abs. 1 KSchG ist die nicht innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung erhobene Klage nachträglich zuzulassen, wenn der Arbeitnehmer trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt an einer Klageerhebung verhindert war.



a) Der Kläger hat die Klagefrist nicht gewahrt. Nach dem sich bietenden Gesamtergebnis der mündlichen Verhandlung, insbesondere der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme, geht auch die Berufungskammer davon aus, dass die Kündigungsschutzklage erst am 15.08.2013 bei dem Arbeitsgericht eingegangen ist. Der Kläger konnte den Beweiswert des Eingangsstempels auch unter Berücksichtigung seines Vorbringens in der Berufungsbegründung nicht zweifelsfrei widerlegen.



b) Er hat jedoch nach dem Gesamtergebnis der mündlichen Verhandlung, insbesondere aufgrund der vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der Frau V und der Frau U sowie deren zeugenschaftlicher Vernehmung glaubhaft gemacht, dass er die Frist schuldlos i. S. d. § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG versäumt hat.



aa) Ein Sorgfaltsverstoß des Klägers selbst scheidet vorliegend erkennbar aus.



bb) Ebenso wenig liegt ein dem Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbarer Sorgfaltsverstoß seiner Prozessbevollmächtigten (BAG 11.12.2008 - 2 AZR 472/08) vor.



Über die vorgenannte Zurechnungsnorm hat die Partei für das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten einzustehen. Erfasst hiervon wird eigenes Fehlverhalten des Parteivertreters. Keine Zurechnung erfolgt hinsichtlich eines Fehlverhaltens des mit der Mandatsabwicklung betrauten Büropersonals. Jedoch liegt ein der Partei zurechenbares eigenes Verschulden des Vertreters vor, wenn der eingetretene Fehler auf einer von ihm zu verantwortenden fehlerhaften Büroorganisation beruht. Dabei ist der Prozessvertreter grundsätzlich berechtigt, einfache Arbeitsvorgänge auf die geschulten Mitarbeiter zu übertragen. Hierzu zählt insbesondere der Transport von fristgebundenen Schriftsätzen von der Kanzlei zum Gericht (ErfK/Kiel aaO. Rn. 8). Auf Mängel in der Kanzleiorganisation kommt es dann nicht an, wenn der Anwalt eine klare und präzise Anweisung für den konkreten Fall erteilt hat, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte. Da der Anwalt grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass die einem zuverlässigen Mitarbeiter erteilte Einzelanweisung befolgt wird, ist für die Fristversäumung dann nicht die Büroorganisation, sondern der individuelle Fehler des Mitarbeiters ursächlich (BAG 07.07.2011 - 2 AZR 38/10 - Rn. 24).



Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze hat der Kläger glaubhaft machen können (§ 294 ZPO), dass ein verspäteter Einwurf der Klageschrift in den Nachtbriefkasten des Justizzentrums Halle, wovon für die Entscheidungsfindung auszugehen ist (siehe oben 2. a.), jedenfalls nicht auf einem Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten, sondern allenfalls auf einem Fehler einer der dort tätigen Mitarbeiterinnen beruht. Aus den eidesstattlichen Versicherungen der Mitarbeiterinnen V und U sowie aus deren zeugenschaftlicher Vernehmung ergibt sich für die Berufungskammer glaubhaft, dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers am 14.08.2013 sowohl die Einzelanweisung hinsichtlich der Erstellung der Klageschrift als auch hinsichtlich des Einwurfs derselben nach Unterzeichnung noch am selben Tage in den Nachtbriefkasten des Justizzentrums Halle in eindeutiger und präziser Form gegenüber diesen Mitarbeiterinnen erteilt haben. Aus der eidesstattlichen Versicherung der Frau U, bestätigt durch ihre Zeugenaussage, ergibt sich weiter, dass die sachbearbeitende Rechtsanwältin F sich kurz vor Feierabend telefonisch bei der Zeugin erkundigt hat, ob die Frist erledigt sei, was die Zeugin ihr gegenüber bestätigte.



Zur Überzeugung der Kammer hat der Kläger den vorstehenden Sachverhalt glaubhaft (§ 294 ZPO) i. S. einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGH 09.02.1998 - II ZB 15/97) machen können. Dabei kann dahinstehen, ob dies auch für den Transport der Klageschrift von den Kanzleiräumen zum Nachtbriefkasten und des sich anschließenden Einwurfs gilt. Hierauf kommt es für die Bewertung des Verhaltens der Klägervertreter nicht an. Diesen ist jedenfalls kein Pflichtverstoß dahin vorzuwerfen, dass sie im konkreten Einzelfall den Transport der Klageschrift zu dem Justizzentrum Halle noch am selben Tag nicht sorgfältig organisiert haben. Hierzu lag eine klare Weisung der sachbearbeitenden Rechtsanwältin F vor. Der Transport und der Einwurf in den Briefkasten des Justizzentrums Halle ist aufgrund der unmittelbar neben dem Justizzentrum gelegenen Kanzleiräume als wenig fehlerträchtig anzusehen. Wenn darüber hinaus von der Rechtsanwältin F die Ausführung der Weisung durch telefonische Nachfrage am selben Tage überwacht wird, so ist eine Sorgfaltswidrigkeit ihrerseits damit ausgeschlossen.



III.



Nach alledem war das Rechtsmittel des Klägers hinsichtlich des Hilfsantrages erfolgreich.



C.



Die Kostenentscheidung war dem Schlussurteil vorzubehalten.



D.



Gegen diese Entscheidung findet ein weiteres Rechtsmittel nicht statt. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Den entscheidungserheblichen Rechtsfragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Kammer weicht mit ihrer Entscheidung auch nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung ab.



Auf § 72a ArbGG wird hingewiesen.

Vorschriften§ 5 KSchG, § 5 Abs. 4 Satz 3 KSchG, §§ 8 Abs. 2, 64 ArbGG, § 66 Abs. 1 ArbGG, § 520 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 ZPO, § 256 Abs. 1 ZPO, § 256 Abs. 2 ZPO, § 5 Abs. 4 KSchG, § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG, § 4 KSchG, § 5 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 KSchG, § 5 Abs. 2 Satz 2 KSchG, § 5 Abs. 1 KSchG, § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG, § 85 Abs. 2 ZPO, § 294 ZPO, § 72 Abs. 2 ArbGG, § 72a ArbGG

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