26.01.2016 · IWW-Abrufnummer 183272
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 03.12.2015 – 5 Sa 285/15
Tenor:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 4. Februar 2015, Az. 4 Ca 818/14, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
3. Der Streitwert wird auf € 10.022,11 festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Schadensersatz, weil ihr eine ausgeschriebene Stelle nicht übertragen worden ist.
Die 1966 geborene Klägerin hat die mittlere Reife abgelegt und eine Berufsausbildung zur Bürokauffrau erfolgreich abgeschlossen. Sie ist seit 1998 bei den US- Stationierungsstreitkräften, zuletzt als Angestellte der Materialverwaltung, beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TVAL II) Anwendung. Die Klägerin wird nach Gehaltsgruppe C-5 TVAL II vergütet (mtl. € 3.147,97 brutto). Am 01.10.2013 schrieben die US-Streitkräfte für den Dienstort Sp./B. die Position
mit einer Bewerbungsfrist bis zum 15.10.2013 aus. In der Ausschreibung sind ua. folgende Anforderungen an die Qualifikation der Bewerber genannt:
Die Dienstvorschrift USAFEI 36-703 hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
Die Klägerin bewarb sich innerhalb der Ausschreibungsfrist auf die ausgeschriebene Stelle. Die Stelle wurde jedoch am 01.01.2014 der Mitbewerberin L. übertragen. Frau L. hat Abitur sowie einen Bachelor-Abschluss in Geisteswissenschaften im Hauptfach Sprachen der Universität von New Mexico (USA).
Die Klägerin verlangt wegen fehlerhafter Durchführung des Auswahlverfahrens Schadensersatz. Sie sei so einzugruppieren und zu vergüten, als sei ihr die Stelle übertragen worden. Die monatliche Vergütungsdifferenz zwischen der Gehaltsgruppe C-5 und C-5a TVAL II beträgt € 175,49, zwischen C-5 und C-6 TVAL II € 347,99 brutto. Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes, des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der erstinstanzlichen Sachanträge wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 04.02.2015 Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht Trier hat die Klage abgewiesen und zur Begründung - zusammengefasst - ausgeführt, das Prinzip der Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG gelte für die US-Stationierungsstreitkräfte nicht. Ein Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung der Pflicht, die im Bewerbungsverfahren selbst festgelegten Kriterien zu beachten, scheide aus, weil die Bewerberin L. über die in der Stellenausschreibung geforderte Qualifikation verfüge. Ihr Schulabschluss "Abitur" erfülle die Qualifikation "mittlere Reife". Frau L. könne zwar keine abgeschlossene Berufsausbildung im kaufmännischen Bereich vorweisen, zwischen der genannten Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin und dem Bachelor-Abschluss Geisteswissenschaften mit Hauptfach Sprachen bestehe jedoch ein enger Zusammenhang. Darüber hinaus seien die in der Stellenausschreibung angegebenen Qualifikationskriterien lediglich Mindestanforderungen. Sie verpflichteten die US-Stationierungsstreitkräfte nicht, eine hieran orientierte Bestenauslese vorzunehmen. In der Dienstvorschrift USAFEI 36-703 sei ausdrücklich geregelt, dass die Standards ausgelegt seien, um die "minimalen" Qualifikationen eines Bewerbers für eine Stelle zu bestimmen. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 5 bis 10 des erstinstanzlichen Urteils vom 04.02.2015 Bezug genommen.
Gegen das am 28.05.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 24.06.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 27.07.2015 eingegangenem Schriftsatz begründet.
Sie macht geltend, es sei zwar im Grundsatz richtig, dass die Vereinigten Staaten von Amerika nicht Adressat der Regelung des Art. 33 Abs. 2 GG seien. Die Vereinigten Staaten seien jedoch an Recht und Gesetz gebunden und daher verpflichtet, die Auswahl einzustellender Mitarbeiter nach sachlichen, einer objektiven Bestenauslese verpflichteten Grundsätzen durchzuführen. Diese Verpflichtung finde ihren förmlichen Ausdruck in den Dienstvorschriften USAFEI 36-713 und USAFEI 36-703. Im vorliegenden Fall sei gegen diese US-Vorschriften verstoßen worden. In der Stellenausschreibung vom 01.10.2013 sei eine "Berufsausbildung mit Abschluss im kaufmännischen Bereich" als Qualifikation gefordert worden. Die US-Stationierungsstreitkräfte hätte von dieser zwingenden Anforderung nicht abweichen und die Stelle mit der Bewerberin L. besetzen dürfen, die in den USA einen Bachelor-Abschluss mit Schwerpunkt Sprachen abgelegt habe. Die geforderte "abgeschlossene Berufsausbildung" könne grundsätzlich nicht durch einen höheren Schulabschluss und auch nicht durch einen Hochschulabschluss ersetzt werden. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei ein enger Zusammenhang zwischen der Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin und dem Bachelor-Abschluss mit Hauptfach Sprachen nicht erkennbar. Im Übrigen hätte der Bildungsabschluss der Bewerberin L. nicht anerkannt werden dürfen, weil sie ihn im Ausland (USA) erworben, jedoch den erforderlichen Gleichwertigkeitsnachweis der zuständigen deutschen Behörde gem. Ziff. 3.2. der Dienstvorschrift USAFEI 36-703 nicht vorgelegt habe. Die Personalabteilung habe sich nach Sichtung der eingegangenen Bewerbungen mit Frau L. in Verbindung gesetzt und sie zu einer Bewerbung aufgefordert. Es sei davon auszugehen, dass die Bewerbung von Frau L. erst nach Ablauf der Bewerbungsfrist erfolgt sei. Auch deshalb hätte deren Bewerbung nicht berücksichtigt werden dürfen. Wenn die Bewerberin L. nicht berücksichtigt worden wäre, hätte sie zwingend die ausgeschriebene Stelle erhalten. Die für die abschließende Auswahlentscheidung zust ändige Vorgesetzte J. habe nach Durchführung der Vorstellungsgespräche eine Rangliste erstellt, auf der Frau L. den ersten Platz und sie den zweiten Platz eingenommen habe. Entsprechend dieser Rangliste sei die Stelle Frau L. übertragen worden. Frau J. habe ihr erklärt, dass sie ohne die nachträgliche Bewerbung von Frau L. eine Auswahlentscheidung zu ihren Gunsten getroffen hätte.
Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich,
Die beklagte Bundesrepublik beantragt,
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe des Schriftsatzes vom 05.10.2015 als zutreffend. Das Prinzip der Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG finde keine Anwendung. Aus dem Umstand, dass die US-Stationierungsstreitkräfte bei der Stellenbesetzung an die Dienstvorschriften und die Anforderungen in der Stellenausschreibung gebunden seien, könne die Klägerin keinen Beförderungsanspruch herleiten. Die Dienstvorschrift USAFEI 36-703 sehe keine Bestenauslese vor, so dass eine Reduzierung des Auswahlermessens auf Null ausscheide. Im Übrigen erfülle Frau L. die Mindestanforderungen für die ausgeschriebene Stelle in Bezug auf ihre Qualifikation. Entgegen der Behauptung der Klägerin habe sich Frau L. nicht außerhalb der Bewerbungsfrist beworben, sondern bereits am 11.10.2013. Die Vorgesetzte J. habe sich zu keinem Zeitpunkt dafür entschieden, der Klägerin im Fall der Nichtauswahl von Frau L. die ausgeschriebene Stelle anzubieten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und in ausreichender Weise begründet worden. Sie ist somit zulässig.
II. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Dies hat das Arbeitsgericht zu Recht festgestellt. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin Schadensersatz wegen einer rechtswidrigen Stellenbesetzungsentscheidung zu leisten.
1. Die Klägerin steht zu den Vereinigten Staaten von Amerika in einem Arbeitsverhältnis als "zivile Arbeitskraft" bei den in Deutschland stationierten US-Streitkräften. Die Streitigkeit aus dem Arbeitsverhältnis unterliegt nach Art. 56 Abs. 8 Satz 1 ZA-NTS (Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut) der deutschen Gerichtsbarkeit. Nach Satz 2 der Bestimmung sind Klagen gegen den Arbeitgeber nicht gegen diesen, sondern gegen die Bundesrepublik zu richten.
Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Vereinigten Staaten von Amerika nicht Adressat der den deutschen öffentlichen Dienst verpflichtenden Regelung des Art. 33 Abs. 2 GG sind, wonach jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt hat.
Gem. Art. 1 Abs. 3 GG binden die Grundrechte - und in gleicher Weise die grundrechtsgleichen Rechte wie das Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG - Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung. Adressat ist die öffentliche Gewalt. Nicht öffentliche Gewalt unterliegt - abgesehen von dem Sonderfall des Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG - keiner Grundrechtsbindung (vgl. BAG 12.10.2010 - 9 AZR 554/09 - Rn. 45 mwN, AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 73). Nach Art. 56 Abs. 1 Buchst. f ZA-NTS gilt die Tätigkeit der zivilen Arbeitskräfte bei einer Truppe nicht als Tätigkeit im deutschen öffentlichen Dienst.
2. Ebenso wenig rechtfertigen einfachgesetzliche Vorschriften das Klagebegehren. Es fehlt an einer Anspruchsgrundlage. Die Vereinigten Staaten von Amerika müssen die Stellen für ortsansässige Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland nicht nach dem Maßstab des Art. 33 Abs. 2 GG besetzen. Da keine Bestenauslese erfolgen musste, hatte die Klägerin - selbst wenn sie schlechthin die Beste gewesen sein sollte - keinen Anspruch auf Übertragung der ausgeschriebenen Stelle. Deshalb hat sie auch keinen Anspruch darauf, im Wege des Schadensersatzes eingruppierungs- und vergütungsrechtlich so gestellt zu werden, als wäre ihr die Stelle zum 01.01.2014 übertragen worden.
3. Die Klägerin kann den Schadensersatzanspruch nicht erfolgreich auf den Umstand stützen, dass die US-Stationierungsstreitkräfte in der Stellenausschreibung vom 01.10.2013 Kriterien genannt haben, an denen die Auswahlentscheidung in Übereinstimmung mit der Dienstvorschrift USAFEI 36-703 orientiert werden musste. Selbst bei einer Verletzung der US-Dienstvorschrift wäre die Klägerin nicht so zu stellen, wie sie stünde, wenn ihr die Stelle übertragen worden wäre, denn darauf hatte sie - wie oben ausgeführt - keinen Anspruch.
Es kann deshalb dahinstehen, ob die US-Stationierungsstreitkräfte die Bewerberin L. aus dem Bewerberkreis hätten ausschließen können, weil ihre Qualifikation "Abitur und Bachelor-Abschluss in Geisteswissenschaften im Hauptfach Sprachen der Universität von New Mexico (USA)" nicht der in der Stellenausschreibung geforderten Qualifikation "Mittlere Reife und/oder abgeschlossene Ausbildung im kaufmännischen Bereich" entsprochen hat. Selbst im Geltungsbereich des Art. 33 Abs. 2 GG ist es dem Arbeitgeber bei der Festlegung einer Ausbildungsqualifikation verboten, Inhaber von gleichwertigen oder höherwertigen Abschlüssen allein aus formalen Gründen ohne Überprüfung der tatsächlich erworbenen Qualifikationen von vornherein aus dem Auswahlverfahren auszuschließen (vgl. BAG 12.09.2006 - 9 AZR 807/05 - Rn. 34, NZA 2007, 507). Deshalb kann im Streitfall auch offen bleiben, ob die Vereinigten Staaten von Amerika berechtigt gewesen wären, gegenüber Frau L. einen Bachelor-Abschluss der Universität von New Mexico (USA) mit der Begründung nicht anzuerkennen, die Gleichwertigkeit mit einer Qualifikation nach dem deutschen Bildungssystem sei durch eine rheinland-pfälzische Behörde nicht bestätigt worden (so wohl LAG Rheinland-Pfalz 10.02.2012 - 9 Sa 518/11 - [...]).
Weiter kann dahinstehen, ob sich Frau L. erst nach Ablauf der Ausschreibungsfrist beworben hat. Selbst bei förmlichen Ausschreibungen im Geltungsbereich des Art. 33 Abs. 2 GG entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass auch noch nach Fristablauf eingehende Bewerbungen berücksichtigungsfähig sind. Bewerbungsfristen sollen zu einer möglichst raschen Besetzung der ausgeschriebenen Stelle beitragen. Sie dienen nicht dem Interesse von Bewerbern zur Abwehr lästiger Konkurrenz (vgl. BAG 17.01.2006 - 9 AZR 226/05 - Rn. 53, AP BAT-O § 24 Nr. 6).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Streitwertfestsetzung auf § 63 Abs. 2 GKG.
Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.