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15.01.2016 · IWW-Abrufnummer 183064

Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Urteil vom 23.09.2015 – 4 Sa 301/15


Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 05.02.2015 - 5 Ca 2256/14 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Mit seiner Klage wehrt sich der Kläger gegen eine seitens der Beklagten ausgesprochene betriebsbedingte Änderungskündigung zur Reduzierung der Jahresarbeitszeit.



Die Beklagte, die Standorte in T. und in T. betreibt, produziert Konserven aus Gurken und Kohl und stellt verschiedene Essig- und Senfprodukte her. Am Standort T., an dem die Klägerin eingesetzt wird, beschäftigt sie fest ca. 300 Arbeitnehmer. Bei der Beklagten handelt es sich um einen Saisonbetrieb, der hohen Produktionsschwankungen unterliegt. In der Produktionszeit (von Juni bis ca. Anfang Februar eines Jahres) fällt saisonbedingt mehr Arbeit an, als innerhalb der tariflichen und gesetzlich festgelegten Arbeitszeithöchstgrenzen geleistet werden kann. Die Beklagte beschäftigt daher in dieser Zeit bis zu 300 Saisonkräfte zusätzlich. Die produktionsfreie Zeit, in der auch Stammmitarbeiter wegen fehlender Rohwaren nicht beschäftigt werden können, wird durch Abbau von auf den Arbeitszeitkonten befindlichen Gutstunden und Urlaub abgedeckt.



Der 51-jährige, verheiratete Kläger ist seit dem 21.06.2011 bei der Beklagten als Gabelstaplerfahrer und Maschinenbediener in der Konservenproduktion auf der Basis einer Arbeitszeit von zuletzt 90 % der tariflichen Arbeitszeit des auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Manteltarifvertrages für die Obst-, Gemüse- und Kartoffel verarbeitende Industrie, Essigindustrie, Senfindustrie zu einem monatlichen Bruttolohn in Höhe von 1.957,50 € beschäftigt.



Unstreitig hat die Beklagte Produktionsvolumina vom Standort T. an den Standort in T. verlagert, weil der Standort T. nach Angaben der Beklagten kostengünstiger ist als der Standort T..



Aufgrund der rückläufigen Produktion für den Standort T. hat die Beklagte zunächst entschieden, die Jahresarbeitzeit im Bereich Konserve auf 70 % der Jahresarbeitssollzeit zu reduzieren. Sie hat - nach ihren Angaben aufgrund der bestehenden betrieblichen Gepflogenheiten - mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat Gespräche zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung über die Jahresarbeitszeit für den Bereich Konserve geführt. Nach dem Einwand des Betriebsrats, dass eine Absenkung der Jahresarbeitszeit auf 70 % in Ansehung des Entgeltgefüges im Bereich Konserve zu teilweise existentiell bedrohenden Entgelteinbußen bei den Mitarbeitern führen würde, hat die Beklagte dem Wunsch des Betriebsrats entsprochen, aus Solidaritätsgründen alle vergleichbaren gewerblichen Funktionen aus der Essig- und Senfherstellung, die ohne besondere spezifische Erfahrung nach einer Einarbeitungszeit im Wesentlichen beherrschbar sind, in die Arbeitszeitabsenkung mit einzubeziehen. Die Beklagte hat sodann entschieden, im Bereich Essig-/Senfherstellung eine Arbeitszeitabsenkung um 10 % auf 90 % des Jahressollarbeitszeitvolumens vorzunehmen mit der Folge einer Arbeitszeitabsenkung auf 80 % im Bereich Konserve.



Unter dem Datum vom 06.05.2014 hat die Beklagte mit dem Betriebsrat eine "Betriebsvereinbarung über die Reduzierung der Jahresarbeitszeit" abgeschlossen. Unter Ziffer 3. der Betriebsvereinbarung wird Folgendes ausgeführt:

"3. Dauer der Absenkung Die Reduzierung der Arbeitszeit ist grundsätzlich zunächst nur für die Dauer bis zum 30.06.2016 befristet vorgesehen. Sollte nach übereinstimmender Auffassung von Werksleitung und Betriebsrat noch keine Auslastung vorhanden sein, die eine Rückführung auf das aktuelle Arbeitszeitvolumen rechtfertigen, verlängern sich die unter Punkt 2. genannten Arbeitszeitreduzierungen um ein weiteres GJ (bis zum 30.06.2017)."



Ziffer 8. enthält unter anderem folgende Regelungen:

"Die Änderung der Arbeitsbedingungen erfolgt möglichst durch einvernehmliche Änderungen der Arbeitsverträge zum 01.06.2014. Ist dies nicht möglich, erfolgt diese durch Ausspruch einer arbeitgeberseitigen, fristgerechten, betriebsbedingten Änderungskündigung. Das Änderungsangebot darf in beiden Fällen lediglich die befristete Absenkung der Arbeitszeit und die daraus resultierenden Bezüge zum Inhalt haben. Alle sonstigen Bedingungen des Anstellungsverhältnisses bleiben unberührt. ....."



Wegen des Inhalts der Betriebsvereinbarung im Einzelnen wird auf Bl. 39 bis 43 der Akte Bezug genommen.



Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten sollte nach gemeinsamem Verständnis der Betriebspartner die Absenkung von Jahresarbeitszeit und Einkünften zunächst für eine Dauer von maximal drei Jahren vorgenommen werden (S. 10 des Schriftsatzes vom 12.11.2014, Bl. 25 der Akte). Die mit dem Betriebsrat vereinbarten Regelungen konnten in großem Umfang mit den Mitarbeitern einvernehmlich vollzogen werden.



Da der Kläger sich mit einer einvernehmlichen Regelung nicht einverstanden erklärte, hörte die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 09.09.2014 zu einer beabsichtigten ordentlichen Änderungskündigung des Klägers zum 31.10.2014 an. Auf S. 4 des Anhörungsschreibens ist auszugsweise Folgendes ausgeführt:

"Es ist dem Verhandlungsergebnis geschuldet, dass wir die nunmehr für die beiden Bereiche mit der Absenkung der Jahresarbeitszeit verbundenen finanziellen Einschnitte zunächst einmal auf die Dauer von maximal 3 Jahren vorgenommen haben. ..... Von der Reduzierung der Arbeitszeit ist Herr C. wie folgt betroffen: .... Alle sonstigen Bedingungen des Anstellungsverhältnisses bleiben unberührt. Darüber hinaus gelten der Interessenausgleich sowie die Regelungen der BV "über die Reduzierung der JAZ vom 06.05.2014"."



Wegen des Inhalts des Anhörungsschreibens im Einzelnen wird auf B. 50 bis 53 der Akte Bezug genommen.



Der Betriebsrat hat keine Stellungnahme abgegeben.



Mit Schreiben vom 17.09.2014 sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine Änderungskündigung aus. Sie kündigte das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2014 und bot dem Kläger an, das Arbeitsverhältnis ab dem 01.11.2014 mit einer auf 80 % der Jahresarbeitszeit reduzierten Arbeitszeit und einer entsprechenden Anpassung des Lohns fortzusetzen. Eine Befristung enthält das Änderungsangebot nicht. Wegen des Inhalts der Änderungskündigung im Einzelnen wird auf Bl. 4 bis 5 der Akte Bezug genommen.



Der Kläger hat die Änderungskündigung unter dem Vorbehalt angenommen, dass die Änderungen der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt sind.



Mit seiner am 30.09.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Änderungskündigung. Er hat das Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse für den Ausspruch der streitgegenständlichen Änderungskündigung bestritten und die Auffassung vertreten, dass die Beklagte den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eklatant verletzt habe. Mit der Absenkung der Jahresarbeitszeit versuche die Beklagte, das von ihr zu tragende Betriebsrisiko auf die Arbeitnehmer zu verschieben. Der Kläger hat die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats gerügt und dazu vorgetragen, in der Anhörung werde auf die Betriebsvereinbarung über die Reduzierung der Jahresarbeitszeit Bezug genommen, die aber wegen der abschließenden Regelung der Arbeitszeit im Manteltarifvertrag unzulässig sei.



Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 17.09.2014 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist.



Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.



Sie hat die Auffassung vertreten, die Änderungskündigung sei durch dringende betriebliche Gründe bedingt. Sie - die Beklagte - habe einen eklatanten Rückgang des Produktionsvolumens in den letzten drei Geschäftsjahren zu verzeichnen. Durch die Verlagerung von Produktionsvolumina nach T. sei ein Rückgang der Fertigungsstunden von über 30 % zu verzeichnen, was zu einem massiven Beschäftigungsproblem geführt habe. Der Bedarf an Fertigungsstunden im laufenden Geschäftsjahr 2014/2015 sei bezogen auf das Geschäftsjahr 2011/2012 als Referenzjahr um 31 %, und damit von 183.512 Stunden auf 127.119 Stunden gesunken. Davon sei auch für das Folgejahr auszugehen. Damit sei für den Kläger das Weiterbeschäftigungsbedürfnis auf Basis des derzeitigen Jahresarbeitszeitvolumens entfallen. Eine Reduzierung des Arbeitszeitvolumens im Zuge einer Teilzeitregelung sei unabdingbar. In Ansehung des Umstandes, dass für den Kläger ansonsten der Verlust des Arbeitsplatzes gedroht hätte, sei ihm die Annahme des Änderungsangebotes auch zumutbar. Die in der Betriebsvereinbarung vorgesehene Befristung sei dem zwischen den Betriebsparteien getroffenen Verhandlungsergebnis geschuldet gewesen. Tatsächlich handele es sich nicht nur um einen vorübergehenden, sondern um einen nachhaltig verminderten Arbeitsanfall.



Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 05.02.2015, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung sei nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt. Es fehle an dem notwendigen Kündigungsgrund, da die Beklagte die Durchführbarkeit der Maßnahme nicht überzeugend und nachvollziehbar dargelegt habe.



Gegen das ihr am 20.02.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 13.03.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Frist bis zum 20.05.2015 - mit einem am 20.05.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.



Mit ihrer Berufung rügt die Beklagte, das Arbeitsgericht habe es versäumt, einen gerichtlichen Hinweis zu erteilen und stellt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vertiefend dar, wie sie die zukünftig erforderliche Jahresarbeitszeit der im Bereich Konserve tätigen Mitarbeiter ermittelt hat. Die Anpassung der Jahresarbeitszeit an den Rückgang der Produktionsmenge sei erforderlich, um Vergütungsanspruch und Arbeitsleistung im erforderlichen Austauschverhältnis zu halten. Damit werde den Besonderheiten eines Saisonbetriebes Rechnung getragen. Soweit das Arbeitsgericht darauf abgestellt habe, dass sie - die Beklagte - mit dem Betriebsrat in der - wenn auch unwirksamen - Betriebsvereinbarung nur eine befristete und eben nicht dauerhafte Arbeitszeitverkürzung vereinbart habe, so habe das Gericht den erstinstanzlichen Vortrag nicht hinreichend berücksichtigt. Den Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Darlegung der Nachhaltigkeit einer unternehmerischen Entscheidung sei sie hinreichend nachgekommen. Allein der Umstand, dass die Betriebsvereinbarung befristeter Natur sei, könne ihr zur Frage der Nachhaltigkeit der unternehmerischen Entscheidung nicht entgegen gehalten werden, denn bei der in der Betriebsvereinbarung enthaltenen Befristungsabrede handele es sich um ein Verhandlungsergebnis. Die Inhalte der Betriebsvereinbarung und damit die Befristung seien jedoch völlig unabhängig von der unternehmerischen Entscheidung zu sehen, die zu einer Reduzierung des Jahresarbeitszeitvolumens geführt habe.



Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 05.02.2015, 5 Ca 2256/14, abzuändern und die Klage abzuweisen.



Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.



Er verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hält auch unter Berücksichtigung der Berufungsbegründung für nicht nachvollziehbar, worauf die Beklagte ihre Prognose eines Produktionsrückgangs für das Geschäftsjahr 2015/2016 von 31 % herleite. Die Nachhaltigkeit der Maßnahme sei ebenfalls nicht zu erkennen. In der - wenn auch ungültigen - Betriebsvereinbarung sei letztlich dargelegt, dass die Maßnahme spätestens mit Ablauf des 30.06.2017 aufgehoben werden solle. Die unternehmerische Entscheidung sei nach wie vor nicht klar erkennbar.



Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die in beiden Instanzen zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen.



Entscheidungsgründe



Die statthafte (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässige (§ 64 Abs. 2 ArbGG), form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 Abs. 3 ZPO) ist zulässig.



I.Die Berufung ist allerdings unbegründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Berufungsbegründung ist nicht geeignet, die Entscheidung des Arbeitsgerichts in Frage zu stellen.



Eine ordentliche Änderungskündigung muss im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes, der vorliegend gegeben ist, sozial gerechtfertigt sein. Die streitgegenständliche Änderungskündigung ist unwirksam, weil die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt ist.



Maßstab für die Prüfung der Sozialwidrigkeit einer ordentlichen Änderungskündigung ist nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern allein die soziale Rechtfertigung der Änderung von Arbeitsbedingungen (vgl. BAG, Urteil vom 10.09.2009, 2 AZR 822/07, zitiert nach [...]). Die Prüfung der Sozialwidrigkeit erfolgt in zwei Stufen. Das Gericht muss klären, ob Gründe in der Person, dem Verhalten oder dringende betriebliche Erfordernisse das Änderungsangebot bedingen und ob die vorgeschlagene Änderung gesetzeskonform bzw. tarifkonform und vom Arbeitnehmer billigerweise hinzunehmen ist.



1.Dringende betriebliche Erfordernisse zur Änderung der Arbeitsbedingungen im Sinne von § 1 Abs. 2 S. 1, § 2 KSchG liegen vor, wenn das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist (st. Rspr. des BAG, vgl. z.B. BAG, Urteil vom 29.09.2011, 2 AZR 451/10, Rn. 17; Urteil vom 10.09.2009, 2 AZR 822/07, Rn. 24, jeweils zitiert nach [...]). Eine Reduzierung des bisherigen Beschäftigungsbedarfs kann sich insbesondere aus innerbetrieblichen Umständen als Folge einer Organisationsentscheidung ergeben. Eine Organisationsentscheidung kann ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 KSchG begründen, wenn sie sich konkret auf die Einsatzmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers auswirkt. Solche Organisationsentscheidungen unterliegen im Kündigungsschutzprozess nur einer eingeschränkten Missbrauchskontrolle darauf hin, ob sie offenbar unvernünftig oder willkürlich und ob sie ursächlich für den vom Arbeitgeber geltend gemachten Änderungsbedarf sind (vgl. BAG, Urteil vom 26.11.2009, 2 AZR 658/08, zitiert nach [...]).



Eine Arbeitszeitreduzierung - zu der die Beklagte sich vorliegend entschieden hat - kann als dringendes betriebliches Erfordernis für eine Änderungskündigung in Betracht kommen, wenn der Arbeitgeber sich infolge eines Rückgangs des im Betrieb vorhandenen Arbeitsvolumens dazu entschließt, die Arbeitszeit der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer zu reduzieren und neu zu verteilen. Dabei kann der Arbeitgeber weitgehend frei die Entscheidung treffen, ob das noch verbleibende Arbeitsvolumen durch weniger Vollzeitkräfte oder durch alle beschäftigten Arbeitnehmer in Teilzeit erledigt wird. Es unterliegt seiner - vom Gericht nur beschränkt überprüfbaren - Gestaltungsfreiheit, wie er auf einen Rückgang des Beschäftigungsbedarfs reagiert (vgl. BAG, Urteil vom 26.11.2009, 2 AZR 658/08, m.w.N., zitiert nach [...]).



Die Beklagte hat vorliegend die unternehmerische Entscheidung getroffen, wegen der Verlagerung von Teilen der Produktion nach T. die Jahressollarbeitszeit im Betrieb in T. zu reduzieren und die verbleibende Arbeit durch Arbeitnehmer in Teilzeit erledigen zu lassen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Entscheidung offenbar unvernünftig oder willkürlich ist, liegen nicht vor. Von dieser Organisationsentscheidung ist die Klägerin auch unmittelbar betroffen.



Allerdings bestehen dringende betriebliche Erfordernisse dann nicht, wenn es auch auf der Grundlage der Organisationsentscheidung des Arbeitgebers nicht zu einer Verringerung des vorhandenen Beschäftigungsvolumens in einem Umfang kommt, welcher der dem Arbeitnehmer angebotenen, reduzierten Arbeitszeit entspricht. In diesem Fall kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in Wirklichkeit mit der bisher vereinbarten oder doch mit einer höheren als der angebotenen Arbeitszeit beschäftigen (vgl. BAG, a.a.O.).



Diese Frage ist zwischen den Parteien streitig. Sie kann vorliegend jedoch offen bleiben, denn selbst wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, dass das vorhandene Beschäftigungsvolumen der angebotenen reduzierten Arbeitszeit entspricht, ist die Änderungskündigung jedenfalls deshalb unwirksam, weil die vorgeschlagene Änderung den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt.



2.Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist nur wirksam, wenn sich der Arbeitgeber darauf beschränkt hat, solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle Vertragsänderungen vorliegen. Ausgangspunkt ist die bestehende vertragliche Regelung. Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (vgl. BAG, Urteil vom 13.06.2012, 10 AZR 296/11, zitiert nach [...]). Aus dem Vorbringen des Arbeitgebers muss erkennbar werden, dass er auch unter Berücksichtigung der vertraglich eingegangenen Verpflichtungen alles Zumutbare unternommen hat, die notwendig gewordene Anpassung auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken (vgl. BAG, Urteil vom 26.03.2009, 2 AZR 879/07, Rn. 51 ff, zitiert nach [...]).



Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die streitgegenständliche Änderungskündigung unwirksam, denn die Beklagte hat die angebotene Änderung nicht auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt und hat sich damit weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen, als es zur Anpassung an die geänderte Beschäftigungsmöglichkeit erforderlich ist. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:



Die Entscheidung der Beklagten, die Jahresarbeitssollzeit zu reduzieren, ist zeitlich begrenzt. Das ergibt sich eindeutig aus der mit dem Betriebsrat abgeschlossenen Betriebsvereinbarung vom 06.05.2014. Dabei kann dahinstehen, ob diese Betriebsvereinbarung wirksam ist oder nicht. Entscheidend in diesem Zusammenhang ist, dass sich aus ihr der Inhalt der unternehmerischen Entscheidung, die Arbeitszeitreduzierung zunächst nur befristet vorzunehmen, klar ergibt, auch wenn die Entscheidung, Teile der Produktion zu verlegen, dauerhaft getroffen worden sein mag. Die Behauptung der Beklagten, hierbei handele es sich nur um ein "Verhandlungsergebnis" mit dem Betriebsrat, vermag diese Einschätzung nicht zu ändern, denn wie die unternehmerische Entscheidung zustande gekommen ist, ist letztlich unerheblich. Die Beklagte hat aufgrund der Einwände des Betriebsrates von ihrer ursprünglichen Entscheidung, die Arbeitszeit im Bereich Konserve auf 70 % zu reduzieren, Abstand genommen und hat sich sodann nicht nur entschlossen, stattdessen die Arbeitszeit im Bereich Konserve nur auf 80 % und die im Bereich Essig- und Senfherstellung auf 90 % zu reduzieren, sondern zusätzlich, eine zeitliche Begrenzung dieser Organisationsentscheidung vorzusehen. Gegenüber dem Betriebsrat hat sie in Ziffer 8 der Betriebsvereinbarung erklärt, dass im Falle einer Änderungskündigung das Änderungsangebot lediglich die befristete Absenkung der Arbeitszeit zum Inhalt haben darf. Noch in der Anhörung des Betriebsrats vom 09.09.2014 und somit unmittelbar vor Ausspruch der Kündigung hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass die Regelungen der Betriebsvereinbarung gelten. Dementsprechend hat die Beklagte mit einer Vielzahl von Mitarbeitern einvernehmliche Arbeitszeitänderungen auch befristet vereinbart. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist für die Berufungskammer nicht nachvollziehbar, wie die Beklagte zu der Einschätzung kommt, sie habe eine unbefristet vorgesehene Arbeitszeitreduzierung zum Anlass für die Änderungskündigung genommen.



Selbst wenn die Beklagte aufgrund der teilweisen Verlagerung der Produktion von einem dauerhaften Produktionsrückgang ausgegangen sein sollte, hat sie ihre Entscheidung, die Arbeitszeit zu reduzieren, zeitlich befristet und kann deshalb auch nur diese Entscheidung zur Grundlage des Änderungsangebots machen. Ein Arbeitnehmer muss billigerweise keine Arbeitszeitminderung auf Dauer hinnehmen, wenn der Arbeitgeber nur eine befristete Arbeitszeitreduzierung zum Grund für die Kündigung nimmt (vgl. BAG zur Entgeltkürzung: Urteil vom 20.08.1998, 2 AZR 84/98, zitiert nach [...]). In diesem Fall entfernt der Arbeitgeber sich nämlich weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist.



Unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen ist die streitgegenständliche Änderungskündigung mithin sozial ungerechtfertigt. Ob die Änderungskündigung zusätzlich - wofür viel spricht - wegen einer nicht ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung unwirksam ist, weil die Beklagte den Betriebsrat nicht darauf hingewiesen hat, dass sie der Klägerin ein unbefristetes Änderungsangebot erklärt hat, sondern den Eindruck erweckte, sich an die Betriebsvereinbarung zu halten, kann danach dahinstehen.



Die Berufung der Beklagten war somit zurückzuweisen.



II. Die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels waren gemäß §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO der Beklagten aufzugeben.



III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) sind nicht gegeben. Demgemäß war auszusprechen, dass die Revision nicht zugelassen wird.

Vorschriften§ 64 Abs. 1 ArbGG, § 64 Abs. 2 ArbGG, §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 3 ZPO, § 1 Abs. 2 S. 1, § 2 KSchG, § 1 Abs. 1 S. 1 KSchG, §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 ArbGG

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