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12.01.2016 · IWW-Abrufnummer 182910

Landesarbeitsgericht Nürnberg: Beschluss vom 20.12.2013 – 2 Ta 156/13

1. Der Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit (Bader/Jörchel, NZA 2013, 809) entfaltet zwar keine bindende Wirkung. Bei dessen (richtiger) Anwendung bewegt sich das Gericht jedoch regelmäßig im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens (vgl. § 23 III 2 RVG ).

2. Bei der Bewertung von Verfahren nach §§ 99 IV , 100 und 101 BetrVG geht das Beschwerdegericht in ständiger Rechtsprechung vom Hilfswert des § 23 III 2 Hs. 2 RVG aus (Streitwertkatalog 13.2.1.).

3. Es ist nicht ermessensfehlerhaft, den Zustimmungsersetzungsantrag nach § 99 IV BetrVG bei einer Einstellung von bis zu drei Monaten mit 1/3 des Hilfswertes, von über drei Monaten bis zu sechs Monaten mit 2/3 des Hilfswertes und von über sechs Monaten mit dem vollen Hilfswert zu bewerten.

4. Die Bewertung von Massenverfahren kann bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte auch übergreifend über mehrere Beschlussverfahren erfolgen (vgl. 13.7 Streitwertkatalog). Hierbei wird man berücksichtigen müssen, ob die Art der Maßnahmen im Wesentlichen identisch ist, welche unternehmerische Entscheidung hinter den personellen Einzelmaßnahmen steckt, ob deren Umsetzung und Durchführung hinreichende Parallelen aufweisen und ob ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht.

5. Liegt ein Massenverfahren vor, wird die erste Einstellung mit dem entsprechend der Dauer ermittelten vollen Wert bewertet; die 2. bis 20. Einstellung mit 25%, die 21. bis 50. Einstellung mit 12,5%, alle weiteren Einstellungen mit 10% dieses Wertes (vgl. 13.7 Streitwertkatalog).

6. Der Antrag nach § 100 BetrVG wird mit dem halben Wert des jeweiligen Verfahrens nach § 99 IV

7. Beantragt der Betriebsrat zeitgleich mit einem vom Arbeitgeber nach §§ 99 IV , 100 BetrVG eingeleiteten Verfahren die Aufhebung der Maßnahme nach § 101 BetrVG , ist dieser Antrag ebenfalls mit dem halben Wert des jeweiligen Verfahrens nach § 99 IV BetrVG zu bewerten (Präzisierung von Nr. 13.6 Streitwertkatalog, der bei der Bewertung des Antrags nach § 101 BetrVG mit dem vollen Wert offenbar von einem unabhängig gestellten Aufhebungsantrag des Betriebsrats ausgeht).


Tenor:
1. Die Beschwerden des Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 2 gegen die Beschlüsse des Arbeitsgerichts Würzburg - Kammer Aschaffenburg - vom 30.08.2013 (Az. 6 BV 1/13, 6 BV 6/13 und 6 BV 7/13) und vom 06.09.2013 (Az. 7 BV 2/13) werden zurückgewiesen.


2. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Würzburg -Kammer Aschaffenburg - vom 06.09.2013 (Az. 7 BV 2/13) unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen abgeändert und der Gegenstandswert auf 13.333,33 € festgesetzt.



Gründe



A.



Die Beteiligten streiten um die Höhe des festzusetzenden Gegenstandswerts.



Zwischen den Beteiligten besteht seit Jahren Streit um die Einstellung von Leiharbeitnehmern.



Die zu 1 beteiligte Arbeitgeberin ist ein Logistikunternehmen und gehört zur H.-Gruppe. Sie betreibt in Deutschland 2 Standorte, unter anderem ein Call-Off-Lager in G., von dem aus die süddeutschen Filialen der Unternehmensgruppe mit Ware beliefert werden. Der Beteiligte zu 2 ist der im Call-Off-Lager G. gebildete neunköpfige Betriebsrat. Der Arbeitsbedarf im Lager richtet sich nach dem Umfang der umzuschlagenden Ware, der vom Abverkauf der Ware in den Verkaufsfilialen der Konzernschwestergesellschaften abhängt. Der Arbeitsbedarf schwankt stark (vgl. z. B. im Jahre 2010: KW 6: 111.280 pieces, KW 23: 509.112 pieces).



Die Beteiligte zu 1 deckt den über den durchschnittlichen Arbeitsbedarf hinausgehenden Arbeitsbedarf seit einigen Jahren ausschließlich mit Leiharbeitnehmern. Den vor diesem Hintergrund immer ähnlich lautenden Zustimmungsersuchen der Beteiligten zu 1 zu den beabsichtigten Einstellungen von Leiharbeitnehmern widerspricht der Beteiligte zu 2 in der Regel mit denselben Argumenten.



In den Verfahren des Arbeitsgerichts Würzburg - Kammer Aschaffenburg - 6 BV 1/13 (anhängig ab 07. Januar 2013; 6 Leiharbeitnehmer), 7 BV 2/13 (anhängig ab 17. Januar 2013; 10 Leiharbeitnehmer), 6 BV 6/13 (anhängig ab 4. Februar 2013; 5 Leiharbeitnehmer) und 6 BV 7/13 (anhängig ab 18. Februar 2013; 4 Leiharbeitnehmer) beantragte die Beteiligte zu 1 jeweils, die Zustimmung des Beteiligten zu 2 zu den Einstellungen der namentlich benannten Leiharbeitnehmer zu ersetzen (§ 99 Abs. 4 BetrVG) sowie festzustellen, dass die Einstellung der genannten Leiharbeitnehmer aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war (§ 100 BetrVG). Der Beteiligte zu 2 erhob jeweils Widerantrag dahingehend, die Beschäftigung der jeweiligen Leiharbeitnehmer aufzuheben (§ 101 BetrVG). Die einzelnen Zustimmungsersuchen gingen beim Betriebsrat zwischen dem 31.12.2012 und dem 16.02.2013 ein. Die insgesamt 25 Leiharbeitnehmer sollten nach dem 01.01.2013 eingestellt und bis 30.06.2013 beschäftigt werden.



Alle 4 Verfahren wurden nach dem 30.06.2013 nach übereinstimmender Erledigungserklärung der Beteiligten eingestellt.



In Anlehnung an den Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit, der von der von den Präsidentinnen und Präsidenten der Landesarbeitsgerichte eingerichteten Streitwertkommision erarbeitet wurde (Bader/Jörchel, NZA 2013, 809 ff, künftig Streitwertkatalog), setzte das Arbeitsgericht Würzburg - Kammer Aschaffenburg - für die streitgegenständlichen vier Verfahren mit Beschlüssen vom 30.08.2013 (6 BV 1/13, 6 BV 6/13 und 6 BV 7/13) und vom 06.09.2013 (7 BV 2/13) die Gegenstandswerte fest.



Gegen die genannten Beschlüsse legte der anwaltliche Vertreter des Beteiligten zu 2 in eigenem Namen Beschwerde ein (künftig Beschwerdeführer); die Beteiligte zu 1 ließ durch ihren anwaltlichen Vertreter nur gegen den Beschluss vom 06.09.2013 Beschwerde einlegen. Das Arbeitsgericht half den Beschwerden jeweils nicht ab und legte sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor.



Die erkennende Beschwerdekammer hat die Beschwerdeverfahren 8 Ta 155/13, 7 Ta 168/13 und 3 Ta 157/13 nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 03.12.2013 zum Zwecke gemeinsamer Entscheidung zum vorliegenden Verfahren hinzuverbunden.



Das Arbeitsgericht ging bei seinen Entscheidungen von folgenden Überlegungen aus: Es handele sich bei den Einstellungen jeweils um nicht vermögensrechtliche Streitigkeiten (13.1. Streitwertkatalog). Angesichts der geplanten Dauer der jeweiligen Einstellung von mehr als 3 Monaten, aber nicht mehr als 6 Monaten sei als Ausgangswert für jede Einstellung 2/3 des Hilfswerts des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG in der bis 01.08.2013 geltenden Fassung, also 2.666,66 € (2/3 von 4.000,- €) anzusetzen (vgl. 13.1. Streitwertkatalog). Für den Zustimmungsersetzungsantrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG sowie für den Aufhebungsantrag nach § 101 BetrVG sei dieser Wert maßgeblich, für den Feststellungsantrag nach § 100 BetrVG der halbe Wert, also 1.333,33 € (vgl. 13.5. und 13.6. Streitwertkatalog). Diese Werte seien jedoch nach 13.7. Streitwertkatalog für die 2. bis 20. Einstellung auf 25% und ab der 21. Einstellung auf 12,5% festzusetzen. Da es sich insgesamt um ein Massenverfahren mit wesentlich gleichem Sachverhalt handele, sei es unerheblich, dass insoweit verschiedene Beschlussverfahren geführt wurden (13.7. Streitwertkatalog).



In tabellarischer Form ergibt sich folgendes Bild:



Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angegriffenen Beschlüsse sowie die jeweiligen Nichtabhilfebeschlüsse des Arbeitsgerichts verwiesen.



Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, dass die Reduzierung der Ausgangswerte wegen einer lediglich befristeten Einstellung nicht einleuchtend sei. Zu bewerten sei der Einstellungsvorgang selbst. Die Arbeitgeberin entscheide immer wieder neu, ob ein entsprechender Beschäftigungsbedarf vorhanden sei. Die Arbeitgeberin habe Informationspflichten unabhängig von der Dauer der Einstellung. Der Betriebsrat reagiere entsprechend dem Katalog des § 99 Abs. 2 BetrVG. Es führe nicht zu einem Massenverfahren im Sinne des Streitwertkatalogs, wenn der Arbeitgeber seine Informationspflichten hartnäckig missachte und der Betriebsrat parallele Zustimmungsverweigerungsgründe nenne. Dies gelte erst recht, wenn verschiedene Verfahren betrieben würden.



Die Beteiligte zu 1 ist der Ansicht, dass nicht nur die streitgegenständlichen Verfahren als Massenverfahren zu betrachten seien. Vielmehr seien auch die vorhergehenden und nachfolgende Verfahren bezüglich der Einstellung von Leiharbeitnehmern im Call-Off-Center einzubeziehen; es liege quasi ein "Endlosmassenverfahren" vor, da die Beteiligte zu 1 sich vor einigen Jahren entschlossen habe, grundsätzlich den über dem durchschnittlichen Arbeitsbedarf liegenden Bedarf durch Leiharbeitnehmer abzudecken. Die Absenkung des Ausgangswertes sei wegen der Kürze der Beschäftigung und der in den Verfahren eintretenden Synergieeffekte gerechtfertigt.



Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der jeweiligen Beschwerdeakte Bezug genommen.



B.



I.



Die Beschwerden sind zulässig. Insbesondere sind sie jeweils frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§ 33 Abs. 3 Satz 3 RVG). Der Beschwerdewert von 200,- € ist jeweils überschritten (§ 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Sowohl der Beschwerdeführer als auch die Beteiligte zu 1 sind beschwerdeberechtigt (§ 33 Abs. 3 Satz1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 RVG). Die Wertfestsetzung richtet sich in arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nicht nach § 32 RVG, sondern nach § 33 RVG, da diese Verfahren gerichtskostenfrei sind (§ 2 Abs. 2 GKG) und daher ein für die anwaltliche Vergütung maßgebender Wert für die Gerichtsgebühren nicht festgesetzt wird.



II.



Die Beschwerden des Beschwerdeführers sind unbegründet. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 im Verfahren 7 BV 2/13 ist zum Teil begründet. Das Arbeitsgericht hätte die Wideranträge des zu 2 beteiligten Betriebsrats (Anträge nach § 101 BetrVG) nicht ebenso wie die Zustimmungsersetzungsanträge der zu 1 beteiligten Arbeitgeberin bewerten dürfen, sondern lediglich mit dem halben Wert. Wegen des im Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG geltenden Verschlechterungsverbotes war dem Beschwerdegericht eine entsprechende Korrektur in den Verfahren 6 BV 1/13, 6 BV 6/13 und 6 BV 7/13 jedoch verwehrt, da die Beteiligte zu 1 in diesen Verfahren eine Beschwerde nicht erhoben hat.



Im Einzelnen gilt folgendes:



1. Den Beteiligten ist zwar darin Recht zu geben, dass der von der Streitwertkommission erarbeitete Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichte (NZA 2013, 809 ff) keine bindende Wirkung entfaltet. Der Streitwertkatalog sollte aber im Interesse einer möglichst einheitlichen Streitwertgestaltung regelmäßig angewendet werden (LAG Nürnberg 21.06.2013 - 7 Ta 41/13). Bei dessen (richtiger) Anwendung bewegt sich das Gericht regelmäßig im Rahmen des ihm nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG eingeräumten Ermessens.



2. Auch das Beschwerdegericht sieht Verfahren nach §§ 99, 100 und 101 BetrVG als nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten an im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG (Ziff. 13.1. Streitwertkatalog).



3. Bei der Bewertung geht das Beschwerdegericht in ständiger Rechtsprechung vom Hilfswert des § 23 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz RVG aus (vgl. auch LAG Nürnberg 27.07.2006 - 4 Ta 100/06; LAG Sachsen-Anhalt 27.08.2013 - 1 Ta 90/13; LAG Schleswig Holstein 26.09.2013 - 6 Ta 161/13; LAG Baden-Württemberg 14.05.2013 - 5 Ta 55/13). Dies entspricht auch einer Empfehlung im Streitwertkatalog unter 13.2.1.



a. Der Hilfswert beträgt für die vorliegenden Verfahren 4.000,- €, da sich die Vergütung des Rechtsanwalts bei einer Gesetzesänderung nach bisherigem Recht richtet, wenn - wie hier - der unbedingte Auftrag zur Erledigung der Angelegenheiten vor der Gesetzesänderung erteilt ist (§ 60 Abs. 1 Satz 1 RVG). Die Erhöhung des Hilfswertes auf 5.000,- € erfolgte erst mit Wirkung ab 01.08.2013, als die Hauptsacheverfahren bereits beendet waren.



b. Nach Lage des Falles (vgl. § 23 Abs. 3 Satz 2 a. E. RVG) war, wie das Arbeitgericht ermessensfehlerfrei erkannt hat, der Hilfswert grundsätzlich auf 2.666,66 € (2/3 des Hilfswertes) zu reduzieren.



Nach Ziff. 13.1. Streitwertkatalog sind für die Bewertung entscheidend die Aspekte des Einzelfalls, z. B. die Dauer und Bedeutung der Maßnahme und die wirtschaftlichen Auswirkungen, die zur Erhöhung oder Verminderung des Wertes in Verfahren nach §§ 99 - 101 BetrVG führen können. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Arbeitsgericht Würzburg die Dauer der beabsichtigten Einstellung bei der Bemessung des Ausgangswertes berücksichtigt hat (vgl. LAG Nürnberg 21.07.2005 - 9 Ta 137/05). Die beabsichtigte Dauer der Einstellung korrespondiert nämlich typischer Weise auch mit deren wirtschaftlicher Bedeutung.



Das LAG Hamm (29.11.2006 - 13 Ta 528/06) hat hinsichtlich der zeitlichen Differenzierung für die Praxis handhabbare Grundsätze entwickelt, denen auch die erkennende Kammer - ebenso wie das Arbeitsgericht - folgt. Aus der Kombination aus Hilfswert und zeitlicher Differenzierung ergibt sich, dass bei einer Einstellung bis zu drei Monaten 1/3 des Hilfswertes, von über drei Monaten bis zu sechs Monaten 2/3 des Hilfswertes und von über sechs Monaten der volle Hilfswert angesetzt werden kann. Dabei ist unerheblich, dass Leiharbeitnehmer nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG ohnehin nur vorübergehend beschäftigt werden dürfen. Entscheidend ist die geplante Dauer. Bei Verlängerung der Maßnahme wäre der Betriebsrat dann erneut zu beteiligen.



In den vorliegenden Fällen sollten die Leiharbeitnehmer allesamt zwischen drei und sechs Monaten beschäftigt werden, so dass von einem Hilfswert von 2.666,66 € ausgegangen werden kann.



4. Ebenfalls ermessensfehlerfrei hat das Arbeitsgericht angenommen, dass es sich bei den vorliegend zu bewertenden Verfahren um Massenverfahren im Sinne von 13.7. des Streitwertkataloges handelt. Danach sind Massenverfahren solche mit wesentlich gleichem Sachverhalt, insbesondere einer einheitlichen unternehmerischen Maßnahme und parallelen Zustimmungsverweigerungsgründen, unabhängig davon, ob die Verfahren in einem oder verschiedenen Beschlussverfahren geführt werden.



a. Dem Beschwerdeführer ist zwar zuzugeben, dass der Arbeitgeber immer wieder neu entsprechend dem Beschäftigungsbedarf über die Einstellung von Leiharbeitnehmern entscheidet. Maßstab für die Frage, ob ein sog. Massenverfahren vorliegt, kann aber nicht allein die einzelne personelle Maßnahme sein, also etwa die Einstellung eines bestimmten Leiharbeitnehmers. Sonst gäbe es keine Massenverfahren, da es eine Identität der Sachverhalte insofern nicht gäbe. Man wird vielmehr berücksichtigen müssen, ob die Art der Maßnahmen im Wesentlichen identisch ist, welche unternehmerische Entscheidung hinter den personellen Einzelmaßnahmen steckt, ob deren Umsetzung und Durchführung hinreichende Parallelen aufweisen und ob ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht.



b. Die hier streitgegenständlichen 25 Einstellungen von Leiharbeitnehmern sind als Massenverfahren in diesem Sinne anzusehen.



Zum Unternehmenskonzept der zu 1 beteiligten Arbeitgeberin gehört es, für den über dem Durchschnitt liegenden Arbeitskräftebedarf nur Leiharbeitnehmer zu beschäftigen. Sie verfolgt dieses Konzept seit einigen Jahren. Dies allein reicht - im Gegensatz zu der von der Beteiligten zu 1 vertretenen Ansicht - allerdings nicht aus, um ein Massenverfahren annehmen zu können, da der jeweilige Arbeitskräftebedarf dennoch immer wieder neu prognostiziert werden muss. Deshalb ist als Korrektiv ein enger zeitlicher Zusammenhang zu fordern, der auf eine einheitliche Maßnahme im Sinne einer "Einstellungswelle" hinweist. Im vorliegenden Fall sollten die 25 Einstellungen zwischen dem 02.01.2013 und dem 16.02.2013 erfolgen und die Leiharbeitnehmer jeweils bis zum 30.06.2013 beschäftigt werden. Aus Sicht des Beschwerdegerichts ist es nicht ermessensfehlerhaft, insbesondere auch im Hinblick auf den einheitlichen Endzeitpunkt der Beschäftigung auf zumindest eng zusammenhängende Unternehmerentscheidungen zu schließen.



Dass es sich sachlich und rechtlich um Parallelfälle handelt, folgt aus den formularmäßig immer gleich oder ähnlich lautenden Bitten um Zustimmung zur Einstellung der Beteiligten zu 1 und den ebenso formularmäßig erscheinenden Widersprüchen des Beteiligten zu 2 mit identischen Widerspruchsgründen. So haben sich die Beteiligten (sinnvollerweise!) darauf beschränkt, in den zu beurteilenden Verfahren den Schriftverkehr wegen der Parallelität der Fälle nur beispielhaft darzustellen.



Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte sind die jeweiligen Einstellungen von Leiharbeitnehmern im Call-Off-Center auch der Art nach im Wesentlichen identische Maßnahmen. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass sich die Tätigkeiten der Leiharbeitnehmer wesentlich unterscheiden.



Insgesamt ist daher auch das Beschwerdegericht der Ansicht, dass den zu beurteilenden Verfahren ein wesentlich gleicher Sachverhalt zugrunde liegt. Weitere Verfahren sind schon wegen des erforderlichen, aber nicht ersichtlichen zeitlichen Zusammenhangs nicht zu berücksichtigen.



c. In Anwendung der in Ziff. 13.7. Streitwertkatalog vorgeschlagenen Staffelung für parallel gelagerte Fälle (1. Fall: 100%, 2. bis 20. Fall: 25%; 21. bis 50. Fall: 12,5%; ab dem 51. Fall: 10%) hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert für die jeweiligen Anträge zu 1, gerichtet auf Zustimmungsersetzung zu den beabsichtigten Einstellungen nach § 99 Abs. 4 BetrVG, richtig berechnet (6 BV 1/13: 6.000,- €; 7 BV 2/13: 6.666,66 €; 6 BV 6/13: 3.000,- €; 6 BV 7/13: 1.333,33 €; zum Berechnungsweg vgl. obige Tabelle).



5. Ebenfalls in Übereinstimmung mit dem Streitwertkatalog (Ziff. 13.5.) hat das Arbeitsgericht die jeweiligen Feststellungsanträge zu 2 (Anträge nach § 100 BetrVG) mit jeweils der Hälfte bewertet. Hiergegen sind auch keine Einwände erhoben.



6. Ermessensfehlerhaft hat das Arbeitsgericht allerdings die vom Beteiligten zu 2 gestellten Wideranträge nach § 101 BetrVG, gerichtet auf Aufhebung der Einstellung, ebenso wie die Anträge nach § 99 Abs. 4 BetrVG (Anträge zu 1) bewertet. Diese Anträge sind in den vorliegenden Fällen vielmehr mit der Hälfte der Anträge zu 1 zu bewerten.



a. Zwar ist in Ziff. 13.6 des Streitwertkatalogs niedergelegt, dass ein Verfahren nach § 101 BetrVG wie ein Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG zu bewerten ist. Dies gilt ersichtlich jedoch nur für ein Verfahren nach § 101 BetrVG, das unabhängig von einem vom Arbeitgeber eingeleiteten Verfahren nach §§ 99 und 100 BetrVG betrieben wird, etwa weil der Arbeitgeber eine Maßnahme nicht als zustimmungspflichtig ansieht oder meint, die Zustimmung des Betriebsrats gelte nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt. Denn die tatsächlichen und rechtlichen Fragen gleichen sich bei den Verfahren nach §§ 99 Abs. 4, 100 und 101 BetrVG.



b. Andererseits ist der Antrag des Betriebsrats, die (vorläufige) personelle Maßnahme gemäß § 101 BetrVG aufzuheben, auch dann gesondert zu bewerten, wenn der Antrag wie vorliegend nicht als Hauptantrag, sondern als Widerantrag in dem Beschlussverfahren gestellt wird, das den Antrag des Arbeitgebers auf Ersetzung der Zustimmung zu der personellen Maßnahme bzw. auf Feststellung der Zulässigkeit der vorläufigen personellen Maßnahme zum Gegenstand hat. Auch ein solcher Antrag ist, selbst wenn die Beteiligten um dieselbe Angelegenheit streiten mögen, nicht von vornherein vollständig auf den Antrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG anzurechnen (LAG Hamm 17.09.2012 - 10 Ta 259/12; LAG Köln, 21.06.2006 - 2 Ta 195/06; LAG Hamburg 19.07.2010 - 4 Ta 11/10; a. A. LAG Berlin 21.10.2002 - 17 Ta (Kost) 6085/02). Vielmehr ist ihm ein eigener Streitwert zuzuordnen, da er sich nicht nur auf die Vorfrage beschränkt, ob im vorliegenden Verfahren die Zustimmung wegen nicht rechtzeitiger Beteiligung des Betriebsrates überhaupt noch ersetzt werden kann, sondern darauf abzielt, im Fall des Unterliegens der Arbeitgeberin mit dem Zustimmungsersetzungsantrag für den Betriebsrat einen vollstreckbaren Titel zu erreichen. Auch wenn der Widerantrag in engem Zusammenhang mit den Anträgen der Arbeitgeberin zu sehen ist, kann er streitwertmäßig deshalb nicht völlig außer Betracht bleiben (LAG Hamm 17.09.2012 - 10 Ta 259/12).



c. Angemessen erscheint es wegen der Möglichkeit, den Widerantrag im Falle seiner positiven Bescheidung durch Zwangsgeldfestsetzung vollstrecken lassen zu können, diesem Antrag einen Gegenstandswert in der Hälfte des Hilfswertes zuzuordnen. Eine höhere Bewertung ist nicht angezeigt, da die Angriffe des Betriebsrats auch ohne gesonderten Antrag im Rahmen der Entscheidung über die Anträge der Arbeitgeberin hätten geprüft werden müssen (LAG Hamm 17.09.2012 - 10 Ta 259/12; LAG Köln 21.06.2006 - 2 Ta 195/06).



d. Diese Grundsätze gelten nach Ansicht des Beschwerdegerichts auch dann, wenn die Verfahren nach §§ 99 Abs. 4, 100 und 101 BetrVG bezogen auf dieselben Maßnahmen zeitgleich in verschiedenen Beschlussverfahren geführt werden.



7. Nach alledem ergäben sich folgende Gegenstandswerte:



- 6 BV 1/13: € 12.000,-



- 7 BV 2/13: € 13.333,33



- 6 BV 6/13: € 6.000,-



- 6 BV 7/13: € 2.666,66.



In den Verfahren 6 BV 1/13, 6 BV 6/13 und 6 BV 7/13 hat jedoch nur der anwaltliche Vertreter des Beteiligten zu 2 Beschwerde eingelegt, nicht die Beteiligte zu 1. In diesen Verfahren konnte das Beschwerdegericht die vom Arbeitsgericht festgesetzten Gegenstandswerte nicht auf einen niedrigeren Betrag festsetzen. Denn im Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG gilt das Verschlechterungsverbot (vgl. z. B. LAG Hamburg 23.09.2013 - 4 Ta 14/13; Gerold/Schmidt/Mayer RVG 21.Aufl., § 33 RVG, Rn. 15; Tschöpe/Ziemann/Altenburg/Paschke, Streitwert und Kosten im Arbeitsrecht, B Rn. 289). Dieses verbietet, eine Entscheidung zulasten des jeweiligen Beschwerdeführers zu korrigieren. Im Verfahren 7 BV 2/13 gilt dies nicht, da hier auch die Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt hat.



Daher bleibt es im Verfahren 6 BV 1/13 beim Gegenstandswert von 15.000,- €, im Verfahren 6 BV 6/13 beim Gegenstandswert von 7.500,- € und im Verfahren 6 BV 7/13 beim Gegenstandswert von 3.333,33 €. Im Verfahren 7 BV 2/13 war der Gegenstandswert auf 13.333,33 € herabzusetzen.



C.



Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 33 Abs. 9 RVG nicht veranlasst.

Vorschriften§ 99 Abs. 4 BetrVG, § 100 BetrVG, § 101 BetrVG, § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG, § 99 Abs. 2 BetrVG, § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG, § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG, § 32 RVG, § 33 RVG, § 2 Abs. 2 GKG, § 33 Abs. 3 RVG, §§ 99, 100, 101 BetrVG, § 23 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz RVG, § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG, §§ 99 - 101 BetrVG, § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG, 100 BetrVG, § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG, §§ 99 Abs. 4, § 33 Abs. 9 RVG

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