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10.12.2015 · IWW-Abrufnummer 146028

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 11.08.2015 – 19 Sa 819/15


In Sachen
- Kläger, Berufungskläger und Anschlussberufungsbeklagter -
Beklagte, Berufungsbeklagte und Anschlussberufungsklägerin -
hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 19. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 11. August 2015 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. N. als Vorsitzender sowie die ehrenamtlichen Richter Herrn Sch. und Herrn A.
für Recht erkannt:

Tenor:
I. Die Berufung des Klägers gegen das am 31.03.2015 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Berlin - 36 Ca 13967/14 - wird zurückgewiesen.


II. Die Berufung der Beklagten gegen das am 31.03.2015 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Berlin - 36 Ca 13967/14 - wird zurückgewiesen.


III. Die Kosten der Berufungsinstanz hat die Beklagte zu 95 % und der Kläger zu 5 % zu tragen.


IV. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Änderungskündigung in Zusammenhang mit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes nach dem Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohngesetz (MiLoG) sowie um Zahlungsansprüche.



Der Kläger ist bei der Beklagten, die regelmäßig mit mehr als 10 Arbeitnehmern einen Betrieb zur Herstellung von Baugruppen und elektronischen Komponenten betreibt, seit dem 28.01.1997 als Handbestücker von elektronischen Baugruppen und Geräten bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden beschäftigt. In dem der Beschäftigung zu Grunde liegenden Arbeitsvertrag vom 22.06.1998 (Bl. 4 f. d.A.), der mit Änderungsvertrag vom 22..01.2001 teilweise, ua. wegen der Stundenlohnhöhe, geändert worden ist (Bl. 6 d.A.), ist unter § 4 - Arbeitsentgelt - folgendes geregelt:

"Als Arbeitsentgelt wird 11,98 DM / Stunde zzgl. max. 5 % Leistungszulage bei Erreichen der qualitativen und quantitativen Kennziffern vereinbart Schichtzulage bei Wechselschichtarbeit: 2. Schicht (Spätschicht): 12% 3. Schicht (Nachtschicht): 15% Der Anspruch auf Urlaubsvergütung beträgt 50% des Stundendurchschnittsverdienstes ohne Anrechnung von Mehrarbeits- oder sonstigen Vergütungen nur für die Zeit des Erholungsurlaubs und nicht für andere bezahlte Freistellungen. Die Sonderzahlung zum Jahresende beträgt 20% des Stundendurchschnittsverdienstes nach 6 Monaten 30% des Stundendurchschnittsverdienstes nach 12 Monaten 40% des Stundendurchschnittsverdienstes nach 24 Monaten 50% des Stundendurchschnittsverdienstes nach 36 Monaten Betriebszugehörigkeit ohne Einrechnung von Mehrarbeits- oder sonstigen Vergütungen."



Die Beklagte zahlte dem Kläger zuletzt einen Stundenlohn in Höhe von 6,44 € brutto zuzüglich einer Leistungszulage in Höhe von 5 %, d.h. insgesamt 6,76 € brutto. In den Abrechnungen ab dem Monat August 2014 ist dieser Betrag als einheitlicher Betrag so ausgewiesen worden, dh. ohne dass eine Leistungszulage als solche kenntlich gemacht worden wäre. Im Jahre 2014 erzielte der Kläger aus seiner Tätigkeit für die Beklagte Gesamteinkünfte in Höhe von 15.088,14 € brutto.



Mit Schreiben vom 30.09.2014 (Bl. 7 d.A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31.03.2015. Zugleich bot sie ihm an, das Arbeitsverhältnis ab dem 01.04.2015 ohne Leistungszulage, ohne zusätzliche Urlaubsvergütung und ohne Jahressonderzahlung bei einem auf 8,50 EUR brutto erhöhten Lohn unter Beibehaltung der bisherigen Schichtzulage fortzusetzen. Dieses Angebot nahm der Kläger mit Schreiben seines jetzigen jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 01.10.2014 (Bl. 8 d.A.) unter dem Vorbehalt an, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt sei.



Mit seiner beim Arbeitsgericht am 07.10.2014 eingegangenen und der Beklagten am 15.10.2014 zugestellten Klage wendet sich der Kläger gegen die Änderung seiner Arbeitsbedingungen, die er nicht für sozial gerechtfertigt iSd. §§ 1,2 KSchG hält.



Ferner beansprucht er mit seiner Klageerweiterung vom 11.03.2015 (Bl. 52 ff. d.A.) die Zahlung von 69,15 Euro brutto für den Monat Januar 2015 und 66,30 Euro brutto für den Monat Februar 2015. Hintergrund ist, dass die Beklagte mit Einführung des gesetzlichen Mindestlohns seit Januar 2015 einen Stundenlohn von 8,50 Euro abrechnete, nicht jedoch zusätzlich eine Leistungszulage, die der Kläger iHv. von 5 % des auf der Basis von 8,50 Euro brutto abgerechneten Monatsstundenlohns für Januar und Februar 2015 beansprucht.



Mit Urteil von 31.03.2015 - 36 Ca 13967/14 - auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird (§ 69 Abs. 2 ArbGG), hat das Arbeitsgericht Berlin festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen, durch die Kündigung der Beklagten vom 30.06.2014 sozial ungerechtfertigt sei. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Berufung für den Kläger zugelassen.



Zur Begründung hat das Arbeitsgericht auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Änderungskündigungen zum Zwecke der Entgeltabsenkung Bezug genommen. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe seien die Voraussetzungen für eine zulässige ordentliche Änderungskündigung aus betriebsbedingten Gründen vorliegend nicht gegeben.



In unzutreffender Weise gehe die Beklagte davon aus, dass sich durch die im Wege der Änderungskündigung erstrebe Veränderung lediglich die Zusammensetzung der Vergütung ändere. Davon könne aber nur ausgegangen werden, wenn die in Rede stehenden Vergütungsbestandteile funktionell gleichwertig seien. Jedenfalls die im Arbeitsvertrag als Urlaubsvergütung bezeichnete Leistung habe keinen Vergütungscharakter, denn es sei kein zusätzliches Entgelt, das an tatsächlich erbrachte Arbeitsleistungen anknüpfe. Zwar sei es im Arbeitsvertrag im räumlichen Zusammenhang mit den arbeitsvertraglichen Entgeltvereinbarungen geregelt, gegen die Annahme, dass mit der Zahlung tatsächlich geleistete Arbeit zusätzlich honoriert werden solle, spreche allerdings, dass weitere Anspruchsvoraussetzungen fehlten. Allein der Urlaubsantritt löse die zusätzlich Urlaubsvergütung aus, ohne dass es auf vorherige Arbeitsleistungen ankomme. Vergleichbares gelte für die Sonderzahlung zum Jahresende.



Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang vortrage, das klägerische Jahresbruttoentgelt werde sich ohne Berücksichtigung etwaiger Schichtzulagen trotz der mit der Änderungskündigung erstrebten Änderungen schon durch die Anhebung des Grundstundenlohns im Jahr 2015 erhöhen, treffe dies nur dann zu, wenn der Arbeitnehmer im Verlauf des ganzen Jahres arbeitsfähig sei. Maßgeblich sei indessen eine Gesamtbetrachtung für eine bestimmte Abrechnungsperiode, also regelmäßig den Kalendermonat. Es fehle an der seitens der Beklagten errechneten Erhöhung etwa dann, wenn ein Arbeitnehmer beispielsweise zu Beginn eines Jahres ohne Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall arbeitsunfähig erkrankt sei und im späteren Verlauf des Jahres nach seiner Genesung arbeite und seinen Urlaub antrete. Nach einer dem vorliegenden Arbeitsvertrag entsprechenden Regelung hätte er in diesem Fall während des Urlaubs Anspruch auf eine zusätzliche Urlaubsvergütung und zum Jahresende Anspruch auf eine Sonderzahlung. Im Rahmen der von der Beklagten angestrebten Regelung würden einem Arbeitnehmer diese zusätzlichen Leistungen nicht mehr zustehen mit der Folge einer Verringerung der Vergütung.



Unter Berücksichtigung dessen habe sich die Beklagte nicht darauf beschränkt, dem Kläger nur solche Änderungen vorzuschlagen, die er billigerweise hinnehmen müsse. Insofern könne dahinstehen, ob aufgrund der seitens der Beklagten vorgetragenen finanziellen Lage die Gefahr bestehe, dass ohne Änderungskündigungen die Arbeitsplätze des Klägers und seine Kollegen in Gefahr seien. Jedenfalls müsse es ein Arbeitnehmer nicht hinnehmen, wenn Entgeltkürzungen nur mit in einer aktuellen Situation zu erwartenden wirtschaftlichen Verlusten begründet würden. Eine mildere Maßnahme sei es etwa, zusätzliche Urlaubsvergütung und Sonderzahlung in eine Abhängigkeit zu dem jeweiligen Betriebsergebnis zu stellen und diese nur zu zahlen, wenn bestimmte Kennziffern erreicht würden, um in der Zukunft eine für die Beklagte günstige Preisentwicklung angemessen zu berücksichtigen.



Die Zahlungsklage habe indessen keinen Erfolg, denn die Beklagte habe mit der Zahlung des Mindestlohns in den Monaten Januar und Februar 2015 zugleich auch die klägerischen Ansprüche auf eine arbeitsvertragliche Leistungszulage erfüllt. Zwischen der Zulage und dem Mindestlohn bestehe eine funktionelle Gleichwertigkeit. Die Leistungszulage sei dem Kläger immer zur Auszahlung gebracht worden, entsprechend habe der Kläger in der Klageschrift auch nur einen einheitlichen Betrag als Stundenlohn angegeben. Die Leistungszulage habe daher die Funktion gehabt, die regelmäßige Tätigkeit des Klägers neben dem Stundenlohn zu vergüten, ohne dass es auf die Einhaltung bestimmter Vorgaben ankomme. Es handele sich bei dieser Leistung des Arbeitgebers um eine solche, die sich auf diejenige vom Arbeitnehmer geleistete oder zu leistenden Arbeit in der einzelnen Arbeitsstunde beziehe, die nach dem Gesetz mit dem Mindestlohn abgegolten sein solle, denn das Gesetz stelle insofern allein auf die Zeitstunde ab, ohne weitere Einzelheiten zu nennen.



Gegen dieses dem Kläger am 16.04.2015 zugestellte Urteil richtet sich seine am 13.05.2015 bei dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung im Umfang seines Unterliegens, die der Kläger zugleich begründet hat und dem Bekl. am 21.05.2015 zugestellt worden ist (Bl. 126 d.A.).



Gegen dieses der Beklagten am 16.04.2015 zugestellte Urteil richtet sich ihre am 13.05.2015 bei dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung im Umfang ihres Unterliegens. Mit einem am 17.06.2015 bei dem Landesarbeitsgericht am 17.06.2015 eingegangen Schreiben (Bl. 142 d.A.), welches an das Arbeitsgericht Berlin gerichtet ist, das dortige Aktenzeichen trägt und beim Arbeitsgericht schon am 16.06.2015 eingegangen war, hat die Beklagte beantragt, die Frist zur Berufungsbegründung und die Frist zu Erwiderung auf die Berufung des Klägers bis zum 30.06.2015 zu verlängern. Dem Antrag ist gerichtlicherseits teilweise mit Verfügung vom 17.06.2015 (Bl. 144 d.A.), dem Bekl.Vertr. zugegangen am 19.06.2015 (Bl. 146 d.A.), insoweit stattgegeben worden, als die Frist zur Erwiderung auf die klägerische Berufung antragsgemäß für die Beklagte bis 30.06.2015 verlängert worden ist. Hinsichtlich der beantragten Verlängerung der Frist zur Begründung der eigenen Berufung ist der Beklagtenvertreter mit demselben Schreiben darauf hingewiesen worden, dass die Frist zur Berufungsbegründung nicht eingehalten worden sei, da sie am 17.06.2015 bereits abgelaufen war. Der Beklagtenvertreter hat mit Schriftsatz vom 30.06.2015 (Bl. 149 ff. d.A.), am selben Tag per Fax bei Gericht eingegangen, Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt, und beantragt, die Berufungsbegründungsfrist bis zum 30.06.2015 zu verlängern. Zur Begründung hat er ein Versehen der Büroangestellten Frau L. angeführt. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im Schriftsatz vom 30.06.2015 (Bl. 164 ff. d.A.) sowie die eidesstattlichen Versicherungen der Büroangestellten L. vom 29.06.2015 (Bl. 175 f. d.A.) und die eidesstattlichen Versicherung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten, Herrn Rechtsanwalt F., vom 29.06.2015 (Bl. 177 f. d.A.) wird Bezug genommen. Hilfsweise, für den Fall das das Gericht dem Wiedereinsetzungsantrag nicht stattgebe, hat die Beklagte zugleich Anschlussberufung eingelegt (Geschäftszeichen des LAG 19 Sa 1156/15).



Der Kläger hält das arbeitsgerichtliche Urteil für unrichtig, als es den Anspruch auf Zahlung der Leistungszulage in den Monaten Januar und Februar 2015 bereits mit Zahlung der Mindestlohns als erfüllt angesehen habe. Die Leistungszulage werde jedoch nicht zur Vergütung von regelmäßig zu erbringender Arbeitsleistung gezahlt, es fehle an der funktionalen Gleichwertigkeit mit dem Mindestlohn. In Hinblick auf die Zahlung des Stundenlohns sei kein Leistungserfolg geschuldet, also die Erfüllung von Kennziffern der Beklagten, um Quantität und Qualität zu erreichen. Dieser Leistungserfolg sei beklagtenseits mit der Leistungszulage vergütet worden. Die Würdigung des Arbeitsgerichts lasse außer Acht, dass die Leistungszulage im Arbeitsvertrag und dessen Änderung getrennt ausgewiesen seien. In den Abrechnungen bis einschließlich Juli 2014 habe dies auch getrennt Berücksichtigung gefunden, wie die beispielhaft eingereichten Abrechnungen für November 2011 und Juli 2014 (Anl. K8, Bl. 120 f. d.A.) zeigten. Erst ab August 2014 - mit absehbarer Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes - sei die Leistungszulage in der Verdienstabrechnung nicht mehr gesondert ausgewiesen worden.



Die maximal fünf Prozent Leistungszulage seien dem Kläger, aber auch seinen Kollegen, tatsächlich nur bezahlt worden, wenn sie die qualitativen und quantitativen Kennziffern erreicht hätten. Der Kläger habe seine Leistungen in qualitativer und quantitativer Hinsicht stets fehlerfrei erbracht, so dass er stets die Leistungszulage vergütet bekommen habe. Wenn es bei den Arbeitskollegen allerdings zu quantitativen oder qualitativen Minderleistungen gekommen sei, sie die Leistungszulage von fünf Prozent weggefallen; dies habe die Kollegen L. und Fester sowie einen anderen, namentlich nicht benannten Kollegen, betroffen, die auf der sog. SMB-Strecke Baugruppen fehlerhaft zusammengefügt hätten und hierauf zeitweise die Leistungszulage nicht bekommen hätten.



Der Kläger verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil in Bezug auf die von diesem erkannte Unwirksamkeit der Änderungskündigung: Der Vergleich der Jahresvergütung des Klägers vor Einführung des Mindestlohns mit dem prognostizierten Betrag der Jahresvergütung nach Einführung des Mindestlohns sei nicht aussagekräftig, denn auch ohne Änderungskündigung würde sich die Vergütung aufgrund gesetzlicher Vorgabe mit dem Mindestlohn ändern. Die vorgeschlagene Änderung zum 01.04.2015 bewirke in Wahrheit eine Entgeltabsenkung, weil der Kläger unabhängig von der Änderungskündigung den Mindestlohn je Stunde beziehe und die Änderungskündigung die nach § 4 des Arbeitsvertrags vereinbarten Einmalzahlungen und die Leistungszulage beseitigen solle. Ein dringendes betriebliches Erfordernis dieser Kürzung sei nicht erkennbar, weil selbst nach ihrem Vortrag der Beklagten noch ein Gewinn verbleibe. Selbst ein prognostizierter Verlust sei vorübergehend hinzunehmen. Die Beklagte habe die Fälligkeitsregelung in § 2 Abs. 1 MiLoG zu beachten, die Nachzahlung zu einem späteren Zeitpunkt durch die Jahressonderzahlung scheide daher aus.



Der Kläger, Berufungskläger und Berufungsbeklagter beantragt,



unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 31.03.2015 - 36 Ca 13967/14 - die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 135,45 € brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 69,15 € brutto seit dem 01.02.2015 sowie aus 66,30 € brutto seit dem 01.03.2015 zu zahlen.



Ferner beantragt er,

die Berufung der Beklagten bzw. deren



hilfsweise

Anschlussberufung zurückzuweisen.



Die Beklagte, Berufungsklägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

1. der Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren sowie die Berufungsbegründungsfrist bis zum 30.06.2015 zu verlängern. 2. das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 31.03.2015 - 36 Ca 13967/14 - zu ändern und die Klage auch im Übrigen abzuweisen.



Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht in dem Wiedereinsetzungsantrag zu 1. nicht stattgibt, im Wege der Anschlussberufung

3. das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 31.03.2015 - 36 Ca 13967/14 - zu ändern und die Klage auch im Übrigen abzuweisen.



Ferner beantragt sie,

4. die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 31.03.2015 zurückzuweisen.



Die Beklagte ist der Auffassung, die klägerische Zahlungsklage sei zu Recht abgewiesen worden. Die als solche bezeichnete Leistungszulage sei tatsächlich nicht an die Einhaltung bestimmter Vorgaben geknüpft, sondern als regelmäßiges Entgelt ausgezahlt worden. Kennziffern seien im Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nicht aufgestellt worden, auch hinsichtlich der sog. Leistungszulage handele es sich um die Vergütung der Normalleistung und nicht um zusätzliche Vergütung für eine Übererfüllung der arbeitgeberseitigen Vorgaben. Es sei unerheblich, dass die Leistungszulage gegebenenfalls bei anderen Mitarbeitern gekürzt worden sei, hieraus könne der Kläger keine Rechte herleiten. Sofern der Kläger sich auf eine Kürzung gegenüber dem Arbeitnehmer L. beziehe, liege das bereits mehr als 8 Jahre zurück, die Arbeitnehmerin Fester sei nur zwei Mal kurzzeitig bei der Beklagten beschäftigt gewesen, und zwar von Dez. 2006 bis Feb. 2008 und nochmals von 2010 bis 2011.



Im Übrigen sei auch eine - hier nicht vorliegende - echte Leistungszulage auf den Mindestlohn anrechenbar. Nach dem MiLoG sei die Beklagte verpflichtet, einen Lohn iHv. 8,50 € je Zeitstunde zu zahlen, wie sich dieser zusammensetze regele das Gesetz nicht.



Rechtsfehlerhaft habe jedoch das Arbeitsgericht dem Änderungsschutzantrag des Klägers stattgegeben: Aufgrund der Fälligkeitsregelung in § 2 Abs. 1 MiLoG sei die Bekl. ab 01.01.2015 verpflichtet, den gesetzlichen Mindestlohn iHv. 8,50 € spätestens am letzten Bankarbeitstag des Monats, der auf den Monat folge, in dem die Arbeitsleistung erbracht worden sei, zu zahlen. Mit der Änderungskündigung werde die Umlage der außerhalb des Monatsrhythmus geleisteten Zahlungen Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld auf den Stundenlohn bezweckt, hinsichtlich der Leistungszulage habe die Änderungskündigung nur klarstellende Funktion. Bei Umsetzung der Änderungskündigung werde der Kläger 2015 ein Jahresbrutto von 17.467,16 € zzgl. eventueller Schichtzulagen erhalten und damit eine geringfügig höhere Vergütung als bisher. In Bezug auf die Umlage der Jahressonderzahlung auf das monatliche Entgelt werde der Kläger sogar rechtlich besser gestellt, denn dieser Vergütungsbestandteil hänge nicht mehr vom Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Jahresende ab.



Der Bundesrat habe im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich verlangt, dass im Gesetz klargestellt werde, dass nicht monatlich verstetigte Vergütungen, wie zB. Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld, nicht auf den Mindestlohn anzurechnen seien. Die Bundesregierung habe dieses Ansinnen abgelehnt mit dem Hinweis, dass solche Leistungen als Bestandteil des Mindestlohns gewertet werden könnten, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmern den auf die Entsendezeit entfallenden anteiligen Betrag jeweils zu dem für den Mindestlohn maßgeblichen Fälligkeitsdatum tatsächlich und unwiderruflich ausbezahlt erhalte. Der Wille des Gesetzgebers spreche für eine Anrechnung.



Das MiLoG greife mit seiner Fälligkeitsregelung unmittelbar in die Vergütungsabrede der Arbeitsvertragsparteien ein. Wenn aber der Gesetzgeber die streitgegenständlichen Leistungen für anrechenbar halte, müsse dem Arbeitgeber auch die Möglichkeit eröffnet sein, die arbeitsvertragliche Vereinbarung im Wege der Änderungskündigung der neuen Gesetzeslage anzupassen. Das MiLoG bezwecke gerade nicht, dem Arbeitnehmer neben der Zahlung eines Mindestlohnes von 8,50 € brutto zusätzliche Leistungen zu gewähren, die außerhalb der Fälligkeitsrhythmus gezahlt würden.



Zwar sei das Kündigungsschutzrecht lex specialis gegenüber dem Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Das bedeute jedoch nicht, dass Tatbestände, die für eine Störung oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage herangezogen werden könnten, in kündigungsrechtlicher Hinsicht außer Betracht bleiben müssten. Die Arbeitgeberin hätte den Arbeitsvertrag in Kenntnis der Fälligkeitsregelung aus dem MiLoG so nicht geschlossen, sondern vielmehr monatliche Zahlweisen vereinbart. Sie könne daher die Anpassung des Vertrages verlangen.



Darüber hinaus seien die Leistungen Urlaubsgeld und Jahressonderzahlung selbst auch unter dem Gesichtspunkt der funktionalen Gleichwertigkeit auf den Mindestlohn anrechenbar. Auch diese Vergütungsbestandteile hingen vom Bestand des Arbeitsvertrages ab und würden für die Erbringung der Jahresleistung gezahlt. Die auch durch den Gesetzgeber als zulässig erachtete Anrechnung derartiger Einmalzahlungen auf den Mindestlohn mache daher eine ratenweise unterjährige Zahlung in Zwölfteln erforderlich.



Angesichts des Umstandes, dass durch die Änderungskündigung keine Vergütungsabsenkung, sondern vielmehr eine leichte Erhöhung der Vergütung eintrete, sei die Rechtsprechung des BAG zur Änderungskündigung zum Zwecke der Vergütungsabsenkung nicht anwendbar. Das Arbeitsgericht habe ihren Vortrag, nämlich dass der testierte Jahresabschluss für das Jahr 2013 lediglich einen Gewinn von 110.000 € ausweise, dass nach dem wirtschaftlichen Verlauf des Jahres 2014 und in der Prognose für das Jahr 2015 ein günstigeres Ergebnis nicht zu erwarten sei, rechtsfehlerhaft und unzureichend gewürdigt. Es sei ferner dargelegt worden, dass bei Beibehaltung der Vergütungsstruktur, dh. bei monatlicher Zahlung des Mindestlohnes zuzüglich der Jahressonderzahlung und des Urlaubsgeldes auf Grundlage des Jahresergebnisses 2013 in der Prognose für 2015 nur noch ein Gewinn iHv. 17.589,90 € verbleibe, ohne dass hierbei irgendwelchen weiteren Zahlungsrisiken berücksichtigt worden seien. Unter dem Gesichtspunkt einer ordnungsgemäßen und sorgfältigen Geschäftsführung sei eine derart niedrige Gewinnerwartung nicht geeignet, den Fortbestand des Unternehmens nachhaltig zu sichern.



Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze des Klägers vom 12.05.2015 (Bl. 114 ff. d.A.) und 20.07.2015 (Bl. 184 ff. d.A.) sowie auf den Schriftsatz der Beklagten vom 30.06.2015 (Bl. 164 ff. d.A) Bezug genommen.



Entscheidungsgründe



A.



I. Die nach § 64 Abs. 2 Buchst. a) ArbGG zugelassene Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.



II. Die Berufung des Klägers hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Zahlungsklage abgewiesen, denn mit der Zahlung der Leistungszulage hat die Beklagte die Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohnes bezogen auf die Monate Januar und Februar 2015 anteilig erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB).



Bei der Anrechnung von Leistungen auf tariflich begründete Forderungen ist darauf abzustellen, ob die vom Arbeitgeber erbrachte Leistung ihrem Zweck nach diejenige Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgelten soll, die mit der tariflich begründeten Zahlung zu vergüten ist. Daher ist dem erkennbaren Zweck des tariflichen Mindestlohns, den der Arbeitnehmer als unmittelbare Leistung für die verrichtete Tätigkeit begehrt, der zu ermittelnde Zweck der jeweiligen Leistung des Arbeitgebers, die dieser aufgrund anderer (individual- oder kollektivrechtlicher) Regelungen erbracht hat, gegenüberzustellen. Besteht danach - ähnlich wie bei einem Günstigkeitsvergleich mit Sachgruppenbildung nach § 4 Abs. 3 TVG - eine funktionale Gleichwertigkeit der zu vergleichenden, ist die erbrachte Leistung auf den zu erfüllenden Anspruch.



Zur Beurteilung der "funktionalen Gleichwertigkeit" ist es erforderlich, die "Funktion" zu bestimmen, die die reale Leistung des Arbeitgebers hat, um sodann festzustellen, ob sie sich auf diejenige vom Arbeitnehmer geleistete oder zu leistende Arbeit bezieht, die nach dem durch eine Rechtsverordnung verbindlichen Tarifvertrag mit dem Mindestlohn abgegolten sein soll. Für diese Bestimmung der Funktion ist jedenfalls dann der subjektive Wille des Arbeitgebers nicht entscheidend, wenn die Leistung nach einer an anderer Stelle als in dem durch Rechtsverordnung verbindlichen Tarifvertrag getroffenen Regelung erfolgt und sich ihre Funktion aus dieser Regelung ergibt. Soweit die vom Arbeitgeber danach angewandte Regelung etwa die Arbeitsleistung als besonders schwierig oder als unter erschwerten Bedingungen geleistet ansieht und hierfür einen in den Entgeltabrechnungen gesondert ausgewiesenen "Zuschlag" an den Arbeitnehmer zahlt, ist dieser gleichwohl auf den Mindestentgeltanspruch anzurechnen, wenn der betreffende Mindestlohntarifvertrag diese Tätigkeit gerade nicht als zuschlagspflichtig ansieht, sondern sie als im Rahmen der mit dem Grundentgelt abzugeltenden "Normaltätigkeit" bewertet (BAG 16. April 2014 - 4 AZR 802/11 Rn. 39 f., zit. nach [...]). Diese - vom Bundesarbeitsgericht in Zusammenhang mit einem Mindestlohn nach einem Mindestlohntarifvertrag entwickelten - Grundsätze sind auf den gesetzlichen Mindestlohn aufgrund des MiLoG anwendbar, gegen die Übertragung dieser Grundsätze auf den Mindestlohn nach dem MiLoG sprechen nach Auffassung der Kammer keine Gesichtspunkte.



Danach ist die stundenbezogene sogenannte Leistungszulage als anrechenbarer Vergütungsbestandteil auf den Stundenlohn nach dem MiLoG zu bewerten. Denn es handelt sich nur der Bezeichnung nach um eine Leistungszulage, nicht dem Inhalt nach. In der Sache wurde diese Leistung nicht für besondere Leistungen gezahlt. Diese Folgerung ergibt sich nicht schon aus dem Umstand, dass diese Zulage während des langjährigen Bestands des Arbeitsverhältnisses immer an den Kläger gezahlt worden ist, denn es ist ja durchaus möglich, dass der Kläger immer auch überdurchschnittliche Leistungen erbracht hat. Umgekehrt spricht für das Vorliegen einer "echten" Leistungszulage, die besondere Leistung honorieren soll, auch nicht, dass manchen Arbeitnehmern diese nach dem Vorbringen des Klägers in der Vergangenheit nicht gezahlt worden ist. Hierbei handelt es sich um wenige Einzelfälle, die schon länger zurückliegen, mit denen die Beklagte nach dem Vortrag des Klägers Schlechtleistungen sanktionieren wollte.



War dies aber so, dann bleibt zum einen der Gesamtstundenlohn - einschließlich der Leistungszulage - das Entgelt für die "Normalleistung". Zum anderen lässt sich von einer Leistungszulage im funktionalen Sinne auch erst sprechen, wenn diese Zulage bei Erreichen bestimmter Qualitäts- und/oder Quantitätsvorgaben gezahlt werden muss. Darauf deutet zwar die Formulierung im Arbeitsvertrag hin, dass die Leistungszulage "bei Erreichen der qualitativen und quantitativen" Kennziffern zu zahlen sei. Tatsächlich wird vom Kläger aber nicht vorgetragen, dass das Arbeitsverhältnis in diesem Sinne gelebt wurde, dass also arbeitsgeberseitig Kennziffern für besondere Leistungen festgesetzt worden seien, die eine arbeitgeberseitige Nachvollziehbarkeit und Kontrolle der Leistungen in ihrer Eigenschaft als Leistungen über das Niveau einer "Normalleistung" möglich sein ließen.



Da also die sogenannte - in den letzten Monaten im Übrigen auch gar nicht mehr in den Abrechnungen gesondert ausgewiesene - Leistungszulage funktional als Entgelt für arbeitsstündlich erbrachte "Normalleistung" zu bewerten ist, kann die Beklagte damit ua. den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erfüllen. Vor diesem Hintergrund bedarf der beklagtenseits erhobene Einwand, wenn eine Leitungszulage gesondert geltend gemacht werde, dann müsse sie auf der Grundlage des arbeitsvertraglich vereinbarten Stundenlohns, nicht auf der Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns errechnet werden, keiner weiteren Vertiefung.



Die Berufung des Klägers ist daher unbegründet und zurückzuweisen.



B. Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.



I. Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt worden.



Die Berufung ist auch fristgerecht begründet worden. Zwar ist der Fristverlängerungsantrag der Beklagten vom 16.06.2015 (Bl. 142 d.A.), gerichtet auf die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist, aufgrund der Falschadressierung an das Arbeitsgericht Berlin und unter Nennung des arbeitsgerichtlichen Aktenzeichens erst am 17.06.2015 - und damit einen Tag zu spät - bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen. In seinem Wiedereinsetzungsantrag vom 30.06.2015, der die Frist des § 234 Abs. 1 S. 2 ZPO wahrt, schildert der Beklagtenvertreter jedoch einen Sachverhalt, nach dem nicht mehr von einem - der Beklagten nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbaren - Anwaltsverschulden auszugehen ist, indem er insbesondere die ansonsten zuverlässige Kanzleiangestellte L. ausdrücklich anwies, die erste Seite des Schriftsatzes vom 16.06.2015 an das LAG zu adressieren und auszutauschen. Der Vortrag ist durch eidesstattliche Versicherungen des Beklagtenvertreters und der Kanzleiangestellten L. ausreichend glaubhaft gemacht worden, so dass davon auszugehen ist, dass die Voraussetzungen für die Begründetheit des Wiedereinsetzungsantrag (§ 233 ZPO) vorliegen, so dass dem Wiedereinsetzungsantrag daher entsprochen wird. Zu Gunsten der Beklagtenseite ist auf ihren begründeten Antrag daher auch die Berufungsbegründungsfrist bis 30.06.2015 zu verlängern. Innerhalb der bis zum 30.06.2015 verlängerten Berufungsbegründungsfrist ist die Berufungsbegründungsfrist auch fristgerecht am 30.06.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen. - Die nur hilfsweise erhobene Anschlussberufung -19 Sa 1156/ 15 - fällt daher nicht zur Entscheidung an.



II. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Die streitgegenständliche Änderungskündigung ist gemäß § 2 KSchG iVm. § 1 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG rechtsunwirksam. Das Arbeitsgericht hat daher der Änderungsschutzklage in dem angegriffenen Urteil mit zutreffenden Gründen, auf die gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen wird, stattgegeben. Hierzu ist, vor allem in Hinblick auf die Ausführungen der Beklagten in der Berufungsinstanz, noch Folgendes zu ergänzen:



1. Die streitgegenständliche Kündigung ist nicht etwa deshalb schon unbegründet, weil es sich um eine sog. "überflüssige Änderungskündigung" handelt (vgl. dazu BAG 25. April 2013 - 2 AZR 960/11 - Rn. 29, zit. nach [...]). Der Beklagten war es zwar möglich, die - nur als solche bezeichnete - Leistungszulage auf den nach Stundenlohn bemessenen Mindestlohn anzurechnen (s.o., unter A). Aber jedenfalls in Hinblick auf das im Vertrag als Urlaubsvergütung bezeichnete zusätzliche Urlaubsgeld kann nicht ohne die durch die Änderungskündigung intendierte Vertragsänderung auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet werden.



Dass es bei der im Vertrag genannten "Urlaubsvergütung" um zusätzliches Urlaubsgeld handelt, das in Zusammenhang mit der jeweiligen Urlaubsgewährung auszuzahlen ist, steht zwischen den Parteien nicht im Streit, davon abgesehen stünde eine Urlaubsvergütung als solche grundsätzlich auch gar nicht zur Disposition der Parteien (vgl. § 13 Abs. 1 BurlG).



Die Funktion des zusätzlichen Urlaubsgelds liegt jedoch nicht in einer Vergütung der Normalleistung (dazu o., BAG 16. April 2014 - 4 AZR 802/11 Rn. 39 f., zit. nach [...]), sondern in der Kompensation von zusätzlichen Kosten, die dem Arbeitnehmern während der Erholung entstehen (Lakies, Mindestlohngesetz [2. Aufl.], § 1, Rn. 51; vgl. Kobierski ua. [3. Aufl.], AEntG, § 5 Rn. 16). Es liegt daher schon keine entbehrliche und daher schon insoweit unwirksame Änderungskündigung vor. Dass das zusätzliche Urlaubsgeld - auch - , wie die Bekl. einwendet, Vergütungscharakter hat (vgl. BAG 21. Januar 2014 - 9 AZR 134/12 - Rn. 13 f., 18 f., zit. nach [...]) ist eine Selbstverständlichkeit und steht dem nicht entgegen.



2. Zutreffender Prüfungsmaßstab für die Frage der Wirksamkeit der Änderungskündigung ist hier die Rechtsprechung des BAG zur Entgeltreduzierung (etwa BAG 29. November 2007 - 2 AZR 789/06 - Rn. 12 ff., zit. nach [...]).



Dem steht nicht schon die Erwägung der Beklagten entgegen, der Kläger erhalte auch bei Wirksamkeit der Änderungskündigung im Jahr 2015 absolut ein höheres Jahresgehalt als zuvor im Jahr 2014, nämlich 17.304,30 im Jahr 2015 statt 15.088,14 € im Jahr 2014, jeweils ohne Schichtzulage. Hierzu hat das Arbeitsgericht (S. 8 des angefochtenen Urteils, Bl. 95 d.A.) zum einen zutreffend ausgeführt, dass dies wegen der Fälligkeitszeitpunkte der Sonderleistungen ggf. nicht mehr der Fall ist bei nicht durchgängiger Beschäftigung im Jahr.



Davon abgesehen ist dieser Einwand zum anderen schon grundsätzlich nicht geeignet, die Anwendbarkeit der Grundsätze der Änderungskündigung zur Entgeltkürzung in Frage zu stellen. Das Mindestlohngesetz bezweckt den Schutz von Arbeitnehmern durch Festsetzung eines Mindestlohns je Zeitstunde (vgl. dazu die Gesetzesbegründung zum MiLoG, BT-Drucks. 18/1558, S. 27 f.). Die Bedingungen, unter denen der Unternehmer und Arbeitgeber zu wirtschaften hat, ändern sich dadurch generell durch eine staatliche Festlegung, wie sie auch in vielfacher anderer Weise erfolgen kann, ohne dass im Übrigen in die arbeitsvertraglichen Regelungen eingegriffen wird. Es kann daher für die Frage der Anwendbarkeit der Grundsätze für die Bewertung von Änderungskündigung zur Entgeltabsenkung nicht entscheidend darauf ankommen, dass die absolute Höhe der Jahresvergütung auch bei Wirksamkeit der Änderungskündigung höher ist als im Jahr vor der Einführung des Mindestlohns.



In diesem Sinne wird von der Kammer im Übrigen auch die Argumentation des Klägers aus der Berufungserwiderung (S. 2, Bl. 185 d.A.) gewürdigt, wenn der Kläger ausführt, selbst bei einer Änderungskündigung mit beanspruchter Geltung der Änderung ab 01.01.2015 wäre nicht die Jahresvergütung 2014 als Vergleich heranzuziehen, denn auch ohne Änderungskündigung würde sich die Vergütung aufgrund gesetzlicher Vorgabe mit dem Mindestlohn ändern.



3. Aus der Gesetzgebungsgeschichte kann die Beklagte keine für sie günstige Argumentation herleiten. Zutreffend ist, dass der Bundesrat zwar ausdrücklich in seiner Stellungnahme (BT-Drucks. 18/1558, S. 61) darauf gedrungen hat, dass klargestellt werden möge, dass einmal jährlich und nicht monatlich verstetigte zusätzlich gezahlte Vergütungen, wie zum Beispiel Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld (...), nicht auf den Mindestlohn anzurechnen seien.



Wenn die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung (BT-Drucks. 18/1558, S. 67) sodann unter Hinweis auf die Entscheidung Europäischen Gerichtshofs vom 14.04.2005 (C-341/02 - Kommission/Deutschland) mitteilt, sie halte es für geklärt, dass Leistungen wie Weihnachtsgeld oder ein zusätzliches Urlaubsgeld nur dann als Bestandteil des Mindestlohns gewertet werden könnten, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer den auf die Entsendezeit entfallenden anteiligen Betrag jeweils zu dem für den Mindestlohn maßgeblichen Fälligkeitszeitdatum tatsächlich und unwiderruflich erhalte, dann sieht sie damit zwar von einer eigenen umfassenden Regelung dieser Problematik ab. Dass die Bundesregierung damit aber im Sinne der Beklagten zugleich deutlich gemacht habe, dass eine Anrechnung ohne weiteres möglich sei, kommt darin aber nicht zum Ausdruck. Denn immerhin bezieht die Bundesregierung sich gerade auf die vom Europäischen Gerichtshof im Zusammenhang mit dem Entsendegesetz formulierten Voraussetzungen, unter denen eine Anrechnung nur eingeschränkt möglich sein soll.



4. Die Berufungskammer folgt der Bewertung des Arbeitsgerichts, wonach die Voraussetzungen einer wirksamen Änderungskündigung zum Zwecke der Entgeltabsenkung nicht dargelegt sind.



Der Beklagten ist zwar darin zuzustimmen, dass ein Gewinnerwartung für das Jahr 2015 - bei Verzicht auf eine Änderungskündigung - von nur ca. 17.500 € für die gegebene Betriebsgröße minimal wäre und dass ein Unternehmer auch nicht zum ruinösen Wirtschaften gezwungen werden kann und soll (vgl. BAG 27. September 2001 - 2 AZR 236/00 - Rn. 63, zit. nach [...]). Allerdings ist bei der Frage der Zumutbarkeit des Festhaltens an den bisherigen Vertragsbedingungen auch der Aspekt der Dauer und Nachhaltigkeit nicht außer Acht zu lassen (vgl. BAG 29. November 2007 - 2 AZR 789/06 - Rn. 28, zit. nach [...]). Derzeit erwartet die Beklagte für 2015 im Grunde immerhin noch eine "schwarze Null". Der Mindestlohn gilt aber grundsätzlich für alle in Deutschland tätigen Betriebe. Es erscheint nicht hinreichend deutlich, dass es vor dem Hintergrund der sich für alle Mitwerber der Beklagten in Deutschland insoweit geänderten Bedingungen für sie auf Dauer nicht möglich sein könnte, höhere Preise zu erzielen. Von den von der Beklagten in der Anlage B5 (Bl. 69 ff. d.A.) vorgelegten Rahmenaufträge haben einige Verträge eine Laufzeit bis in das Jahr 2015 hinein (mit der Firma C. bis Juni 2015 - Bl. 69 f. d.A. -; mit der Firma K. ebenfalls bis Juni 2015 - Bl. 71 f. d.A. - ; mit der Firma L. bis April 2015 - Bl. 73 f.), während andere Verträge einer längere Laufzeit haben. Die Möglichkeit als solche, vor dem Hintergrund auslaufender Rahmenverträge unter gesetzlich geänderten Rahmenbedingungen - nämlich der Geltung des Mindestlohns - teilweise neu zu verhandeln, erscheint daher zumindest nicht ausgeschlossen.



Auf möglicherweise weniger einschneidende Eingriffe in das Vertragsgefüge wurde vom Arbeitsgericht auch schon hingewiesen (S. 9 des Urteils, Bl. 96 d.A.; in Übereinstimmung mit BAG 29. November 2007 - 2 AZR 789/06 - Rn. 28, zit. nach [...]).



Außerdem erscheint die von der Beklagten angenommene Mehrbelastung aufgrund der Einführung des Mindestlohns nicht ganz so hoch, wie von ihr in dem sie am stärksten belastenden Szenario, dem "Fall B" (Anl. B4, Bl. 51 d.A.) angenommen wird, welches wohl Grundlage für die angegebene Gewinnerwartungen von ca. 17.500 € im Jahr 2015 ist. Nach dem unter A. dieses Urteils Ausgeführten ist die sog. Leistungszulage anrechenbar auf den Mindestlohn. Die Rechnung im "Fall B" berücksichtigt aber einen Stundenlohn von 8,50 € zuzüglich der sog. Leistungszulage und kommt damit auf einen Gesamtstundenlohn von 8,93 €, die die Beklagte der Berechnung des Jahreslohns zu Grunde legt (zB. hins. des Arbeitnehmers mit der lfd. Nr. 1: 8,93 € Grundlohn x 2035,8 Jahresstunden = 18.179,69 Jahresbrutto; Bl. 51 d.A.). Damit wären die Lohnkosten aber teilweise zu hoch angesetzt.



Unabhängig davon - und ohne dass durch die Kammer tragend hierauf abstellt wird - wird in Hinblick auf die Fälligkeitsregelung in § 2 Abs. 1 MiLoG vertreten, dass eine Einmalzahlung ggf. zu je einem Zwölftel auf die November- und/oder Dezembervergütung angerechnet werden kann (vgl. Lakies, Mindestlohngesetz [2. Aufl.], § 1, Rn. 50). Sollte sich diese Auffassung durchsetzen, könnte ggf. die von der Beklagten durch die Zahlung des Mindestlohns angenommene Mehrbelastung noch in einem geringeren Umfang ausfallen.



5. Soweit die Beklagte noch auf die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu sprechen kommt, verhält es sich so, dass das Kündigungsrecht gegenüber der Vertragsanpassung nach § 313 BGB lex specialis ist, was aber nicht bedeutet, dass das Tatbestände, die für eine Störung oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage herangezogen werden könnten, in kündigungsrechtlicher Hinsicht außer Betracht bleiben müssten; derartige Sachverhalte sind im Rahmen der §§ 2, 1 KSchG zu würdigen (BAG 8. Oktober 2009 - 2 AZR 235/08 - Rn. 32, zit. nach [...]).



Aber auch dieser Aspekt der veränderten Bedingungen führt zu keiner anderen Bewertung. Es mag sein, dass die Beklagte eine Sonderzahlung und ein zusätzliches Urlaubsentgelt nicht vereinbart hätten, wenn sie um die Einführung des Mindestlohns in der nunmehr festgesetzten Höhe gewusst hätten. Auch vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die Beklagte sich an dem abgeschlossenen Vertrag in zumutbarer Weise festhalten lassen muss. Für eine fehlende Kündigungsmöglichkeit und damit auch gegen eine Anpassungsmöglichkeit, spricht jedoch hier, wie oben schon ausgeführt, dass derzeit nicht deutlich ist, dass die Beklagte dauerhaft und nachhaltig in einer Weise belastet ist, dass ihr ein Festhalten an den bisherigen Vertragsbedingungen nicht mehr zumutbar ist.



Nach allem ist daher auch die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.



C. Der Parteien haben gem. §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.



D. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 72 Abs. 2 ArbGG). Eine divergierende Entscheidung eines anderen Obergerichts in einer vergleichbaren Sache ist nicht bekannt. Eine grundsätzliche Bedeutung nahm die Kammer nicht an, da die in Bezug auf die Anrechnung der Leistungszulage auf einen Mindestlohn angewandten Grundsätze sowie ebenfalls die zur Frage der Änderungskündigung wegen Entgeltabsenkung angewandten Grundsätze geklärt sind.

Verkündet am 11. August 2015

Vorschriften§ 2 KSchG, §§ 1,2 MindestlohngesetzVorschriften§§ 1, 2 KSchG, § 69 Abs. 2 ArbGG, § 2 Abs. 1 MiLoG, § 64 Abs. 2 Buchst. a) ArbGG, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO, § 362 Abs. 1 BGB, § 4 Abs. 3 TVG, § 64 Abs. 2 ArbGG, § 234 Abs. 1 S. 2 ZPO, § 85 Abs. 2 ZPO, § 233 ZPO, § 2 KSchG, § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG, § 313 BGB, §§ 2, 1 KSchG, §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 ArbGG

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