10.11.2015 · IWW-Abrufnummer 180662
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 15.07.2015 – 4 Sa 598/14
Tenor:
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25.9.2014, Az.: 2 Ca 909/14, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung geleisteter Ausbildungsvergütung.
Die Parteien schlossen unter dem 06.07.2010 einen "Ausbildungsvertrag", der u. a. folgende Bestimmungen enthält:
Ebenfalls am 06.07.2010 unterzeichnete der Beklagte folgende Erklärung:
Ferner - ebenfalls unter dem Datum vom 06.07.2010 - unterzeichnete der Kläger auch eine (formularmäßige) Verpflichtungserklärung zur Rückzahlung von Ausbildungsvergütung. Hinsichtlich deren Inhalts wird auf Bl. 7 d. A. Bezug genommen.
Der Tarifvertrag zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Nachwuchskräfte der A. (TVN-BA) enthält - soweit vorliegend von Interesse - folgende Bestimmungen:
Dem Beklagten wurde seitens der Klägerin noch vor dem Bestehen seiner Bachelorprüfung am 30.07.2013 mitgeteilt, dass er dem Jobcenter M. zugeordnet werde. Der Beklagte lehnte jedoch einen Einsatz in M. ab. Auf Einladung des dortigen Jobcenters stellte er sich zwar am 14.06.2013 dort noch vor, gab aber zu Gesprächsbeginn bereits an, seine Arbeit dort definitiv niemals aufzunehmen.
Mit ihrer am 03.03.2014 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin den Beklagten auf Erstattung bzw. Rückzahlung von Ausbildungskosten in Höhe von 22.050,00 € in Anspruch genommen.
Die Klägerin hat beantragt,
Der Beklagte hat beantragt,
Der Beklagte hat u. a. vorgetragen, im Rahmen eines sog. Bewerbertages am 24.03.2010 in den Räumen der Agentur für Arbeit in M. sei ihm zwar bereits eröffnet worden, dass er sich verpflichten müsse, innerhalb des Bundesgebietes uneingeschränkt versetzungsbereit zu sein, wobei es sich bei dieser Verpflichtung allerdings um eine bloße Formalie handele. Tatsächlich - so sei ihm erklärt worden - bestünde im Bereich der Agentur für Arbeit Ma. ein ausreichender Bedarf für seinen Einsatz. Er habe daraufhin erklärt, dass er an seinem Heimatort in einer festen Beziehung lebe und seine Partnerin nicht in der Lage sei, sich räumlich zu verändern. Weiterhin habe er geltend gemacht, dass seine zwischenzeitlich betagten Eltern auf seine Betreuung und Unterstützung angewiesen seien und er sich daher nicht in der Lage sehe, einer uneingeschränkten Versetzung Folge zu leisten. Daraufhin sei ihm - nochmals - ausdrücklich erklärt worden, dass er zwar die Vereinbarung zur Versetzungsbereitschaft unterzeichnen müsse, sich jedoch darauf verlassen könne, dass aus dieser Erklärung keine Rechte hergeleitet würden, da "vor Ort" ein dringender Arbeitskräftebedarf bestehe. An dem betreffenden Gespräch hätten Frau Strack, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit M., Frau Eva Hommen, eine pädagogische Fachkraft, Frau Gelasia Ordung, Gleichstellungsbeauftragte, und Herr Fischer, Psychologe, teilgenommen. Am Tag der Unterzeichnung der Verträge und Erklärungen vom 06.07.2010 sei ihm von Frau Hommen nochmals bestätigt worden, dass in absehbarer Zeit drei Stellen in Ma. frei würden, die er besetzen könne. Mit Rücksicht darauf sei nochmals betont worden, dass es sich bei der Erklärung zur Versetzungsbereitschaft um eine reine Formalie handele. Eine diesbezügliche Erklärung sei nachfolgend auch im Rahmen eines Vorpraktikums, welches er in der Zeit vom 16.08. bis zum 27.08.2010 absolviert habe, seitens der Klägerin von einem Bereichsleiter und einer Teamleiterin in einem persönlichen Gespräch wiederholt worden.
Von einer weitergehenden Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25.09.2014 (Bl. 80-85 d. A.).
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 25.09.2014 stattgegeben. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 7 bis 16 dieses Urteils (= Bl. 85-94 d. A.) verwiesen.
Gegen das ihm am 07.10.2014 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 07.11.2014 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihm mit Beschluss vom 09.12.2014 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 08.01.2015 begründet.
Der Beklagte macht im Wesentlichen geltend, im Hinblick auf die wiederholten Erklärungen seitens der Klägerin, dass es sich bei der Unterzeichnung der Erklärung zur Versetzungsbereitschaft um eine bloße Formalie handele und er im Bereich der Agentur für Arbeit K.-Ma. eingesetzt werden könne, sei es der Klägerin verwehrt, den streitgegenständlichen Rückforderungsanspruch geltend zu machen. Soweit sich das erstinstanzliche Urteil mit der Bedeutung des Begriffs "Formalie" auseinandersetze, sei übersehen worden, dass der Begriff stets unter Hinzufügung des Adjektivs "blo ß" verwendet worden sei. Die Verwendung des Begriffs "bloße Formalie" bedeute nicht, dass etwas "formal" zu behandeln sei, sondern bringe eindeutig zum Ausdruck, dass die unterzeichnete Erklärung unverbindlich sei. Eine "bloße Formalie" sei allgemein sprachlich dahingehend zu verstehen, dass zwar eine Form im Sinne einer Formalität eingehalten werde, dies jedoch nur, um der Formalität willen, nicht hingegen in dem Sinne, dass die formal abgegebene Erklärung beachtlich und bindend sei. Er - der Beklagte - habe erstinstanzlich ausdrücklich und substantiiert dargetan, welche Personen, bei welcher Gelegenheit welche Erklärungen abgegeben hätten. Diesen Erklärungen sei gemeinsam gewesen, dass das für ihn als entscheidend für seine Verpflichtungserklärung gekennzeichnete Interesse "heimatnah" eingesetzt zu werden, respektiert werde. Das Arbeitsgericht habe versäumt, über seinen diesbezüglichen Sachvortrag Beweis zu erheben. Soweit das Arbeitsgericht von einer solchen Beweisaufnahme (auch) mit dem Hinweis abgesehen habe, dass die auf Seiten der Klägerin handelnden Personen nicht befugt gewesen seien, bindende Erklärungen abzugeben, so sei dies für ihn - den Beklagten - seinerzeit nicht erkennbar gewesen.
Zur Darstellung aller Einzelheiten des Berufungsvorbringens des Beklagten wird auf dessen Berufungsbegründungsschrift vom 08.01.2015 (Bl. 133-136 d. A.) Bezug genommen.
Der Beklagte beantragt,
Die Klägerin beantragt,
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 20.03.2015 (Bl. 159-162 d. A.), auf die Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe
I. Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das somit insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat vielmehr sowohl im Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begründung der Klage stattgegeben.
II. Die Klage ist begründet.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten Anspruch auf Zahlung von 22.050,00 € gemäß § 30 TVN-BA. Das Berufungsgericht folgt den sehr ausführlichen und sorgfältig dargestellten Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils und stellt dies gem äß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Von der Darstellung eigener Entscheidungsgründe wird daher abgesehen. Das Berufungsvorbringen des Klägers bietet lediglich Anlass zu folgenden Ergänzungen:
Der Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dem Zahlungsanspruch der Klägerin stehe der Umstand entgegen, dass ihm im Rahmen des sog. Bewerbertages am 24.03.2010 erklärt worden sei, bei der Unterzeichnung einer Erklärung, nach deren Inhalt er sich verpflichtete, sich im Anschluss an seine Ausbildung bundesweit einsetzen zulassen, handele es sich um eine bloße Formalie, da er im Hinblick auf einen im Bereich der Agentur für Arbeit Ma. bestehenden Personalbedarf heimatnah eingesetzt werden könne und er sich deshalb darauf verlassen könne, dass aus seiner Verpflichtungserklärung keine Recht hergeleitet würden. Der Beklagte hat nicht ausreichend substantiiert dargetan und unter Beweis gestellt, dass ihm gegenüber seitens eines insoweit vertretungsberechtigten Mitarbeiters der Klägerin beim Bewerbertag eine solche Erklärung abgegeben wurde. Zwar hat der Beklagte vorgetragen, eine diesbezügliche Erklärung sei getätigt worden. Er hat indessen nicht dargetan, welche (konkrete) Person die betreffende Erklärung abgegeben hat. Unter Zugrundelegung seines Vorbringens haben an dem Bewerbertag auf Seiten der Klägerin vier Personen teilgenommen, von denen eine oder mehrere ihm gegenüber verlautbart haben sollen, die Verpflichtung zum bundesweiten Einsatz sei eine bloße Formalie. Aus diesem Vorbringen lässt sich nicht entnehmen, welcher oder welche Mitarbeiter der Klägerin seinerzeit eine solche Aussage getätigt haben. Auf den diesbezüglichen Hinweis des Gerichts in der Berufungsverhandlung hat sich der Beklagte dahingehend eingelassen, dass er dies nicht mehr wisse. Sein Antrag auf Vernehmung der vier Mitarbeiter, die seitens der Klägerin am Bewerbertag teilgenommen habe, stellt sich somit als unzulässiger Ausforschungsbeweisantrag dar, da es an der Bestimmtheit der zu beweisenden Tatsachen fehlt und durch die beantragte Beweiserhebung erst die Grundlagen für einen substantiierten Tatsachenvortrag gewonnen werden könnten (vgl. BAG v. 15.12.1999 - 5 AZR 566/98 - AP Nr. 9 zu § 84 HGB; LAG Rheinland-Pfalz v. 11.03.2015 - 4 Sa 115/14 - zitiert nach [...]). In diesem Zusammenhang ist vorliegend insbesondere zu berücksichtigen, dass sich erst aus einem diesbezüglich konkreten Sachvortrag des Beklagten hätte ergeben können, dass die von ihm behauptete Erklärung von einer Person abgegeben wurde, die insoweit auf Seiten der Klägerin vertretungsberechtigt war bzw. deren Erklärung man der Klägerin in sonstiger vertretungsrechtlicher Hinsicht - etwa nach den Grundsätzen der Anscheins- oder Duldungsvollmacht - zuordnen könnte. Der Beklagte hat auch ansonsten keinerlei Umstände vorgetragen, die dafür sprechen könnten, dass, jedenfalls aus einer Sicht, eine (welche?) der seinerzeit auf Seiten der Klägerin agierenden Personen befugt war, rechtlich bindende Erklärungen abzugeben. Zur Substantiierung seines Sachvortrages war der Beklagte letztlich auch insbesondere deshalb gehalten, weil die Beklagte bereits erstinstanzlich schriftliche Erklärungen sämtlicher an dem Bewerbertag teilnehmenden Mitarbeiter vorgelegt und auf diese Bezug genommen hat, in denen die Abgabe der vom Beklagten behaupteten Erklärung jeweils eingehend in Abrede gestellt wurde.
Soweit der Kläger vorgetragen hat, am Tag der Unterzeichnung des Ausbildungsvertrages und der Erklärungen vom 06.07.2010 sei ihm seitens der pädagogischen Fachkraft Hommen nochmals bestätig worden, er könne heimatnah eingesetzt werden und bei der Erklärung bezüglich der bundesweiten Einsatzbereitschaft handele es sich um eine reine Formalie, so kann er hieraus ebenfalls keine Rechte herleiten. Es bestehen nämlich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die pädagogische Fachkraft Hommen auf Seiten der Klägerin vertretungsberechtigt, d. h. zur Abgaben rechtlich bindender Erklärungen befugt war oder dass der Beklagte in Ansehung bestimmter Umstände zumindest davon hätte ausgehen konnte.
Entsprechendes gilt hinsichtlich der vom Beklagten behaupteten Äußerungen zweier Mitarbeiter der Klägerin im Rahmen eines im Zeitraum vom 16.08. bis 27.08.2010 durchgeführten Vorpraktikums, wobei diese Äußerungen ohnehin bereits deshalb keine Auswirkungen auf die Rechtsfolgen der Verpflichtungserklärung haben können, da sie erst nach Vertragsschluss getätigt wurden und keinerlei rechtliche Gesichtspunkte ersichtlich sind, dass etwaige nachträgliche Äußerungen von Mitarbeitern der Klägerin Auswirkungen auf das (Fort-)Bestehen der bereits getroffenen vertraglichen Vereinbarungen haben könnten.
Ansonsten ist den in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils nichts hinzuzufügen.
III. Die Berufung des Beklagten war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.
Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72a ArbGG), wird hingewiesen.