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03.11.2015 · IWW-Abrufnummer 145692

Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 30.04.2015 – 12 K 2582/12

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Baden-Württemberg

Urt. v. 30.04.2015

Az.: 12 K 2582/12

In dem Finanzrechtsstreit
XXX
gegen
XXX
wegen Umsatzsteuer für 2009 und 2010
hat der 12. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg
in der Sitzung vom 30. April 2015
gemäß § 79a Abs. 3, 4 der Finanzgerichtsordnung durch den Berichterstatter
Richter am Finanzgericht
für Recht erkannt:
Tenor:

1.

Die Bescheide über Umsatzsteuer für das Kalenderjahr 2009 vom 22. Februar 2011 in der Gestalt des Bescheids vom 14. März 2011 und für das Kalenderjahr 2010 vom 22. September 2011 - jeweils in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Juli 2012 werden mit der Maßgabe geändert, dass die Einnahmen einschließlich der Umsatzsteuer für das Kalenderjahr 2009 um 2.017,00 Euro und für das Kalenderjahr 2010 um 3.368,70 Euro gemindert werden und der Beklagte die danach festzusetzende Umsatzsteuer zu berechnen hat. Der Beklagte hat den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mitzuteilen; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.
2.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3.

Die Revision wird nicht zugelassen.
4.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistands für das Vorverfahren war notwendig.
5.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner kann der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung in Höhe des durch Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Erstattungsbetrags Sicherheit leistet. Ist durch Kostenfestsetzungsbeschluss ein Erstattungsbetrag von insgesamt mehr als 1.500 Euro festgesetzt, hat der Gläubiger in Höhe des durch Kostenfestsetzungsbeschluss insgesamt festgesetzten Erstattungsbetrags Sicherheit zu leisten.

Tatbestand

Streitig ist für die Kalenderjahre 2009 und 2010 (Streitjahre),

- ob der Kläger mit Tanzkursen zugleich sportliche Veranstaltungen im Sinne von § 4 Nr. 22 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) durchführt oder

- ob die Tanzkurse nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG wenigstens dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.

Der Kläger ist in das Vereinsregister des Amtsgerichts X eingetragen. Der Beklagte hat den Kläger mit Freistellungsbescheiden vom 18. Februar 2011 und vom 21. September 2011 für die Streitjahre als gemeinnützig im Sinne der §§ 51 ff. der Abgabenordnung (AO) anerkannt.

Der Kläger betreibt auch eine Abteilung "Tanzen". Diese trat im Mai 2011 dem Tanzsportverband Baden-Württemberg als Mitglied bei. Die Abteilung bietet ihren Mitgliedern, aber auch Dritten in der örtlichen Gemeindehalle Kurse an "für alle, die

- mit Tanzen anfangen,

- Kenntnisse auffrischen,

- neue Figuren lernen,

- regelmäßig das Tanzbein schwingen wollen",

und zwar "unter Anleitung engagierter Tanz-Trainer ... in zwei Kursen (Fortgeschrittene, geübte Fortgeschrittene) die üblichen Standard- und Lateinamerikanischen Tänze sowie Discofox"(1).

Bei Wettbewerben oder Meisterschaften, die zu den einzelnen Tänzen angeboten werden, treten weder seine Mitglieder noch die anderen Teilnehmer der Kurse an. Tanzlehrerinnen oder Tanzlehrer, die mit Erfolg etwa

- eine der von dem ADTV "anerkannten Ausbildungsschulen" besucht und die "Abschlussprüfung" bestanden hätten, die "zum eigenständigen Unterricht als qualifizierte/-r ADTV-Tanzlehrer/-in" berechtigen würde(2), oder

- die Ausbildung der "Deutsche(n) Tanzlehrer- & HipHop-Tanzlehrer Organisation (DTHO)" zum "DTHO Tanzlehrer"(3) bewältigt hätten,

beschäftigte der Kläger in den Streitjahren allerdings nicht. In den Streitjahren fanden die Kurse sonntags statt. Mit diesen Kursen vereinnahmte der Kläger:
im Streitjahr insgesamt
2009 2.017,00 Euro
2010 3.368,70 Euro

Diese Beträge unterwarf der Kläger in seinen Steueranmeldungen für die Streitjahre lediglich dem ermäßigten Steuersatz - ggf. von Rundungsunterschieden abgesehen - wie folgt:
im Streitjahr hierauf 7 % Summe
2009 1.885,05 Euro 131,95 Euro 2.017,00 Euro
2010 3.148,32 Euro 220,38 Euro 3.368,70 Euro

Mit Bescheiden vom 22. Februar und vom 22. September 2011 (für 2009 bzw. 2010) vertrat der Beklagte jedoch die Ansicht, die Steuer auf die Einnahmen aus den Tanzkursen des Klägers sei mit dem Regelsteuersatz zu errechnen.

Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein.

Diesen wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 6. Juli 2012 als unbegründet zurück. Dabei ging er davon aus, dass

- die Kurse jeweils einen Umfang von insgesamt 15 Stunden gehabt hätten und

- die Mitglieder des Klägers für die Teilnahme an einem Kurs (über ihren allgemeinen Mitgliedsbeitrag hinaus) einen Betrag von 30 Euro zu entrichten hatten,

- Dritte hingegen einen Betrag in Höhe von 50 Euro.

Sodann führte er im Anschluss an das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. April 2006 V R 53/04 (Bundessteuerblatt [BStBl] II 2007, 16) aus, die streitigen Leistungen des Klägers seien weder als Sportunterricht im Sinne von § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG steuerfrei noch im Sinne von § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG im Rahmen eines Zweckbetriebes ausgeführt. Der Kläger habe seine Leistungen insoweit vielmehr im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 UStG) erbracht.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage.

Der Kläger beantragt,

die Bescheide über Umsatzsteuer für das Kalenderjahr 2009 vom 22. Februar 2011 in der Gestalt des Bescheids vom 14. März 2011 und für das Kalenderjahr 2010 vom 22. September 2011 - jeweils in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Juli 2012 - zu ändern und die Einnahmen aus "Tanzkurs" für 2009 in Höhe von 1.885,00 Euro zuzüglich 132,00 Euro und für 2010 in Höhe von 3.148,32 Euro zuzüglich 220,38 Euro als steuerfrei zu behandeln.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Berichterstatter hat den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten am 17. April 2015 erörtert.
Entscheidungsgründe

1. Der Berichterstatter entscheidet jeweils im Einverständnis mit den Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung und gemäß § 79a Abs. 3, 4 FGO anstelle des Senats.

2. Die Klage ist begründet.

Nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG sind steuerfrei die Vorträge, Kurse und anderen Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art, die etwa von Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken dienen, durchgeführt werden, wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden. Dies gilt auch für andere kulturelle und sportliche Veranstaltungen, die von den in § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG genannten Unternehmern durchgeführt werden, soweit das Entgelt in Teilnehmergebühren besteht (§ 4 Nr. 22 Buchst. b UStG).

Danach sind die streitigen Tanzkurse steuerfrei:

a) Zunächst ist im Streitfall ganz offenkundig, dass der Kläger zu den in § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG genannten Unternehmern gehört.

b) Sodann führt der Kläger mit den streitigen Tanzkurse jedenfalls sportliche Veranstaltungen im Sinne von § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG durch.

Die sportlichen Veranstaltungen im Sinne von § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG umfassen alle organisatorische Maßnahmen eines Sportvereins, die es aktiven Sportlern ermöglichen, Sport zu treiben, wobei eine bestimmte Organisationsform oder -struktur nicht vorgegeben ist. Nicht steuerfrei ist allerdings die bloße Nutzungsüberlassung von Sportgegenständen oder Sportanlagen (BFH-Urteil vom 20. März 2014, V R 4/13, BFH/NV 2014, 1470, unter II. 2. a).

Das Tatbestandsmerkmal der sportlichen Veranstaltungen im Sinne von § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG bezieht sich auf Sport und Körperertüchtigung im Allgemeinen. Es beschränkt sich nicht auf bestimmte Arten von Sport. Es setzt auch nicht voraus, dass die sportliche Betätigung auf einem bestimmten Niveau, beispielsweise auf professionellem Niveau, oder in einer bestimmten Art und Weise, nämlich regelmäßig oder organisiert oder mit dem Ziel der Teilnahme an sportlichen Wettkämpfen, ausgeübt wird, soweit die Ausübung dieser Tätigkeit indessen nicht rein im Rahmen von Erholung oder Unterhaltung stattfindet. Das Tatbestandsmerkmal erfasst vielmehr alle in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die von Einrichtungen, die - wie im Streitfall der Kläger - gemeinnützigen Zwecken dienen, an Personen erbracht werden, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben. Mithin können auch nicht organisierte und nicht planmäßige sportliche Betätigungen, die nicht auf die Teilnahme an Sportwettkämpfen abzielen, als Ausübung von Sport im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union [EuGH] vom 21. Februar 2013, C-18/12, Deutsches Steuerrecht [DStR] 2013, 407, bei Rdnrn. 21 ff., zu Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2006/112/EG des Rates [der Europäischen Union] vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem [Mehrwertsteuerrichtlinie]).

Im Streitfall entnimmt der Berichterstatter den vorgelegten Schriftsätzen ebenso wie den Angaben, die der Kläger auf seiner Internetseite - www.....de (zuletzt eingesehen am 20. April 2015) - macht, dass die Teilnehmer der Tanzkurse die genannten Tänze ("die üblichen Standard- und Lateinamerikanischen Tänze") mit ihrer jeweiligen Abfolge an Schritten, Figuren und Gleichgewichtslagen und der damit verbundenen Abfolge an Anspannung oder Entspannung der jeweiligen Bereiche ihrer Muskulatur erlernen und einüben, verbessern oder ihre Fähigkeiten je nach ihrem Alter wenigstens erhalten oder den Abbau dieser Fähigkeiten verlangsamen wollen und auch sollen. Dass damit auch Erholung oder Unterhaltung stattfindet, ist eher eine Nebenfolge, die sich auch im auf Wettkämpfe ausgerichteten (Leistungs-)Sport beobachten und erfahren lässt. Es kennzeichnet mithin nicht nur den sog. Breitensport, der aber ebenfalls bereits als "Sport" im Sinne von § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG anzusehen ist (vgl. EuGH-Urteil vom 21. Februar 2013, C-18/12, DStR 2013, 407, bei Rdnr. 23, zu Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der Mehrwertsteuerrichtlinie).

Damit sind die streitigen Tanzkurse auch nicht bloß als bestimmte in "engem" Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen anzusehen (vgl. Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der Mehrwertsteuerrichtlinie; vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 9. August 2007 V R 27/04, BFH/NV 2007, 2213, unter II. 3. a, bb, m. w. Nachw. und mit dem Hinweis, dass die Vorschrift des § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG die gemeinschaftsrechtlichen Befreiungsbestimmungen des Art. 13 Teil A Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG [Richtlinie 77 / 388 / EWG] ersichtlich nicht umsetzt, sondern an die "sportliche Veranstaltung" im Sinne von § 67a AO anknüpft).

3. Hinsichtlich der Berechnung der festzusetzenden Umsatzsteuer ist das Gericht gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2, 3 FGO verfahren.

4. Der Beklagte trägt gemäß § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens.

5. Die die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistands für das Vorverfahren war im Streitfall im Sinne von § 139 Abs. 2 Satz 3 FGO notwendig.

6. Die Revision ist im Streitfall auch mit Blick auf das Urteil des BFH vom 27. April 2006, V R 53/04 (BStBl II 2007, 16) nicht zuzulassen, da der Berichterstatter in dem vorliegenden Verfahren dem Urteil des BFH vom 20. März 2014, V R 4/13 (BFH/NV 2014, 1470) folgt.

7. Das Urteil ist gemäß § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO) in Verbindung mit § 151 Abs. 1, 3 FGO vorläufig vollstreckbar. Die Entscheidung über die Sicherheitsleistung beruht auf § 711 ZPO, soweit diese Vorschrift nach § 151 FGO anwendbar ist (dazu näher Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Senate in Stuttgart, vom 26. Februar 1991 4 K 23/90, Entscheidungen der Finanzgerichte 1991, 338, vom BFH aus anderen Gründen aufgehoben mit Urteil vom 17. Dezember 1991 VII R 36/91, BFH/NV 1992, 569).

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