23.10.2015 · IWW-Abrufnummer 180339
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 23.06.2015 – 2 Sa 387/14
Krankenpfleger in einer psychiatrischen Einrichtung des Diakonischen Werks sind entsprechend den Richtbeispielen zu den Entgeltgruppen in die Entgeltgruppe 8 AVR-DD eingruppiert.
In dem Rechtsstreit
pp.
hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 23.06.2015 durch die Präsidentin des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzende und den ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und die ehrenamtliche Richterin ... als Beisitzerin
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufungen der Klägerin und des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 30.10.2014 - 4 Ca 742 a/14 - werden zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung tragen die Klägerin zu 62 % und der Beklagte zu 38 %.
Die Revision wird für den Beklagten zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Eingruppierung und Nachzahlung von Vergütungsbestandteilen.
Die Klägerin ist am ... 1965 geboren. Bei dem Beklagten ist sie seit dem 26.08.1987 als Gesundheits- und Krankenpflegerin, seit 2007 in Teilzeit mit 50 % einer Vollzeitarbeitsstelle, tätig. Der Beklagte betreibt in R. ein psychiatrisches Zentrum, in dem die Klägerin eingesetzt ist. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme die Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) des Diakonischen Werkes der evangelischen Kirche in Deutschland (Jetzt: Diakonie Deutschland, Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung - EWDE) in der jeweiligen Fassung Anwendung. Die Klägerin wird derzeit vergütet nach Entgeltgruppe 7.
In § 12 AVR heißt es:
In der Anlage 1 (Eingruppierungskatalog) heißt es:
Die entsprechenden Anmerkungen zu den Entgeltgruppen lauten unter anderem:
§ 45 AVR lautet:
Mit Beschluss vom 21.10.2013 hat der Schlichtungsausschuss der arbeitsrechtlichen Kommission des diakonischen Werkes die Anlage 1B zum Eingruppierungskatalog hinsichtlich der Entgeltgruppe 8 mit Wirkung ab dem 01.11.2013 wie folgt geändert (Bekanntgabe mit Schreiben vom 24.10.2013, Anl. B1, Bl. 64 d.A.):
Mit Schreiben vom 03.12.2012 (Bl. 250 d.A.) hat die Klägerin Eingruppierung in Entgeltgruppe 8 gefordert. Mit der am 19.06.2014 erhobenen Klage hat sie dieses Ziel weiterverfolgt.
Die Klägerin hat sich auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts bezogen. Sie hat vorgetragen, die Mitarbeitervertretung habe erstmals mit Schreiben vom 05.06.2008 für alle Mitarbeiterinnen und damit auch für sie, eine entsprechende Eingruppierung geltend gemacht. Sie habe jedenfalls mit Schreiben vom 30.11.2012 (Bl. 47) ihre Ansprüche geltend gemacht. Sie behauptet eine monatliche Differenz in Höhe von zuletzt 147,63 € brutto.
Die Klägerin hat beantragt,
Der Beklagte hat beantragt,
Er hat einen Anspruch geleugnet und vorgetragen, mit der Änderung des Richtbeispiels mit Wirkung zum 31.10.2013 sei die bisherige Rechtslage klargestellt. Eine Eingruppierung in Entgeltgruppe 8 erfolge nur, wenn fachspezifische Tätigkeiten übertragen wurden. Die Erfordernisse eines Tätigkeitsmerkmals seien nur dann als erfüllt anzusehen, wenn der Arbeitnehmer eine dem in der Vergütungsgruppe genannten Regel- oder Richtbespiel entsprechende Tätigkeit ausübe. Keinesfalls habe Entgeltgruppe 8 einen reinen örtlichen Tätigkeitsbezug. Dies ergebe bereits die Auslegung nach dem Wortlaut (Obersatz: "Wahrnehmung schwieriger Aufgaben"). Die Klägerin sei aber als "normale" Gesundheits- und Krankenpflegerin eingesetzt.
Auch die systematische und die historische Auslegung führe nicht zu einem anderen Ergebnis.
Die Klägerin übe nicht fachspezifische Tätigkeiten aus. Hierzu hat der Beklagte die Tätigkeitsbeschreibungen in der Version 2/14 für Fachpflegekräfte (Entgeltgruppe 8) und Pflegekraftfachkräfte (Entgeltgruppe 7) vorgelegt. Die Entgeltgruppe 8 erfordere danach auch die Weiterbildung zur Fachpflegekraft für Psychiatrie nach WBPsychVO.
Die Höhe der geltend gemachten Forderung bestreite er. Vielmehr ergebe sich die Berechnungen aus der Anl. B9 (Bl. 144). Ansprüche aus der Zeit vor dem 01.01.2011 seien verjährt.
Das Arbeitsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil vom 30.10.2014 festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin ab dem 01.11.2013 nach der Entgeltgruppe 8 der Anl. 1 der AVR des diakonischen Werks zu vergüten und den Beklagten weiter verurteilt, an die Klägerin für den Zeitraum vom 01.12.2011 bis 31.10.2013 541,62 EUR brutto zuzüglich Zinsen zu zahlen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Gegen das beide Seiten am 07.11.2014 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 12.11.2014 Berufung eingelegt und diese am 08.12.2014 begründet. Die Klägerin hat am 26.11.2014 Berufung eingelegt und diese am 06.01.2015 begründet.
Der beklagte Verein trägt vor, ein Feststellungsinteresse für die Klage bestehe nicht, da die Klägerin in der Lage sei, die Vergütungsdifferenz mit einer Leistungsklage geltend zu machen. Für die Vergangenheit sei der Klagantrag daher unzulässig und unbegründet.
Die Klägerin sei zutreffend in Entgeltgruppe 7 AVR-DD eingruppiert. Nicht jede Gesundheits- und Krankenpflegerin, die in einer psychiatrischen Einrichtung tätig sei, erfülle die Merkmale der Richtbeispiele "Gesundheitspflegerin in der Psychiatrie". Die Eingruppierung richte sich nach den Obersätzen der Entgeltgruppe, die für die Tätigkeitsbereiche in den Untersätzen näher beschrieben werden. Die Richtbeispiele seien diesen zugeordnet. Hier seien häufig anfallenden Tätigkeiten in dieser Eingruppierung benannt. Aber selbst wenn der Auffassung, dass bei Erfüllung eines Richtbeispiele eine weitere Prüfung entbehrlich sei, zugestimmt werde, sei vorliegend festzustellen, dass nicht jeder Gesundheits- und Krankenpfleger, der in einem Arbeitsverhältnis zu einem Träger einer psychiatrischen Einrichtung stehe, das Richtbeispiele zu Entgeltgruppe 8A erfülle. Bei der Formulierung "in der Psychiatrie" sei nicht die Einrichtung, das heißt die Institution, sondern das Fachgebiet gemeint. Es komme auf die konkrete Tätigkeit im psychiatrischen Kontext an.
Im Sinne des Obersatzes der Entgeltgruppe 8 müsse ermittelt werden, ob der Klägerin Aufgaben übertragen worden seien, die ein vertieftes oder erweitertes Fachwissen mit entsprechenden Fähigkeiten voraussetzten. Hierzu sei die Übertragung von schwierigen Aufgaben zur eigenständigen Wahrnehmung in den Tätigkeitsbereichen Pflege/Betreuung oder Erziehung notwendig. Dass die Klägerin derartige Tätigkeiten ausübe, habe sie nicht vorgetragen. Tatsächlich sei dies auch nicht der Fall.
Einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe 8 ab dem 01.11.2013 stehe die klarstellende Neufassung der Richtbeispiele zu Entgeltgruppe 8A durch Beschluss des Schlichtungsausschuss vom 21.10.2013 entgegen. Die AVR werden durch arbeitsrechtliche Kommissionen vereinbart, die paritätisch mit Vertretern der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite besetzt seien. Gegebenenfalls schließe sich ein Schlichtungsverfahren an, das zu einer Entscheidung führe. Die Entscheidung des Schlichtungsausschusses habe dieselbe Rechtsqualität wie eine Einigung zwischen den in der arbeitsrechtlichen Kommission paritätisch vertretenen Parteien.
Die Klägerin könne sich auch nicht auf die Bestandsschutzregelung, die der Schlichtungsausschuss in seinem Beschluss vom einen 20.10.2013 getroffen habe, berufen. Denn sie sei zuvor nicht in Entgeltgruppe 8A eingruppiert gewesen. Ein Anspruch habe nicht bestanden. Die Bestandsschutzregelung sei für den Fall getroffen worden, dass eine Eingruppierung bereits erfolgt und die Vergütung aus dieser Entgeltgruppe gezahlt worden sei.
Die von der Klägerin vorgenommene Berechnung sei falsch. Zudem berufe er sich auf Verjährung.
Der Beklagte beantragt zur eigenen Berufung,
Die Klägerin beantragt,
Sie hält die Feststellungsklage auch für die Vergangenheit für die richtige Klageart. Entgegen der Darstellung des beklagten Vereins sei zu erwarten, dass ein Feststellungsurteil zu einer endgültigen Streitbeilegung führe. Sie, die Klägerin, habe in der Vergangenheit zu keiner Zeit Einwendungen gegen die Abrechnungen des Beklagten erhoben. Lediglich die Vergütungsgruppe habe sie beanstandet. Ihr sei auch nicht zuzumuten, ihre Ansprüche ohne Computer und ohne ein entsprechendes Programm zu berechnen. Die Überleitungsregelungen der AVR neu seien überaus schwierig. Ihr, der Klägerin, Prozessbevollmächtigter traue es sich nicht zu, eine konkrete Errechnung der der Klägerin für die Vergangenheit zustehenden Beträge vorzunehmen.
Soweit Vergütungsansprüche für die Vergangenheit geleugnet werden, weise sie darauf hin, dass die Mitarbeitervertretung mit Schreiben vom 22.05.2008 unter dem Betreff "Eingruppierung in der Pflege" dem Beklagten mitgeteilt habe, dass eine Eingruppierung in Entgeltgruppe 8 vorzunehmen sei. Die Geltendmachung von Zahlungs- und Entgeltansprüchen könne auch durch einen Dritten erfolgen. Damit werde dem Zweck von Ausschlussfristen Genüge getan. Zudem habe die Klägerin mit Schreiben vom 01.12.2012 (Bestätigung des Beklagten, Anl. BB2 Bl. 250) ihre Ansprüche geltend gemacht.
Entgegen der Auffassung des beklagten Vereins sei die Tätigkeit in einer psychiatrischen Einrichtung der Gestalt gelagert, dass grundsätzlich Erschwernisse zu bejahen sein, die durch die Eingruppierung in Entgeltgruppe 8 AVR honoriert werden. Hiermit sollten die mit einer Tätigkeit in einem psychiatrischen Zentrum verbundenen erhöhten Anforderungen abgegolten werden.
Die Klägerin beantragt zur eigenen Berufung,
Hilfsweise,
Der Beklagte beantragt,
Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen zu Protokoll, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
1. Die Berufung des Beklagten ist gemäß § 64 Abs. 1 und 2 b) ArbGG statthaft. Sie ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO.
2. Die Berufung des Beklagten ist jedoch unbegründet.
Die Klägerin hat Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe 8.
Gem. § 12 AVR ist die Klägerin nach den Merkmalen der übertragenen Tätigkeiten in die Entgeltgruppen gem. der Anlage 1 eingruppiert. Diese Eingruppierung erfolgt nicht durch einen besonderen Akt, sondern ist untrennbar mit der Übertragung der entsprechenden Tätigkeiten verbunden. Maßgeblich für die Eingruppierung ist nicht die berufliche Ausbildung, sondern alleine die Tätigkeit, wobei die für die Ausübung erforderliche Qualifikation, nicht die formale Qualifikation ausschlaggebend ist, § 12 Abs. 3 AVR. Gem. § 12 Abs. 4 AVR richtet sich die Eingruppierung nach den Obersätzen der Entgeltgruppe. Die zugeordneten Richtbeispiele benennen häufig anfallende Tätigkeiten in dieser Eingruppierung.
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist es nicht erforderlich, zu ermitteln, ob der Klägerin Aufgaben übertragen worden sind, die ein vertieftes oder erweitertes Fachwissen mit entsprechenden Fähigkeiten voraussetzen. Vielmehr reicht es aus, dass die Klägerin die Voraussetzungen des Richtbeispiels "Gesundheitspflegerin in der Psychiatrie" erfüllt.
Die Erfordernisse eines Tätigkeitsmerkmales sind regelmäßig dann als erfüllt anzusehen, wenn Arbeitnehmer eine dem in der Vergütungsgruppe genannten Regel- oder Richtbeispiel entsprechende Tätigkeit ausübt (BAG Urteil vom 28.01.2009 - 4 ABR 92/07 - ). Denn in den Richtbeispielen zählen die Tarifvertragsparteien die Tätigkeiten auf, die typischer Weise und häufig anfallen und einer bestimmten Vergütungsgruppe fest zugeordnet werden können. Richtbeispiele sollen für den Anwender der Vorschrift deutlich machen, welche Tätigkeiten jedenfalls unter die betreffende Entgeltgruppe fallen. Dies dient der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit der Tarifunterworfenen. Daher ist ein Rückgriff auf die allgemeinen Merkmale und die Obersätze nur dann erforderlich, wenn die ausgeübte Tätigkeit in dem Richtbeispiel nicht genannt ist oder die Tätigkeit nur teilweise dem Richtbeispiel entspricht oder aber das Richtbeispiel auslegungsbedürftig ist (BAG Urteil vom 20.06.2012 - 4 AZR 438/10 -).
Die Kammer folgt der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20.06.2012 (4 AZR 438/10) und sieht keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung, auch wenn die zitierte Entscheidung zu einem Regelwerk bei einem anderen Diakonischen Werk ergangen ist.
Eine andere Betrachtung ist nicht geboten. Die Regelung in den für den Bereich des Beklagten geltenden AVR ist gleichlautend erfolgt. Die Auslegung des Regelwerks erfolgt wie bei Tarifverträgen, auch wenn es sich bei kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen nicht um Tarifverträge im Sinne des Tarifvertragsgesetzes handelt. Ausgehend vom Wortlaut der AVR ist der Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Wortlaut zu haften. Haben der wirkliche Wille der Richtliniengeber und der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Bestimmungen in den Vorschriften der AVR Niederschlag gefunden, sind sie mit zu berücksichtigen (BAG 20.06.2012 - 4 AZR 438/10 -). Weiter sind Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Dabei ist im Zweifel diejenige Auslegung vorzuziehen, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG Urteil vom 15.04.2014, Az.: 3 AZR 83/12; BAG Urteil vom 23.02.2005 - 4 AZR 139/04 - [...]).
Der Wortlaut der Regelung ist eindeutig. Das Richtbeispiel vor Änderung durch die Schlichtungskommission mit Beschluss vom 21.10.2013 erfasst Tätigkeiten als "Gesundheitspflegerin im OP-Dienst, in der Intensivpflege oder Psychiatrie". Voraussetzung ist danach eine Tätigkeit als Gesundheitspflegerin in der Psychiatrie. Es kommt vorliegend nicht darauf an, ob das Merkmal bereits dann erfüllt ist, wenn die Tätigkeit in einer psychiatrischen Einrichtung erbracht wird, aber nicht im Pflegebereich oder ob es - nur - notwendig ist, dass sie in einer psychiatrischen Station ausgeübt wird. Denn die Klägerin ist jedenfalls, wie in der Berufungsverhandlung unstreitig war, in einer psychiatrischen Station tätig. Damit ist das Richtbeispiel erfüllt.
Es kommt nicht darauf an, dass die Klägerin nicht über eine fachpsychiatrische Zusatzausbildung verfügt. Die Landesverordnung über die Weiterbildung und Prüfung in Berufen der Kranken- und Altenpflege in der Psychiatrie (vom 02.09.1997, geändert durch Verordnung vom 11.06.2009, Gesetz- und Verordnungsblatt Schleswig Holstein 2009, 370) verlangt in der Fassung von 1997 theoretischen und praktischen Unterricht von mindestens 800 Unterrichtsstunden. Die Verordnung von 2009 fordert einen Kernkurs mit 400 Unterrichtsstunden und berufspraktische Anteile im Umfang von 240 Stunden im gewählten Schwerpunktbereich und 160 Stunden in mindestens einem weiteren Bereich der Psychiatrie. Es schließt sich eine Vertiefungsphase von mindestens einem Jahr mit weiteren 200 Unterrichtsstunden an. Dass die Klägerin eine solche Fortbildung absolviert hat, hat sie nicht dargelegt. Indes kommt es hierauf nicht an, da das Richtbeispiel eine fachpsychiatrische Zusatzausbildung nicht verlangt. Weder aus dem Richtbeispiel noch aus dem Obersatz ergibt sich die Notwendigkeit der Zusatzausbildung. Der Obersatz fordert lediglich Tätigkeiten, die vertieftes oder erweitertes Fachwissen und entsprechende Fähigkeiten voraussetzen, ohne festzulegen, auf welche Weise dieses Fachwissen und die Fähigkeiten erlangt sein müssen. Damit ist diese Regelung auch für die Erlangung entsprechender Kenntnisse und Fähigkeiten im Rahmen der Berufspraxis offen.
Die von dem Beklagten eingereichten Materialien zum Verlauf der Verhandlungen können zur Auslegung der Eingruppierungsvorschrift nicht herangezogen werden. Denn die Formulierung im Richtbeispiel ist eindeutig.
Die Materialien zum Verlauf der Verhandlungen bestätigen im Übrigen nicht die Auffassung des Beklagten. Aus ihnen wird deutlich, dass die Beteiligten der Verhandlungen intensiv um eine neue Struktur der Entgeltgruppen gerungen haben. Dabei ist es teilweise zu anderen Bewertungen als zuvor gekommen. Aus dem Protokoll der Arbeitsrechtlichen Kommission vom 27./28.01.2004 (Anl. B2, Bl. 94 ff. d.A.) ergibt sich, dass die Arbeitgeberseite Wert auf einen verbindlichen Katalog der Richtbeispiele legte, damit die Möglichkeit des Zugriffs auf die Richtbeispiele besteht, wenn die abstrakt umschreibenden Eingruppierungsmerkmale eine Zuordnung nicht ohne weiteres ermöglichen. Dies hat sich aber nicht im Eingruppierungskatalog der AVR niedergeschlagen. Weiter ergibt sich aus dem Protokoll der Sitzung vom 10./11.03.2004 (Anl. B3, Bl. 105 ff.), dass die Vergütungsgruppe 8 als Eckgruppe ausgewählt werden sollte, weil sie im Bereich des diakonischen Kerngeschäfts die niedrigste Vergütungsgruppe mit eigenständiger Tätigkeiten darstellt. Demgegenüber sollten die Vergütungsgruppen 1 bis 7 im Kernbereich nur unselbstständige Tätigkeiten erfassen. In dieser Sitzung wurde eine Formulierung für die Entgeltgruppe 8 diskutiert (Anl. 3 zum Protokoll vom10.03.2004, Bl. 120 d.A.), die im Wesentlichen auf Eigenständigkeit der Aufgabendurchführung abhebt und in den Beispielen die Tätigkeit der Krankenpflegerin ohne jeglichen Zusatz enthält. Die endgültige Fassung entspricht aber nicht diesen Überlegungen. Welche Gesichtspunkte dazu geführt haben, dass Entgeltgruppe 8 eine andere als die damals erörterte Formulierung erhalten hat, lässt sich den eingereichten Materialien nicht entnehmen.
Die Auslegung der Entgeltvorschrift führt auch nicht deshalb zu einem unsinnigen Ergebnis, weil eine Stationsleiterin in der Psychiatrie, anders als die Stationsleiterin Intensivpflege nicht in Entgeltgruppe 9B eingestuft ist. Dies mag zwar einen Systembruch darstellen, der aber auf der Ebene der Stationsleitung besteht, nicht im Rahmen der Einstufung der Gesundheitspflegerin in der Psychiatrie, in der Intensivpflege oder im OP-Dienst.
Die Auffassung des Beklagten lässt sich auch nicht durch den Spruch des Schlichtungsausschusses vom 21.10.2013 stützen, wonach die geänderte Formulierung "Gesundheits- und Krankenpflegerin im OP-Dienst und in der Intensivpflege; Fachpflegekräfte in der Psychiatrie mit entsprechender Tätigkeit oder Gesundheits- und Krankenpfleger/in mit vergleichbaren Aufgaben" klarstellend erfolgt ist. Diese spätere Formulierung besagt nichts über das ursprüngliche Ziel der Arbeitsrechtskommission. Es handelt sich vielmehr um eine Reaktion auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20.06.2012 (4 AZR 438/10).
Demnach war die Klägerin zutreffend eingruppiert in Entgeltgruppe 8. Nachdem die Definition der Entgeltgruppe 8 durch Beschluss vom 24.10.2013 geändert worden ist, ist dies nicht mehr der Fall. Die Klägerin genießt jedoch Bestandsschutz entsprechend Nr. 1b des Beschlusses des Schlichtungsausschusses vom 21.10.2013 (Bl. 63, 64). Danach wird Gesundheitspflegerinnen in der Psychiatrie, die am 31.10.2013 in die Entgeltgruppe 8A eingruppiert sind, für die Dauer ihres Arbeitsverhältnisses ein dynamischer Besitzstand garantiert. Da die Klägerin in Entgeltgruppe 8 eingruppiert war, kommt ihr dieser dynamische Besitzstand zugute. Es kommt hierbei weder auf einen formellen Eingruppierungsakt des Arbeitgebers noch die tatsächliche Zahlung der entsprechenden Vergütung an. Vielmehr folgt der Besitzstand der Tarifautomatik. Dementsprechend ist festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin entsprechend Entgeltgruppe 8 zu vergüten.
II. 1. Die Berufung der Klägerin ist zulässig.
Die im Juni 2014 erhobene Eingruppierungsfeststellungsklage ist jedenfalls zulässig, soweit sie die Eingruppierung ab November 2013 betrifft. Die Klägerin hat, wie sie in der Berufungsbegründung ausdrücklich erklärt (Bl. 209, 210 d.A.) zu keinem Zeitpunkt Einwendungen gegen die Abrechnungen des Beklagten erhoben, soweit nicht die Eingruppierung als solche betroffen ist.
Soweit die Klägerin Feststellung begehrt, dass der beklagte Verein verpflichtet ist, sie ab dem 01.07.2007 nach Entgeltgruppe 8 zu vergüten, kann die Frage der Zulässigkeit des Antrags dahingestellt bleiben, weil Ansprüche, die den Zeitraum vor dem Dezember 2011 betreffen, verfallen sind (s.u.) und die Ansprüche vom 01.12.2011 bis 31.10.2013 als Zahlungsanspruch ausgeurteilt sind.
2. Die Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet.
Die Klägerin kann weder Feststellung verlangen, dass ihr ab dem 01.07.2007 Vergütung nach der Entgeltgruppe 8 der Anlage 1 zu den Arbeitsrichtlinien für Einrichtungen, die dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland angeschlossen sind, zusteht noch Zahlung eines höheren als des erstinstanzlich ausgeurteilten Betrages fordern.
Soweit die Klägerin Zahlung für Zeiten vor November 2011 fordert, sind Ansprüche nach § 45 AVR verfallen. Danach müssen Ansprüche auf Leistungen, die auf die Ausübung einer höherwertigen Tätigkeit gestützt sind, sowie die allmonatlich entstehenden Ansprüche auf Entgelt innerhalb einer Ausschlussfrist von 12 Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden, wobei für den gleichen Tatbestand die einmalige Geltendmachung der Ansprüche ausreicht, um die Ausschlussfrist auch für später fällig werdende Ansprüche unwirksam zu machen.
Die Klägerin hat Ansprüche erstmals mit Schreiben vom 30.11.2012, zugegangen am 03.12.2012, geltend gemacht. Da nach § 21 a AVR die Bezüge für den Kalendermonat am 15. eines jeden Monats für den laufenden Monat zu zahlen sind, hat sie damit die Ausschlussfrist für die Zeit ab November 2011 gewahrt. Etwaige vor diesem Zeitpunkt entstandene Ansprüche sind jedoch verfallen.
Diese Geltendmachung genügt den Anforderungen. Sie ist hinreichend bestimmt. Die Klägerin hat damit deutlich gemacht, dass sie die bisherige Vergütung für eine auf einer fehlerhaften Eingruppierung beruhend hält und die aus ihrer Sicht zutreffende Vergütungspflicht des Beklagten hinreichend klar bezeichnet. Das Schreiben stellt ein ernsthaftes Verlangen einer bestimmten Anspruchserfüllung dar und umfasst die aus der Eingruppierung folgenden Ansprüche für 12 Monate rückwirkend (BAG Urteil vom 23.09.2009 - 4 AZR 308/08 - Rz. 39, 40). Der Beklagte war ohne weiteres in der Lage, die der Klägerin zustehenden Ansprüche auf dieser Basis zu berechnen, so dass für ihn der Umfang der geltend gemachten Forderung deutlich war.
Auf ein Schreiben der Mitarbeitervertretung vom 22.05.2008 kann die Klägerin sich nicht berufen. Dabei handelt es sich nicht um eine Geltendmachung. Denn diese hat vom Gläubiger oder seinem Bevollmächtigten zu erfolgen. Ein Mitbestimmungsgremium ist nicht Vertreter des einzelnen Arbeitnehmers (LAG Hamm Urteil vom 26.06.2008 - 17 Sa 929/07 - [...]).
Hinzu kommt, dass Ansprüche gem. §§ 195, 199 BGB, die vor Ablauf des Jahres 2010 entstanden sind, verjährt sind. Die Geltendmachung stellt nicht einen Hemmungstatbestand dar, § 203 BGB, da sie nicht Verhandlungen über den Anspruch gleichzustellen ist.
In der Berechnung orientiert sich die Kammer an der Berechnung des Beklagten (Anl. B9, Bl. 144 d.A.). Für das Jahr 2011 hatte der Beklagte ein Minus von 6,21 EUR errechnet, das jedoch nicht verrechnet werden kann, da der Beklagte eine rechtzeitige Geltendmachung unterlassen hat. Für die Jahre 2012 und 2013 ergeben sich nachzuzahlende Beträge von 179,80 EUR und 368,03 EUR. Die Summe hieraus hat das Arbeitsgericht ausgeurteilt.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I ZPO unter Berücksichtigung des wechselseitigen Unterliegens.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
Das Gericht sieht die Bedeutung des hier streitigen Vergütungsgruppenmerkmals durch die Entscheidung des BAG vom 20.06.2012 (4 AZR 438/10) als noch nicht ausreichend geklärt an. Jene Entscheidung verhält sich zu der hier in Rede stehenden Auslegung des Begriffs "Psychiatrie" als institutsbezogen oder tätigkeitsbezogen nicht. Außerdem hat der Beklagte zahlreiche durchaus gewichtige Argumente vorgebracht, die gegen die Auslegung des BAG sprechen. Schließlich ist auch die Besitzstandsregelung noch nicht Gegenstand höchstrichterlicher Überprüfung gewesen. Die Auslegung des Vergütungsgruppenmerkmals ist auch entscheidungserheblich.
Verkündet am 23.06.2015