23.10.2015 · IWW-Abrufnummer 180275
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 03.03.2015 – 8 Sa 362/14
In dem Rechtsstreit
XXX
gegen
C., , C-Straße, C-Stadt
- Beklagter und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte/r: Rechtsanwalt D., D-Straße, D-Stadt
hat die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz auf die mündliche Verhandlung vom 3. März 2015 durch die Richterin am Arbeitsgericht Dunker als Vorsitzende und den ehrenamtlichen Richter Warmbier und den ehrenamtlichen Richter Eigelsbach als Beisitzer für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 30.04.2014 - 8 Ca 2084/13 - wird zurückgewiesen. Der Auflösungsantrag des Beklagten wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits (1. und 2. Instanz) hat der Beklagte zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung des Ausbildungsverhältnisses, über Annahmeverzugsvergütung sowie über einen in der Berufungsinstanz hilfsweise gestellten Auflösungsantrag des Beklagten.
Die 1996 geborene Klägerin, ihre Mutter als ihre gesetzliche Vertreterin und der Beklagte unterzeichneten einen undatierten Vertrag (Bl. 9 d. A.) über eine Ausbildung der Klägerin zur Fachkraft im Gastgewerbe - Service. Die Ausbildung sollte vom 15. April 2013 bis zum 14. April 2015 dauern. Der Ausbildungsvertrag enthält eine viermonatige Probezeit. Die monatliche Bruttoausbildungsvergütung beträgt 575,00 EUR im ersten und 675,00 EUR im zweiten Jahr. Die Ausbildung sollte nach dem Vertrag in den Gaststätten "L. + P." stattfinden.
Am 07. August 2013 kündigte der Beklagte das Ausbildungsverhältnis mündlich gegenüber der Klägerin. Am 25. August 2013 wiederholte er seine mündliche Kündigung. Mit Schreiben vom 06. September 2013 (Bl. 11 d. A.) teilte die Klägerin dem Beklagten mit:
Mit Schreiben vom 20. September 2013 (Bl. 12 d. A.) teilte die Klägerin dem Beklagten mit:
Am 15. Oktober 2013 ging der Klägerin eine schriftliche Kündigung vom 07. August 2013 zum 14. August 2013 (Bl. 10 d. A.) zu. Die Kündigung enthielt keine Begründung.
Mit Schreiben vom 22. Oktober 2013 wurde dem Beklagten eine Schwangerschaft der Klägerin unter Beifügung einer entsprechenden Bescheinigung mitgeteilt. Die Klägerin hat eine ärztliche Bescheinigung vom 17. Oktober 2013 (Bl. 135 d. A.) zur Akte gereicht, in der bekundet wird, dass sich die Klägerin im 2. Schwangerschaftsmonat befinde und der 29. Mai 2014 der voraussichtliche Geburtstermin sei. Im Termin vor dem Landesarbeitsgericht am 09. Dezember 2014 hat die Klägerin die Geburtsurkunde in Bezug auf ein von ihr am 17. Mai 2014 geborenes Kind vorgelegt.
Nach einem im Termin am 27. März 2014 vor dem Arbeitsgericht vorgelegten Bescheid vom 23. November 2013 hat die Klägerin Sozialleistungen ab dem 01. Januar 2014 bezogen.
Der Beklagte hat eine Gewerbeabmeldung bezüglich der Schank- und Speisewirtschaft "L." vom 31. Oktober 2013 (Bl. 120 d. A.) zur Akte gereicht.
Die Berufsschule hat mit Schreiben an den Prozessbevollmächtigen des Beklagten vom 24. Juni 2014 (Bl. 121 d. A.) bestätigt, dass die Klägerin zum 05. Juli 2013 vom Betrieb abgemeldet worden sei.
Der von der Klägerin mit Schreiben vom 22. Oktober 2013 (Bl. 13 d. A.) angerufene Schlichtungsausschuss fällte mangels Einstimmigkeit am 03. Dezember 2013 (Bl. 20 f. d. A.) keinen Spruch. Mit ihrer am 04. November 2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrte die Klägerin die Feststellung, dass das Ausbildungsverhältnis über den 14. August 2013 hinaus fortbestehe und auch nicht durch andere Beendigungsgründe aufgelöst werde. Mit ihrer am 10. Dezember 2013 bei Gericht eingegangenen Klageerweiterung begehrte sie Annahmeverzugsvergütung.
Die Klägerin hat vorgetragen:
Am 07. August 2013 sei sie an einem Magen-Darm-Virus erkrankt und mit ihrer Mutter beim Arzt gewesen. Die Mutter habe den Beklagten telefonisch davon in Kenntnis gesetzt. Die ausgestellte Krankmeldung habe sie beim Beklagten abgegeben, woraufhin dieser gesagt habe, wenn sie am folgenden Samstag - ihrem einzigen freien Tag - nicht zur Arbeit erscheinen würde, brauchte sie überhaupt nicht mehr zu kommen. Der Beklagte habe ihr untersagt, die Betriebsstätte zu betreten.
Die Klägerin hat in erster Instanz zuletzt beantragt:
Der Beklagte hat beantragt,
Der Beklagte hat vorgetragen:
Der Berufsausbildungsvertrag sei bereits unwirksam, da er von der minderjährigen Klägerin ohne Genehmigung ihrer gesetzlichen Vertreter unterzeichnet worden sei.
Er sei der Auffassung gewesen, dass er während der Probezeit mündlich kündigen könne. Nach Erhalt des ersten Schreibens der Klägerin vom 06. September 2013 habe er die Kündigung in schriftlicher Form herausgeschickt, so der Beklagte im Gütetermin vom 07. Januar 2014.
Hintergrund der mündlichen Kündigung vom 07. August 2013 sei gewesen, dass die Klägerin Ende Juli 2013 aus der Kasse 70,00 EUR gestohlen habe und am Folgetag einen Gast bewirtet habe, ohne dies abzurechnen. Am nächsten Tag sei sie nicht zur Arbeit erschienen. Sie habe angerufen und erklärt, sie komme nicht zur Arbeit, weil es ihrer Mutter schlecht gehe. Nach dem Telefonat sei sie zwei Tage nicht zur Arbeit erschienen und habe am 06. August 2013 eine Krankmeldung für zwei Tage gebracht. Nach Abgabe der Krankmeldung habe sie beim Verlassen der Gaststätte geäußert, dass sie weder wiederkommen noch arbeiten wolle, sie habe "etwas anderes" gefunden. Nach Ablauf der Krankmeldung sei sie mindestens eine Woche nicht zur Arbeit oder zur Schule gegangen. Dann hätten entweder die Klägerin oder ihre Mutter angerufen und gesagt, dass sie eine schriftliche Kündigung bräuchten, weil die Klägerin eine neue Arbeitsstelle hätte. Noch am 07. August 2013 habe er die schriftliche Kündigung zum 14. August 2013 geschrieben. Sein Vater habe die Kündigung als Einschreiben bei der Post abgegeben, so der Beklagte mit Schriftsatz vom 04. Februar 2014.
Das Arbeitsgericht hat der Klage durch das genannte Urteil stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Berufsausbildungsverhältnis sei trotz Minderjährigkeit der Klägerin wirksam begründet worden, da die Mutter der Klägerin den Vertrag als gesetzliche Vertreterin ihrer Tochter mit unterzeichnet habe. Das Ausbildungsverhältnis sei nicht wirksam bereits in der Probezeit beendet worden. Auch die Probezeitkündigung bedürfe gemäß § 22 BBiG der Schriftform. Eine schriftliche Kündigung habe es bis zum 15. August 2013 weder von der Klägerin noch von dem Beklagten gegeben. Der Zugang der schriftlichen Kündigung vom 07. August 2013 sei erst am 15. Oktober 2013 und damit nach Ablauf der viermonatigen Probezeit erfolgt. Der Beklagte habe im Prozess keinen Nachweis dafür erbracht, dass die Kündigung der Klägerin bereits zu einem früheren Zeitpunkt zugegangen sei. Die Abgabe eines Einschreibens zur Post reiche hierfür nicht. Es fehle auch eine Mitteilung, wann dies erfolgt sein solle. Auch der Vortrag, dass die Kündigung bereits am 07. August 2013 geschrieben worden sei, sei unglaubwürdig, nachdem der Beklagte im Gütetermin vom 07. Januar 2014 erkl ärt hätte, dass er der Auffassung gewesen sei, er hätte in der Probezeit mündlich kündigen können. Erst nach Erhalt des Schreibens der Klägerin vom 06. September 2013 hätte der Beklagte Anlass zur schriftlichen Kündigung gehabt. Nach Ablauf der Probezeit habe das Berufsausbildungsverhältnis gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG nur noch aus wichtigem Grund und unter Angabe der Kündigungsgründe gekündigt werden können. Es fehle es an der Darlegung der Kündigungsgründe in dem Kündigungsschreiben vom 07. August 2013. Aufgrund des Zugangs der Kündigung erst am 15. Oktober 2013 lägen die von dem Beklagten angeführten Gründe für die Kündigung auch entgegen § 22 Abs. 4 BBiG länger als zwei Wochen zurück. Wegen der Schwangerschaft der Klägerin zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs gelte zudem das gesetzliche Kündigungsverbot des § 9 MuSchG. Die Klägerin habe Anspruch auf die Annahmeverzugsvergütung für den Zeitraum vom 16. August 2013 bis zum 14. Dezember 2013 in einer Gesamthöhe von 2.300,00 EUR brutto (4 Monate x 575,00 EUR brutto) gemäß § 615 BGB in Verbindung mit dem Ausbildungsvertrag. Der Beklagte sei in Annahmeverzug gekommen. Im Hinblick auf die Unwirksamkeit der beiden mündlichen Kündigungen sowie der schriftlichen Kündigung vom 07. August 2013 sei ein Arbeitsangebot der Klägerin entbehrlich gewesen.
Das Urteil ist dem Beklagten am 7. Mai 2014 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit einem am 10. Juni 2014, der Tag nach Pfingstmontag, beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 05. Juni 2014 Berufung eingelegt und diese durch am 03. Juli 2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 30. Juni 2014 begründet.
Er trägt zweitinstanzlich vor:
Es liege ein Verstoß der Klägerin gegen den Grundsatz des venire contra factum proprium vor. Die Klägerin habe zunächst den Eindruck erweckt, als ob sie die mündliche Kündigung akzeptiert hätte. Sie habe mit ihren zwei Schreiben jeweils um schriftliche Kündigung gebeten und Ausbildungsvergütung für Juli und August 2013 verlangt. Schon hier sei eine Widersprüchlichkeit evident. Er habe die Klägerin nicht von der Berufsschule abgemeldet. Er bestreite mit Nichtwissen, dass die Klägerin im zweiten Monat schwanger gewesen sei. Da er die Fortführung der Gaststätte "L." am 31. Oktober 2013 aufgegeben habe (Gewerbeabmeldung vom 31. Oktober 2013, Bl. 120 d. A.), könne das Ausbildungsverhältnis nicht fortgeführt werden. Eine Ausbildung im Lokal "P." sei nicht möglich, weil dort kein Küchenbetrieb eingerichtet sei. Die Klägerin habe keinen Zahlungsanspruch für die Zeit vom 16. August 2013 bis zum 14. Dezember 2013, da sie in diesem Zeitraum weder krank noch schwanger, tatsächlich nicht zur Leistung bereit gewesen und am Arbeitsplatz nicht erschienen sei. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin Leistungen von der Krankenkasse, dem Sozialamt oder dem Jobcenter bezogen habe.
Im Termin am 09. Dezember 2014 erklärte der Beklagte, die Klägerin habe mit ihm telefoniert und gesagt, dass sie an zwei Tagen nicht kommen würde. Daraufhin habe er dann gesagt, das Arbeitsverhältnis sei für ihn beendet. Er habe das als Kündigung verstanden. Er habe zu dem Zeitpunkt nicht gewusst, dass man während der Probezeit des Ausbildungsverhältnisses auch nur schriftlich kündigen könne. Die Klägerin habe selbst geäußert, dass sie nicht mehr zur Arbeit kommen und sich etwas anderes suchen wolle.
Der Beklagte beantragt:
Die Klägerin beantragt,
Sie trägt vor:
Der Beklagte habe sie bei Abgabe des Attestes am 06. August 2013 aufgefordert, ab Samstag, dem 10. August 2013, wieder zur Arbeit zu erscheinen. Wenn sie das nicht mache, brauche sie nicht wieder zu kommen. Die Klägerin erklärt, sie sei dann tatsächlich an dem Samstag wieder in dem Caf é erschienen. Die Mitarbeiterin habe ihr dann gesagt, sie solle ihr von dem Beklagten ausrichten, dass sie nicht mehr zu kommen brauche, weil sie gekündigt werde.
Eine Gewerbeabmeldung für das Restaurant "L." sei unerheblich und auch nur vorgetäuscht, da der Beklagte dort nach wie vor das Kommando führe. Im Übrigen sei eine Ausbildung im - auch im Ausbildungsvertrag genannten - Lokal P. möglich und in der Vergangenheit überwiegend praktiziert worden. Der Beklagte habe vor dem Schlichtungsausschuss am 03. Dezember 2013 offensichtlich erstmals erfahren, dass es einer schriftlichen Kündigung bedürfe.
Die Berufungskammer hat Beweis erhoben über die Behauptungen des Beklagten, nach Abgabe der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am 06. August 2013 habe die Klägerin beim Verlassen des Cafés erklärt, dass sie weder wiederkommen noch arbeiten wolle, sie habe etwas anderes gefunden, durch Vernehmung der Zeuginnen Frau A. sowie Frau G..
Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 03. März 2015 Bezug genommen. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die weiteren Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A. Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.
B. In der Sache hat die Berufung des Beklagten keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist begründet. Der Auflösungsantrag des Beklagten hat keinen Erfolg, weil die gerichtliche Auflösung eines Ausbildungsverhältnisses nicht möglich ist.
I. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung festgestellt, dass das Berufsausbildungsverhältnis, das zwischen der Klägerin, gesetzlich vertreten durch ihre Mutter, und dem Beklagen zustande gekommen ist, weder durch mündliche Kündigungen noch durch die schriftliche Kündigung des Beklagten vom 07. August 2013 aufgelöst worden ist.
1. Zunächst ist das Ausbildungsverhältnis nicht innerhalb der Probezeit wirksam gekündigt worden.
Die innerhalb der Probezeit mündlich ausgesprochenen Kündigungen sind formunwirksam, § 22 Abs. 3 BBiG. In Bezug auf die schriftliche Kündigung vom 07. August 2013 hat der Beklagte keinen Beweis dafür angetreten, dass diese innerhalb der Probezeit bis zum 15. August 2013 der Mutter als gesetzlicher Vertreterin der Klägerin zugegangen ist. Die Klägerin hat einen Eingang der Kündigung am 15. Oktober 2013 bestätigt. Der Beklagte hat sich lediglich darauf berufen, dass sein Vater das Kündigungsschreiben vom 07. August 2013 als Einschreiben bei der Post abgegeben habe. Einen Beweis zum Zugang des Schreibens hat nicht angetreten.
2. Auch nach der Probezeit ist das Ausbildungsverhältnis nicht wirksam mitSchreiben vom 07. August 2013 gekündigt worden.
a) Gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG kann das Berufsausbildungsverhältnis nach Ablauf der Probezeit nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. Die Kündigung muss nach § 22 Abs. 3 BBiG schriftlich und in diesem Fall auch unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen. Die Kündigung ist nach § 22 Abs. 4 BBiG unwirksam, wenn die ihr zugrunde liegenden Tatsachen dem zur Kündigung Berechtigten länger als zwei Wochen bekannt sind.
Hier fehlt es an einer Darlegung von Kündigungsgründen in dem Kündigungsschreiben vom 07. August 2013, so dass die Kündigung nach § 22 Abs. 3 BBiG unwirksam ist. Die von dem Beklagten im Verfahren angeführten Kündigungsgründe sollen sich zudem Ende Juli/Anfang August 2013 ereignet haben und lagen zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 15. Oktober 2013 damit schon länger als zwei Wochen zurück. Die Unwirksamkeit der Kündigung ergibt sich folglich auch aus § 22 Abs. 4 BBiG.
b) Hinzu kommt, dass die Kündigung vom 07. August 2013 auch wegen § 9 MuSchG iVm. § 134 BGB nichtig ist.
Nach § 9 Abs. 1 S. 1 MuSchG ist eine ohne behördliche Zustimmung gem. § 9 Abs. 3 MuSchG ausgesprochene Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft bekannt war oder sie ihm innerhalb zweier Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. § 9 MuSchG schützt auch Frauen in Ausbildungsverhältnissen (ErfK/Schlachter, 15. Auflage 2015, § 9 MuSchG Rn. 2).
Zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs am 15. Oktober 2013 war die Klägerin schwanger. Dies ergibt sich aus der ärztlichen Bescheinigung vom 17. Oktober 2013, in der bekundet wird, dass sich die Klägerin im 2. Schwangerschaftsmonat befinde und der 29. Mai 2014 der voraussichtliche Geburtstermin sei. Dies entspricht auch der von der Klägerin im Termin am 09. Dezember 2014 vorgelegten Geburtsurkunde in Bezug auf ein von ihr am 17. Mai 2014 geborenes Kind. Der Beklagte hat nicht angegeben, aus welchem Grund trotz Vorlage dieser Dokumente von einer Schwangerschaft der Klägerin am 15. Oktober 2013 nicht auszugehen sei. Die Klägerin hat dem Beklagten die Schwangerschaft mit Schreiben vom 22. Oktober 2013 und damit binnen zweier Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt. Eine behördliche Erklärung der Zulässigkeit der Kündigung iSd. § 9 Abs. 3 MuSchG lag nicht vor.
3. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist es der Klägerin auch nicht wegen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit der Kündigung und den Fortbestand des Ausbildungsverhältnisses zu berufen. Es liegt kein Rechtsmissbrauch unter dem Gesichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens (sog. "venire contra factum proprium") vor.
a) Wer durch seine Erklärung oder durch sein Verhalten bewusst oder unbewusst eine Sach- oder Rechtslage geschaffen hat, auf die sich der andere Teil verlassen durfte und verlassen hat, darf den anderen Teil in seinem Vertrauen nicht enttäuschen. Es würde gegen Treu und Glauben verstoßen und das Vertrauen im Rechtsverkehr untergraben, wenn es erlaubt wäre, sich nach seinem Belieben mit seinen früheren Erklärungen und seinem früheren Verhalten derart in Widerspruch zu setzen. Insbesondere ist das Vertrauen des anderen am Rechtsverhältnis beteiligten Teils schutzwürdig, dass eine bestimmte Rechtslage gegeben sei, wenn er von dem anderen Teil in diesem Glauben bestärkt worden ist (vgl. BAG 11. Dezember 1996 - 5 AZR 855/95 - Rn. 14, [...]).
b) Die Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchs liegen nicht vor.
aa) Zunächst ging die Kündigung nicht als eine Wunschkündigung auf eine Initiative der Klägerin zurück.
Tritt der Arbeitnehmer selbst an den Arbeitgeber mit der Bitte um Beendigung des Arbeitsverhältnisses heran, verhält er sich widersprüchlich, wenn er die wunschgemäß ausgesprochene Kündigung alsdann im Kündigungsschutzprozess angreift (vgl. LAG Hamm 06.02.2003 - 8 Sa 1614/02 - Rn. 19, [...]).
In ihren Schreiben vom 06. und 20. September 2013 hat die Klägerin sich lediglich auf bereits mündlich vom Beklagten ausgesprochene Kündigungen vom 07. August 2013 sowie 25. August 2013 bezogen und darum gebeten, ihr die Kündigung in schriftlicher Form zu kommen zu lassen. Dies ist nicht mit dem Wunsch nach einer tatsächlichen Vertragsbeendigung gleichzusetzten. Die Klägerin hat nicht die Initiative zu einer Beendigung des Ausbildungsverhältnisses ergriffen, sondern die Wahrung der für das Rechtsgeschäft gebotenen Form für die vom Arbeitgeber ausgehende Kündigung angemahnt.
Der Beklagte beruft sich mit Schriftsatz vom 04. Februar 2014 weiter darauf, zeitlich nach Abgabe der Arbeitsunf ähigkeitsbescheinigung durch die Klägerin hätten entweder die Klägerin oder ihre Mutter angerufen und gesagt, dass sie eine schriftliche Kündigung bräuchten, weil die Klägerin eine neue Arbeitsstelle hätte, noch am 07. August 2013 habe er die schriftliche Kündigung zum 14. August 2013 geschrieben, sein Vater habe die Kündigung als Einschreiben bei der Post abgegeben. Die Behauptung, ein solches Telefonat sei Anlass für die Erstellung der schriftlichen Kündigung vom 07. August 2013 gewesen, steht im Widerspruch zu dem Vortrag des Beklagten im Gütetermin vom 07. Januar 2014, er habe erst nach Erhalt des ersten Schreibens der Klägerin vom 06. September 2013 die Kündigung in schriftlicher Form verfasst, so dass der Vortrag insgesamt unschlüssig ist. Zudem hat der Beklagte für ein solches Telefonat jedenfalls keinen Beweis angeboten.
bb) Die Klägerin hat in ihren Schreiben vom 06. und 20. September 2013 auch nicht zu verstehen gegeben, dass sie die mündliche Kündigung akzeptiert habe und gegen eine formgerecht ausgesprochene Kündigung keine Rechte mehr geltend machen würde. Darüber, wie die Klägerin sich verhalten würde, wenn sie eine zumindest den Formerfordernissen entsprechende Kündigung in den Händen halten würde, ist ihrem Schreiben nichts zu entnehmen. Ein Verzicht auf die Geltendmachung von - materiellen - Unwirksamkeitsgründen liegt darin nicht. Insbesondere auch mit der geforderten Abrechnung und Vergütung der Monate Juli und August 2013 ist eine solche Hinnahme der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses nicht verbunden. Die Klägerin hat damit nur Ansprüche geltend gemacht.
II. Aufgrund des Unterliegens des Beklagten mit seinem gegen die Feststellungsklage gerichteten Klageabweisungsantrag ist der in der Berufungsinstanz hilfsweise gestellte Auflösungsantrag zur Entscheidung angefallen.
1. Eine gerichtliche Auflösung eines Ausbildungsverhältnisses ist jedoch nicht möglich.
§§ 9, 10 KSchG sind auf das Berufsausbildungsverhältnis nicht anzuwenden, weil dies mit dem Wesen und dem Zweck des Berufsausbildungsvertrags nicht zu vereinbaren ist. An den Vorschriften des BBiG ist erkennbar, dass der Gesetzgeber es zur Erreichung des Ausbildungsziels für erforderlich gehalten hat, auf einen möglichst lange dauernden Bestand des Ausbildungsverhältnisses hinzuwirken und Kündigungen zu erschweren. Die Erfüllung der Berufsausbildungsaufgabe verlangt eine besonders starke Bindung der Vertragsparteien. Die Eröffnung einer erleichterten Auflösungsmöglichkeit ist hiermit unvereinbar (BAG 16. Juli 2013 - 9 AZR 784/11 - Rn. 38 unter Hinweis auf BAG 29. November 1984 - 2 AZR 354/83 -Rn. 24 ff., jeweils [...]).
2. Hinzu kommt, dass die Kündigung vom 07. August 2013 auch wegen § 9 MuSchG iVm. § 134 BGB mangels behördlicher Zulässigkeitserklärung nichtig ist. In solch einem Fall kann das Arbeitsverhältnis nicht nach § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG auf Antrag des Arbeitgebers aufgelöst werden. Die Lösungsmöglichkeit nach § 9 KSchG bedeutet für den Arbeitgeber eine Vergünstigung, die nur in Betracht kommt, wenn eine Kündigung "nur" sozialwidrig und nicht (auch) aus anderen Gründen, die dem Arbeitnehmer einen zusätzlichen Schutz verschaffen, nichtig ist (BAG 28. Mai 2009 - 2 AZR 949/07 - Rn. 15, [...]).
III. Die Klägerin hat Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung für den Zeitraum vom 16. August 2013 bis 14. Dezember 2013 in einer Gesamthöhe von 2.300,00 EUR brutto (575,00 EUR brutto für vier Monate) nach § 615 S. 1 iVm. § 611 Abs. 1 BGB.
1. Der Beklagte befand sich im streitbefangenen Zeitraum infolge seiner unwirksamen - zunächst mündlichen, später schriftlichen - Kündigung vom 07. August 2013 im Annahmeverzug, ohne dass es eines Angebots der Klägerin (§ 296 BGB) bedurft hätte. Nach einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung bedarf es zur Begründung des Annahmeverzugs eines Angebots des Arbeitnehmers nicht (BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 14, [...]).
2. Der Beklagte hat nicht bewiesen, dass die Klägerin im streitbefangenen Zeitraum nicht leistungswillig war, § 297 BGB.
a) Nach dieser Vorschrift kommt der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die Arbeitsleistung zu bewirken. Neben der (tatsächlichen oder rechtlichen) Leistungsfähigkeit umfasst § 297 BGB auch die nicht ausdrücklich genannte Leistungswilligkeit. Dies folgt daraus, dass ein leistungsunwilliger Arbeitnehmer sich selbst außer Stande setzt, die Arbeitsleistung zu bewirken. Die objektive Leistungsfähigkeit und der subjektive Leistungswille sind von dem Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzungen, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen müssen. Der Arbeitgeber hat darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außer Stande oder subjektiv nicht bereit war. Dies ergibt sich aus der Fassung des § 297 BGB (BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 16 f., [...]).
b) Der Beklagte hat dazu angeführt, am 06. August 2013 sei die Klägerin in der Gaststätte erschienen, habe eine Krankmeldung abgegeben und dabei geäußert, dass sie weder wiederkommen noch arbeiten wolle, sie habe etwas anderes gefunden. Die Klägerin hat erklärt, so sei es nicht gewesen. Ihre Krankmeldung habe vom 06. bis zum 08. August 2013 einschließlich Freitag gedauert. Der Beklagte habe sie dann aufgefordert, ab Samstag, 10. August 2013, wieder zur Arbeit zu erscheinen. Wenn sie an dem Tag nicht auftauche, würde sie gekündigt. Tatsächlich sei sie dann an dem Samstag wieder in dem Café erschienen und nach Hause geschickt worden.
aa) Aufgrund der Beweisaufnahme ist nicht festzustellen, dass die Klägerin am 06. August 2013 einen fehlenden Leistungswillen bekundete, in dem sie die von dem Beklagten behaupteten Äußerungen tätigte. Die Zeuginnen haben diese Äußerungen nicht bestätigt. Die Zeugin Frau A. hat vielmehr glaubhaft bekundet, an dem Tag, an dem die Klägerin das Attest abgegeben habe, im Café L. und nicht im P. gewesen zu sein. Sie sei bei der Abgabe des Attestes durch die Klägerin nicht anwesend gewesen. Ebenso hat die Zeugin G. mit Bestimmtheit geäußert, sie sei an dem Tag, an dem die Klägerin ein Attest abgegeben habe, nicht dabei gewesen.
bb) Die Zeugin Frau A. hat zwar über das Beweisthema hinaus bekundet, sie wisse, dass die Klägerin ab und zu gesagt habe, sie wolle nicht mehr kommen und die Klägerin sei etwa während des Mittagessens hoch zu ihr, der Zeugin, gekommen und habe gesagt, sie habe keine Lust mehr, für den Beklagten zu arbeiten, sie habe auch etwas anderes gefunden. Auch die Zeugin Frau G. hat bekundet, sie könne zwar zu dem Tag der Attestabgabe nichts sagen, aber die Klägerin habe immer gesagt, dass sie dort und mit den Leuten nicht mehr arbeiten wolle und etwas anderes gefunden habe.
Aus derartigen Äußerungen der Klägerin kann nicht auf einen fehlenden Leistungswillen der Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum geschlossen werden. Tatsächlich leistete die Klägerin ungeachtet solcher Erklärungen jedenfalls bei dem Beklagten weiterhin Arbeit, bis dieser mündlich die Kündigung aussprach. Es kann daher über die Bekundung einer allgemeinen Unzufriedenheit mit der Ausbildungsstelle und ein allgemeines Gerede hinaus nicht auf eine ernsthafte Absicht der Klägerin, die Ausbildung einzustellen, geschlossen werden. Diese Angaben der Zeuginnen erfolgten zudem nicht in Bezug auf einen bestimmten Vorgang in zeitlicher Hinsicht. Aus dem Zusammenhang gerissen und ohne zeitliche Konkretisierung kann ein fehlender Leistungswille während des Zeitraums des Annahmeverzugs nicht festgestellt werden. Die Vernehmung der Zeuginnen zu diesem Punkt, wann und unter welchen Umständen entsprechende Äußerungen der Klägerin erfolgten, wäre auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinaus gelaufen.
cc) Die weitere Äußerung der Zeugin G., der Beklagte habe sie nicht angewiesen, der Klägerin zu sagen, diese solle nicht wiederkommen, steht der Behauptung der Klägerin, sie sei vom Beklagten aufgefordert worden, an ihrem freien Tag, Samstag, zu erscheinen und dann an diesem Tag von ihrer Kollegin wieder weggeschickt worden, nicht im Einklang. Dies besagt jedoch für sich genommen nichts für die vorliegende Frage der fortbestehenden Leistungsbereitschaft der Klägerin bei Abgabe des Attestes.
dd) Auch unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen ist nicht zur Überzeugung des Gerichts festzustellen, dass die Klägerin zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr leistungsbereit war. Unstreitig ist, dass der Beklagte gegenüber der Klägerin am 07. August 2013 eine mündliche Kündigung ausgesprochen hat. Befragt zu Einzelheiten erklärte er im Termin am 09. Dezember 2014, die Klägerin habe mit ihm telefoniert und erklärt, dass sie an zwei Tagen nicht kommen würde. Daraufhin habe er dann gesagt, das Arbeitsverhältnis sei für ihn beendet. Er habe das als Kündigung verstanden. Der Beklagte befand sich ab seiner mündlichen Kündigung im Annahmeverzug. Nach einer solchen Äußerung hätte eigentlich kein Grund mehr für die Klägerin bestanden, zur Arbeit zu erscheinen. Der Beklagte hat weiter ausgeführt, die Klägerin selbst habe geäußert, dass sie nicht mehr zur Arbeit kommen und sich etwas anderes suchen wolle. Den genauen Ablauf der Aussprache von Kündigungen - etwa auch vor dem 07. August 2013 - durch sich selbst und Erklärungen der Klägerin, sie wolle nicht mehr kommen, hat der Beklagte auch im Anschluss an die Auflage mit Beschluss vom 09. Dezember 2013 nicht schlüssig aufgezeigt. Eine substantiierte Darlegung einer definitiv bekundeten Unwilligkeit der Klägerin, ab einem bestimmten Zeitpunkt noch Leistungen zu erbringen, ist unabhängig vom Vortrag des Beklagten zum Tag der Abgabe der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht erfolgt. Selbst wenn die Klägerin den 10. August 2013 betreffend nicht wahrheitsgemäße Angaben zu den Äußerungen ihrer Kollegin gemacht haben sollte, ändert dies nichts an der fehlenden schlüssigen Darlegung der Leistungsunwilligkeit der Klägerin. Die fehlende Leistungsbereitschaft konnte nicht zur Überzeugung der Kammer festgestellt werden. Mögliche falsche Angaben der Klägerin zum 10. August 2013 helfen darüber nicht hinweg.
3. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin bereits vor dem im Bescheid vom 23. November 2013 ausgewiesenen Datum vom 01. Januar 2014 Sozialleistungen bezogen haben könnte oder Leistungen der Krankenkasse im Zeitraum vom 16. August 2013 bis zum 14. Dezember 2013, sind nicht ersichtlich.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO.
Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.
Warmbier
Eigelsbach
Verkündet am: 03.03.2015