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24.09.2015 · IWW-Abrufnummer 179740

Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Beschluss vom 05.08.2015 – 4 TaBVGa 6/15

Die Einleitung eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens sowie die Beauftragung eines Rechtsanwalts hiermit ist kein Geschäft der laufenden Verwaltung des Betriebsrats/Gesamtbetriebsrats. Aus diesem Grund ist der Betriebsausschuss ( § 27 Abs. 3 BetrVG ) bzw. der Gesamtbetriebsausschuss zu einem rechtswirksamen Handeln für den Betriebsrat/Gesamtbetriebsrat nicht originär legitimiert; es bedarf vielmehr eines ordnungsgemäßen Beschlusses des Betriebsrats/Gesamtbetriebsrats.


Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.



Gründe



I.



Der antragstellende Gesamtbetriebsrat begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes von der zu 2) beteiligten Antragsgegnerin, der Arbeitgeberin, Unterlassung zweier neu eingeführter, EDV-gestützter Maßnahmen. Der Arbeitgeberin soll zum einen die Verwendung sogenannter Beratungscoupons untersagt werden und zum anderen die Durchführung einer Kundenbefragung. Der Gesamtbetriebsrat sieht jeweils Mitbestimmungsrechte, insbesondere aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG berührt.



Die Arbeitgeberin betreibt weit über 100 Baumärkte. In 59 Baumärkten sind Betriebsräte gebildet. Der Gesamtbetriebsrat besteht aus 106 Mitgliedern, sein Gesamtbetriebsausschuss hat 11 Mitglieder.



Die Arbeitgeberin führte zur Steigerung der Kundenorientierung im Jahre 2015 sogenannte Beratungscoupons ein. Dabei handelt es sich um aufklebbare Coupons, die mit einem Strichcode versehen sind, der für den jeweiligen Markt einheitlich ist. Die Coupons werden an die Mitarbeiter ausgegeben. Diese sind angewiesen, den Coupon auf einen Artikel zu kleben, zu dem sie einen Kunden beraten haben. An der Kasse wird der Strichcode des Beratungscoupons im Zusammenhang mit dem Kassiervorgang eingescannt, wobei je Einkauf nur ein Beratungscoupon erfasst wird. Mit Einführung des Beratungscoupons war ursprünglich die Einführung eines Bonusmodells beabsichtigt. Nachdem der Gesamtbetriebsrat sich hierzu jedoch nicht geäußert hat, hat die Arbeitgeberin diese Absicht nicht weiter verfolgt. Inzwischen hat der Gesamtbetriebsrat der Einführung des Bonusmodells zugestimmt.



Ferner beabsichtigt die Arbeitgeberin, in ausgewählten und eigenen Märkten sowie in Märkten der Schwestergesellschaften jeweils für ca. 3 Wochen Kundenumfragen durchzuführen. Hierfür wird auf dem Kassenbon den Kunden eine 20-stellige Nummer aufgedruckt, die sogenannte Bon-ID. Zugleich wird dem Kunden ein Fleyer ausgehändigt, in welchem der Kunden eingeladen wird, sich mittels der Bon-ID auf einer Internetseite der Arbeitgeberin einzuloggen und dort online an einer Kundenumfrage teilzunehmen. Es handelt sich um 27 Fragen, darunter auch die Fragen, ob der Kunde von einem Mitarbeiter im Markt angesprochen worden ist, ob er einen verfügbaren Mitarbeiter gefunden habe und inwieweit er mit dem Mitarbeiterkontakt zufrieden gewesen sei. Zur Erhebung und Auswertung der Daten hat die Antragsgegnerin eine externe Management Consult Firma beauftragt.



Über die Einführung der Maßnahmen hat die Arbeitgeberin den Gesamtbetriebsrat informiert.



Mit seinem am 08.05.2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag begehrt der Gesamtbetriebsrat die Unterlassung beider Maßnahmen. Er verweist auf zwei Beschlüsse seines Gesamtbetriebsausschusses zur Einleitung von Beschlussverfahren mit dem Ziel, dem Arbeitgeber die dargestellten Maßnahmen zu untersagen. Auf die Glaubhaftmachungen des Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats wird Bezug genommen (Bl. 16 - 18 d. A.).



Der Gesamtbetriebsrat ist der Auffassung, die Maßnahmen verletzten sein Mitbestimmungsrecht. Die Erfassung der Beratungscoupons lasse mit Hilfe des Artikels, des Kaufzeitpunkt und unter Hinzuziehung des Schichtplans einen Rückschluss auf den Beschäftigten zu, von dem der Beratungscoupon auf die Ware geklebt worden sei. Es seien die Mitbestimmungsrechte aus § 7 Abs. 1 Nr. 1, 6 und 10 BetrVG verletzt. In gleicher Weise lasse sich das Ergebnis der Kundenbefragung über den Strickcode, den Einkaufszeitpunkt, die betroffene Ware und unter Beiziehung des Schichtplans auf einen konkreten Mitarbeiter zurückführen. Unerheblich sei, ob dies von der Arbeitgeberin beabsichtigt werde. In beiden Fällen falle die Ausübung des Mitbestimmungsrechts in die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats, da es sich um betriebsübergreifende, unternehmensgesteuerte Maßnahmen handele.



Der Gesamtbetriebsrat hat beantragt,



Die Arbeitgeberin hat Zurückweisung der Anträge beantragt. Sie bestreitet eine ordnungsgemäße Beschlussfassung des Gesamtbetriebsausschusses. Der Beschluss richte sich zudem nur auf die Einleitung eines Beschlussverfahrens, nicht aber auf ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Insbesondere sei aber der Gesamtbetriebsausschuss nicht befugt, die Einleitung des vorliegenden Verfahrens zu beschließen. Es handele sich bei der Einleitung des vorliegenden Rechtsstreits nicht um ein laufendes Geschäft des Gesamtbetriebsrats; dieser hätte daher selbst beschließen müssen. Weiter hat die Arbeitgeberin geltend gemacht, dass nicht erkennbar sei, dass der Gesamtbetriebsrat für die Angelegenheit originär zuständig ist. So sei auch von dem örtlichen Betriebsrat, in dem der Gesamtbetriebsratsvorsitzende zugleich Betriebsratsvorsitzender ist, ein entsprechendes Beschlussverfahren eingeleitet.



Bei der Anbringung der Beratungscoupons handele es sich nicht um einen mitbestimmungspflichtigen Vorgang. Eine Leistungskontrolle sei nicht beabsichtigt. Dies scheitere schon daran, dass je Kunde nur ein Beratungscoupon erfasst würde, auch wenn mehrere Artikel des Kunden mit Beratungscoupon versehen wären. Ferner wäre bei der Arbeitgeberin abteilungsübergreifend bedient, ebenso vom Marktleiter und dessen Stellvertreter. Eine Reihe von Artikeln werde zudem in mehreren Abteilungen angeboten. Aus den Schichtplänen könne daher nicht auf einzelne Mitarbeiter geschlossen werden, zumal eine solche Zuordnung auch einen enormen Aufwand bedeute.



Entsprechendes gelte auch für die Kundenumfrage. Auch hier ließen sich Rückschlüsse auf einzelne Mitarbeiter nicht ziehen. Um auch eine theoretisch denkbare Möglichkeit hierfür auszuschließen, habe die Arbeitgeberin mit der Consultingfirma Vorkehrungen vereinbart, die eine Verknüpfung der Kundenantworten mit dem Zeitpunkt des Einkaufs ausschlossen. Darüber hinaus sei verabredet, sämtliche von einem Kunden vorgenommenen "offenen Nennungen" in einem Antwortfeld vollständig zu anonymisieren. Die Vereinbarungen seien dem Gesamtbetriebsrat bekannt.



Mit Beschluss vom 21.05.2015, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es an einem Verfügungsanspruch fehle. Weder sei das Verhalten der Arbeitnehmer in Bezug auf die Ordnung des Betriebes berührt noch stelle sich die Erfassung der Strichcodes auf den Beratungscoupons und der Kundenbefragung als Überwachung durch eine technische Einrichtung dar. Denn es ließen sich keine individualisierbaren Ergebnisse ermitteln. In Bezug auf die Kundenbefragung folge dies insbesondere aus den Vereinbarungen mit der Management-Consulting-Firma.



Gegen den ihm am 05.06.2015 zugestellten Beschluss hat der Gesamtbetriebsrat am 02.07.2015 Beschwerde eingelegt und diese am 13.07.2015 begründet. Die Anweisung, Beratungscoupons aufzukleben, betreffe nicht das Leistungsverhalten und sei daher dem Ordnungsverhalten zuzurechnen mit der Folge, dass ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG besteht. Im Übrigen bestehe ein Mitbestimmungsrecht sowohl in Bezug auf die Beratungscoupons als auch auf die Bon-ID auf den Kassenzetteln nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Es würden Daten verarbeitet, die sich auf das Leistungsverhalten der Beschäftigten, nämlich ihre Beratungstätigkeit, bezögen. Das Mitbestimmungsrecht sei auch eröffnet, wenn sich Rückschlüsse auf das Arbeitsverhalten einzelner Beschäftigter erst aus der Kombination unterschiedlicher Daten, etwa der Schichtpläne, ermitteln ließen. Aus der Erfassung der Beratungscoupons ließe sich jedenfalls ein prämienwirksames Teamergebnis ermitteln, wie aus der vom Arbeitgeber beabsichtigten Bonusregelung folge. Es entstehe auch ein Überwachungsdruck. Unerheblich sein, ob die Beklagte mit der Management-Consult-Firma Vereinbarungen über die Art und Weise der Datenerhebung getroffen hat. Derartige Vereinbarungen ließen sich jederzeit ändern. Allein die Beauftragung Dritter enthebe die Arbeitgeberin nicht der Beachtung des Mitbestimmungsrechts.



Der Gesamtbetriebsrat beantragt,



Die Arbeitgeberin beantragt,



Sie rügt weiterhin die fehlende Beschlussfassung des Gesamtbetriebsrats zur Einleitung des vorliegenden Verfahrens, die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats zur Geltendmachung des Mitbestimmungsrechts und verteidigt im Übrigen die arbeitsgerichtliche Entscheidung nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 03.08.2015.



Wegen des weiteren Beschwerdevorbringens der Beteiligten wird auf ihre im Beschwerderechtszug gewechselte Schriftsätze nebst beigefügten Anlagen sowie ihre Protokollerklärungen Bezug genommen.



II.



Die Beschwerde ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Arbeitsgericht den Antrag des Gesamtbetriebsrats auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Der Antrag war in Ermangelung einer Beschlussfassung des Gesamtbetriebsrats zur Einleitung des Verfahrens bereits unzulässig.



1. Die Beschwerde ist zulässig. Insbesondere kommt es für ihre Zulässigkeit nicht darauf an, ob der ursprünglich erteilten Vollmacht zur Einleitung des Beschlussverfahrens ordnungsgemäße Beschlüsse des Gesamtbetriebsrats zugrunde lagen. Dies ist keine Frage der Zulässigkeit des Rechtsmittels, sondern der Zulässigkeit des Antrags, jedenfalls dann, wenn - wie hier - die Beteiligten über die Rechtmäßigkeit der Beschlussfassung des Gesamtbetriebsrats zur Einleitung des Verfahrens streiten (vgl. BAG 06.12.2006 - 7 ABR 62/05, AP Nr. 5 zu § 21 b BetrVG 1972, Rz. 12).



2.Der Antrag des Gesamtbetriebsrats war als unzulässig abzuweisen.



a) Zur Einleitung eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens und zur Beauftragung eines Rechtsanwalts ist ein ordnungsgemäßer Beschluss des Betriebsrats erforderlich. Unterbleibt die Beschlussfassung oder erfolgt sie fehlerhaft, ist der Betriebsrat in dem Beschlussverfahren nicht wirksam vertreten und ein Prozessrechtsverhältnis kommt nicht zustande. Der für den Betriebsrat gestellte Antrag ist als unzulässig abzuweisen (BAG 06.12.2006 - a. a. O. , Rz. 19 m. w. N.).



b) Es fehlt an einer wirksamen Beschlussfassung des Betriebsrats zur Einleitung des Beschlussverfahrens. Zwar umfassen die gesamtbetriebsausschussgefassten Beschlüsse zur Einleitung eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens inhaltlich ohne Weiteres auch die Einleitung eines Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz, wie das Arbeitsgericht richtig erkannt hat. Denn auch im Verfügungsverfahren gilt das Beschlussverfahren als richtige Verfahrensart (allgemeine Meinung). An einer dem Gesamtbetriebsrat zurechenbaren Beschlussfassung fehlt es aber, weil anstelle des Gesamtbetriebsrats lediglich der Gesamtbetriebsausschuss tätig geworden ist. Der Gesamtbetriebsausschuss war für die Beschlussfassung zur Einleitung der vorliegenden Verfahren weder originär noch aufgrund Einzelübertragung durch den Gesamtbetriebsrat legitimiert. Der Mangel ist auch im Laufe des Verfahrens nicht durch eine Nachholung der Beschlussfassung des Gesamtbetriebsrats geheilt worden.



aa) Die Beschlussfassung über die Einleitung eines Beschlussverfahrens, mit dem dem Arbeitgeber die Unterlassung mitbestimmungswidrigen Verhaltens aufgegeben werden soll, zählt nicht zu den laufenden Geschäften des Gesamtbetriebsrat im Sinne von § 51 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 27 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Dies gilt auch, soweit die Untersagung lediglich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verfolgt wird.



Der Gesamtbetriebsausschuss ist kraft gesetzlicher Zuweisung nach den vorgenannten Bestimmungen für die Wahrnehmung der laufenden Geschäfte des Gesamtbetriebsrats zuständig. § 27 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BetrVG unterscheiden zwischen den "laufenden Geschäften", deren Wahrnehmung dem Betriebsausschuss und damit auch dem Gesamtbetriebsausschuss kraft Gesetzes übertragen ist, und den "Aufgaben zur selbständigen Erledigung", die ihm mittels qualifizierten Mehrheitsbeschlusses übertragen werden können. "Laufende Geschäfte" meinen regelmäßig interne, verwaltungsmäßige, organisatorische und gegebenenfalls wiederkehrende Aufgaben des Betriebsrats, also etwa die Erledigung des Schriftverkehrs, Entgegennahme von Anträgen von Arbeitnehmern, die Einholung von Auskünften, die Vorbereitung von Betriebsratssitzungen sowie von Betriebs-, Teil- und Abteilungsversammlungen (BAG 15.08.2012 - 7 ABR 16/11, AP Nr. 10 zu § 27 BetrVG 1972, Rz. 19 m. w. N.). Demgegenüber betreffen "Aufgaben zur selbständigen Erledigung" regemäßig Angelegenheiten, aus dem Rechte und Pflichten im Kreis des Betriebsrats bzw. Gesamtbetriebsrats im Verhältnis zur Belegschaft, vor allem aber zum Verhältnis zum Arbeitgeber, also die Beteiligungs- und Mitbestimmungsangelegenheiten im weitesten Sinne (BAG, a. a. O.). Diese Abgrenzung deckt sich mit der ganz herrschenden Meinung des arbeitsrechtlichen Schrifttums (vgl. Düwell ...; Fitting...; Andere...;). Überwiegend wird darauf abgestellt, das eine Angelegenheit nicht zu den laufenden Geschäften des Betriebsrats bzw. des Gesamtbetriebsrats gehört, wenn sie einer Beschlussfassung des Gremiums bedarf (vgl. ....). Selbst nach der weitestgehenden Auffassung, die auch mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten zu den laufenden Geschäften zählt, soweit ihre Erledigung eine Entscheidung des Betriebsrats nicht oder nicht mehr erfordert, weil sie bereits durch eine Betriebsvereinbarung oder einen Beschluss des Betriebsrats inhaltlich vorbestimmt ist, oder weil es sich um zeitbedingte Aufgaben ohne grundsätzliche Bedeutung für die Belegschaft handelt (vgl. Richardi/Tüsing BetrVG, 14. Aufl., § 27 Rz. 49 m. w. N.), handelte es sich bei der Einleitung des vorliegenden Verfahrens nicht um ein laufendes Geschäft des Gesamtbetriebsrats. Denn die Einleitung des Verfahrens ist weder durch eine Gesamtbetriebsratsvereinbarung, noch durch einen Beschluss des Gesamtbetriebsrats inhaltlich vorbestimmt, noch handelt es sich um eine zeitbedingte Aufgabe ohne grundsätzliche Bedeutung für die Belegschaft. Der Gesamtbetriebsrat begründet seinen Antrag gerade damit, dass Rechte der Belegschaft erheblich in Mitleidenschaft gezogen würden.



Auch die Größe des Gremiums - hier des Gesamtbetriebsrats mit 106 Mitgliedern - nötigt nicht zu einer anderen Grenzziehung. Dem Bedürfnis, in bestimmten, etwa eiligen Fällen schwerfälligen und langwierigen Entscheidungsprozeduren auszuweichen, kann gerade durch die Übertragung von Aufgaben zur selbständigen Erledigung Rechnung getragen werden (vgl. LAG Düsseldorf 23.10.1973, BB 1974, 649 = DB 1974, 926 [LAG Düsseldorf 23.10.1973 - 11 Sa 421/73] ).



bb) Der Gesamtbetriebsausschuss war zur Beschlussfassung für den Gesamtbetriebsrat auch nicht Kraft Übertragung von Aufgaben zur selbständigen Erledigung berechtigt. Eine solche Übertragung hat nicht stattgefunden (wie der Gesamtbetriebsrat in der mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdegericht bestätigt hat).



cc) Auch die - grundsätzlich mögliche - Nachholung der Beschlussfassung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung (vgl. BAG 06.12.2006 - 7 ABR 62/05 a. a. O., Rz. 20) hat nicht stattgefunden, obwohl die Arbeitgeberin die Beschlussfassung durch den Gesamtbetriebsausschuss von Anfang an gerügt hat.



3. Unabhängig davon erscheint auch die materiell rechtliche Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats zur Geltendmachung des Mitbestimmungsrechts fraglich, jedenfalls nicht hinreichend glaubhaft gemacht. In Betracht kommt insoweit nur eine originäre Zuständigkeit des Betriebsrats aus § 50 Abs. 1 BetrVG, da eine Beauftragung durch den Betriebsrat oder mehrere Betriebsräte nicht gegeben ist.



a) Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Gesamtbetriebsrat für eine Angelegenheit ....(Einschub) ( BAG 18.05.2010, 1 ABR 96/08, Rz. 15).



b) Nach diesen Grundsätzen kann von einer originären Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates nicht ohne Weiteres ausgegangen werden. Ohne die Koppelung mit der Einführung eines - freiwilligen - Bonussystems erscheint eine unternehmenseinheitliche Ausgestaltung der Erfassung von Beratungscoupons allenfalls zweckmäßig, nicht aber aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen erforderlich. Insbesondere ist auch nicht dargetan, dass es sich um einen Wettbewerb unter den Märkten handelte, der notwendigerweise einheitliche Bedingungen voraussetzen würde. Die Ausgestaltung des Verfahrens zur Erfassung der Beratungscoupons spricht gegen ein Wettbewerb, da pro Kunde nur ein Coupon erfasst wird. Dies gibt den wirklichen Umfang der Beratungsleistung oder Beratungshäufigkeit nicht wieder.



Hinsichtlich der Kundenbefragung, die nicht flächendeckend, sondern nur in einigen Märkten und auch dort nur sporadisch durchgeführt wird, ist ohne nähere Darlegung ebenfalls nicht davon auszugehen, dass mehr als Zweckmäßigkeitsregelungen für eine unternehmenseinheitliche Ausgestaltung sprechen.



4. Unbeachtet der Unzulässigkeit des Antrags (vgl. oben Ziffer 2.) wird weitere darauf hingewiesen, dass es in der Sache an einem Verfügungsgrund fehlen dürfte.



Ein Verfügungsgrund liegt vor.... (Einschub LAG I., 30.11.2007 - 10 TaBVGa 19/07 - Rz. 46 und LAG Düsseldorf).



Eine Abwägung der Folgen lässt ein eindeutig überwiegendes Interesse des Antragstellers an dem Erlass der einstweiligen Verfügung nicht erkennen. Soweit in der Anhörung vor dem Beschwerdegericht von Seiten des Gesamtbetriebsrats darauf hingewiesen wurde, dass die geltend gemachten Mitbestimmungsrechte dem Schutz der Persönlichkeit des Arbeitnehmers und somit eines hohen Rechtsguts dienen, bleibt unberücksichtigt, dass gerade dieses Persönlichkeitsrecht durch die fraglichen Maßnahmen des Arbeitgebers tatsächlich - wenn überhaupt - nur schwach berührt sein kann. Denn die Rückschlüsse auf den einzelnen Arbeitnehmer sind zum einen eher nur theoretisch möglich und zum anderen ohne Gewissheit. Es droht kein Verhaltens und Anpassungsdruck nennenswerter Art. Möglicherweise deshalb hat auch der Gesamtbetriebsrat sein Einverständnis mit einer Bonusregelung nachträglich geäußert.



5. Weitere Stellen waren am Verfahren nicht zu beteiligen, da zum einen die Anträge des Gesamtbetriebsrats unzulässig sind und zum anderen nicht mit Rechtskraft über eine Abgrenzung der Zuständigkeit von Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat befunden wird.

gez. Quecke
gez. Riße
gez. Häfen

Vorschriften§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, § 7 Abs. 1 Nr. 1, 6 und 10 BetrVG, § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, § 27 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, § 27 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BetrVG, § 50 Abs. 1 BetrVG, § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG

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