09.09.2015 · IWW-Abrufnummer 145335
Finanzgericht Sachsen: Beschluss vom 04.03.2014 – 4 V 297/13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen
Beschl. v. 04.03.2014
Az.: 4 V 297/13
In dem Finanzrechtsstreit
- Antragstellerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
,
gegen
Finanzamt
- Antragsgegner -
wegen Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung (Umsatzsteuervorauszahlungen für Januar bis April 2012)
hat der 4. Senat am 04.03.2014
beschlossen:
Tenor:
1.
Von der Vollziehung werden ausgesetzt die geänderten Bescheide vom 04.02.2013 über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung
für Februar 2012 i.H. von 80.607,50 €,
für März 2012 i.H. von 135.299,00 €,
für April 2012 i.H. von 102.467,00 €.
In jeweils gleichem Umfang wird die Aufhebung der Vollziehung der geänderten Bescheide vom 04.02.2013 über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Februar 2012, März 2012 und April 2012 rückwirkend ab Fälligkeit angeordnet.
Die Aussetzung der Vollziehung endet mit Bestandskraft der Bescheide, spätestens jedoch einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung.
2.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
3.
Die Kosten des Verfahrens werden zu 19 % der Antragstellerin und zu 81 % dem Antragsgegner auferlegt.
4.
Die Beschwerde an den Bundesfinanzhof wird zugelassen in Bezug auf die Festsetzung der Umsatzsteuer für die Voranmeldungszeiträume Februar 2012, März 2012 und April 2012.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt Aussetzung und Aufhebung der Vollziehung der geänderten Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide vom 04.02.2013 für Januar 2012 i.H. von 75.100,15 €, für Februar 2012 i.H. von 80.607,50 €, für März 2012 i.H. von 135.299,00 € und für April 2012 i.H. von 102.467,00 €.
Die geänderten Bescheide beruhen auf den Feststellungen einer bei der Antragstellerin stattgefundenen Umsatzsteuer-Sonderprüfung. Auf den mehrfach geänderten Prüfungsbericht wird Bezug genommen (ursprünglicher Bericht vom 01.06.2012, geänderte Berichte vom 15.06.2012, 16.10.2012, zuletzt vom 22.01.2013, vgl. Bp-Akte Bl. 121, 139, 172, 148; vgl. auch Rechtsbehelfsakte Bl. 5 ff.).
Gegenstand des geänderten Vorauszahlungsbescheids für Januar 2012 sind zwei Lieferungen der Antragstellerin im Voranmeldungszeitraum Januar 2012 an die Fa. K.. von jeweils 6 Edelmetalle am 18.01.2012 und am 26.01.2012 mit einem Gesamtwert von 470.362,20 €, welche die Antragstellerin als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen gem. § 4 Nr. 1b, § 6a UStG behandelt hatte. Die Abnehmerin war in einem öffentlichen Register in Zypern, registriert (vgl. Registrierungsdokumente vom 19.11.2010, Anlagenkonvolut A4, Bl. 37 ff. dA). Bereit im August 2011 hatte Herr T.. namens der K.. mit der Antragstellerin Kontakt aufgenommen. Hinsichtlich der ersten Lieferung wurde die Ware am 18.01.2012 von Herrn T.... abgeholt, der sich mit seinem dänischen Personalausweis ausgewiesen und erklärt hatte, die Waren unverzüglich nach Zypern zu befördern. Herr T.. war mit E-Mail vom 12.01.2012 durch Herrn H.. zur Abholung ermächtigt worden. Herr H... hatte mit E-Mail vom 12.01.2012 im Namen der K.. gegenüber der Antragstellerin eine Kaufanfrage abgegeben und sich vorgestellt, er sei "seit neulich bei K.. angestellt". Auf den von der Antragstellerin vorgelegten E-Mail-Verkehr wird verwiesen (Anlagenkonvolute A1 und A2). Die zweite Lieferung wurde nach Vorbringen der Antragstellerin auf Geheiß. der Abnehmerseite in deren Niederlassung ("...") nach Dänemark. versandt. Als Versandnachweis wurde ein "Tagesabschluss - internat. Luftfracht" vom 27.01.2012 vorgelegt (Anlage A12, Bl. 49 dA). Die ursprünglich erstellten Rechnungen hatte die Antragstellerin auf Hinweis des Finanzamts korrigiert und durch korrigierte Rechnungen vom 01.11.2012 ersetzt (Anlagenkonvolut A6). Die zypriotische Finanzverwaltung hat im zwischenstaatlichen Auskunftsaustausch betreffend die beiden streitgegenständlichen Lieferungen mitgeteilt, keine Informationen bezüglich des Unternehmens zu haben. Über die betreffenden Transaktionen lägen keine Dokumente vor. Die Gesellschaft werde in Kürze hinsichtlich der Umsatzsteuer aus dem Register in Zypern gelöscht (vgl. Bl. 61-64 Akte "laufendes Verfahren"). Im geänderten Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid Januar 2012 vom 04.02.2013 wurde die Behandlung als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen abgelehnt und die Umsatzsteuer um den streitgegenständlichen Nachforderungsbetrag erhöht (vgl. auch Tz. 15 des Prüfungsberichts).
Gegenstand der geänderten Vorauszahlungsbescheide vom 04.02.2013 für Februar, März und April 2012 ist der - in den ursprünglichen Bescheiden zunächst gewährte und nunmehr wieder aberkannte - Vorsteuerabzug aus insgesamt 20 Rechnungen der Fa. A... mit einem Vorsteuervolumen von 80.607,50 € im Februar 2012, 135.299,00 € im März 2012 und 102.467,00 € im April 2012. Wegen der Einzelheiten wird verwiesen auf Tz. 16b des Prüfungsberichts, auf die Anlage zum USt-Vorauszahlungsbescheid vom 04.02.2013 für April 2012 (Rechtsbehelfsakte Bl. 18) sowie auf den Ausdruck des Kontos 70214 A.. (Bp-Akte Bl. 138). Ausweislich der vorliegenden Rechnungen der A.. (Bp-Akte Bl. 10, 11, 53, 54, 60, 61, 132, 135, 285, 288, 291, 292, 295, 296) und des o.a. Kontenausdrucks (Bp-Akte Bl. 138) hat die Antragstellerin Edelmetallgranulat angekauft. Die A.... ist seit 08.10.2008 im Handelsregister des AG N.. mit Sitz in P..eingetragen, eingetragener Unternehmensgegenstand ist Handel und Verpackung von agrotechnischen Produkten und Kulturen. In der Folge eines Verkaufs der Geschäftsanteile und eines wiederholten Geschäftsführerwechsels wurde am 13.12.2011 im Handelsregister die Anschrift .... in M... als neue Geschäftsanschrift eingetragen (vgl. Handelsregisterauszug, Anlagenkonvolut A17, Bl. 55 dA). Unter der angegebenen Anschrift in M.. hatte die A... von der Fa. E... im Rahmen eines Büroservicevertrages ein Büro gemietet. In der vom im Dezember 2011 bestellten Geschäftsführer T... unterzeichneten Gewerbeanmeldung vom 17.04.2012 bei der Stadt M.. wurde als angemeldete Tätigkeit auch der "Handel mit Rohstoffen" angegeben (Anlage A20, Bl. 60 dA). Im Ergebnis einer am 05.06.2012 vorgenommenen Umsatzsteuer-Nachschau des FA M.. (vgl. hierzu die Aktenvermerke vom 15.06.2012 und 26.07.2012, Bp-Akte Bl. 359, 365) gelangten die Prüferin (Tz. 16b des Prüfungsberichts) und ihr folgend der Antragsgegner zur Auffassung, der auf der Rechnung angegebene Sitz habe im Streitzeitraum tatsächlich nicht bestanden, weshalb der Vorsteuerabzug nach der Rechtsprechung des BFH zu versagen sei.
Hilfsweise - für den Fall, dass der Aussetzungsantrag hinsichtlich der Steuerfreiheit der Lieferungen an die Fa. K... im Voranmeldungszeitraum Januar 2012 sowie hinsichtlich des Vorsteuerabzugs aus den Rechnungen der A... in den Voranmeldungszeiträumen Februar bis April 2012 ohne Erfolg bleibt - macht die Antragstellerin den - bislang zu keinem Zeitpunkt gewährten - Vorsteuerabzug aus Rechnungen der Fa. Sch., Inhaber C. , über Lieferungen von Edelmetall und Edelgranulat zum Gegenstand des vorliegenden Aussetzungsantrags (Vorsteuervolumen Januar 2012 i.H. von 3.943,64 €, Februar 2012 i.H. von 70.394,43 €, März 2012 i.H. von 95.611,80 €). Hierzu wurde unter Tz. 16a des Prüfungsberichts festgestellt, Herr C.. sei nach Mitteilung des FA R.. und des zuständigen FA für Fahndung und Strafsachen tatsächlich kein Unternehmer, sondern lediglich als Rechnungsschreiber aktiv. Unter der angegebenen Anschrift habe kein Unternehmen festgestellt werden können. Der Vorsteuerabzug sei zu versagen, weil der in der Rechnung angegebene Sitz tatsächlich nicht bestanden habe.
Das behördliche Einspruchsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Nach Ablehnung eines behördlichen Aussetzungsantrags begehrt die Antragstellerin Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung bei Gericht.
Die Antragstellerin macht geltend, hinsichtlich ihrer Lieferungen an die K.. seien die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 4 Nr. 1b, § 6a UStG) erfüllt, die erforderlichen Buch- und Belegnachweise seien erbracht. Der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der A.. sei zu gewähren. In dem unter der Rechnungsanschrift angemieteten Büro seien geschäftliche Entscheidungen seitens der A.. getroffen und Lieferzeiten terminiert worden. Inwieweit das Büro tatsächlich genutzt worden sei, könne die Antragstellerin nicht ermessen. Fraglich sei auch, ob die nachträglich getroffenen Feststellungen des Finanzamts Rückschlüsse über die Nutzung im Streitzeitraum erlaubten. Doch auch bei unterstellter Richtigkeit der im Nachhinein getroffenen Feststellungen dürfe der Vorsteuerabzug jedenfalls nicht versagt werden auf der Grundlage des EuGH-Urteils vom 21.06.2012 C-80/11, C-142/11. Nach den dort aufgestellten Beweislastgrundsätzen, die in der Rechtsprechung des BFH noch nicht umgesetzt worden seien, dürfe die Finanzbehörde den Vorsteuerabzug nicht mit der Begründung verweigern, es gebe Unregelmäßigkeiten beim Rechnungsaussteller, wenn die Behörde nicht objektive Umstände nachweise, dass der betroffene Steuerpflichtige wusste oder habe wissen müssen, dass der Umsatz in eine Steuerhinterziehung einbezogen sei. Für die Antragstellerin sei zu keinem Zeitpunkt ersichtlich gewesen, dass das liefernde Unternehmen womöglich von einer nicht korrekten Adresse aus tätig geworden sei. Auch der hilfsweise geltend gemachte Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Fa. Sch sei zu bewilligen. Entgegen der Auffassung des FA sei der Lieferant Unternehmer gewesen. Allein der Umstand, dass der Verkäufer jetzt nicht mehr auffindbar sei und zudem seinen umsatzsteuerlichen Pflichten nicht hinreichend nachgekommen sei, könne nicht zu Lasten der Antragstellerin gehen, die sich zu Beginn der Geschäftsbeziehung in ausreichender Weise über ihren künftigen Lieferanten informiert habe, und der zudem eine bis Januar 2013 geltende Unbedenklichkeitsbescheinigung des FA R... vorgelegen habe. Weitere Ermittlungsmaßnahmen als die von ihr angestellten seien nicht zu verlangen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Vollziehung der Bescheide vom 04.02.2013 über die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für Januar bis April 2012 in Höhe von 75.100,15 € (Januar 2012), in Höhe von 80.607,50 € (Februar 2012), in Höhe von 135.299,00 € (März 2012) und in Höhe von 102.467,00 € (April 2012) aufzuheben, und jeweils bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Lieferungen an die K... könnten nicht als steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferungen behandelt werden, weil Buch- und Belegnachweis nicht erbracht seien. Zudem bestünden Zweifel an der Bevollmächtigung der hier aufgetretenen Personen. Der Vorsteuerabzug aus den Lieferungen der A... sei zu versagen, weil der auf der Rechnung angegebene Sitz tatsächlich nicht bestanden habe. Weil die Rechnung nicht alle notwendigen Angaben enthalte, insbesondere nicht den tatsächlichen Sitz der Gesellschaft, komme ein Vorsteuerabzug nicht in Betracht. Entsprechendes gelte für die Vorsteuern aus den Rechnungen der Fa. Sch.
II.
Der Antrag ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang erfolgreich und im Übrigen abzulehnen.
1. Voranmeldungszeitraum Januar 2012 - Lieferungen an die K...
In Bezug auf die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Januar 2012 ist der Antrag unbegründet. Die Antragstellerin hat für ihre Lieferungen an die K.. die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG) nicht glaubhaft gemacht.
Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V. mit §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt. Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen. Trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 12.05.2011 V R 46/10, BStBl II 2011, 957). Ist letzteres nicht der Fall, kann die Lieferung nur ausnahmsweise aus Vertrauensschutzgründen gemäß § 6a Abs. 4 UStG von der Steuer frei gestellt werden. Trotz Änderung der Nachweiserfordernisse gemäß §§ 17a ff. UStDV zum 01.01.2012 ist es für bis zum 31.12.2013 ausgeführte innergemeinschaftliche Lieferungen nicht zu beanstanden, wenn der Beleg- und Buchnachweis auf der Grundlage der bis 31.12.2011 geltenden Rechtslage geführt wird (wiederholt verlängerte Übergangsregelung, zuletzt mit BMF-Schreiben vom 16.09.2013, BStBl I 2013, 1192).
a) Lieferung von 6 Barren vom 18.01.2012
Hinsichtlich der von Herrn T... am 18.01.2012 abgeholten 6 Barren ist der Belegnachweis nach § 17a Abs. 2, 3 UStDV zu führen (Beförderungsfall). Die Führung des Belegnachweises erscheint im Ergebnis summarischer Prüfung zweifelhaft:
Zwar dürften vorliegen eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten (§ 17 Abs. 2 Nr. 3 UStDV) sowie die Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Liefergegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern (§ 17 Abs. 2 Nr. 3 UStDV): Der im Namen der K... aufgetretene T.., der sich mit einem gültigen dänischen Personalausweis ausgewiesen hatte (Bl. 43 dA), hat bestätigt, die auf der Rechnung vom 17.01.2012 ausgewiesenen Waren unverzüglich nach Zypern zu befördern (Bl. 44 dA).
Soweit darüber hinaus im Voranmeldungszeitraum Januar 2012 noch kein dem Belegnachweis nach § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStG genügendes Rechnungsdoppel vorgelegen hat, weil die ursprüngliche Rechnung vom 17.01.2012 (Bl. 53 dA) nicht den zwingend erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung enthalten hat (vgl. BFH-Urteil vom 12.05.2011 V R 46/10, BStBl II 2011, 957), dürfte dieser Mangel geheilt sein: Die auf Hinweis des FA erstellte berichtigte Rechnung vom 01.11.2012 (Bl. 52 dA) dürfte zu berücksichtigen sein, da § 17a UStDV zum Zeitpunkt des Nachweises keine Regelung trifft und der BFH in ständiger Rechtsprechung den nachträglichen Belegnachweis anerkennt (Bunjes, UStG, 11. Aufl. 2012, § 6a Rn. 62 und Rn. 65, jeweils m.w.N.).
Jedoch ergibt sich insbesondere aus dem Lieferschein vom 17.01.2012 (Bl. 45 dA) nicht der Bestimmungsort (§ 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV). Dort ist nur der Unternehmenssitz der K. aufgeführt, was nicht zur Bezeichnung des Bestimmungsortes ausreicht (vgl. BFH-Urteil vom 14.11.2012 XI R 17/12, BStBl II 2013, 407). Entsprechendes gilt für die Abnehmererklärung des Herrn T.., die Waren unverzüglich "nach Zypern" auszuführen. Zwar kann sich die gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 2, § 17c Abs. 2 Nr. 9 UStDV erforderliche Angabe des Bestimmungsorts unter Berücksichtigung aller Umstände im Einzelfall auch aus der Rechnungsanschrift des Abnehmers ergeben. Dies gilt jedoch im Grundsatz nur, wenn davon auszugehen ist, dass der Gegenstand der Lieferung auch zum Unternehmenssitz des Abnehmers versendet oder befördert wird (vgl. BFH-Urteil vom 14.11.2012 XI R 17/12, BStBl II 2013, 407). Hierzu sind tatsächliche Anhaltspunkte nicht glaubhaft gemacht, was zu Lasten der insoweit feststellungsbelasteten Antragstellerin geht.
Wegen fehlender Feststellung des Bestimmungsortes ist zudem der Buchnachweis nicht geführt, § 17c Abs. 2 Nr. 9 UStDV. Darüber hinaus ist der Buchnachweis auch deshalb nicht geführt, weil zwar der Name des als Beauftragter der Abnehmerin aufgetretenen T.. aufgezeichnet wurde, nicht aber dessen Anschrift, § 17c Abs. 2 Nr. 2 UStDV. Seine Anschrift geht auch nicht aus der angefertigten Kopie des Personalausweises hervor (Bl. 43 dA).
Die Antragstellerin hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv vorgelegen haben. Präsente Beweismittel, aus denen hervorgeht, dass die Waren tatsächlich ins übrige Gemeinschaftsgebiet, insbesondere nach Zypern befördert worden sind, liegen nicht vor.
Die Frage, ob die Lieferung nach § 6a Abs. 4 UStG aus Vertrauensschutzgründen als steuerfrei zu behandeln ist, stellt sich erst dann, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten nach §§ 17a UStDV vollständig nachgekommen ist (ständige Rechtsprechung, zuletzt z.B. BFH-Urteil vom 14.11.2012 XI R 17/12, BStBl II 2013, 407), woran es hier bislang fehlt.
b) Lieferung weiterer 6 Barren vom 26.01.2012
Für diese Lieferung ist der Belegnachweis nach § 17a Abs. 4 UStDV zu führen, weil die Ware von der Antragstellerin unter Einschaltung eines selbständigen Dritten - hier der Fa. I..(vgl. E-Mail der Antragstellerin an den für K.. aufgetretenen H.. vom 30.01.2012, Bl. 46 dA) - in das übrige Gemeinschaftsgebiet, nämlich nach Dänemark. in ein "representative office" der K.. versendet worden ist (Versendungsfall). In Versendungsfällen soll der Belegnachweis durch das Doppel der Rechnung - hier: der korrigierten Rechnung vom 01.11.2012 (vgl. Bl. 53 RS dA) - und einen Beleg nach § 10 Abs. 1 UStDV geführt werden (§ 17a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStDV), also entweder einen Versendungsbeleg, insbesondere durch Frachtbrief, Konnossement, Posteinlieferungsschein oder deren Doppelstücke, oder durch einen sonstigen handelsüblichen Beleg, insbesondere durch eine Bescheinigung des beauftragten Spediteurs. Diesen Anforderungen genügt der hier als Anlage A12 vorgelegte Versandnachweis (Bl. 49 dA) nicht. Dieser Beleg enthält weder Namen und Anschrift des Ausstellers noch dessen Unterschrift, § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und g UStDV in der bis 31.12.2011 geltenden Fassung. Insbesondere fehlen Kuriernummer und Unterschrift im Zusammenhang mit den aufgeführten 6 Paketen an die K.... Der in der Antragsschrift zur Nachreichung als Anlage A14 angekündigte Übergabenachweis wurde nicht vorgelegt.
Unabhängig davon, ob ein "Übergabenachweis" zur Nachweisführung in Versendungsfällen überhaupt erforderlich ist (vgl. BFH-Urteil vom 12.05.2009 V R 65/06, BStBl II 2010, 511), und ob im Übrigen Beleg- und Buchnachweis vollständig erbracht und ggf. im weiteren Verlauf des Verfahrens noch vervollständigt werden können, ist die Steuerbefreiung zu versagen, weil außerdem berechtigte Zweifel an der Vertretungsmacht der für die Abnehmerin aufgetretenen Personen bestehen. Zwar zählt die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht zum Nachweis der Abholberechtigung des Abholenden nicht zu den Erfordernissen für einen ordnungsgemäßen Belegnachweis, insbesondere nicht bei Beförderung durch Arbeitnehmer als unselbständig Beauftragte, denen im Allgemeinen keine schriftlichen Vollmachtsurkunden erteilt werden, da sie aufgrund ihrer Unternehmenszugehörigkeit als bevollmächtigt gelten. Davon zu unterscheiden ist die Nachprüfbarkeit der Abholberechtigung durch das Finanzamt bei Vorliegen konkreter Zweifel im Einzelfall (vgl. BFH-Urteil vom 12.05.2009 V R 65/06, BStBl II 2010, 511). Derartige Zweifel an der Bevollmächtigung der für die Fa. K.. aufgetretenen Personen, der Herren T.. und H.., liegen hier jedoch auf der Hand:
Eigenständige unternehmerische Aktivitäten der (vermeintlichen) Abnehmerin in Zypern sind nicht festzustellen. Die zypriotische Finanzverwaltung hat im zwischenstaatlichen Auskunftsaustausch auf Anfrage betreffend die Fa. K. und die beiden streitgegenständlichen Lieferungen mitgeteilt, keine Informationen bezüglich des Unternehmens zu haben. Sie sei seitens der Direktoren bzw. Buchhalter der Gesellschaft informiert worden, dass bezüglich der betreffenden Transaktionen keine Dokumente vorlägen. Die Gesellschaft werde in Kürze hinsichtlich der Umsatzsteuer aus dem Register in Zypern gelöscht (vgl. Bl. 61-64 Akte "laufendes Verfahren"). Nach der oben erwähnten Auskunft der z.. Finanzverwaltung sowie der vorgelegten z.. Registrierungsdokumente betreffend die K.., jeweils vom 19.11.2010 (Bl. 37-39 dA) fungierte Frau Ch... als offenkundig vertretungsbefugte Person, nämlich als director/secretary (vgl. Bl. 37 RS dA). Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, ob und ggf. wann, von welcher Person und unter welchen Umständen den Herren H.. und T.. eine Vertretungsmacht für die K.. erteilt worden sein soll. Auch eine Unternehmenszugehörigkeit als Arbeitnehmer, woraus sich eine Vollmacht ergeben könnte, ist nicht zwingend anzunehmen. Herr T.. ist ausweislich des vorgelegten E-Mail-Verkehrs im August 2011 erstmals in Kontakt mit der Antragstellerin getreten, ohne seine Funktion im bzw. seine Beziehung zum Unternehmen der Abnehmerin näher darzulegen. Entsprechendes gilt für den später in Erscheinung getretenen Herrn H.., der der Antragstellerin mit E-Mail am 12.01.2012 mitgeteilt hatte, "seit neulich bei K.. angestellt" zu sein (Bl. 33 dA), und mit E-Mail vom 18.01.2012 der Antragstellerin gegenüber Herrn T.. eine Vollmacht zur Abholung von 6 kg .. Barren erteilt hat (Bl. 35 dA). Ob die Angaben des Herrn H.. zur behaupteten Unternehmenszugehörigkeit zutreffen, steht aber nicht fest.
Ob die Antragstellerin fehlende Beleg- und Buchnachweise noch vervollständigen kann, und ob bestehende Zweifel hinsichtlich der Bevollmächtigung der handelnden Personen ausgeräumt werden können, bleibt einer Klärung im noch abzuschließenden Einspruchsverfahren bzw. in einem sich ggf. anschließenden Hauptsacheverfahren vorbehalten. Entsprechendes gilt für die Frage, ob die Lieferungen ggf. aus Vertrauensschutzgründen nach § 6a Abs. 4 UStG steuerfrei sein könnten.
2. Voranmeldungszeiträume Februar bis April 2012 - Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Fa. A....
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der geänderten Bescheide vom 04.02.2013 über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Februar bis April 2012 ist begründet. Es bestehen i.S. von § 69 Abs. 3 Satz 1, § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide, mit denen das Finanzamt der Antragstellerin den -ursprünglich bewilligten - Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der A.. i.H. von insgesamt 318.373,50 € versagt und entsprechende Umsatzsteuernachforderungen geltend gemacht hat (80.607,50 € im VZ Februar 2012; 135.299,00 € im VZ März 2012; 102.467,00 € im VZ April 2012). Im Umfang der vorstehend genannten Beträge war Aussetzung der Vollziehung zu gewähren. Zudem war in gleicher Höhe die Aufhebung der Vollziehung rückwirkend ab Fälligkeit anzuordnen, da der Antragsgegner die Vorauszahlungsbescheide im Wege der Aufrechnung vollzogen hat, § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO (vgl. Umbuchungsmitteilung vom 26.03.2013, Bl. 89 dA).
Die Anforderungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG an den Vorsteuerabzug sind formal erfüllt. Insbesondere wurden Lieferungen von einem anderen Unternehmen für das Unternehmen der Antragstellerin ausgeführt. Die Lieferungen der A.. an die Antragstellerin haben unstreitig stattgefunden. Die bei den Betriebsprüfungsakten befindlichen Rechnungen der A.. für den Streitzeitraum enthalten zudem die Pflichtangaben nach § 14 Abs. 4 UStG, insbesondere die Anschrift des leistenden Unternehmers (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG), nämlich die Anschrift ... in M... Unter dieser Anschrift hatte die A... mit dem Büroserviceunternehmen am 08.12.2011 durch den neu bestellten Geschäftsführer T... einen Büroservicevertrag abgeschlossen und ein möbliertes Büro angemietet.
Im Ergebnis summarischer Prüfung bestehen derzeit Zweifel daran, den Vorsteuerabzug ausschließlich mit der Begründung zu versagen, bei der angegebenen Rechnungsanschrift handle es sich um einen sog. "Scheinsitz" mit der Folge, dass die Rechnungen nicht alle notwendigen Pflichtangaben i.S. von § 14 Abs. 4 UStG enthalten, weil die "zutreffende" Anschrift des leistenden Unternehmers fehle.
Allerdings war nach bisheriger ständiger Rechtsprechung des BFH der Abzug der in der Rechnung einer GmbH ausgewiesenen Umsatzsteuer nur möglich, wenn der in der Rechnung angegebene Sitz der GmbH bei Ausführung der Leistung und bei Rechnungstellung tatsächlich bestanden hat, wofür der den Vorsteuerabzug begehrende Leistungsempfänger die Feststellungslast trägt. Nach dieser Rechtsprechung kann nach den Umständen des Einzelfalls auch ein "Briefkasten-Sitz" mit postalischer Erreichbarkeit der Gesellschaft ausreichen; in diesem Falle bedarf es besonderer, detaillierter Feststellungen, um die Annahme eines "Scheinsitzes" zu rechtfertigen (vgl. BFH-Urteil vom 27.06.1996 V R 51/93, BStBl II 1996, 620; BFH-Beschluss vom 04.02.2003 V B 81/02, BFH/NV 2003, 670; BFH-Urteil vom 19.04.2007 V R 48/04, BStBl II 2009, 315). Jedenfalls steht dem Leistungsempfänger der Vorsteuerabzug erst bei Vorlage einer Rechnung mit der zutreffenden Anschrift des leistenden Unternehmers zu (vgl. BFH-Urteil vom 30.04.2009 V R 15/07, BStBl II 2009, 744). Liegen die materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug wegen unzutreffender Rechnungsangaben nicht vor, kommt ein Vorsteuerabzug aus Vertrauensschutzgründen im Festsetzungsverfahren nicht in Betracht, insoweit wird der betroffene Leistungsempfänger auf das Billigkeitsverfahren gemäß §§ 163, 227 AO verwiesen (vgl. BFH-Urteil vom 30.04.2009 V R 15/07, BStBl II 2009, 744).
Mit Blick auf diese Rechtsprechung ist dem Finanzamt zwar zuzugestehen, dass aufgrund der Erkenntnisse aus der Umsatzsteuer-Nachschau des FA M.. Anhaltspunkte für die Annahme eines "Briefkasten-Sitzes" an der Rechnungsanschrift bestehen, an dem keine nennenswerten wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet wurden: Bei der Umsatzsteuer-Nachschau am 05.06.2012 hat das Finanzamt M.. festgestellt (vgl. hierzu Aktenvermerk vom 15.06.2012, Bp-Akte Bl. 359), das angemietete Büro sei mit einem Firmenschild versehen, es gebe aber keinerlei Hinweise auf eine wirtschaftliche Tätigkeit. Die Büroräume seien ungenutzt. Die befragten Vertreter des Büroservice-Unternehmens hätten mitgeteilt, sie hätten den Geschäftsführer nur einmal, bei Vertragsschluss, gesehen, danach seien sehr selten andere Personen gekommen und hätten lediglich die Post abgeholt. Als Begleitperson des Geschäftsführers, der kein Deutsch spreche, sei O.. aufgetreten, der seine Telefonnummer als Ansprechpartner hinterlassen habe. Seit längerer Zeit sei für die Firma niemand mehr unter der Adresse erschienen. Auch Kunden oder Geschäftspartner seien nie in Erscheinung getreten. Der Büroservice dokumentiere alle Leistungen, die aus der Nutzung des Bürodienstes entstünden (Schriftverkehr, Email, Telefonate etc.). Im Monat Februar sei der Bürodienst nur für 1,20 € in Anspruch genommen worden, in den anderen Monaten sei es ähnlich. In Ergänzung zur Umsatzsteuer-Nachschau stellte das FA M.. am 26.07.2012 fest (vgl. Aktenvermerk vom 26.07.2012, Bp-Akte Bl. 365), dass das Büroserviceunternehmen mit Schreiben vom 20.06.2012 wegen Zahlungsrückständen das Vertragsverhältnis mit sofortiger Wirkung gekündigt hatte. Die Büroschlüssel seien wider Erwarten zurückgeschickt, die seit längerem aufgelaufene Eingangspost jedoch nicht abgeholt worden.
Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Erkenntnisse für sich allein den Ausschluss des Vorsteuerabzugs wegen Angabe einer "unrichtigen" Rechnungsanschrift rechtfertigen oder ob es hierzu weitergehender - bislang weder getroffener noch dargelegter - detaillierter Feststellungen des Finanzamts bedürfte, um die Annahme eines "Scheinsitzes" auch auf der Grundlage der ständigen Rechtsprechung des BFH zu rechtfertigen (vgl. zu den insoweit erforderlichen Feststellungen insbesondere das o.a. BFH-Urteil vom 27.06.1996 V R 51/93, BStBl II 1996, 620).
Denn in der Folge der neueren Rechtsprechung des EuGH, insbesondere des EuGH-Urteils vom 21.06.2012 C-80/11, C-142/11 (BFH/NV 2012, 1404), bestehen Zweifel an der Richtigkeit der bisherigen Rechtsprechungs- und Verwaltungspraxis. Nach den Gründen des EuGH-Urteils vom 21.06.2012 C-80/11, C-142/11 ist das Recht auf Vorsteuerabzug integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer und kann grundsätzlich nicht eingeschränkt werden. Insbesondere kann dieses Recht für die gesamte Steuerbelastung der vorausgehenden Umsatzstufen sofort ausgeübt werden. Ob die Mehrwertsteuer, die für die vorausgegangenen oder nachfolgenden Verkäufe der betreffenden Gegenstände geschuldet war, tatsächlich an den Fiskus entrichtet wurde, ist für das Recht des Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug nicht von Bedeutung. Jedoch haben im Hinblick darauf, dass die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen ein Ziel ist, das von der Mehrwertsteuer-Richtlinie 2006/112 anerkannt und gefördert wird, die nationalen Behörden und Gerichte den Vorteil des Rechts auf Vorsteuerabzug zu versagen, wenn aufgrund der objektiven Sachlage feststeht, dass dieses Recht in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird. In dem der Entscheidung des EuGH vom 21.06.2012 zugrunde liegenden Sachverhalt waren die nach der Richtlinie 2006/112 vorgesehenen materiellen und formellen Voraussetzungen für die Entstehung und die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug erfüllt, insbesondere wurde der Umsatz, der geltend gemacht wird, um das Recht auf Vorsteuerabzug zu begründen, so durchgeführt, wie es sich aus der zugehörigen Rechnung ergibt, und die Rechnung enthielt alle nach der Richtlinie 2006/112 erforderlichen Angaben. Unter diesen Umständen, so der EuGH, kann der Vorteil des Rechts auf Vorsteuerabzug dem Steuerpflichtigen nur verweigert werden, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige, dem die Gegenstände geliefert bzw. dem gegenüber die Dienstleistungen erbracht wurden, die als Grundlage für die Begründung des Rechts auf Vorsteuerabzug dienen, wusste oder hätte wissen müssen, dass dieser Umsatz in eine vom Liefernden bzw. vom Leistenden oder einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe begangene Steuerhinterziehung einbezogen war. Hingegen ist es mit der Vorsteuerabzugsregelung der Richtlinie 2006/112 nicht vereinbar, einen Steuerpflichtigen, der weder wusste noch wissen konnte, dass der betreffende Umsatz in eine vom Liefernden begangene Steuerhinterziehung einbezogen war oder dass in der Lieferkette bei einem anderen Umsatz, der dem vom Steuerpflichtigen getätigten Umsatz vorausgeht oder nachfolgt, Mehrwertsteuer hinterzogen wurde, durch die Verweigerung dieses Rechts zu sanktionieren. Namentlich ginge die Einführung eines Systems der verschuldensunabhängigen Haftung über das hinaus, was erforderlich ist, um die Ansprüche der Staatskasse zu schützen. Schließlich weist der EuGH mit Blick auf den vom Grundsatz des vollen Vorsteuerabzugs abweichenden Ausnahmecharakter der Verweigerung des Vorsteuerabzugsrechts darauf hin, dass es der Steuerbehörde obliegt, die objektiven Umstände, die den Schluss zulassen, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass der zur Begründung dieses Rechts geltend gemachte Umsatz in eine vom Liefernden bzw. vom Leistenden oder einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe der Lieferkette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war, rechtlich hinreichend nachzuweisen (Rn. 49 des EuGH-Urteils vom 21.06.2012 C-80/11, C-142/11; zu den Konsequenzen der EuGH-Rechtsprechung vgl. z.B. Stapperfend, UR 2013, 321 ff.).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung, insbesondere der in Rn. 49 des EuGH-Urteils vom 21.06.2012 C-80/11, C-142/11 statuierten Beweislast der Behörde (vom EuGH bestätigt mit Urteil vom 06.09.2012 Rs. C-324/11, UR 2012, 851) erscheint zweifelhaft, der Antragstellerin das Vorsteuerabzugsrecht, wie vorliegend geschehen, alleine mit der Begründung zu versagen, die angegebene Rechnungsanschrift sei unzutreffend, weil es sich um einen wirtschaftlich inaktiven "Scheinsitz" handle, und sie wegen des beanspruchten Schutzes des guten Glaubens auf das Billigkeitsverfahren gemäß §§ 163, 227 AO zu verweisen. Denn bei zutreffender Betrachtung kann der Vorsteuerabzug nicht alleine wegen einer unzutreffenden Anschriftenangabe auf der Rechnung verweigert werden. Die Angabe einer "richtigen" Rechnungsanschrift ist kein Selbstzweck. In den Fällen einer "unzutreffenden" Anschriftenangabe ist der Ausschluss des Vorsteuerabzugs rechtssystematisch konform nur zu rechtfertigen vor dem Hintergrund, dass der betreffende Umsatz in einen Umsatzsteuerbetrug einbezogen war und der Leistungsempfänger dies wusste oder wissen musste. Deshalb liegt im Streitfall der Versagung des Vorsteuerabzugs wegen einer tatsächlich oder vermeintlich unzutreffenden Angabe der Rechnungsanschrift ein Vorwurf gegenüber der Antragstellerin zugrunde dahingehend, die von ihr bezogenen Eingangsumsätze seien in eine von ihrer Lieferantin (A..) oder von einem anderen Wirtschafteilnehmer auf einer vorangegangenen Stufe der Lieferkette begangene Steuerhinterziehung einbezogen; und sie habe das wissen müssen. Inhaltlich wird der Antragstellerin ein Verstoß gegen eine ihr nach Auffassung des Finanzamts obliegende Erkundigungspflicht vorgehalten, ob an der angegebenen Rechnungsanschrift tatsächlich wirtschaftliche Aktivitäten stattgefunden haben.
Der Senat teilt die Bedenken des FG Münster (FG Münster, Beschluss vom 12.12.2013 5 V 1934/13 U, [...]), welches aus der dargestellten Rechtsprechung des EuGH folgert, dass für den den Vorsteuerabzug begehrenden Unternehmer eine Erkundigungspflicht auch hinsichtlich der Frage, ob der Sitz des liefernden Unternehmens nur ein Scheinsitz war, nur dann besteht, wenn sich für ihn anhand der Umstände im Einzelfall im Vorfeld der Lieferung Zweifel hieran ergeben mussten. Denn für die Versagung des Vorsteuerabzugsrechts trägt letztlich nicht der Steuerpflichtige, sondern das Finanzamt die objektive Feststellungslast. Dies ist die Konsequenz aus der neueren Rechtsprechung des EuGH. Grundsätzlich muss deshalb die Behörde - und zwar im Festsetzungsverfahren - konkrete Anhaltspunkte darlegen, die belegen, dass der Unternehmer von seiner Einbeziehung in einen Umsatzsteuer-Betrug gewusst hat bzw. hätte wissen können oder wissen müssen. Der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer ist damit entgegen der bisherigen Rechtsprechung des BFH nicht verpflichtet, einen "Negativbeweis" dahingehend zu führen, dass er keine Anhaltspunkte für etwaige Ungereimtheiten in Bezug auf den Leistenden und/oder die Leistung hatte (FG Münster a.a.O).
Im Streitfall hat der Antragsgegner bislang - aus seiner Sicht folgerichtig - keine konkreten Anhaltspunkte darlegt und glaubhaft gemacht, die belegen, dass die Antragstellerin von ihrer Einbeziehung in einen Umsatzsteuer-Betrug gewusst hat bzw. hätte wissen können oder wissen müssen.
Nach Aktenlage ist bereits nicht festgestellt, ob in Bezug auf die Umsätze der A.. an die Antragstellerin Umsatzsteuer hinterzogen wurde, und ggf. hinsichtlich welcher Umsätze und in welcher jeweiligen Höhe. Zwar geht die Finanzverwaltung von einer Hinterziehung aus (in der Datenbank "Zauber" ist unter dem 12.04.2012 in Bezug auf die A... vermerkt, es lägen "Anhaltspunkte vor, dass Umsatzsteuer hinterzogen wurde", Bp-Akte Bl. 307). Konkrete Feststellungen zu einer Umsatzsteuerhinterziehung gerade in Bezug auf die verfahrensgegenständlichen Umsätze wurden aber nicht getroffen und lassen sich auch den Akten nicht vollständig entnehmen. Aus den Bp-Akten geht hervor, dass die A.. Umsatzsteuer-Voranmeldungen abgegeben hat, zuletzt für das 1. Quartal 2012, in dem offenbar Umsätze von 1.136.350 € und eine Zahllast von 3.324,49 n€ erklärt wurden (vgl. Umsatzsteuer-Voranmeldungsdaten, Bp-Akte Bl. 371 sowie Bl. 299).
Auch hat das Finanzamt - aus seiner Sicht ebenso folgerichtig - im vorliegenden Aussetzungsverfahren keine Anhaltspunkte dargelegt, aus denen sich ergibt, die Antragstellerin habe wissen können oder müssen, dass die an sie erbrachten Lieferungen der A... in einen Umsatzsteuerbetrug einbezogen waren. Ob die in einem als "Sachstandsbericht bei der Beteiligungsprüfung " bezeichneten und nicht unterzeichneten Aktenvermerk (Bp-Akte Bl. 155 RS, unter Ziff. 2) angeführten Gesichtspunkte, die offenbar im Zusammenhang stehen mit der Prüfung eines Billigkeitserlasses, sachlich und rechtlich zutreffen, und in ihrer Gesamtschau eine Versagung des Vorsteuerabzugs rechtfertigen könnten, kann im Rahmen des auf eine summarische Prüfung beschränkten Aussetzungsverfahrens nicht festgestellt werden. Eine abschließende Entscheidung hierüber bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Dort ist auch über Umfang und Grenzen einer möglichen Erkundigungspflicht und Überprüfungspflicht der Antragstellerin zu befinden, die nach der Rechtsprechung des EuGH nicht schrankenlos sein darf: Danach hängt es wesentlich von den jeweiligen Umständen ab, welche Maßnahmen im konkreten Fall vernünftigerweise von einem Steuerpflichtigen, der sein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben möchte, verlangt werden können, um sicherzustellen, dass dessen Umsätze nicht in einen von einem Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe begangenen Betrug einbezogen sind. Liegen Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten oder Steuerhinterziehung vor, kann ein verständiger Wirtschaftsteilnehmer zwar nach den Umständen des konkreten Falls verpflichtet sein, über einen anderen Wirtschaftsteilnehmer, von dem er Gegenstände oder Dienstleistungen zu erwerben beabsichtigt, Auskünfte einzuholen, um sich von dessen Zuverlässigkeit zu überzeugen. Die Steuerverwaltung kann jedoch von dem Steuerpflichtigen, der sein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben möchte, nicht generell verlangen, zum einen zu prüfen, ob der Aussteller der Rechnung über die Gegenstände und Dienstleistungen, für die dieses Recht geltend gemacht wird, Steuerpflichtiger ist, über die fraglichen Gegenstände verfügte und sie liefern konnte und seinen Verpflichtungen hinsichtlich der Erklärung und Abführung der Mehrwertsteuer nachgekommen ist, um sich zu vergewissern, dass auf der Ebene der Wirtschaftsteilnehmer einer vorhergehenden Umsatzstufe keine Unregelmäßigkeiten und Steuerhinterziehung vorliegen, oder zum anderen entsprechende Unterlagen vorzulegen. Es ist grundsätzlich Sache der Steuerbehörden, bei den Steuerpflichtigen die erforderlichen Kontrollen durchzuführen, um Unregelmäßigkeiten und Mehrwertsteuerhinterziehung aufzudecken und gegen den Steuerpflichtigen, der diese Unregelmäßigkeiten oder Steuerhinterziehung begangen hat, Sanktionen zu verhängen. Folglich würde die Steuerbehörde ihre eigenen Kontrollaufgaben entgegen den genannten Bestimmungen auf die Steuerpflichtigen übertragen, wenn sie die genannten Maßnahmen aufgrund der Gefahr der Verweigerung des Vorsteuerabzugsrechts den Steuerpflichtigen auferlegt (EuGH-Urteil vom 21.06.2012 C-80/11, C-142/11, BFH/NV 2012, 1404, Rn. 59-62, 65).
3. Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Fa. Sch...., Inh. C.. im Voranmeldungszeitraum Januar 2012
Über den von der Antragstellerin hilfsweise geltend gemachten Vorsteuerabzug aus den Rechnungen über Edelmetallieferungen der Fa. Sch.. Inh. C.., war hinsichtlich der Lieferungen im Voranmeldungszeitraum Januar 2012 mit einem Vorsteuervolumen i.H. von 3.943,64 € zu entscheiden, da das Hauptvorbringen der Antragstellerin erfolglos geblieben ist, mit dem sie eine Steuerbefreiung für ihre im Januar 2012 erbrachten Lieferungen an die K... geltend gemacht und sich gegen die hieraus resultierende Umsatzsteuernachforderung i.H. von 75.100,15 € gewandt hatte (vgl. oben Ziff. 1). Dagegen war über das weitergehende Hilfsvorbringen hinsichtlich des Vorsteuerabzugs aus Rechnungen über Lieferungen des Herrn C.. in den Voranmeldungszeiträumen Februar und März 2012 nicht zu entscheiden, weil insoweit das Hauptvorbringen des Antragstellerin betreffend den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der A.. in vollem Umfang erfolgreich war (vgl. oben Ziff. 2).
Der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen des Herrn C.. für Januar 2012 i.H. von 3.943,64 € ist nach Aktenlage zu versagen Es kann bereits nicht überprüft werden, ob die Rechnungen, aus denen der Vorsteuerabzug vorgenommen werden soll, sämtliche Pflichtangaben des § 14 Abs. 4 UStG enthalten. Die betreffenden Rechnungen - gemäß Tz. 16a des Prüfungsberichts vom 22.01.2013 handelt es sich um zwei Rechnungen jeweils vom 26.01.2012, Rg-Nr. ... und ... mit Vorsteuer i.H. von 1.810,32 € bzw. 2.133,32 € - befinden sich nicht bei den Akten. Die Vorlage dieser Rechnungen ist unabdingbar, um die Rechnungsangaben auf ihre Vollständigkeit i.S. von § 14 Abs. 4 UStG prüfen zu können. Hierfür besteht Anlass, da in den zu den Akten gelangten Rechnungen des Herrn C.. durchgängig das Lieferdatum nicht angegeben ist (vgl. Rechnungen vom 05.03., 08.03., 15.03., 23.03.2012, 14.02., 24.02.2012, 14.11.2011, 24.11.2011, Bp-Akte Bl. 56-59, 275, 376-382, 390-392, 411f.). Entsprechendes gilt hinsichtlich der bei den Akten befindlichen, wohl als Gutschrift verwendeten, Ankaufsrechnungen der Antragstellerin über Lieferungen des Herrn C.. vom 14.02.2012 und 18.11.2011 (Bp-Akte Bl. 274, 394). In beiden Ankaufrechnungen fehlt die Angabe der UST-ID-Nr. bzw. der Steuernummer des Lieferanten, in der Ankaufrechnung vom 14.02.2012 überdies das Lieferdatum.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Beschwerde war in dem aus dem Tenor ersichtlichen - beschränkten - Umfang wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, § 128 Abs. 3 FGO, § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO.