02.09.2015 · IWW-Abrufnummer 179212
Landesarbeitsgericht München: Beschluss vom 28.05.2015 – 4 TaBV 4/15
Tenor:
I. Die Beschwerde des Betriebsrats und Beteiligten zu 3 und der Beteiligten zu 2., 4., 5. und zu 7. bis 16. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 20. November 2014 - 30 BV 192/14 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer 1. des Beschlusses nunmehr klarstellend lautet:
Es wird festgestellt, dass der Ausschluss einer Stimmenthaltung bei der Beschlussfassung des Betriebsrats gemäß § 8 Nr. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung des Betriebsrats i. d. F. vom 04.02.2014 rechtsunwirksam ist.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten über die Rechtswirksamkeit von zwei Bestimmungen der Geschäftsordnung des Betriebsrats und Beteiligten zu 3 des vorliegenden Verfahrens (zur Auflistung/Nummerierung der Beteiligten ist darauf hinzuweisen, dass - anders als im Tenor des verkündeten Beschlusses ausgewiesen, der von der im Anhörungstermin am 19.05.2015 hinsichtlich des Antragsstellers und Beteiligten zu 2, B., und des Beteiligten zu 12, M., erfolgten Teileinstellung des Verfahrens ausgeht und diese unberücksichtigt lässt - hier aus rubrums- und argumentationspragmatischen Gründen weiter von der bisherigen Beteiligtensituation und Reihenfolge der Beteiligten ausgegangen wird: der Betriebsrat wird sonach unverändert als Beteiligter zu 3 bezeichnet, die Arbeitgeberin als Beteiligte zu 4 usw.).
Die Antragstellerin und Beteiligte zu 1 sowie die Beteiligten zu 5 bis 18 sind Mitglieder des im Betrieb der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 4 bestehenden Betriebsrats als Beteiligten zu 3 dieses Verfahrens. In der auf § 36 BetrVG basierenden Geschäftsordnung des Betriebsrats sind - (auch) in dessen Neufassung vom 04.02.2014 (Anl. BR 5, Bl. 20 - 36 d. A.) - u. a. folgende Regelungen hinsichtlich der Unzulässigkeit einer Stimmenthaltung bei der Beschlussfassung des Betriebsrats und der notwendigen Dokumentation individuell durchgeführter Betriebsratsarbeit enthalten:
"...
§ 8 Beschlussfassung des Betriebsrats
...
2. Liegt nur ein Antrag vor, werden die Ja- und Neinstimmen abgezählt und in der Niederschrift vermerkt. Stimmenthaltungen sind nicht zulässig. ...
...
§ 16 Freistellung nach § 37 Abs. 2 BetrVG
...
Durchgeführte Betriebsratsarbeit ist im Tätigkeitsbuch zu dokumentieren. Die Dokumentation muss so gestaltet sein, dass erkennbar ist, um welche Art von Betriebsratstätigkeit es sich handelt. Die Dokumentation dient der Beweisführung für die Erforderlichkeit der Betriebsratstätigkeit. ...
..."
Die Beteiligte zu 1 ist Mitglied des Betriebsrats und macht als - nach Ausscheiden des ursprünglichen weiteren Antragstellers/Betriebsratsmitglieds und bisherigen Beteiligten zu 2 aus dem Arbeitsverhältnis und damit dem Betriebsrat, weshalb das vorliegende Verfahren insoweit eingestellt wurde: einzig verbliebene - Antragstellerin die Rechtsunwirksamkeit dieser beiden, tradierten, Bestimmungen der Geschäftsordnung des Betriebsrats im Wesentlichen mit der Begründung geltend, dass das in § 8 Ziff. 2 der Geschäftsordnung des Betriebsrats geregelte Verbot der Stimmenthaltung bei der Beschlussfassung des Betriebsrats als Verstoß gegen die Grundsätze des Betriebsverfassungsgesetzes - die Reichweite möglicher Regelungen einer Geschäftsordnung des Betriebsrats - sowie grundsätzlicher demokratischer Prinzipien ebenso rechtsunwirksam sei wie die in § 16 dieser Geschäftsordnung festgelegte Notwendigkeit einer schriftlichen Dokumentation individueller Betriebsratsarbeit in einem Tätigkeitsbuch, zumal Letzteres einen gewissen Rechtfertigungsdruck für das einzelne Betriebsratsmitglied entstehen lassen und dessen Kontrolle dienen könne. Demgegenüber heben der Betriebsrat sowie dessen Mitglieder als weitere Beteiligte des vorliegenden Verfahrens darauf ab, dass die Bestimmung zur Unzulässigkeit einer Stimmenthaltung mangels entgegenstehender Regelungen im Betriebsverfassungsgesetz hierzu einen zulässigen Inhalt dessen Geschäftsordnung darstellen könne und die Abstimmungsfreiheit der Betriebsratsmitglieder in keiner Weise beschränke - zumal sich nach der gesetzlichen Regelung eine Stimmenthaltung ohnehin wie eine Ablehnung auswirke, solches auch in den bayerischen kommunalrechtlichen Bestimmungen so geregelt sei -, und ebenso wenig die Vorgabe zur Notwendigkeit der Eintragung erbrachter Betriebsratstätigkeit in einem Tätigkeitsbuch des Betriebsrats zu beanstanden sei - einziger Sinn dieses Tätigkeitsbuches sei es, dem Arbeitgeber die erforderlichen Betriebsratstätigkeiten nachweisen zu können, wenn es um den Umfang zusätzlicher Freistellungen gemäß § 38 BetrVG oder Arbeitsbefreiungen nach § 37 Abs. 2 BetrVG gehe, ohne dass damit die unabhängige und eigenverantwortliche Ausübung des ehrenamtlichen Betriebsratsmandats tangiert sein könne.
Das Arbeitsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 20.11.2014, der den Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats und der weiteren beteiligten Betriebsratsmitglieder am 16.12.2014 - der beteiligten Arbeitgeberin bereits am 12.12.2014 - zugestellt wurde, den Anträgen auf Feststellung der Unwirksamkeit der angegriffenen Bestimmungen der Geschäftsordnung des Betriebsrats mit der Begründung stattgegeben, dass eine Regelung zur Unzulässigkeit einer Stimmenthaltung bei einer Beschlussfassung im Sinne des § 33 BetrVG nicht in der Geschäftsordnung des Betriebsrats getroffen werden könne, die nicht von zwingenden Bestimmungen etwa über die Beschlussfassung des Betriebsrats abweichen könne. Die Frage der Stimmenthaltung gehöre zur Beschlussfassung selbst und sei nicht lediglich eine einfache Verfahrensfrage. Das Gesetz gehe davon aus, dass eine Stimmenthaltung möglich sein müsse. Auch die Regelung in § 16 der Geschäftsordnung des Betriebsrats hinsichtlich der Pflicht zur Dokumentation durchgeführter Betriebsratsarbeit durch die einzelnen Betriebsratsmitglieder sei unwirksam, weil der Betriebsrat mangels einer hierfür notwendigen gesetzlichen Grundlage eine solche ebenfalls nicht in seiner Geschäftsordnung treffen könne. Der Betriebsrat als Gremium sei von der Frage der Erforderlichkeit von Betriebsratstätigkeiten im Sinne des § 37 Abs. 2 BetrVG nicht betroffen, solches sei grundsätzlich Sache im Verhältnis zwischen dem einzelnen Betriebsratsmitglied und dem Arbeitgeber, weshalb diese Regelung in das individuelle Vertragsverhältnis dieser Vertragsparteien eingreife.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Betriebsrats und Beteiligten zu 3 sowie der weiteren beteiligten Betriebsratsmitglieder mit Schriftsatz ihrer gemeinsamen Verfahrensbevollmächtigten vom 14.01.2015, am selben Tag beim Landesarbeitsgericht München eingegangen, zu deren Begründung diese mit, am 13.02.2015 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenem, Schriftsatz vom 12.02.2015 ausgeführt haben, dass entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts § 33 BetrVG keine abschließende Regelung zur Beschlussfassung des Betriebsrats enthalte, sondern lediglich zwingend vorschreibe, dass die Beschlüsse des - nach § 33 Abs. 2 BetrVG beschlussfähigen - Betriebsrats, soweit im Betriebsverfassungsgesetz nichts anderes bestimmt ist, mit der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Betriebsratsmitglieder gefasst würden. Die Stimmenthaltung eines Betriebsratsmitglieds wirke sich hiernach als Ablehnung aus. Nähere Einzelheiten der Abstimmung könnten, soweit das Betriebsverfassungsgesetz selbst keine Regelung hierzu enthalte, in der nach § 36 BetrVG zulässigen Geschäftsordnung festgelegt werden. Die Bestimmung der verfahrensgegenständlichen Geschäftsordnung über die Unzulässigkeit von Stimmenthaltungen stelle eine reine Abstimmungsverfahrensvorschrift dar und beschränke nicht die Abstimmungsfreiheit der Betriebsratsmitglieder. Faktisch könnte dieses Betriebsratsmitglied ebenso gut gegen den gestellten Antrag stimmen. In der Praxis seien es insbesondere Ersatzmitglieder, die sich der Einfachheit halber der Stimme enthalten wollten, ohne sich dabei bewusst zu sein, damit de facto eine Nein-Stimme abzugeben. Könne oder wolle ein Betriebsratsmitglied sich weder für noch gegen einen Antrag entscheiden, könne es seine Neutralität durch Nichtteilnahme an der Abstimmung öffentlich machen. Die bayerischen Kommunalgesetze enthielten ausdrücklich solche Stimmenthaltungsverbote, was von der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs abgesegnet worden sei. Auch die Klausel in § 16 der Geschäftsordnung des Betriebsrats sei entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts rechtswirksam. Bei dem dort erwähnten Tätigkeitsbuch des Betriebsrats handle es sich um ein DIN A4 großes gebundenes Buch, das seit erstmaliger Gründung eines Betriebsrats bei der Arbeitgeberin im Jahr 1986 im Betriebsratsbüro ausliege und so geführt werde. In dieses trügen die Betriebsratsmitglieder, soweit sie nicht gänzlich von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt seien, üblicherweise nach Erledigung ihrer Betriebsratstätigkeit in chronologischer Reihenfolge ihren Namen, Datum, Uhrzeit des Beginns und des Endes sowie die Art ihrer jeweiligen Betriebsratstätigkeit - nicht jedoch darüber hinaus die Namen der Gesprächspartner und den Inhalt eines Gesprächs - ein. Einziger Sinn und Zweck dieses Tätigkeitsbuches sei es, dem Arbeitgeber die erforderlichen Betriebsratstätigkeiten nachweisen zu können, wenn es um den Umfang zusätzlicher Freistellungen gemäß § 38 BetrVG oder einer Arbeitsbefreiung nach § 37 Abs. 2 BetrVG gehe, wie dies der Arbeitgeber etwa jüngst im Falle eines Betriebsratsmitgliedes bestritten habe. Ebendies habe auch das einzelne Betriebsratsmitglied, wenn die Erforderlichkeit seiner Betriebsratstätigkeit vom Arbeitgeber angezweifelt werde, diesem mitzuteilen und spätestens vor dem Arbeitsgericht offenzulegen; Gleiches gelte bei der Frage der Auszahlung einbehaltener Vergütung von Betriebsratsmitgliedern. Wenngleich der Betriebsrat gegenüber dem Arbeitgeber nicht verpflichtet sei, ständig eine entsprechende schriftliche Dokumentation seiner Tätigkeit zu führen, bleibe es jedoch dem Betriebsrat als solchen unbenommen und werde ihm weder vom Betriebsverfassungsgesetz noch von anderen Rechtsnormen verboten, in seiner Geschäftsordnung zu beschließen, intern ein solches Tätigkeitsbuch für den genannten Fall zu führen - das in keiner Weise die unabhängige und eigenverantwortliche Ausübung des ehrenamtlichen Betriebsratsmandats tangiere. Ersatzmitglieder des Betriebsrats hätten, wie alle anderen Arbeitnehmer auch, außerhalb einer Nachrückersituation kein Einsichtsrecht in dieses Tätigkeitsbuch.
Die Beschwerdeführer beantragen:
1. Der angefochtene Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 20.11.2014, Geschäftszeichen: 30 BV 192/14, wird abgeändert.
2. Die Anträge der Beteiligten zu 1. werden zurückgewiesen.
Die Antragstellerin und Beteiligte zu 1 hat zur Begründung ihres Antrages auf Zurückweisung der Beschwerde, unter Verteidigung der Gründe des erstinstanzlichen Beschlusses, erwidert, dass die Beschwerdeführer ihre Argumentation, Enthaltungen im Rahmen von Abstimmungen zu verbieten, hauptsächlich mit pragmatischen Argumenten begründeten. Einer fehlenden ausreichenden Information etwa im Einzelfall nachrückender Betriebsratsersatzmitglieder könnte etwa durch längere Tagung/Beratung, weniger Tagesordnungspunkte, häufigere Betriebsratssitzungen etc. abgeholfen werden. Ersatzmitglieder in eine Abstimmung zu drängen, der sie sich inhaltlich nicht gewachsen fühlten, könne keine Lösung sein und werde von § 33 BetrVG nicht gestattet. Das Verbot einer Stimmenthaltung gehe über eine rein formale Frage hinaus und beschneide das einzelne Betriebsratsmitglied in seinen Rechten. Selbst wenn sich eine Stimmenthaltung wie eine Ablehnung auswirke, sei es wichtig zu erfahren, ob die Ablehnung aus einer bewussten Entscheidung der Mehrheit des Betriebsrats oder aus Unwissenheit und damit zahlreichen Enthaltungen resultiere. Ebenso sei die Verpflichtung zur Dokumentation von Betriebsratsarbeit in einem Tätigkeitsbuch gemäß § 16 der Geschäftsordnung des Betriebsrats rechtswidrig. Die Betriebsratsmitglieder seien in diversen Betriebsratssitzungen sehr wohl aufgefordert worden, das Tätigkeitsbuch explizit zu führen und auch den Namen der Gesprächspartner festzuhalten. Es müsse dem einzelnen Betriebsratsmitglied möglich sein, ausdrücklichen Bitten einzelner Beschäftigter nachzukommen und ein Problem anzuhören und ggf. einen Rat oder eine Einschätzung zu erteilen, ohne das Problem jedoch in das gesamte Betriebsratsgremium noch an den Arbeitgeber heranzutragen. Dem widerspreche diese Dokumentationsregelung der Geschäftsordnung, die überdies geeignet sei, einen gewissen Rechtsfertigungsdruck entstehen zu lassen, da damit die Tätigkeit des einzelnen Betriebsratsmitglieds einsehbar werde. Wenn der Betriebsrat das Tätigkeitsbuch heranziehen wolle, um ggf. eine über § 38 BetrVG hinausgehende Freistellung zu bewirken, würden sich das Gremium und erst recht der Arbeitgeber nicht lediglich mit der Aussage, gearbeitet zu haben, zufriedengeben, sondern Nachweise verlangen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im zweiten Rechtszug im Übrigen wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 12.02.2015 und vom 19.03.2015 sowie auf ihre ergänzenden Einlassungen im Rahmen ihrer Beteiligtenanhörung in der mündlichen Anhörung im Beschwerdeverfahren gemäß der entsprechenden Feststellungen in der Sitzungsniederschrift vom 19.05.2015 (Bl. 219 f d. A.) Bezug genommen.
B.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, wobei lediglich die an die Diktion des diesbezüglichen Antrags zu 1 angelehnte Formulierung im Tenor des erstinstanzlichen Beschlusses klarzustellen ist.
I.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 2; 4, 5; 7-14 und 16 ist statthaft und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 87 Abs. 1 und Abs. 2, 89 Abs. 1 und Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG, 516, 518 ZPO) und damit zulässig.
II.
Die Beschwerde der Beschwerdeführer - des Betriebsrats und Beteiligten zu 3 sowie der weiteren beteiligten Betriebsratsmitglieder, soweit diese Beschwerde eingelegt haben - ist unbegründet. Die angegriffenen Bestimmungen der Geschäftsordnung des Betriebsrats, in dessen Fassung nunmehr vom 04.02.2014, sind, wie das Arbeitsgericht zutreffend entschieden hat, in beiden Fällen rechtsunwirksam.
1. Das Arbeitsgericht hat das Feststellungsinteresse der, nunmehr alleinigen, Antragstellerin und Beteiligten zu 1 als, nicht im Sinne des § 38 BetrVG vollständig freigestelltes, Mitglied des Betriebsrats hinsichtlich der Geltendmachung der Unwirksamkeit von zwei Bestimmungen der auf der Grundlage von § 36 BetrVG erlassenen Geschäftsordnung des Betriebsrats zu Recht bejaht, da diese durch diese Bestimmungen in ihren Rechten als Betriebsratsmitglied unmittelbar betroffen ist.
2. a) Die Regelung in § 8 Nr. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung des Betriebsrats - auch - in dessen Fassung vom 04.02.2014 (Anl. BR 5, Bl. 20 f/22 d. A.), wonach bei Beschlussfassungen des Betriebsrats "Stimmenthaltungen ... nicht zulässig" sind, ist rechtsunwirksam.
aa) § 36 BetrVG als Rechtsgrundlage hierfür bestimmt, dass in einer solchen schriftlichen Geschäftsordnung des Betriebsrats, die mit der (qualifizierten) Mehrheit der Betriebsratsmitglieder zu beschließen ist, "sonstige Bestimmungen über die Geschäftsführung getroffen werden".
Mit solchen sonstigen Bestimmungen über die Geschäftsführung des Betriebsratsrats sind jedoch allein formale Verfahrensregelungen zur Ordnung der internen Betriebsratsarbeit, der technischen Festlegung von Verfahrensabläufen, gemeint, wobei der Rahmen durch die zwingenden gesetzlichen Bestimmungen der §§ 26 f BetrVG gezogen ist - diese können durch die Geschäftsordnung des Betriebsrats nicht geändert, sondern nur näher ausgestaltet und ergänzt werden, auch können in einer Geschäftsordnung keine zusätzlichen Pflichten/Aufgaben begründet werden (vgl. BAG, B. v. 16.11.2005, 7 ABR 11/05, AP Nr. 7 zu § 28 BetrVG 1972 - Rz. 21 -; BAG, B. v. 28.02.1990, 7 ABR 22/89, NZA 1990, S. 660 f - B. II. 1. aE d. Gr. -; LAG Hamburg, B. v. 06.10.2006, 6 TaBV 12/06, Juris - Rzn. 61 f -; LAG Hamburg, B. v. 17.02.2006, 6 TaBV 6/05, Juris - Rzn. 73 f -; sh. auch GK-BetrVG-Raab, 10. Aufl. 2014, Bd. I, § 36 Rzn. 12 f; Thüsing in Richardi (Hg.), BetrVG, 14. Aufl. 2014, § 36 Rz. 3 f; Glock in Hess/Worzalla/Glock et al., BetrVG, 9. Aufl. 2014, § 36 Rz. 5; Wolmerath in Düwell (Hrsg.), BetrVG, 4. Aufl. 2014, § 36 Rz. 3 f; Wedde in Däubler/Kittner/Wedde (Hrsg.), BetrVG, 14. Aufl. 2014, § 36 Rz. 5 f). Unter solche formalen Verfahrensregelungen fallen alle Angelegenheiten, die sich auf die Durchführung der dem Betriebsrat durch das Betriebsverfassungsgesetz übertragenen Aufgaben beziehen, also etwa - wie in der verfahrensgegenständlichen Geschäftsordnung (2014) auch umfangreich geregelt -: die Einberufung der/Ladung zu den Betriebsratssitzungen - Ladungsfristen, Form von Ladungen, Mitteilung der Tagesordnung ... -, Termine/Rhythmus der Betriebsratssitzungen, deren Ablauf und Protokollierung, Ordnung in den Sitzungen, die Bekanntmachung von Beschlüssen, das Abstimmungsverfahren (Reihenfolge der Stimmabgabe, schriftliche oder mündliche Stimmabgabe, offene oder geheime Abstimmung, Feststellung des Abstimmungsergebnisses), ggf. die Bildung von weiteren Ausschüssen des Betriebsrats (§ 28 BetrVG), uU auch die Konkretisierung des Begriffs der laufenden Geschäfte i.S.d. § 27 Abs. 2 und Abs. 3 BetrVG u. ä. (vgl. hierzu etwa näher Fitting/Engels/Schmidt et al., BetrVG, 27. Aufl. 2014, § 33 Rz. 26; GK-BetrVG-Raab, aaO., Rz. 15; Thüsing in Richardi, aaO.; sh. auch das Beispiel einer Geschäftsordnung bei Wolmerath in Düwell (Hrsg.), aaO., Rz. 9).
Unter solche, auf der Rechtsgrundlage des § 36 BetrVG in einer Geschäftsordnung des Betriebsrats regelbaren, sonstigen Bestimmungen über dessen Geschäftsführung fallen jedoch nicht Regelungen zum Inhalt des Abstimmungsvorganges selbst, also - wie hier - zur (Un-)Zulässigkeit rechtlich möglichen Verhaltens der Betriebsratsmitglieder bei der Beschlussfassung, wie dies die hier verfahrensgegenständliche Bestimmung zur Unzulässigkeit einer Stimmenthaltung bei der Beschlussfassung darstellt:
Nach allgemeiner Auffassung ist - anders als dies bei den, von den von den Beschwerdeführern zitierten, kommunalrechtlichen Bestimmungen in Bayern kraft anderslautender ausdrücklicher gesetzlicher Regelung der Fall ist (Art. 48 Abs. 1 Satz 2 BayGO, Art. 42 Abs. 1 Satz 2 BayLKrO, Art. 39 Abs. 1 Satz 2 BayBezO) - Stimmenthaltung bei der Abstimmung des Betriebsratsgremiums grundsätzlich zulässig. Zwar regelt bereits die gesetzliche Bestimmung unmittelbar (§ 33 Abs. 1 BetrVG), dass Beschlüsse (in der Regel) der (einfachen) Mehrheit der Stimmen der anwesenden Betriebsratsmitglieder (des beschlussfähigen Betriebsratsgremiums: § 33 Abs. 2 BetrVG) bedürfen - was bedeutet, dass sich eine Stimmenthaltung im Ergebnis als Ablehnung auswirkt. Jedoch stellt diese inkriminierte Bestimmung der Geschäftsordnung (2014) über die Unzulässigkeit einer Stimmenthaltung solches nicht im Ergebnis lediglich deklaratorisch fest, wie die Beschwerdeführer geltend machen, sondern kann (und wird häufig) Auswirkungen auf das Abstimmungsverhalten und das Abstimmungsergebnis haben:
Will ein anwesendes Betriebsratsmitglied, in grundsätzlich legitimer Weise, "keine Farbe bekennen" und weder für noch gegen einen Antrag stimmen, wird es sich bei einem Ausschluss der Möglichkeit einer Stimmenthaltung vielfach veranlasst sehen, an der entsprechenden Beschlussfassung nicht teilzunehmen, also im Zweifel den Sitzungsraum verlassen (was wiederum nach allgemeiner Auffassung zulässig - auch nicht zu verhindern - ist und hier offensichtlich auch umfänglich praktiziert wird, zumal die Beschwerdeführer mehrfach, auch im Anhörungstermin im Beschwerdeverfahren, darauf verwiesen haben, dass eine solche Situation aufgrund der hier verbreitet bestehenden Schichttätigkeit auch von Betriebsratsmitgliedern und den damit zusammenhängenden häufigen Verhinderungs-/Nachrückerfällen, verbunden mit dadurch fehlender Hintergrundinformation bei Anträgen, nicht ungewöhnlich sei ...). In letzterem Fall zählt dieses Betriebsratsmitglied nicht zu den bei der Beschlussfassung "anwesenden Mitgliedern" des Betriebsrats (§ 33 Abs. 1 Satz 1 BetrVG) - was dessen Beschlussfähigkeit (§ 33 Abs. 2 BetrVG) infrage stellen oder die Voraussetzungen für die Ermittlung der notwendigen Mehrheit der anwesenden Betriebsratsmitglieder bei der Beschlussfassung verändern kann - wie sich exemplarisch an folgenden Beispielen aus der Praxis zwanglos zeigen lässt:
Sind bei einem aus 15 Mitgliedern bestehenden Betriebsratsgremium acht Betriebsratsmitglieder zur Sitzung erschienen und nehmen an der Beschlussfassung über einen Antrag teil, ist der entsprechende Antrag bei vier Ja- und drei Nein-Stimmen sowie einer (zulässigen) Enthaltung mangels der erforderlichen (relativen) Mehrheit abgelehnt. Nimmt im gleichen Fall das zur Stimmenthaltung entschlossene Betriebsratsmitglied wegen deren Unmöglichkeit, wie in der verfahrensgegenständlichen Geschäftsordnung festgelegt, an der Abstimmung dagegen nicht teil - und verlässt es etwa den Sitzungsraum -, ist der Betriebsrat als Gremium hier dann nicht mehr beschlussfähig und kann deshalb überhaupt keinen Beschluss mehr fassen. Sind bei einem ebensolchen 15-köpfigen Betriebsratsgremium zwölf Mitglieder zur Sitzung erschienen und nehmen an der Abstimmung über einen Antrag mit dem Ergebnis von 6 Ja- und 5 Nein-Stimmen, bei einer Enthaltung, teil, ist dieser Antrag ebenfalls mangels (relativer) Mehrheit abgelehnt - anders, wenn das sich der Stimme enthalten wollende Betriebsratsmitglied sich an der Abstimmung wiederum überhaupt nicht beteiligt: Dann hat dieser Antrag eine Mehrheit des hier beschlussfähigen Betriebsratsgremiums gefunden (usw.).
An diesen - alles andere als artifizielle, virtuelle oder abseitig konstruierte Situationen oder etwa worst-case-Szenarien darstellende - Beispielen zeigt sich, dass der Ausschluss der Zulässigkeit einer Stimmenthaltung in § 8 Ziff. 2 Satz 2 der verfahrensgegenständlichen Geschäftsordnung (2014) vielfach Auswirkungen auf das Abstimmungsergebnis - bereits das Abstimmungsverhalten des einzelnen Betriebsratsmitglieds, mit Folgen für das Beschlussfassungsergebnis - haben kann. Aus diesem Grund handelt es sich nicht mehr um eine Bestimmung über die Geschäftsführung des Betriebsrats, als Gremiums, im genannten formalen verfahrenstechnischen Sinn, die nach der gesetzlichen Rechtsgrundlage in § 36 BetrVG allein Inhalt einer Geschäftsordnung des Betriebsrats sein kann.
Die Bestimmung in § 8 Ziff. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung (2014) ist damit rechtsunwirksam, weshalb die Beschwerde - mit der erfolgten formulierungstechnischen Klarstellung in der Neufassung des Tenors hierzu - insoweit zurückzuweisen ist.
b) Auch hinsichtlich der Entscheidung des Arbeitsgerichts zum weiteren Antrag betreffend die durch § 16 dieser Geschäftsordnung (auch nF 2014) normierte Verpflichtung der einzelnen (nicht nach § 38 BetrVG vollständig freigestellten) Betriebsratsmitglieder zur Dokumentation durchgeführter Betriebsratsarbeit in einem Tätigkeitsbuch, mit den dort vorgegebenen Angaben, ist die Beschwerde unbegründet - auch insoweit handelt es sich nicht um eine, in einer solchen Geschäftsordnung nach deren Rechtsgrundlage in § 36 BetrVG allein regelbare, Bestimmung über die Geschäftsführung des Betriebsrats (Betriebsratsgremiums), also formale Bestimmungen über das von ihm einzuhaltende Verfahren im vorstehend genannten Sinn, sondern um inhaltliche zusätzliche Pflichten, für das einzelne Betriebsratsmitglied. Dieses ist - wie die Beschwerdeführer im Grundsatz auch zugestehen - nach der gesetzlichen Regelung nicht verpflichtet, gegenüber dem Betriebsrat als Organ Rechenschaft über seine individuelle Betriebsratstätigkeit abzulegen - bei der Etablierung eines solchen "Tätigkeitsbuches", wie dort geregelt/vorausgesetzt, und der hiernach vorgeschriebenen Dokumentation von betriebsratsrelevanten Tätigkeiten in diesem "Tätigkeitsbuch" ist jedoch genau dies der Fall.
Das einzelne Betriebsratsmitglied hat allein gegenüber dem Arbeitgeber einen Anspruch auf Arbeitsbefreiung für erforderliche Betriebsratstätigkeit, weshalb es sich wegen der Disposition der Abwesenheitszeit beim Verlassen des Arbeitsplatzes beim Arbeitgeber formal abmelden - und danach wieder zurückmelden - muss (§ 37 Abs. 2 BetrVG), ohne dass dies unbedingt persönlich und zwingend schriftlich zu erfolgen hätte - in der Regel wird dies mündlich geschehen -, und ohne dass hierbei eine nähere Spezifizierung der Art/des Inhalts der beabsichtigten Betriebsratstätigkeit mitzuteilen ist (so die Grundsätze auch der einschlägigen ständigen Rechtsprechung des BAG hierzu).
Durch diese Geschäftsordnungsregelung zur Notwendigkeit einer schriftlichen Eintragung von Betriebsratstätigkeiten in ein Tätigkeitsbuch, die zumal erkennbar machen muss, "um welche Art von Betriebsratstätigkeit es sich handelt", werden jedoch weitergehend
- weit über die formellen Ab- und Anmeldepflichten hinausgehende,
- förmlich schriftlich zu dokumentierende Angaben,
- mit inhaltlicher Angabe/Umschreibung der Art der jeweils durchgeführten Betriebsratstätigkeit,
- und dies gegenüber dem Betriebsrat als Gremium, nicht etwa gegenüber dem Arbeitgeber (wie in diesem Kontext anders auch kaum möglich),
konstituiert.
Dies überschreitet auch zur Überzeugung der Beschwerdekammer nicht nur den zulässigen Regelungsbereich einer Geschäftsordnung des Betriebsrats, hinsichtlich dessen Geschäftsführung als Organ im eingangs dargelegten verfahrenstechnischen Sinn, sondern konstituiert vielmehr normative Pflichten des einzelnen Betriebsratsmitglieds, die über die Ab-/Anmeldepflichten des einzelnen Betriebsratsmitgliedes - die zumal allein gegenüber dem Arbeitgeber, als Gegenspieler und Arbeitsvertragspartner bestehen - hinausgehen, weil sie inhaltliche Angaben, in Schriftform und noch dazu gegenüber dem Betriebsratsgremium, festlegen.
Die in der Neufassung 2014 dieser Regelung ergänzte Legitimierung dieser Regelung durch die Zielbestimmung: "Die Dokumentation dient der Beweisführung für die Erforderlichkeit der Betriebsratstätigkeit" kann nichts ändern, dass solche gegenüber der gesetzlichen Regelung und einschlägigen Rechtsprechung hierzu inhaltlich wesentlich verschärften Vorgaben nicht nur den zulässigen Regelungsbereich einer Geschäftsordnung des Betriebsrats überschreiten, sondern - zumal auf dieser Basis - als solche rechtswidrig sind - unabhängig von der von der Antragstellerin und Beteiligten zu 1 hier besonders akzentuierten Frage eines durch diese Regelung ausgelösten "Rechtfertigungsdrucks" für das betroffene einzelne Betriebsratsmitglied. Auch die Begründung für diese Regelung durch die Beschwerdeführer - dem Arbeitgeber durch solche Aufzeichnungen die Notwendigkeit etwaiger zusätzlicher Freistellungen von Betriebsratsmitgliedern nachweisen zu können - rechtfertigt dies, in einer Geschäftsordnung des Betriebsrats, nicht: Unabhängig davon, dass solche Aufzeichnungen, als - allenfalls - Privaturkunden, keinen Strengbeweis für ihre inhaltliche Richtigkeit - den zeitlichen Umfang und die Erforderlichkeit jeweiliger Betriebsratstätigkeiten - in einem prozessualen Sinn begründen (§ 416 ZPO), damit allenfalls indiziellen Charakter vergleichbar einem Akten- oder Gedächtnisvermerk aufweisen könnten, könnte eine solche - eher fiktive - zusätzliche Freistellungsnotwendigkeit keine, etwa "pragmatische", Rechtfertigung solcher schriftlicher Dokumentationspflichten, gegenüber dem Betriebsratsgremium, darstellen können.
Deshalb ist die Beschwerde der Beschwerdeführer auch insoweit zurückzuweisen.
III.
Die Beschwerdekammer hat die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.