01.09.2015 · IWW-Abrufnummer 145292
Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 17.06.2015 – 20 U 56/14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Hamm
20 U 56/14
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 24.01.2014 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bochum teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kl äger 19.320,86 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.10.2010 zu zahlen.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 41 % und die Beklagte 59 %.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e:
2
I.
3
Der Kläger begehrt mit seiner Klage Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge nebst Nutzungszinsen aus einer im Jahre 2003 bei der Beklagten genommenen Kapitallebensversicherung nach einem mit anwaltlichem Schreiben vom 23.09.2010 erklärten Widerspruch.
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Der Kläger beantragte am 12.08.2003 bei der Beklagten den Abschluss einer Kapitallebensversicherung. Das Antragsformular der Beklagten (Anlage B1) enthielt hierbei oberhalb der Unterschriftszeile neben weiteren unterlegten Textpassagen folgenden Hinweis:
5
„Ich kann dem beantragten Versicherungsvertrag innerhalb von 14 Tagen nach Aushändigung des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation in Textform widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs. “
6
Die Beklagte policierte am 09.09.2003 mit Versicherungsbeginn 01.08.2003. Versichert waren für den Erlebensfall die Zahlung einer garantierten Erlebensfallsumme in Höhe von 316.344,00 € sowie als Todesfallleistungen bei Versterben des Klägers die Auszahlung einer garantierten Todesfallsumme in Höhe von 172.800,00 €. Die monatliche Prämie betrug zunächst 800,00 €. Vereinbart waren eine jährliche Dynamik von 10,0 % sowie eine 30jährige Beitragszahlung bis zum 01.07.2033. Der Kläger erhielt mit dem Versicherungsschein vom 09.09.2003 einen die Verbraucherinformationen und Versicherungsbedingungen enthaltenden Hefter „Das Kleingedruckte mal ganz groß (SWD/2/1001/I/08/01)“, wobei die darin enthaltenen Verbraucherinformationen auf Seite 4 unter der Überschrift „Können Sie vom Versicherungsvertrag zurücktreten?“ auszugsweise wie folgt lauten (GA I 24R):
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„Durch unsere Annahme Ihres Antrags kommt der Versicherungsvertrag zum Abschluß. Anschließend können Sie innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Überlassung der Verbraucherinformationen und der Versicherungsbedingungen dem Abschluß des Versicherungsvertrages widersprechen.
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Die Frist ist eingehalten, wenn Sie die Widerspruchserklärung innerhalb der genannten Zeit absenden, auch wenn sie uns erst nach Ablauf der Frist zugehen sollte.
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Voraussetzung für die Bindung an die Frist ist, daß wir Ihnen die Verbraucherinformationen und die Versicherungsbedingungen ausgehändigt sowie Sie über Ihr Widerspruchsrecht belehrt und Sie dies mit Ihrer Unterschrift bestätigt haben.
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Sollten Ihnen die Verbraucherinformationen und die Versicherungsbedingungen nicht ausgehändigt oder Sie von uns nicht entsprechend belehrt worden sein, besteht Ihr Widerspruchsrecht ohne Bindung an die 14tägige Frist; es erlischt dann ein Jahr nach Zahlung des Einlösungsbeitrags.“
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Übersandt wurden der Versicherungsschein und der Hefter mit einem zweiseitigen Policenbegleitschreiben vom 09.09.2003 (Anlage B2), auf dessen Seite 2 es u.a. in Fettdruck heißt:
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„Sie können diesem Versicherungsvertrag innerhalb von 14 Tagen nach Zugang dieses Schreibens widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung einer Widerspruchserklärung in Textform (schriftlich oder in anderer lesbarer Form). Selbstverständlich werden wir Ihnen in diesem Falle bereits gezahlte Beiträge zurückerstatten.“
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Das Schreiben enthält auf Seite 1 weitere in Fettdruck gehaltene Textpassagen zur Modellrechnung und zum Abbuchungskonto für fällige Versicherungsbeiträge im Rahmen des vom Kläger erteilten Lastschriftmandats.
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Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien wird auf den Versicherungsschein vom 09.09.2003 (GA I 19 ff. = Anlage B3) sowie das Bedingungswerk der Beklagten (GA I 21 ff.) verwiesen.
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Der Kläger zahlte im Zeitraum vom 01.08.2003 bis zum 31.12.2006 Beiträge in einer Gesamthöhe von 32.800,00 €. Nachdem er mit Schreiben vom 30.11.2006 (Anlage B6) die Kündigung des Versicherungsvertrages erklärte, bestätigte die Beklagte mit Schreiben vom 31.01.2007 (Anlage B7) eine Kündigung zum 31.12.2006 und zahlte in der Folgezeit einen Rückkaufswert in Höhe von 14.293,84 € an den Kläger aus. Der Kläger trat dieser Berechnung mit Schreiben vom 22.12.2008 (Anlage B8) entgegen, woraufhin die Beklagte mit Schreiben vom 22.01.2009 die Berechnung des Rückkaufswerts erläuterte.
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Mit anwaltlichem Schreiben vom 23.09.2010 (GA I 53 ff.) erklärte der Kläger u.a. den Widerspruch gem. § 5a VVG in der bis zum 07.12.2004 geltenden Fassung und forderte die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 07.10.2010 dazu auf, Auskunft über die Höhe der eingezahlten Beiträge zu erteilen sowie den sich ergebenden Gesamtbetrag zzgl. Kosten und Zinsen und abzüglich des Rückkaufswerts zu zahlen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit auf den 30.07.2010 datierten Schreiben (Anlage B10) zurück und führte hierbei u.a. aus, dass der Kläger im Antragsformular sowie im Anschreiben zum Versicherungsschein auf sein Widerspruchsrecht hingewiesen worden sei.
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Mit seiner Klage hat der Kläger erstinstanzlich die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 32.524,55 € nebst Zinsen sowie vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten im Umfang einer 1,6 Geschäftsgebühr begehrt, wobei er die Hauptforderung mit der Differenz zwischen den gezahlten Prämien zzgl. Nutzungszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit jeweiliger Zahlung und dem ausgekehrten Rückkaufswert beziffert hat.
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Der Kläger hat gemeint, ihm stehe der geltend gemachte Anspruch im Wege des Bereicherungsausgleichs sowie unter Schadensersatzgesichtspunkten zu. Dies ergebe sich einerseits aus der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Andererseits sei die Widerspruchsfrist des § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. nicht in Lauf gesetzt worden. Denn es fehle an einer den gesetzlichen Vorgaben genügenden Widerspruchsbelehrung.
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Die Beklagte hat demgegenüber die Auffassung vertreten, sie habe den Kläger sowohl im Antragsformular als auch im Policenbegleitschreiben vom 09.09.2003 in der vorgeschriebenen Form über sein Widerspruchsrecht belehrt. Der Widerspruch sei daher verfristet. Überdies sei das Widerspruchsrecht gem. § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auch ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erloschen. Jedenfalls sei das Widerspruchsrecht verwirkt bzw. seine Ausübung treuwidrig. Die geltend gemachten Nutzungen in Form von Zinsen hat die Beklagte nach Grund und Höhe bestritten. Die Beklagte hat weiter gemeint, der Wirksamkeit des Widerspruchs stehe bereits die zuvor erfolgte Beendigung des Versicherungsvertrages durch Kündigung entgegen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 24.01.2014 (GA I 142 ff.) verwiesen.
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Das Landgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der im Jahre 2010 erklärte Widerspruch verfristet gewesen sei. Denn die Widerspruchsfrist sei mit Übersendung des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen sowie der Verbraucherinformation gem. § 10a VAG a.F. in Lauf gesetzt worden. Die im Begleitschreiben vom 09.09.2003 enthaltene Widerspruchsbelehrung genüge den formellen und materiellen Anforderungen. Ohnehin sei das Widerspruchsrecht jedenfalls mit Ablauf eines Jahres nach Zahlung der ersten Prämie gem. § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. erloschen. Sowohl diese Bestimmung als auch das sog. Policenmodell an sich seien europarechtskonform. Schließlich sei ein Widerspruchsrecht des Klägers auch verwirkt sowie in entsprechender Anwendung von § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG bzw. § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung erloschen.
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er die Verletzung materiellen Rechts durch das Landgericht rügt und sein erstinstanzliches Klagebegehren weiter verfolgt. Er hält im Wesentlichen daran fest, dass das sog. Policenmodell gegen Gemeinschaftsrecht verstoße und die Widerspruchsbelehrung nicht ausreichend gewesen sei. Die Beklagte könne sich insoweit auch weder auf die Jahresfristregelung in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. berufen noch sei die Annahme einer Verwirkung des Widerspruchsrechts gerechtfertigt. Auch die zuvor erfolgte Kündigung hindere einen späteren Widerspruch nicht.
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Der Kläger beantragt,
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unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung
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1.) die Beklagte zu verurteilen, an ihn 32.524,55 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.10.2010 zu zahlen;
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2.) die Beklagte ferner zu verurteilen, an ihn Rechtsanwaltskosten für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 1.604,21 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
29
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Sie redet erstmals im Berufungsrechtszug Verjährung ein, hält die Widerspruchsbelehrung im Policenbegleitschreiben vom 09.09.2003 weiterhin für ordnungsgemäß und beruft sich auch im Berufungsrechtszug auf Verwirkung eines etwaigen Widerspruchsrechts. In Ansehung der geltend gemachten Verwirkung trägt sie vor, dass der Kläger sämtliche Rechte an dem Versicherungsvertrag zur Besicherung an die E AG abgetreten hatte. Mit der Vornahme der Sicherungsabtretung habe der Kläger deutlich gemacht, dass er den Vertrag als wirksam behandelt wissen wolle. Ferner macht die Beklagte geltend, dass ein etwaiger Bereicherungsanspruch des Klägers unterhalb des ausgezahlten Rückkaufswerts liegen würde. Denn in Abzug zu bringen seien neben einem Risikoanteil der gezahlten Prämie auch Abschluss- und Verwaltungskosten. Die Verwaltungskosten beliefen sich auf 787,20 €, die Abschlusskosten auf 18.796,80 €. Zudem habe der Kläger im Zuge einer im Jahre 2006 erfolgten Umwandlung der Beklagten in eine Aktiengesellschaft 206 Anteile an der Beklagten erhalten. Der Wert dieser Aktien sei mit 984,98 € in Ansatz zu bringen. Die Beklagte beruft sich hilfsweise auf Entreicherung und meint zu den geltend gemachten Nutzungszinsen, dass diese durch den Kläger nicht schlüssig vorgetragen worden seien. Die gezogenen Nutzungen hätten sich tatsächlich auf lediglich 2.121,05 € belaufen; hierbei handele es sich um die sog. Gewinnmarge (GA II 391).
30
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze verwiesen.
31
II.
32
Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Sie hat auch in der Sache in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Insoweit führt das Rechtsmittel zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung; im Übrigen unterliegt es der Zurückweisung.
33
1.)
34
Dem Kläger steht der geltend gemachte Bereicherungsanspruch aus §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 818 BGB dem Grunde nach zu, da der im Jahre 2003 zwischen den Parteien abgeschlossene Lebensversicherungsvertrag auf der Grundlage des § 5a VVG in der bis zum 07.12.2004 geltenden Fassung nicht wirksam zustande gekommen ist.
35
a)
36
Die Bestimmung in § 5a VVG a.F. regelte den Vertragsschluss nach dem sog. Policenmodell. Dieses betraf Fälle, in denen der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei dessen Antragstellung die Versicherungsbedingungen zunächst nicht übergeben und eine den Anforderungen des § 10a VAG a.F. genügende Verbraucherinformation unterlassen hatte. Der Antrag des Versicherungsnehmers stellte das Angebot zum Abschluss des Vertrages dar. Dieses nahm der Versicherer dadurch an, dass er dem Versicherungsnehmer mit der Versicherungspolice die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die für den Vertragsschluss maßgebliche Verbraucherinformation übersandte. Durch die Annahme kam der Vertrag aber noch nicht zustande; vielmehr galt er gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. erst dann als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der vollständigen Unterlagen schriftlich widersprach. Bis zum Ablauf dieser Frist war von einem schwebend unwirksamen Vertrag auszugehen (BGH, Urt. v. 16.07.2014, IV ZR 73/13, juris, Rn. 14 mit weiteren Nachweisen, VersR 2014, 1065). Der Vertrag erlangte rückwirkend zum Zeitpunkt der Vertragsannahme Wirksamkeit, wenn der Versicherungsnehmer innerhalb der Widerspruchsfrist von seinem Recht zum Widerspruch keinen Gebrauch gemacht hatte (BGH, a.a.O.).
37
b)
38
Der Widerspruch des Klägers vom 23.09.2010 ist rechtzeitig erfolgt, da der Kläger nicht im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. durch die Beklagte ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden ist.
39
aa)
40
Auf die in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. normierte Regelung, wonach das Recht zum Widerspruch bei nicht ordnungsgemäßer Belehrung ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt, kommt es nicht an. Dies ergibt eine richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19.12.2013 (C-209/12, VersR 2014, 225). Der Bundesgerichtshof hat mit Urt. v. 07.05.2014 (IV ZR 76/11, VersR 2014, 817 Rn. 17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat (vgl. auch BGH, Urt. v. 02.02.2015, IV ZR 460/14, Rn. 15).
41
bb)
42
Der Lauf der Widerspruchsfrist hat gem. § 5a Abs. 2 VVG a.F. im Streitfall mangels ausreichender Belehrung des Klägers nicht begonnen. Denn keine der Belehrungen des Klägers durch die Beklagte genügt den gesetzlichen Anforderungen.
43
(1)
44
Offen bleiben kann, ob die Belehrung im Antragsformular der Beklagten in Ansehung ihrer Gestaltung der erforderlichen drucktechnisch deutlichen Form genügt und auch den materiellen Anforderungen des § 5a Abs. 2 VVG a.F. genügt. Denn selbst eine formell und inhaltlich ausreichende Belehrung im Antrag ist nicht geeignet, die von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. vorgeschriebene Belehrung „bei Aushändigung des Versicherungsscheins“ zu ersetzen (BGH, Urt. v. 28.01.2004, IV ZR 58/03, juris, Rn. 16, VersR 2004, 497; Lorenz, VersR 1995, 616, 622).
45
(2)
46
Die Belehrung in den Verbraucherinformationen genügt – was die Beklagte auch selbst nicht in Zweifel zieht – bereits nicht den formellen Anforderungen des § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. Es fehlt an der vorgeschriebenen Deutlichkeit der Belehrung, die sich in einer nicht zu übersehenden Weise (etwa durch farbliche Gestaltung, größere Buchstaben, Sperrschrift oder Fettdruck) aus dem übrigen Text hervorheben muss (vgl. BGH, Urt. v. 28.01.2004, IV ZR 58/03, juris, Rn. 18, VersR 2004, 497). Diese Voraussetzung der Deutlichkeit erfüllt die Belehrung nicht, weil die Belehrung einerseits nicht hervorgehoben ist und sie sich andererseits unterhalb der aufgeworfenen Frage nach einem Rücktrittsrecht des Versicherungsnehmers befindet, um das es aber nicht geht. Auf die Frage, ob die Belehrung den inhaltlichen Anforderungen des § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. genügt, kommt es hiernach nicht streitentscheidend an.
47
(3)
48
Schließlich genügt auch die durch Fettdruck hervorgehobene Widerspruchsbelehrung in dem zwei Seiten umfassenden Policenbegleitschreiben der Beklagten vom 09.09.2003 den gesetzlichen Anforderungen des § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. nicht. Hierbei bedarf es keiner Entscheidung durch den Senat, ob allein die Hervorhebung der Belehrung mit Blick darauf, dass das Schreiben weitere in Fettdruck gestaltete Textpassagen enthält, die formellen Voraussetzungen der Bestimmung wahrt. Denn die Belehrung genügt jedenfalls nicht den inhaltlichen Anforderungen des § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. Sie stellt nicht hinreichend klar, dass die Widerspruchsfrist erst nach Überlassung des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren Verbraucherinformationen beginnt, sondern verweist für den Fristbeginn auf den „Zugang dieses Schreibens“. Damit aber wird dem Empfänger nicht ausreichend verdeutlicht, dass es der Überlassung des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformationen bedarf, um die Frist in Lauf zu setzen. Dem Empfänger wird nicht hinreichend klar vor Augen gestellt, welche Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit die Frist zum Widerspruch zu laufen beginnt. Trotz Erhalt des Versicherungsscheins und weiterer Unterlagen kann der Empfänger damit nicht hinreichend klar im Sinne des § 5a Abs. 2 VVG a.F. erkennen, wann die Widerspruchsfrist beginnt (vgl. auch Senat, Beschl. v. 24.07.2013, 20 U 106/13, n.v.). An diesem Umstand ändert es nichts, wenn dem Empfänger tatsächlich mit dem Schreiben zugleich alle gem. § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. erforderlichen Unterlagen übersandt worden sind. Denn es kann bereits nicht davon ausgegangen werden, dass einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer während des gesamten Laufs der Widerspruchsfrist durchweg bewusst ist, welche Unterlagen er wann und mit welchem Schreiben vom Versicherer erhalten hat.
49
Dass das Kammergericht dies zu den von der Beklagten vorgelegten Hinweisbeschluss vom 07.11.2014 ( 6 U 14/14) anders beurteilt hätte, lässt sich den Beschluss nicht entnehmen. Jedenfalls hat sich das Kammergericht mit diesem Umstand nicht auseinandergesetzt.
50
cc)
51
Die vom Kl äger vor Widerspruch erklärte Kündigung des Vertrages steht dem späteren Widerspruch nicht entgegen. Der Versicherungsnehmer, der über sein Widerspruchsrecht nicht ausreichend belehrt worden ist, kann sein Wahlrecht zwischen Kündigung und Widerspruch nicht sachgerecht ausüben (vgl. BGH, Urt. v. 07.05.2014, IV ZR 76/11, juris, Rn. 36, VersR 2014, 817). Denn bei Fehlen einer ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerspruchssrecht ist nicht sichergestellt, dass dem Versicherungsnehmer zur Zeit der K ündigung bewusst ist, neben dem Kündigungsrecht ein Recht zum Widerspruch zu haben, um so die Vor- und Nachteile einer Kündigung gegen die eines Widerspruchs abwägen zu können (BGH, Urt. v. 16.10.2013, IV ZR 52/12, juris, Rn. 24, VersR 2013, 1513).
52
Entgegen der Auffassung des Landgerichts kommt auch ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung – anders als in der der Entscheidung des BGH v. 16.10.2013 (a.a.O.) zu Grunde liegenden Fallgestaltung – nicht in Betracht, weil eine entsprechende Anwendung der Regelungen in den §§ 7 Abs. 2 VerbrKrG, 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG nach Außerkrafttreten dieser Gesetze nicht mehr möglich ist (vgl. BGH, Urt. v. 07.05.2014, IV ZR 76/11, juris, Rn. 37 mit weiteren Nachweisen, VersR 2014, 817) und der streitgegenständliche Versicherungsvertrag dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der ab dem 01.01.2002 geltenden Fassung unterliegt, Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB.
53
dd)
54
Auch einer Verwirkung des Rechts zum Widerspruch und einer Treuwidrigkeit der Ausübung dieses Rechts steht es entgegen, dass die Beklagte es versäumt hat, den Kläger ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht zu belehren (BGH, Urt. v. 07.05.2014, IV ZR 76/11, juris, Rn. 38 ff., BGHZ 201, 101 = VersR 2014, 817). Eine Treuwidrigkeit kommt nur in Betracht, wenn der Versicherungsnehmer nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang durchführt und erst dann vom Versicherer, der auf den Bestand des Vertrages vertrauen durfte, unter Berufung auf die Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangt (vgl. BGH, Urt. v. 16.07.2014, IV ZR 73/13, VersR 2014, 1065). Warum sich insoweit aus dem Umstand, dass der Kläger die Rechte aus der Lebensversicherung zwischenzeitlich an die E AG zur Besicherung einer gegen ihn gerichteten Forderung abgetreten hatte, eine Verwirkung des Rechts zum Widerspruch ergeben soll, wie die Beklagte meint, ist nicht ersichtlich.
55
ee)
56
Die Beklagte ist schließlich auch nicht zur dauerhaften Leistungsverweigerung gem. § 214 Abs. 1 BGB berechtigt. Denn der Anspruch des Klägers ist nicht gem. §§ 195, 199 BGB verjährt. Die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder nur infolge grober Fahrlässigkeit nicht erlangt hat.
57
Entstanden ist ein Anspruch, sobald er im Wege der Klage geltend gemacht werden kann. Voraussetzung dafür ist grundsätzlich die Fälligkeit des Anspruchs, die dem Gläubiger die Möglichkeit der Leistungsklage verschafft (vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 08.04.2015, IV ZR 103/15, juris, Rn. 22 mit weiteren Nachweisen). Der Bereicherungsanspruch wird aber – entgegen der Auffassung der Beklagten – erst fällig, wenn der Versicherungsnehmer den Widerspruch erklärt und damit dem bis dahin schwebend unwirksamen Versicherungsvertrag endgültig die Wirksamkeit versagt. Denn auch wenn während der schwebenden Unwirksamkeit (noch) kein Rechtsgrund für die Prämienzahlung des Versicherungsnehmers besteht, wird erst durch den Widerspruch der Schwebezustand beendet und Klarheit geschaffen, dass dem Versicherer die geleisteten Prämien nicht zustehen. Erst nach der Entscheidung des Versicherungsnehmers, den Widerspruch zu erklären, steht fest, dass der Vertrag, den die Parteien bis dahin wie einen wirksamen Vertrag durchgeführt hatten, endgültig unwirksam ist (BGH, Urt. v. 08.04.2015, IV ZR 103/15, juris, Rn. 23; OLG Köln, Urt. v. 05.09.2014, 20 U 88/14, juris, Rn. 38, r+s 2015, 121; OLG Stuttgart, Urt. v. 23.10.2014, 7 U 54/14, juris, Rn. 124 f.; Reiff, r+s 2015, 105, 114; wohl auch schon BGH, Urt. v. 24.04.2013, IV ZR 23/12, juris, Rn. 16, VersR 2013, 899).
58
2.)
59
Für den Inhalt des Anspruchs gilt Folgendes:
60
Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch des Klägers nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht uneingeschränkt alle Prämien, die er an die Beklagte gezahlt hat, ohne hierzu durch einen wirksamen Versicherungsvertrag verpflichtet zu sein. Im Rahmen einer gemeinschaftsrechtlich geforderten rechtsfortbildenden Auslegung einer nationalen Norm darf bei der Regelung der Rechtsfolgen des Widerspruchs nach nationalem Recht ein vernünftiger Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den Beteiligten hergestellt werden. Eine einschränkungslose Ausgestaltung des Widerspruchsrechts auch auf der Rechtsfolgenseite wäre nicht sachgerecht. Der Versicherungsnehmer hat während der Prämienzahlung Versicherungsschutz genossen. Es ist davon auszugehen, dass er diesen im Versicherungsfall in Anspruch genommen und sich - selbst bei zwischenzeitlich erlangter Kenntnis von seinem Widerspruchsrecht - gegen eine Rückabwicklung entschieden hätte. Mit Blick darauf führte eine Verpflichtung des Versicherers zur Rückgewähr sämtlicher Prämien zu einem Ungleichgewicht innerhalb der Gemeinschaft der Versicherten. Daher muss sich der Kläger im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den Versicherungsschutz anrechnen lassen, den er jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossen hat (BGH, Urt. v. 07.05.2014, IV ZR 76/11, juris, Rn. 45 f., VersR 2014, 817).
61
Hieran gemessen muss sich der Kläger unter Zugrundelegung des von der Beklagten in ihrem Schreiben vom 22.01.2009 (Anlage B8) mitgeteilten Werts bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den auf die gezahlten Prämien in Höhe von 32.800,00 € entfallenden Risikoanteil für die Lebensversicherung in Höhe von 321,37 € anrechnen lassen. Weiter in Abzug zu bringen sind der ausgekehrte Rückkaufswert in Höhe von 14.293,84 € sowie der Wert der – nach der Behauptung der Beklagten im Berufungsrechtszug, welcher der Kläger schriftsätzlich nicht entgegen getreten ist – im Zuge der Demurtualisierung am 26.10.2006 übertragenen Anteile der Beklagten in Höhe von 984,98 €.
62
Demgegenüber kommt – entgegen der Auffassung der Beklagten – eine Anrechnung desjenigen Prämienanteils, der auf die Abschluss- und Verwaltungskosten entfallen ist, nicht in Betracht. Die Beklagte kann – insbesondere in Bezug auf in den Abschlusskosten enthaltene Provisionsansprüche der Versicherungsvermittler – auch nicht den Einwand der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB erheben. Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 07.05.2014 (a.a.O.) folgt nicht, dass zugunsten des Versicherers sämtliche Kosten, die unmittelbar oder mittelbar mit der Gewährung von Versicherungsschutz während der Dauer der Prämienzahlung zusammen hängen, mindernd zu berücksichtigen sind. Bei der vom Bundesgerichtshof verlangten gerechten Risikoverteilung darf nicht außer Betracht bleiben, dass der Versicherer durch ein ihm zuzurechnendes Fehlverhalten (hier eine unzureichende Widerspruchsbelehrung) wesentlich dazu beigetragen hat, dass der Vertrag im Zustand schwebender Unwirksamkeit verblieben ist und nicht wirksam werden konnte.
63
Bei dieser Sachlage erscheint es nicht angemessen, den Versicherungsnehmer mit den Kosten für den (letztlich nicht wirksam zustande gekommenen) Vertragsabschluss und die Vertragsdurchführung zu belasten. Das steht im Einklang mit allgemeinen bereicherungsrechtlichen Erwägungen. Dass es nicht zu einem wirksamen Vertragsschluss gekommen ist und dem Zustandekommen des Lebensversicherungsvertrags deshalb auch nach Jahren noch widersprochen werden kann, beruht maßgebend darauf, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt hat. Das Risiko, dass er deswegen seine Vertragskosten (in Gestalt der Abschluss- und Verwaltungskosten) unnötig aufgewandt hat, muss beim Versicherer bleiben (so ausdrücklich auch OLG Köln, Urt. v. 05.09.2014, 20 U 88/14, juris, Rn. 28, r+s 2015, 121).
64
Auch eine Vorteilsanrechnung in Ansehung von Steuervorteilen scheidet entgegen der Auffassung der Beklagten aus. Denn etwaige Steuervorteile sind nicht auf den Bereicherungsanspruch anzurechnen (Reiff, r+s 2015, 105, 110).
65
Soweit der Kläger darüber hinaus Nutzungszinsen verlangt, ist der Anspruch gem. § 818 Abs. 1 BGB auf die Erstattung tatsächlich gezogener Nutzungen beschränkt (BGH, Beschl. v. 30.07.2012, IV ZR 134/11, juris, Rn. 5). Hierfür ist der Kläger darlegungs- und beweispflichtig. Der Kläger hat seiner Berechnung insoweit lediglich den gesetzlichen Zinssatz von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu Grunde gelegt. Die Erzielung solcher Nutzungen ist aber dem klagebegründenden Vortrag nicht zu entnehmen noch kann sich der Kläger auf eine Vermutung stützen, wonach ein Versicherer aus rechtsgrundlos erlangtem Geld Nutzungen in Höhe des gesetzlichen Verzugszinssatzes zieht, da eine solche Vermutung nicht existiert (Reiff, r+s 2015, 105, 113 mit weiteren Nachweisen in Fn. 81).
66
Da allerdings der Kläger keinen Einblick in die Geschäftsinterna der Beklagten hat, ist diese im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast gehalten, zur Verwendung der vereinnahmten Prämien vorzutragen. Dem ist die Beklagte dadurch nachgekommen, dass sie einen Gewinn in Höhe von 2.121,05 €, der ihr nach Abzug der Kosten verblieben sei, mitgeteilt hat.
67
Hiernach ergibt sich folgende Berechnung:
68
Gezahlte Prämien: 32.800,00 €
69
./. Risikoanteil: 321,37 €
70
./. Wert der übertragenen Anteile: 984,98 €
71
./. Rückkaufswert: 14.293,84 €
72
17.199,81 €
73
zzgl. Gewinn: 2.121,05 €
74
19.320,86 €
75
3.)
76
Die zuerkannten Zinsen rechtfertigen sich unter Verzugsgesichtspunkten aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, 247 BGB.
77
Dem steht es nicht entgegen, dass in der zuerkannten Hauptforderung gezogene Nutzungen enthalten sind. Denn Verzugszinsen sind auch auf die vom Versicherer gezogenen Nutzungen zu zahlen, weil als Nutzungsersatz geschuldete Beträge keine Zinsen im Rechtssinne darstellen, so dass das Zinseszinsverbot des § 289 BGB einer Verzinsung nicht entgegen steht (Reiff, r+s 2015, 105, 113 mit weiteren Nachweisen in Fn. 96).
78
4.)
79
Der Abweisung unterliegt die Klage demgegenüber in Ansehung der vom Kläger begehrten vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten. Denn die Klägervertreter waren bereits mandatiert, als die Beklagte mit dem anwaltlichen Schreiben vom 23.09.2010 – in dem der Widerspruch erst erklärt wurde – in Verzug gesetzt wurde. Auf die Frage, ob der Rechtsschutzversicherer des Klägers die Kostennote seiner Prozessbevollmächtigten bereits mit der Folge ausgeglichen hat, dass ein Anspruch dem Kläger mit Blick auf die in § 86 Abs. 1 VVG angeordnete Legalzession nicht mehr zustünde, kommt es daher nicht an.
80
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
81
Eine Zulassung der Revision ist in Ermangelung der Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht veranlasst. Die Rechtssache weist weder grundsätzliche Bedeutung auf noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.