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21.08.2015 · IWW-Abrufnummer 145170

Oberlandesgericht Brandenburg: Beschluss vom 30.03.2015 – 13 WF 68/15

Einem Fehlverhalten des Richters, das sich nicht in pflichtwidriger Voreingenommenheit auswirkt, ist mit einem Ablehnungsgesuch nicht zu begegnen.

Fehlverhalten und andere Missstände, die das gesamte Verfahren belasten und damit beiden Parteien in gleicher oder ähnlicher Weise unzumutbar erscheinen müssen, begründen nicht Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters.


13 WF 68/15
Brandenburgisches Oberlandesgericht
19 F 68/09 Amtsgericht Perleberg

Beschluss

In der Unterhaltssache

des Herrn P… V…,

Beklagten und Beschwerdeführers,

- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte … -

g e g e n

Frau K… V…,

Klägerin und Beschwerdegegnerin,

- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte … -

hat der 4. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts
durch

den Richter am Oberlandesgericht Dr. Burghart als Einzelrichter

am 30. März 2015

beschlossen:

Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Perleberg vom 5. Februar 2015 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Das Ablehnungsgesuch des Beklagten gegenüber dem Richter am Amtsgericht Werner ist unbegründet. Die Besorgnis der Befangenheit (§ 42 I, II ZPO) ist nicht gerechtfertigt.

Die schlichte Rechtsschutzverweigerung kommt als objektiver Grund in Betracht, der bei einem besonnen prüfenden Beteiligten, der seine Interessen auch in einer für ihn schwierigen verfahrensrechtlichen Lage zwar aufmerksam aber nicht überempfindlich wahrnimmt, die Befangenheitssorge begründen kann, wenn die Verweigerung willkürlich erscheint. Eine Partei, die den nachvollziehbaren Anschein gewinnen kann, der Richter nehme ihr Anliegen zwar zur Kenntnis, veranlasse aber nichts, hat Grund zur Ablehnung des Richters, wenn die von ihm mitgeteilten Gründe für die vollkommene Untätigkeit ganz und gar unhaltbar sind oder wenn er nicht einmal Gründe nennt und daraus auf eine geradezu rechtsfeindliche oder wenigstens rechtsschutzfeindliche Gesinnung des Richters gegenüber einer Partei geschlossen werden kann.

Im lebhaft ausgetragenen Streit um die Frage, ob bloße Untätigkeit eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen kann (vgl. Musielak/Voit-Heinrich, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 42 Rdnr. 11; Zöller-Vollkommer, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 42 Rdnr. 24, BeckOK-ZPO-Vossler, Stand: Jan. 2015, § 42 Rdnr. 21, jeweils m. zahlr. Nachw.), ist durch einen genauen Blick auf den legaldefinierten Begriff der Befangenheit eine Entscheidung zu finden:

Die Besorgnis der Befangenheit wird nicht durch die Sorge vor Willkür begründet (zu weitgehend: BayObLGZ 1998, 37; OLG München, OLGR 1998, 331; OLG Dresden, BeckRS 2014, 11482), sondern allein durch das Misstrauen gegenüber der Unparteilichkeit des Richters (§ 42 II ZPO). Das Ablehnungsgesuch ist ein spezifischer, auf einen bestimmten Zweck bezogener Rechtsbehelf. Er dient dazu, dem objektiv begründeten Anschein abzuhelfen, eine Partei – die ablehnende oder die andere (§ 42 III ZPO) – werde ohne sachlichen Grund besser oder schlechter behandelt als die andere. Einem Fehlverhalten des Richters, das sich nicht in pflichtwidriger Voreingenommenheit auswirkt, ist mit einem Ablehnungsgesuch nicht zu begegnen (vgl. BbgOLG, 2. FamS, OLG-NL 2000, 263; 1. ZS, BeckRS 2012, 14878).

Es ist deshalb einerseits nicht Voraussetzung einer Ablehnung, dass gegen das beanstandete Fehlverhalten des Richters kein anderer Rechtsbehelf gegeben wäre. Die Partei, die befürchten muss, der Richter werde eine willkürliche Fehlentscheidung treffen, um eine der Parteien zu bevorzugen oder zu benachteiligen, muss diese Fehlentscheidung nicht abwarten, um sie mit dem vorgesehenen Rechtsmittel anzufechten. Die Ablehnung dient in dieser Konstellation dem rechtzeitigen Ausschließen des parteilich erscheinenden Richters vom weiteren Verfahren.

Andererseits führt es aber nicht zur Begründetheit eines Ablehnungsgesuchs, dass ein anderer Rechtsbehelf nicht vorgesehen ist. Fehlverhalten und andere Missstände, die das gesamte Verfahren belasten und damit beiden Parteien in gleicher oder ähnlicher Weise unzumutbar erscheinen müssen, begründen nicht Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters (§ 42 II ZPO), sondern gegen seine generelle Eignung, das Verfahren in angemessener Zeit mit einem materiell-rechtlich zutreffenden Ergebnis abzuschließen (vgl. OLG Düsseldorf, BeckRS 1998, 10239). Es berührt nicht die Gewährleistung der Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit, wenn ein fachlich ungeeigneter Richter willkürlich falsch entscheidet, wenn ein pflichtvergessen fauler Richter das Verfahren verschleppt oder unbearbeitet lässt oder wenn ein auf Grund von Fehlentscheidungen des Präsidiums hoffnungslos überlasteter Richter nicht in der Lage ist, jedem einzelnen Verfahren die erforderliche Aufmerksamkeit zu widmen. In diesen Fällen ist die Funktion der Rechtspflege allgemein betroffen, zum gemeinsamen Nach-teil beider Parteien.

Dass den von solchen Unzuträglichkeiten betroffenen Parteien keine oder nur untaugliche
198 III GVG), nämlich nur zur Entschädigung, nicht aber zur Abhilfe verhelfende Rechts-behelfe zustehen, führt nicht zu einer besonderen Auslegung oder Anwendung des Ablehnungsgrundes der Befangenheit. Die Ablehnung eines Richters erfüllt nicht die Funktion eines Auffangrechtsbehelfs für alle Fallkonstellationen willkürlicher Fehler oder grob rechtswidrigen Fehlverhaltens des Richters, für die die Verfahrensordnungen ein Rechtsmittel nicht vor-sehen (vgl. OLG Dresden, OLG-NL 2001, 45). Ob es für diese Fälle von Verfassungs wegen eines Rechtsmittels bedarf – etwa einer Untätigkeitsbeschwerde oder einer außerordentlichen Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit –, könnte erörtert werden, wenn ein solches Rechtsmittel eingelegt ist, nicht aber im Verfahren über ein Befangenheitsgesuch.

Dem Ablehnungsgesuch des Beklagten fehlt nicht die Darlegung, der abgelehnte Richter sei willkürlich untätig geblieben. Aber das Gesuch lässt den Bezug des Willküranscheins zur Befangenheitssorge offen. Es versteht sich – anders als bei offenkundiger Eilbedürftigkeit der Entscheidung nur für eine der streitenden Parteien (vgl. zu sehr weitgehenden Annahmen der Eilbedürftigkeit: OLG Dresden, BauR 2011, 561; BeckRS 2014, 11482) – nicht von selbst, dass die Untätigkeit des abgelehnten Richters den Beklagten oder die Klägerin bei der Wahrnehmung der jeweiligen Interessen mehr getroffen hätte als den jeweils anderen. Es besteht der objektive Anschein, der abgelehnte Richter sei willkürlich untätig geblieben. Dass er dadurch die Klägerin oder den Beklagten sachwidrig bevorzugt oder benachteiligt hätte, ist nicht ersichtlich, und der Beklagte hat nicht versucht, den Anschein einer Voreingenommenheit des willkürlich untätigen Richters zu erläutern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 574 II, III ZPO), besteht nicht.

RechtsgebietRichterablehnungVorschriften§ 42 ZPO

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