21.08.2015 · IWW-Abrufnummer 145165
Oberlandesgericht Thüringen: Beschluss vom 01.08.2014 – 7 U 405/12
Eine Überschreitung des mitgeteilten Kostenvorschuss von 20 bis 25% ist als erheblich anzunehmen.
Oberlandesgericht Jena
Beschl. v. 01.08.2014
Az.: 7 U 405/12
In dem Rechtsstreit
K. Z.
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt J. T.
gegen
1) T.
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
2) N. K.
- Beklagter und Berufungsbeklagter -
3) H.
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte zu 1 - 3:
Rechtsanwälte Dr. E.
wegen Verkehrsunfall
hier: Vergütung des Sachverständigen
hat der 7. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch
Richter am Oberlandesgericht Linsmeier
als Einzelrichter am 01.08.2014
b e s c h l o s s e n :
Tenor:
Die Vergütung des Sachverständigen D. aus seiner Liquidation vom 11.02.2014 wird auf 525,68 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Sachverständige D. ist durch Beweisbeschluss des Senats vom 05.06.2013 mit der Erstellung eines schriftlichen Unfallrekonstruktions-Ergänzungsgutachtens beauftragt worden. Der Auslagenvorschuss hierfür ist auf 1.000 EUR festgesetzt worden. Der Sachverständige hat sodann ein Gutachten vom 13.11.2013 erstellt und hierfür eine Vergütung in Höhe von 1.299,48 EUR abgerechnet und erhalten. Die Beklagtenvertreter haben den Beweisbeschluss als nicht abgearbeitet angesehen. Der Sachverständige hat daher einen Nachtrag vom 11.02.2014 erstellt und darin ausgeführt, dass sein Gutachten vom 13.11.2013 die Fragen aus dem Beweisbeschluss vollständig beantwortet habe. Für den Nachtrag hat der mit einer Liquidation vom 11.02.2013, auf die Bezug genommen wird, 525,68 EUR abgerechnet. Die Kostenbeamtin hat mit Schreiben vom 13.03.2014 (Bl. 268) eine Bezahlung abgelehnt, da sie den Beweisbeschluss - nach Anhörung des erkennenden Richters - als erst durch den Nachtrag vom 11.02.2014 abgearbeitet angesehen hat und der Sachverständige den Auslagenvorschuss trotz Hinweises nicht als zu niedrig beanstandet habe. Der Sachverständige hat Vergütungsfestsetzung beantragt. Die Staatskasse, vertreten durch die Bezirksrevisorin, ist gehört worden und hat sich dem Antrag angeschlossen.
II.
Die Anträge des Sachverständigen vom 20.03.2014 und der Bezirksrevisorin vom 15.04.2014 auf Vergütungsfestsetzung sind nach § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 1 JVEG zulässig. Danach sind sowohl der Sachverständige als auch die Staatskasse, vertreten durch die Bezirksrevisorin, antragsberechtigt. Die Anträge sind nicht an eine Frist gebunden. Maßgebend ist nur, dass der Sachverständige seine Honorarabrechnung binnen drei Monaten nach Vorlage seines Gutachtens vom 11.02.2014 eingereicht hat (§ 2 Abs. 1 JVEG). Dies war hier der Fall.
1.) Die Vergütung aus der Liquidation des Sachverständigen vom 11.02.2014 ist nicht wegen Verstoßes gegen § 407a Abs. 3 Satz 2 ZPO zu kürzen. Nach dieser Vorschrift trifft den Sachverständigen eine Pflicht zum rechtzeitigen Hinweis, wenn voraussichtlich Kosten für die Begutachtung entstehen, die erkennbar außer Verhältnis zum Wert des Streitgegenstandes stehen oder einen angeforderten Kostenvorschuss erheblich übersteigen.
Im vorliegenden Fall stehen die geltend gemachten Gutachterkosten in Höhe von 1.825,16 EUR (1.299,48 EUR + 525,68 EUR), deren Entstehung der Sachverständige voraussehen konnte, nicht außer Verhältnis zum Wert des Streitgegenstandes iHv 5.000,81 EUR (4.611,08 EUR + 389,73 EUR). Dies wäre erst dann der Fall, wenn die voraussichtlichen Gutachterkosten mehr als die Hälfte des Streitwerts erreichen würden (Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 8a RdNr. 32). Daran fehlt es hier. Denn der Streitwert beträgt 5.000,81 EUR, die Gutachterkosten in Höhe von 1.825,16 EUR erreichen nur 36,5% dieses Streitwerts.
Zwar übersteigen die Gutachterkosten den angeforderten Auslagenvorschuss von 1.000 EUR erheblich. Die Erheblichkeitsgrenze wird im Allgemeinen bei 20 bis 25% angenommen und ist hier weit überschritten. Der Sachverständige hat den Anfall der Mehrkosten von 525,68 EUR auch nicht angekündigt.
Eine Kürzung seiner Vergütung scheidet gleichwohl aus. Denn eine solche ist nur möglich, wenn bei verständiger Würdigung aller Umstände anzunehmen ist, dass bei rechtzeitiger Anzeige der Mehrkosten der Gutachtensauftrag eingeschränkt oder beendet worden wäre (OLG Stuttgart, MDR 2008, 652 f. [OLG Stuttgart 12.11.2007 - 8 W 452/07]; OLG Celle, BauR 2008, 718 f.; OLG Düsseldorf, BauR 2003, 1448; BayObLGZ 1997, 353 ff.). Das ist im vorliegenden Fall nicht anzunehmen. Hierbei kommt es darauf an, ob und inwieweit das Gutachten für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich war und ob der Kläger bei rechtzeitiger Mitteilung von Mehrkosten die Klage oder die Berufung zurückgenommen hätte (OLG Celle, BauR 2008, 718 f.; OLG Düsseldorf, BauR 2003, 1448; BayObLGZ 1997, 353 ff.). Das Gutachten des Sachverständigen D. war im vollen Umfang für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich. Es enthält keine überflüssigen weitschweifigen Ausführungen. Der Kläger hätte die Klage im Falle rechtzeitiger Mitteilung der Mehrkosten nicht zurückgenommen. Vielmehr hat er nachhaltig an seinem Rechtsstandpunkt festgehalten. Auch eine Einschränkung des Gutachtensauftrags kam nicht in Betracht, vielmehr beschränkte sich dieser von vornherein auf die wesentlichen und für die Entscheidung notwendigen Beweistatsachen.
Ein Minderung der Vergütung wegen Mängel der Begutachtung (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 JVEG) scheidet aus. Zwar hatte der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten vom 13.11.2013 den Beweisbeschluss teilweise noch nicht vollständig abgearbeitet, vielmehr dies erst im Nachtrag nachgeholt. Insoweit wird auf die richterliche Verfügung vom 05.03.2014 Bezug genommen, die dies feststellt (Bl. 267 d.A.). Allerdings hat sich das Ergänzungsgutachten vom 13.11.2013 für eine richterliche Beurteilung des Verkehrsunfalls als ausreichend erwiesen, was sich aus der Hinweisverfügung vom 21.11.2013 ergibt (Bl. 231 f.). Die nicht beantworteten Fragen aus dem Beweisbeschluss erübrigten sich aus richterlicher Sicht nunmehr in Anbetracht des Ergänzungsgutachtens. Die Beklagtenvertreter haben gleichwohl auf einer Ergänzung bestanden, andernfalls hätten sie eine Anhörung des Sachverständigen beantragt (Schriftsatz vom 20.12.2013, Blatt 242 f.). Eine Anhörung hätte der Senat nicht ablehnen dürfen, für sie wäre ebenfalls eine Vergütung angefallen. Aus diesem Grund ist auch der Nachtrag als insgesamt vergütungsfähig anzusehen.
2.) Höhe der Vergütung:
a.) Zeitaufwand und Stundensatz:
Der Sachverständige hat insoweit 3,5 Stunden à 120 EUR abgerechnet, was ein Honorar von 420 EUR ergibt.
Der abgerechnete Stundensatz von 120 EUR entspricht der Honorargruppe 12 nach §§ 8 Abs. 1 Nr. 1, 9 Abs. 1 S. 1 JVEG in Verbindung mit Nr. 37 der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG. Danach fällt eine Ursachenermittlung und Rekonstruktion bei Verkehrsunfällen in die Honorargruppe 12.
Die Stundenanzahl von 3,5 ist nach den Ausführungen der Bezirksrevisorin nicht zu beanstanden. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich benötigte Zeit richtig sind (Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 8 RdNr. 14; Roeßner, in: Bayerlein, Praxishandbuch Sachverständigenrecht, 4. Aufl. 2008, § 41 RdNr. 42; Hartmann, Kostengesetze, 44. Aufl. 2014, JVEG § 8 RdNr. 36, 37). Ein Anlass zur Nachprüfung besteht erst dann, wenn der angesetzte Zeitaufwand im Verhältnis zur erbrachten Leistung ungewöhnlich hoch erscheint (Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 8 RdNr. 14; Roeßner, in: Bayerlein, Praxishandbuch Sachverständigenrecht, 4. Aufl. 2008, § 41 RdNr. 42; Hartmann, Kostengesetze, 44. Aufl. 2014, JVEG § 8 RdNr. 36, 37). Das ist hier nicht der Fall. 3,5 Stunden sind nur ein Bruchteil eines Arbeitstags. Diese sind nachvollziehbar und vom Sachverständigen in seiner Rechnung auch aufgeschlüsselt worden. Die benötigte Zeit verteilt sich hierbei auf das Aktenstudium, Denkarbeit, Ausarbeitung, Korrektur und Fertigstellung. Bei dieser Sachlage hat der Senat keinen Zweifel, dass die berechnete Stundenzahl zutreffend ist.
b.) Aufwendungen:
aa.) Schreibkosten:
Schreibarbeiten sind nach dem Wortlaut von §§ 8 Abs. 1 Nr. 4, 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 JVEG in der Weise abzurechnen, dass pro angefangene 1.000 Anschläge (Schreibmaschinenanschläge), zu denen auch die Lehrtastenanschläge zählen (Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 12 RdNr. 26; Zimmermann, JVEG, 2005, § 12 RdNr. 14), 0,75 EUR zu vergüten sind (Gesetzesfassung vor dem 01.08.2013). Das Gutachten umfasst 3 Seiten, der Sachverständige hat 5 x 0,75 EUR = 3,75 EUR abgerechnet. Dies ist nicht zu beanstanden (vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 12 RdNr. 26).
bb.) Der Sachverständige hat auch die Aufwendungen für die beiden Gutachtens-Duplikate richtig abgerechnet. Sie errechnen sich gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 JVEG wie folgt: 6 Seiten x 0,50 EUR = 3,00 EUR.
cc.) Porto- und Telefonkosten in Höhe von 15,00 EUR sind nach § 7 Abs. 1 JVEG zu ersetzen und dem Grunde und der Höhe nach ebenfalls nicht zu beanstanden, was auch dem Standpunkt der Bezirksrevisorin entspricht.
dd.) Auch die Mehrwertsteuer ist zu ersetzen (§ 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 JVEG).
Die Abrechnung des Sachverständigen ist daher im vollen Umfang berechtigt.