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11.10.2005 · IWW-Abrufnummer 052858

Hessisches Landesarbeitsgericht: Urteil vom 15.08.1997 – 13 Sa 1365/96

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Hessisches Landesarbeitsgericht

Im Namen des Volkes!

Urteil

In dem Rechtsstreit

hat das Hessische Landesarbeitsgericht, Kammer 13

in Frankfurt am Main

auf die mündliche Verhandlung vom 15. August 1997

durch d. xxx Richter Wegester

als Vorsitzende(n)

und die ehrenamtlichen Richter Kessler und Wolf

als Beisitzer

für Recht erkannt:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 12.03.1996 ? 4 Ca 9855/94 ? wird auf ihr Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt den Widerruf einer bereits aus der Personalakte entfernen Abmahnung.

Sie ist seit 01.12.1981 bei der Beklagten, einem international tätigen Luftfahrtunternehmen, in der Passagier Betreuung, beschäftigt. Sie ist ferner Mitglied des im ... Betrieb der Beklagten gebildeten Betriebsrats sowie des Gesamtbetriebsrats. Mit Schreiben vom 20.09.1994 (Bl. 18 d. A.) teilte die stellvertretende Betriebsratsvorsitzenden der Beklagten u. a. folgendes mit:

?Sehr geehrte Damen und Herren,

der Betriebsrat hat in seiner heutigen Sitzung die Freistellung von Frau ... beschlossen.

Entsprechend dem hohen Arbeitsaufwand bei der noch ungeklärten Situation der ... Angestellten wird Frau ... bis auf weiteres sich von ihrer beruflichen Tätigkeiten freistellen.

Wir bitten Sie dies in ihrer Arbeitseinteilung zu berücksichtigen und ihre freien Tage aufs Wochenende zu verlegen mit entsprechender Ausgleichsvergütung.

Mit hiermit in Bezug genommenen Schreiben vom 21.09.1994 an den Betriebsrat (Bl. 19 d. A.) wies die Beklagte darauf hin, dass dem Betriebsrat ein derartiges Freistellungsrecht nicht zustehen.

Am 26.09.1994 war die Klägerin lt. Dienstplan für die Zeit von 06:15 Uhr bis 14:45 Uhr zum Dienst am ... Flughafen eingeteilt. Diesen Dienst nahm sie nicht wahr. Es existiert ein nicht abgezeichnetes Formular "Mitteilung über Freistellung vom Dienst für Betriebsratstätigkeit? vom 23.09.1994, auf dem für die Klägerin für den 26.09.1994 eine ganztägige Freistellung eingetragen, sowie eine handschriftliche Mitteilung über eine Weiterleitung an die Personalabteilung nebst einem Eingangsstempel enthalten ist. Wegen der Einzelheiten wird auf das Formular (Bl. 31 d. A.) verwiesen.

Mit Schreiben vom 27.09.1994 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Abmahnung wegen unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst am 20.09.1994 mit dem Hinweis, dass die Abmahnung zunächst für ein Jahr in der Personalakte verbleiben werde. Am 27.09.1995 entfernte die Beklagte die Abmahnung aus der Personalakte der Klägerin.

Die Klägerin hat gemeint, aufgrund des Schreibens vom 20.09.1994 sei der Beklagten bekannt gewesen, dass die Klägerin bis auf weiteres wegen ihrer Betriebsratstätigkeit in Anspruch genommen werde. Sie hat behauptet, sie habe sich sowohl am 23.09.1994 mit dem Formular "Mitteilung über Freistellung vom Dienst für Betriebsratstätigkeit? (Bl. 31 d. A.) als auch am 25.09.1994 bei ihren Vorgesetzten für den 26.09.1994 abgemeldet. Am 26.09.1994 haben sie von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr Betriebsratstätigkeit ausgeübt. Wegen der behaupteten Tätigkeit im Einzelnen wird auf die Ausführungen auf S. 3 -7 des Schriftsatzes vom 09.08.1995 (Bl. 25 ff. d. A.) verwiesen. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, diese Betriebsratstätigkeiten seien erforderlich gewesen.

Die Klägerin hatte ursprünglich Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte und auf Widerruf der Abmahnung erhoben. Nach Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte hatten die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich des geltend gemachten Entfernungsanspruchs übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 27.09.1994 zu widerrufen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, sie habe nur zufällig erfahren, dass die Klägerin sich am 26.09.1994 zeitweilig im Betriebsratsbüro aufgehalten habe. Eine auch von der Klägerin üblicherweise ausgefüllte Mitteilung über die Freistellung vom Dienst für Betriebsratstätigkeit (Bl. 48 ? 52 d. A.) habe die Klägerin für den 20.09.1994 nicht vorgelegt. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die von der Klägerin behauptete Betriebsratstätigkeit sei nicht erforderlich gewesen.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat durch am 12.03.1996 verkündetes Urteil die Klage als unzulässig abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreites insgesamt der Klägerin auferlegt. Es hat ausgeführt, der auf Widerruf gerichtete Antrag sei bereits zu unbestimmt, jedenfalls fehle das Rechtsschutzbedürfnis, da der Widerruf vorliegend kein geeignetes Mittel darstelle, um einer etwa fortbestehenden Ansehensminderung entgegenzuwirken und die Abmahnung auch keine nachteiligen Folgen für die Klägerin mehr entfalten könne. Zur näheren Sachdarstellung wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung (BI . 78 ff. d.A. ) Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 24.06.1996 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23.07.1996 Berufung eingelegt und diese Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 23.06.1996 an diesem Tag begründet.

Sie hält die Klage auf Widerruf einer Abmahnung für zulässig und meint, nicht alle negativen Auswirkungen einer unberechtigten Abmahnung könnten mit einer gerichtlichen Durchsetzung der Personalaktenbereinigungen abgewehrt werden. Solange die Beklagte nicht erkläre, aus der Abmahnung vom 27.09.1994 keine negativen Folgerungen zu ziehen und einen vergleichbaren Vorfall nicht zum Anlass zu nehmen, schärfere personalrechtliche Maßnahmen mit der Begründung einzuleiten, die Klägerin sei bereits abgemahnt worden, sei genau dies zu befürchten. Heraus folge das Rechtschutzbedürfnis für den Widerrufsantrag. Es müsse auch noch nach Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte geklärt werden können, sei es durch Leistungsantrag, sei es durch hilfsweise im Berufungsverfahren erhobenen Feststellungsantrag, ob die Abmahnung vom 27.09.1994 berechtigt war und ihre Warnfunktion noch fortwirke. Anderenfalls könnte die Beklagte sich systematisch einer gerichtlichen Überprüfung der von ihr ausgesprochenen Abmahnungen entziehen, indem sie diese vor gerichtlicher Entscheidung aus der Personalakte entfernt. Die Klägerin verteilt die Auffassung, ein Anspruch auf Widerruf einer unberechtigten Abmahnung bestehe unabhängig davon, ob diese mit ehrverletzenden Tatsachenbehauptungen einhergehe oder Ansehensminderungen bei Dritten zu befürchten seien.

Mit der Berufung wendet die Klägerin sich auch gegen die Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Urteils, soweit ihr die Kosten hinsichtlich des übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärten Teils des Rechtsstreits auferlegt wurden. Sie vertritt die Auffassung, hinreichend konkret dargelegt zu haben, wie sie sich wegen der Ausübung von Betriebsratstätigkeit vom Dienst abgemeldet habe. Sie behauptet die schriftliche Mitteilung über ihre Freistellung habe am 23.09.1994 in der Personalabteilung der Beklagten vorgelegen, was sich aus dem auf der Mitteilung angebrachten Eingangsstempel ergebe. Sie behauptet ferner, am 25.09.1994 gegen 13.00 Uhr an ihrem Arbeitstisch ihre direkten Vorgesetzten Frau ..., Herrn ... und Herrn ... darüber informiert zu haben, dass sie am 26.09.1994 wegen der Vornahme von Betriebsratsarbeit nicht werde zum Dienst erscheinen können.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 12.03.1996 ? Az. 4 Ca 9855/94 ? abzuändern und

I.
die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 27.09.1994 gegenüber der Klägerin zu widerrufen.

hilfsweise,

festzustellen, dass die Abmahnung vom 27.09.1994 unberechtigt war und unwirksam ist;

II.
die Beklagte zu verurteilen, die Kosten des Rechtsstreits auch insoweit zu tragen, als der Rechtsstreit für erledigt erklärt wurde.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den Antrag auf Widerruf der Abmahnung und den auf Feststellung gerichteten Hilfsantrag mangels Rechtsschutzbedürfnisses für unzulässig und meint, die Abmahnung vom 27.09.1994 könne nach ihrer Entfernung aus der Personalakte keine Wirkungen für die Zukunft mehr entfallen, insbesondere könne auch keine Kündigung mehr auf einen sog. Wiederholungsfall gestützt werden. Die Beklagte führt aus, es sei eine ungerechtfertigte Unterstellung der Klägerin, sie müsse künftig mit schärferen personalrechtlichen Maßnahmen rechnen als dies der Fall wäre, wenn gerichtlich festgestellt wurde, dass die Abmahnung zu Unrecht erfolgt gewesen sei. Mit der Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte sei die Angelegenheit ?vergessen?.

Zur Ergänzung der Sachdarstellung wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 12.03.1996 ? 4 Ca 9855/94 ? ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft, §§ 64 Abs. 2,8 Abs. 2 ArbGG, und auch im übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 516, 518, 519 ZPO, § 66 Abs. 1 ArbGG. Sie ist auch zulässig, soweit die Klägerin mit der Hauptsacheberufung ebenfalls den auf § 91 a ZPO beruhenden Teil der Kostenentscheidung miterfasst (OLG Hamm, Urteil vom 22.02.1974, 20 U 246/73, MDR 1974, 1.023; Urteil vom 20.05.1995, 12 U 19/84, MDR 1986, 241).

II.

Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen und der Klägerin auch die Kosten insoweit auferlegt, als die Parteien den Rechtsstreit teilweise für in der Hauptsache erledigt erklärt haben.
Auch der im Berufungsverfahren gestellte Hilfsantrag ist unzulässig.

1.
Der Leistungsantrag der Klägerin auf Widerruf der Abmahnung ist unzulässig. Es fehlt das Rechtsschutzbedürfnis.

a.) Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage auf Widerruf einer Abmahnung entspricht nicht dem Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage auf Entfernung einer verkörperten Abmahnung aus der Personalakte, es ist an deutlich engere Voraussetzungen geknüpft. Dies gilt unabhängig davon, ob die schriftliche Abmahnung sich noch in der Personalakte befindet oder wie vorliegend bereits aus ihr entfernt ist. Eine Klage auf Widerruf einer Abmahnung ist nur zulässig, wenn sie auf Widerruf von Tatsachenbehauptungen gerichtet ist, die zu einem dauernden Störungszustand führen und der Widerruf notwendig und geeignet ist, den fortdauernden Störungszustand, der insbesondere in einer Verletzung der Ehre oder Rufbeeinträchtigung liegen kann, zu beseitigen. Ob die zugrunde liegende Tatsachenbehauptung zutrifft oder unrichtig ist, ist dagegen eine Frage der materiellen Begründetheit des Anspruchs. Es gelten die selben Grundsätze, wie sie zum zivilrechtlichen Ehrenschutz entwickelt wurden (BGH (Großer Senat für Zivilsachen), Beschluss vom 19.12.1960, GSZ 1/60, BGHZ 34, 99 ff., BGH, Urteil vom 15.11.1994, VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1 ff.). Der Umstand, dass die ggf. unwahren ruf beeinträchtigenden Tatsachenbehauptungen in einer Abmahnung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer enthalten sind, rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 27.11.1995, 5 AZR 101/84, AP Nr. 93 zu § 611 BGB ?Fürsorgepflicht?, Urteil vom 14.09.1994, 5 AZR 632/93, AP Nr. 13 zu § 611 BGB ?Abmahnung?, jeweils m. w. N.) kann ein Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte verlangen. Der Arbeitgeber hat im Rahmen seiner Fürsorgepflicht dafür Sorge zu tragen, dass die Personalakten ein richtiges Bild des Arbeitnehmers in dienstlicher und persönlicher Beziehung vermitteln. Der Arbeitgeber hat das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers in Bezug auf Ansehen, soziale Geltung und berufliches Fortkommen zu beachten. Dieses wird durch unrichtige, sein berufliches Fortkommen behindernde Tatsachenbehauptungen beeinträchtigt.
Die Klägerin weist somit zutreffend darauf hin, dass die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Abwehransprüche des Arbeitnehmers gegen unberechtigte Abmahnungen nicht allein auf die analoge Anwendung des quasi - negatorischen Beseitigungsanspruchs des § 1004 BGB stützt, sondern auch auf die aus § 242 BGB abgeleitete Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Dieser Umstand ändert aber nichts daran, dass es sich bei den Abwehransprüchen des Arbeitnehmers gegen unberechtigte Abmahnungen um Folgenbeseitigungsansprüche handelt. Der Folgenbeseitigungsanspruch dann dabei nur soweit gehen, als überhaupt Folgen zu beseitigen und Beschränken sich die Folgen einer unberechtigten schriftlichen Abmahnung darauf, dass durch ihre Aufnahme in die Personalakte das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers in bezug auf sein berufliches Fortkommen beeinträchtigt wird, werden diese Folgen bereits durch die Entfernung aus der Personalakte beseitigt. Eines Widerrufs der Abmahnung bedarf es nicht. Ein solcher kommt vielmehr nur dann in Betracht, eine auf ihr gerichtete Klage ist nur dann zulässig, wenn das Persönlichkeitrecht des Arbeitnehmers durch die Abmahnung und losgelöst von ihrer Aufnahme und ihrem Verbleib in der Personalakte fortdauernd gestört und es des Widerrufs zur Störungsbeseitigung bedarf. Hierbei kommen in erster Linie fortwirkende Ehrverletzung oder Rundbeeinträchtigung durch ehrkränkende abwertende Tatsachenbehauptungen in Betracht, nach Ansicht der Berufungskammer im Einzelfall auch durch die Art der Verlautbarung der Tatsachenbehauptungen gegenüber Dritten.
Entgegen der Auffassung der Klägerin kann aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht geschlossen werden, der Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte und der Anspruch auf Widerruf der Abmahnung seinen an identische Zulässigkeit- und materielle Voraussetzungen geknüpft. Zutreffend ist zwar, dass das Bundesarbeitsgericht in verschiedenen Entscheidungen davon spricht, der Arbeitnehmer könne (bzw. könne nicht) auf Rücknahme, Widerruf oder Entfernung einer Abmahnung klagen (BAG, Urteil vom 13.07.1962, 1 AZR 496/60; AP Nr. 1 zu § 242 BGB, Urteil vom 22.02.1978, 5 AZR 801/76, AP Nr. 84 zu § 611 BGB ?Fürsorgepflicht?, auch noch Urteil vom 27.11.1985, a. a. O.). Aus den genannten Entscheidungen lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass der Anspruch auf Widerruf einer Abmahnung etwa an dieselben Voraussetzungen geknüpft sei wie der Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte. So wurde auch in der Literatur in der Vergangenheit im Hinblick auf die genannten Entscheidungen wiederholt darauf hingewiesen, dass ein Anspruch auf Widerruf einer Abmahnung nur bei fortdauernder Beeinträchtigung der Rechtsspähre des Verletzten insbesondere auch durch Kundgabe gegenüber Dritten in Betracht komme (Germelmann, RdA 1977, 75 ff., 77; Kammerer, BB 1980, 1.587 ff, 1 590; Bock, AuR 1987, 217 ff., 222). Auch das Bundesarbeitsgericht geht mittlerweile erkennbar ebenfalls insoweit nicht mehr von einem alternativen Anspruch auf ?Rücknahme? der Abmahnung aus, sondern davon, dass mit einem Antrag auf Rücknahme der Abmahnung deren Entfernung aus der Personalakte verlangt wird und nicht deren formeller Widerruf (Urteil vom 07.09.1988, 5 AZR 625/87, AP Nr. 2 zu § 611 BGB ?Abmahnung?).
In anderem Zusammenhang hat das Bundesarbeitsgericht ferner zutreffend ausgeführt (Urteil vom 21.02.1979, 5 AZR 568/77, NJW 1979, 2.532), dass ehrkränkende Kundgebungen für den Verletzten einen quasi-negatorischen Beseitigungsanspruch (§ 1004 Abs. 1 BGB) in Form eines Widerrufsanspruchs begründen, wenn ein dauernder Störungszustand besteht, der sich für den Verletzten als eine stetig neu fließende und fortwirkende Quelle der Schädigung und Ehrverletzung darstellt und der Widerruf notwendig und geeignet ist, den Störungszustand zu beseitigen.
Dieselben Grundsätze müssen nach Auffassung der Berufungskammer auch für den Widerruf einer Abmahnung gelten.

b.) Unter Anwendung dieser Grundsätze fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für den Widerrufsantrag, weil durch die Abmahnung vom 27.09.1994 in der Person der Klägerin überhaupt keine fortwirkende Beeinträchtigung erstanden ist. Außerdem wäre ein Widerruf ungeeignet, die von der Klägerin mit der Klage verfolgten Ziele zu erreichen. Auf die Frage, ob die in der Abmahnung vom 27.09.1994 enthaltenen Vorwürfe zutreffend sind oder nicht, kommt es hierbei nicht an.

Auch wenn der Vorwurf, die Klägerin habe sich nicht abgemeldet, nicht zutreffend sein sollte, liegt hierin keine fortdauernde Beeinträchtigung , des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin. Nicht jede ungerechtfertigte Kritik stellt eine Ehrverletzung bzw. Verletzung der Persönlichkeitsrechts dar (Bock a. a. O., 221). Die Kritik ist auch nicht Dritten kundgetan, schon gar nicht in einer Form oder Art und Weise, die zu einer Ansehensminderung der Klägerin führen könnte.

.... Klägerin erreichen will, dass die Beklagte die Abmahnung .... zu ihren Ungunsten verwerten wird, in der Widerruf ein untaugliches Mittel. Auch durch einen Widerruf kann nicht erreicht werden, dass derjenige, der die unrichtige Behauptung aufgestellt hat, diese in seinem Gedächtnis löscht. Auch ein Widerruf kann nicht gewährleisten, dass die Abmahnung das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers tatsächlich nicht behindert (Bock, a. a. O., 222). Im übrigen sei darauf hingewiesen, dass die Beklagte die von der Klägerin erwartete Erklärung, aus der Abmahnung vom 27.09.1994 keine negativen Folgerungen zu ziehen und insbesondere die Abmahnung vom 27.09.1994 nicht zur Begründung später arbeitsrechtlicher Maßnahmen heranzuziehen, in ihrer Berufungsbeantwortung vom 14.11.1996 abgegeben hat.

Ob einer bereits aus der Personalakte entfernten Abmahnung weiter Warnfunktion zukommt oder nicht, ist ggf. in einem Kündigungsrechtsstreit wegen einer auf einen Wiederholungsfall gestützten verhaltensbedingten Kündigung zu prüfen. Die von der Klägerin angeführte Unsicherheit über diese Frage stellt jedenfalls keine Persönlichkeitsrechtsverletzung dar.

Soweit die Klägerin mit ihrem Widerrufsantrag schließlich geklärt haben will, dass sie sich für erforderliche Betriebsratstätigkeit ordnungsgemäß abgemeldet habe, die Abmahnung somit unberechtigt erfolgt sei, kann dies ebenfalls kein Rechtsschutzbedürfnis begründen. Die Widerrufsklage hat nicht dem Zweck zu dienen, die andere Seite ins Unrecht gesetzt zu sehen und sich auf diese Weise Genugtuung zu verschaffen. Es würde das Persönlichkeitsrecht geradezu entwerten, wenn es auf diese Weise dazu benutzt werden könnte, die Gerichte persönlichen Rechthabereien dienstbar zu machen (BGH, Urteil vom 14.06.1977, VI ZR 111/75, NJW 1977, 1.681).

2.
Auch der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag ist unzulässig. Nach § 256 ZPO kann nur die Feststellung eines Rechtsverhältnisses beantragt werden. Die Unwirksamkeit einer Maßnahme betrifft aber nicht die Feststellung eines Rechtsverhältnisses sondern hat die Feststellung einer Tatsache zum Inhalt. Ein auf eine solche Feststellung gerichteter Antrag ist unzulässig (BAG, Beschluss vom 17.10.1989, 1 ABR 100/88, AP Nr. 12 zu § 87 BetrVG 1972 ?Betriebsbuße?). Es kann dahinstehen, ob die Zulässigkeit eines Feststellungsantrag im Einzelfall darauf gestützt werden kann, durch die Abmahnung werden eine tatsächliche Unsicherheit dergestellt in das Arbeitsverhältnis gebracht, als der Arbeitnehmer nicht wisse wie er sich in Zukunft verhalten habe; der Beseitigung dieser Unsicherheit diene die Feststellungsklage (Kammerer, a. a. O., 1.591). Eine derartige Unsicherheit besteht vorliegend nicht. Die Klägerin weiß, wie sie sich auch zukünftig zu verhalten hat. Sie will vielmehr geklärt wissen, dass sie sich in der Vergangenheit tatsächlich vertragsgemäß verhalten hat.

3.
Das Amtsgericht hat schließlich auch zu Recht die auf den übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärten Teil des Rechtsstreits entfallenden Kosten der Klägerin auferlegt. Über diese Kosten ist gem. § 91 a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Abzustellen ist auf den Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der übereinstimmenden Erledigungserklärung, so dass ergänzender Tatsachenvortrag im Rechtsmittelverfahren unbeachtlich ist. Nach dem Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Erledigungserklärung wäre die Klägerin aber auch aller Voraussicht nach mit ihrem Antrag auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte unterlegen gewesen, so dass sie die insoweit entstandenen Kosten zu tragen hat. Das Arbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es im Rahmen der abgestuften Darlegungslast Aufgabe der Klägerin gewesen wäre, konkret dazulegen, wann genau sie sich wie und wo bei wem für den 26.09.1994 abgemeldet hat. Bis zur Erledigungserklärung hatte die Klägerin aber nicht wie jetzt im Berufungsverfahren substantiiert behauptet, am 25.09.1994 gegen 13.00 Uhr an ihrem Arbeitstisch ihre Vorgesetzten .... und ...... darüber informiert zu haben, am 26.09.1994 wegen der Vornahme von Betriebsratsarbeit nicht zum Dienst zu erscheinen. Dass es sich bei dem Eingangsstempel vom 23.09.1994 auf der Mitteilung über Freistellung vom Dienst für Betriebsratstätigkeit um den Eingangsstempel der Personalabteilung der Beklagten handeln soll, wurde von der Klägerin erstinstanzlich auch nicht vorgetragen. Dieser Schluss ist auch nicht geboten, nachdem sämtliche sonstigen im Rechtsstreit vorgelegten Mitteilungen (Bl. 42 ? 52 d. A.), die unstreitig in die Personalabteilung gelangt sind, gerade keinen Eingangsstempel aufweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Kammer hat gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Revision zugelassen, da die klärungsbedürftige Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen eine Klage auf Widerruf einer Abmahnung zulässig ist, entscheidungserheblich und vom Bundesarbeitsgericht bisher noch nicht entschieden ist. Die Klärung dieser Frage hat auch über den Einzelfall hinaus für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen Bedeutung und dient der Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung.

RechtsgebieteArbeitsrecht, AbmahnungVorschriften§§ 242, 1004 BGB; § 253 Abs. 2 ZPO

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