06.08.2015 · IWW-Abrufnummer 178626
Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 24.04.2015 – 13 Sa 1794/14
Tenor:
Auf die Berufung des beklagten Vklinikums wird das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 24.10.2014 - 4 Ca 383/14 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses aufgrund eines Verlangens der Klägerin nach § 7 LPVG NW; hilfsweise begehrt sie die Annahme ihres Angebots auf Abschluss eines Arbeitsvertrages.
Die 1989 geborene Klägerin schloss am 19.03.2010 mit dem E-Schwesternschaft Westfalen e.V. (im Folgenden kurz: E-Schwesternschaft) einen Ausbildungsvertrag. Danach wurde sie mit Wirkung ab 01.05.2010 als Mitglied der E-Schwesternschaft zur Ausbildung als Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin an der Kranken- und Kinderkrankenpflegeschule des beklagten Vklinikums, für das als Anstalt des öffentlichen Rechts die Bestimmungen des LPVG NW gelten, aufgenommen (Bl. 8 d. A.).
Dem liegt ein zwischen dem beklagten Vklinikum und der E-Schwesternschaft geschlossener "Änderungsvertrag zum Gestellungsvertrag" zugrunde. Danach übernimmt die E-Schwesternschaft im Vklinikum - zusammen mit dem von diesem eingesetzten Pflegepersonal - u.a. die Kranken- und Kinderkrankenpflege durch Gesundheits- und Kranken-/Kinderkrankenpflegerinnen (Gestellungspersonal).
§ 7 des Vertrages lautet:
Wegen des weiteren Inhalts des Vertrages wird verwiesen auf die mit Klageschriftsatz vom 28.02.2014 eingereichte Kopie (Bl. 10 ff. d. A.).
Seit März 2012 war die Klägerin Mitglied der beim beklagten Vklinikum gebildeten Jugend- und Auszubildendenvertretung (im Folgenden kurz: JAV).
Nachdem sie im ersten Versuch die Abschlussprüfung nicht bestanden hatte, wurde ihr Ausbildungsvertrag bis zum 31.12.2013 bzw. bis zum Bestehen der Prüfung verlängert.
Mit Schreiben vom 16.12.2013 (Bl. 16 d. A.) verlangte sie dann vom beklagten Vklinikum, gestützt auf § 7 Abs. 3 LPVG NW, ihre Weiterbeschäftigung über den 18.10.2013, an dem sie ihre Abschlussprüfung mit der Note "ausreichend" ablegte, hinaus.
Mit Schreiben vom 23.12.2013 (Bl. 17 f. d. A.) verweigerte das beklagte Vklinikum die Übernahme in ein Anstellungsverhältnis, während es alle anderen Auszubildenden des Ausbildungsjahrganges der Klägerin, die ihre Abschlussprüfung bestanden haben, bei einem entsprechenden Willen übernommen hat.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Bestimmung des § 7 Abs. 3 LPVG NW sei einschlägig. Das beklagte Vklinikum müsse insoweit als Arbeitgeber angesehen werden, weil sie, die Klägerin, ihr Amt als JAV-Vertreterin gegenüber dem dortigen Dienststellenleiter ausgeübt habe und deshalb insoweit eines Amtsschutzes bedürfe. Wenn im Jahre 2011 von Seiten des Gesetzgebers eine Zuordnung gestellter Beschäftigter zur aufnehmenden Dienststelle mit dem damit verbundenen aktiven und passiven Wahlrecht zur JAV erfolgt sei, müsse dies zur Folge haben, dass die damit verbundenen Schutzrechte auch von der aufnehmenden Dienststelle zu gewähren seien.
Hilfsweise sei das beklagte Vklinikum verpflichtet, einen Arbeitsvertrag abzuschließen, weil sie, die Klägerin, wegen ihrer Mitgliedschaft in der JAV benachteiligt worden sei. Sie sei nämlich als einzige Auszubildende ihres Jahrgangs nicht übernommen worden.
Die Klägerin hat beantragt,
Das beklagte Vklinikum hat beantragt,
Es hat ausgeführt, dass die E-Schwesternschaft ausschließlicher Vertragspartner gewesen sei, so dass die Klägerin nur dieser gegenüber das im Verhältnis zum Arbeitgeber bestehende Recht auf Übernahme in ein Arbeitsverhältnis geltend machen könne. Zwar sei die Klägerin während ihrer Ausbildung aufgrund der gestellungsvertraglichen Regelungen in die Dienststelle des Vklinikums eingegliedert gewesen. Dadurch sei dieses aber nicht zum Arbeitgeber im Sinne des § 7 Abs. 3 LPVG NW geworden.
Die hilfsweise geltend gemachte ungerechtfertigte Benachteiligung sei nicht erfolgt, weil ausschließlicher Grund für die Nichtübernahme der Klägerin deren mangelhafte Ausbildungsleistungen gewesen seien.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 24.10.2014 dem Hauptantrag stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es die Schutzfunktion des § 7 Abs. 3 LPVG NW gebiete, einem Amtsträger den Übernahmeschutz gegenüber der aufnehmenden Dienststelle zu gewähren. Denn als Mitglied der dort gewählten JAV habe er in der aufnehmenden Dienststelle seine Amtsaufgaben wahrgenommen und müsse deshalb dem dortigen Arbeitgeber gegenüber geschützt werden.
Gegen diese Entscheidung wendet sich das Vklinikum mit seiner Berufung.
Es ist der Meinung, es sei in der konkreten Konstellation kein Arbeitgeber im Sinne des § 7 Abs. 3 LPVG NW, weil zu keinem Zeitpunkt vertragliche Beziehungen zur Klägerin bestanden hätten und diese keine Beschäftigte des Vklinikums gewesen sei. Eine Regelungslücke bestehe nicht, weil die Klägerin ihre Rechte gegenüber der E-Schwesternschaft als Vertragsarbeitgeber hätte geltend machen können.
Der Hilfsantrag sei auch nicht gerechtfertigt, weil eine Einstellung der Klägerin allein aufgrund mangelnder Leistungen nicht erfolgt sei. So habe diese im Rahmen der Ausbildung vielfach Leistungsdefizite gezeigt. Bezeichnenderweise habe sie dann die Abschlussprüfung auch im ersten Anlauf nicht geschafft. Im Verlängerungszeitraum habe sie dann in den Praxiseinsätzen abermals gezeigt, dass das Fachwissen unzureichend gewesen und keine situationsbezogene Handlungskompetenz vorhanden gewesen sei. Hinsichtlich der Einzelheiten wird insoweit verwiesen auf die mit Schriftsatz des beklagten Vklinikums vom 13.05.2014 eingereichten Protokolle und Aufzeichnungen (Bl. 39 ff. d. A.).
Das beklagte Vklinikum beantragt,
Die Klägerin beantragt,
Unter Anknüpfung an ihr erstinstanzliches Vorbringen und an die Ausführungen im arbeitsgerichtlichen Urteil vertritt die Klägerin die Meinung, angesichts der gespaltenen Arbeitgeberstellung und der Schutzwürdigkeit gegenüber der aufnehmenden Dienststelle, in der sie ihre Amtsaufgaben wahrgenommen habe, sei es gerechtfertigt, die Vorschrift des § 7 Abs. 3 LPVG NW gegenüber dem beklagten Vklinikum zur Anwendung zu bringen.
In jedem Fall sei der Hilfsantrag gerechtfertigt, weil sie, die Klägerin, als einzige des Ausbildungsjahrgangs nicht übernommen worden sei. Soweit das beklagte Vklinikum sich in dem Zusammenhang zur Rechtfertigung auf Schlechtleistungen berufe, sei der Vortrag unsubstantiiert.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet.
Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts ist der Hauptantrag ungerechtfertigt, weil die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 LPVG NW nicht vorliegen. Der für diesen Fall gestellte Hilfsantrag war ebenfalls abzuweisen, weil eine Benachteiligung wegen der Tätigkeit der Klägerin als JAV-Mitglied nicht festgestellt werden konnte.
I. Die Klägerin steht nach dem am 18.12.2013 erfolgten Bestehen ihrer Abschlussprüfung aufgrund ihres Weiterbeschäftigungsverlangens vom 16.12.2013 in keinem unbefristeten Arbeitsvertrag zum beklagten Vklinikum. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 LPVG NW liegen nämlich nicht vor, weil zwischen den Parteien kein Berufsausbildungsvertrag bestanden hat.
1. Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (
17.08.2005 - 7 AZR 553/04 -, [...]; 25.02.2009 - 7 ABR 61/07 - DB 2009, 1473; 17.02.2010 - 7 ABR 89/08 - AP BetrVG 1972 § 78a Nr. 53) zu dem insoweit inhaltsgleichen § 78a Abs. 2 Satz 1 BetrVG trifft die Verpflichtung zur Übernahme eines JAV-Vertreters ausschließlich den Vertragsarbeitgeber, also die natürliche oder juristische Person, die mit dem Auszubildenden ein Berufsausbildungsverhältnis begründet hat. Es kommt also nicht darauf an, wie bestimmte Arbeitgeberbefugnisse dienststellenrechtlich aufgeteilt wurden, sondern es geht allein um die Aufrechterhaltung der vertragsrechtlichen Bindungen zwischen den bisherigen Parteien des Berufsausbildungsverhältnisses.
2. Wenn der Gesetzgeber des LPVG NW trotz dieser Rechtsprechung bei der maßgeblichen Reform im Jahre 2011 das Wahlrecht und die Wählbarkeit u.a. bei einer Personalgestellung ausweitete, in § 7 Abs. 3 LPVG NW für diese Fälle aber keine differenzierende Regelung vornahm, kann darin entgegen der Ansicht der Klägerin kein unbewusstes Unterlassen gesehen werden. Vielmehr sollte offensichtlich - in Übereinstimmung mit entsprechenden betriebsverfassungsrechtlichen Konstellationen - auch im Personalvertretungsrecht unterschieden werden zwischen der Frage aufgeteilter Arbeitgeberbefugnisse im Bereich der Dienststellen mit den dort zum Einsatz kommenden Beschäftigten und sonstigen Wahlberechtigten (vgl. § 10 Abs. 1, Abs. 2, § 11 Abs. 1 sowie § 55 LPVG NW) und der vertraglichen Position von in dem Bereich fungierenden Amtsträgern.
So bestand hier also für die Klägerin ihr Anspruch nach § 7 Abs. 3 LPVG NW ausschließlich gegenüber der E-Schwesternschaft, mit der sie am 19.03.2010 den Ausbildungsvertrag geschlossen hat, nicht aber gegenüber dem beklagten Vklinikum.
II. Der für diesen Fall gestellte Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet.
Allerdings kann nach der zutreffenden Rechtsprechung des BAG (vgl. 25.06.2014 - 7 AZR 847/12 - NZA 2014, 1209) ein auf § 7 Abs. 1 LPVG NW i.V.m. § 280 Abs. 1, § 823 Abs. 2, § 249 Abs. 1 BGB gestützter Anspruch, gerichtet auf die Annahme eines Arbeitsvertragsangebots, gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber den Vertragsschluss gerade wegen der Ausübung einer Tätigkeit in der JAV abgelehnt und dadurch den Betroffenen unzulässig benachteiligt hat.
Eine solche Benachteiligung lässt sich hier aber unter Berücksichtigung der vom BAG (a.a.O.) entwickelten abgestuften Darlegungslast zu einer "inneren Tatsache" auf Arbeitgeberseite nicht feststellen.
1. Allerdings hat die Klägerin - unwidersprochen - vorgetragen, es seien alle Auszubildenden ihres Ausbildungsjahrganges, soweit sie einen entsprechenden Willen geäußert hätten, übernommen worden. Hieraus könnte geschlossen werden, dass nur der Klägerin wegen ihrer Amtstätigkeit die Übernahme versagt geblieben ist, obwohl von ihr nicht dargelegt wurde, ob auch Auszubildende übernommen wurden, die im ersten Anlauf die Prüfung nicht bestanden und den zweiten Versuch mit der Note "ausreichend" abgeschlossen haben.
2. Losgelöst davon hat das beklagte Vklinikum in ausreichendem Umfang nachvollziehbare, in keinem Zusammenhang mit der Amtstätigkeit stehenden Gründe vorgetragen, weshalb es wegen mangelnder Ausbildungsleistungen der Klägerin die Begründung eines Arbeitsverhältnisses abgelehnt hat.
So verweist es auf die zusammenfassenden Ergebnisse der Leistungsbeurteilung, die im ersten Anlauf zum Nichtbestehen der Prüfung geführt haben, namentlich dass es mehrfach zu patientengefährdenden Situationen (z.B. keine adäquaten Reaktionen auf Monitoralarme, lückenweise Patientenbeobachtung) gekommen ist.
Im Zuge der Verlängerung der Ausbildung wurden dann, beginnend mit dem 27.05.2013, mehrere Protokolle gefertigt, in denen u.a. wiederholt eine nicht ausreichende Eigeninitiative gerügt und in der Patientenversorgung diverse Mängel aufgezeigt wurden.
Bezeichnenderweise hat dann die Klägerin selbst ausweislich eines Dokuments über ein Vieraugengespräch im Elternzimmer am 08.10.2013 auf massive Vorhaltungen hin zugegeben, dass sie überfordert sei. Dazu passt, dass gemäß Protokoll vom 15.11.2013 (TOP 3) die von ihr zuletzt eingereichte Aufgabe als nicht erfüllt eingestuft wurde. Am 29.11.2013 knapp drei Wochen vor der Wiederholungsprüfung wurde dann z.B. im Bereich der Fachkompetenz noch ein Verbesserungsbedarf festgestellt und das Fehlen erforderlichen Hintergrundwissens gerügt.
Berücksichtigt man weiterhin, dass die Klägerin am 18.12.2013 die Prüfung "nur" mit ausreichend bestanden hat, lagen für das beklagte Vklinikum ausreichend nachvollziehbare Gründe vor, um mit der Klägerin - unabhängig von ihrer Tätigkeit als Mitglied der JAV - kein Arbeitsverhältnis einzugehen.
3. Da die Klägerin dem nicht mehr mit beachtlichen Gründen entgegengetreten ist, z.B. warum alle eingereichten Lernstandortbeschreibungen sowie die Aufzeichnungen des Praxisanleiters S unzutreffend sein sollen, war auch der Hilfsantrag abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision sind angesichts der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht gegeben.