03.08.2015 · IWW-Abrufnummer 145050
Kammergericht Berlin: Beschluss vom 09.01.2015 – 6 U 166/13
Die Versicherung für Bruchschäden an Rohren innerhalb versicherter Gebäude umfasst nicht Wasserleitungen, die auf der Dachterrasse unterhalb von Holzdielen zur Bewässerung der dortigen Bepflanzung verlegt wurden.
In dem Rechtsstreit
H### AG ./. ####### Berlin - Brandenburg Versicherung AG
hat der Senat vorberaten und weist danach auf Folgendes hin:
Tenor:
I. Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung der Klägerin überwiegend, bis auf einen Betrag in Höhe von 743,74 € (50% der Rechnung der Fa. Quantum, Anlage K 5), offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO. Auch die übrigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO liegen hinsichtlich des nicht begründeten Teils der Berufung vor, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats durch Urteil nicht erfordert. Auch eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.
1. Der Senat stimmt mit dem Landgericht überein, dass Versicherungsschutz für den Versicherungsfall "Frost- oder sonstige Bruchschäden an Rohren", § 6 Ziff. 3 der Versicherungsbedingungen der Beklagten (Anlage K 3, künftig: VGB 2000), nicht gegeben ist. Versicherungsschutz besteht nach dieser Bestimmung nur für Bruchschäden an Rohren innerhalb versicherter Gebäude.
Die betroffenen Wasserleitungen verlaufen nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten auf dem Dach liegend, unterhalb des aus Holzdielen bestehenden Belages der Dachterrasse. Sie befinden sich damit "außerhalb" des Gebäudes.
Entgegen der Auffassung der Klägerin führt die Auslegung der fraglichen Versicherungsklausel nicht zum gegenteiligen Ergebnis.
Die Auslegung von Versicherungsbedingungen hat nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs maßgeblich auf das Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers abzustellen, der die Bedingungen aufmerksam liest und verständig - unter Abwägung der Interessen der beteiligten Kreise und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs - würdigt (Prölss in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., Vorbem. III Rn. 2 m. Nachw. der Rspr. des Bundesgerichtshofs).
Ausgangspunkt für diese Auslegung ist der Wortlaut der Klausel. Die hier Streit entscheidende Formulierung "innerhalb des Gebäudes" beschreibt nach allgemeinem Sprachgebrauch den räumlichen Bereich, der durch W ände, Dach und Boden vom Bereich "außerhalb" des Gebäudes abgegrenzt wird (BGH, Urteil vom 25.03.1998 -IV ZR 137/97-, VersR 1998, 758, juris-rz. 22). Danach liegen die betroffenen Leitungen der Terrassenbewässerung außerhalb des Gebäudes, weil sie oberhalb des Dachs liegen. Als Dach wird gemeinhin ein den Gebäudeinhalt nach oben abgrenzendes und gegen äußere schädigende Einflüsse schützendes Bauteil bezeichnet. Dessen äußere Grenze ist jedenfalls dann, wenn - wie hier - die Dachterrasse nachträglich auf die Dachfläche eines Gebäudeteils aufgebracht wurde und der begehbare Belag der Dachterrasse aus Holzdielen gebildet ist, nicht der Lauffläche aus Holzbrettern, sondern die letzte Schicht, die den Dachaufbau nach oben gegen äußere Einflüsse absperren soll. Die Lauffläche gehört bei einer derartigen Konstruktion der Terrasse nicht zum Dach, da sie nicht dazu bestimmt ist, dem Gebäude Schutz gegen Wasser und Wind zu bieten.
Anders als in dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (aaO.) zugrunde liegenden Sachverhalt handelt es sich hier bei dem betroffenen Bereich eindeutig um eine "Außenbereichslage".
Zweifelsfragen, wie sie auftreten können, wenn Leitungsrohre unterhalb der Bodenplatte des Gebäudes im Erdreich verlaufen, das betreffende Erdreich allerdings von den Fundamenten eingefasst wird, stellen sich im vorliegenden Fall nicht. Denn in der gegebenen Konstellation ist eine klare Zuordnung des Leistungssystems zum Außenbereich i.S. der Versicherungsbedingungen möglich (s. o.). Für das Gebot, Vertragsklauseln, die einen Risikoausschluss beinhalten, im Zweifelsfall eng auszulegen und nicht weiter auszudehnen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zweckes und der gewählten Ausdrucksweise erfordern (BGH aaO. juris-rz. 25), gibt es im gegebenen Fall nach dem oben begründeten eindeutigen Auslegungsergebnis deshalb schon keinen Anwendungsbereich. Abgesehen davon spräche zudem der Sinn und Zweck von § 6 Ziff. 3 VGB 2000 -verbleibende Zweifel zugunsten der Klägerin einmal unterstellt- dafür, die Klausel dahingehend auszulegen, dass der Luftraum oberhalb der schützenden Dachkonstruktion zu dem Bereich "außerhalb" des Gebäudes i.S.v. § 6 Ziff. 3 VGB 2000 gehört. Denn es erschließt sich dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne weiteres, dass in diesem Bereich ein erheblich höheres Schadensrisiko für wasserführende Leitungen gegeben ist, wie auch, dass der Versicherer mit der fraglichen Klausel gerade dieses Risiko begrenzen will.
2. Es kann auch kein versicherter Bruchschaden nach § 6 Ziff. 7 VGB 2000 festgestellt werden. Dafür wäre erforderlich, dass die von Frostschäden betroffenen Leitungen der Terrassenbewässerung der Versorgung des versicherten Gebäudes dienen (§ 6 Ziff. 7 HS. 2 VGB 2000). Das ist nach dem gegebenen Sachvortrag nicht erkennbar, wie schon im landgerichtlichen Urteil ausgeführt ist.
3. Entgegen der angefochtenen Entscheidung, die sich dazu nicht verhält, liegen die Voraussetzungen für Versicherungsschutz wegen eines Leitungswasserschadens nach § 6 Ziff. 1 VGB 2000 vor. Die Bewässerungsleitungen fallen unter Lit. a. -Zu- oder Ableitungsrohre der Wasserversorgung oder damit verbundene Schläuche- bzw. unter Lit. b. -Sprinkler- oder Berieselungsanlagen-. Eine genaue Zuordnung kann offen bleiben, weil sie für die Entscheidung ohne Einfluss ist. Denn entgegen der Auffassung der Beklagten erfordert § 6 Ziff. 1 Lit a. VGB 2000 nicht, dass es sich um ein Rohrleitungssystem der Wasserversorgung des Versicherungsobjektes, also des Wohngebäudes, handelt (Hahn in Beckmann/Matusche-Breckmann, Versicherungshandbuch, 2. Aufl., § 34 Rn. 12; ebenso für VGB 2008: Hoenicke in Veith/Gräfe, Der Versicherungsprozess, 2. Auflage, § 2 Rn. 101, jew.m.w.N.; Martin, Sachversicherungsrecht, 3. Aufl., EI31). Der Wortlaut der Bestimmung gibt für ein solches Verständnis nichts her. Im Gegenteil spricht die in § 6 Ziff. 7 VGB 2000 ausdrücklich formulierte Beschränkung des Versicherungsschutzes "soweit diese Rohre der Versorgung versicherter Gebäude oder Anlagen dienen ..." gegen das Verständnis der Beklagten.
Die mit der Klage geltend gemachten Schäden sind hinsichtlich des Versicherungsfalls Leitungswasser nach § 6 Ziff. 1 VGB 2000 i.V.m. § 4 VGB 2000 indes überwiegend nicht versichert. Die Beklagte hat nach diesen Bestimmungen Entschädigung für Sachen zu leisten, die durch Leitungswasser beschädigt oder zerstört oder infolgedessen abhanden gekommen sind. Aufwendungen, die der Reparatur der defekten Rohre/Leitungen dienen, einschließlich der Maßnahmen zur Auffindung der Undichtigkeiten, sind dagegen nicht als Versicherungsschaden zu ersetzen, wenn nach den vereinbarten Versicherungsbedingungen (nur) der Versicherungsfall Leitungswasserschaden eingetreten ist.
Weder nach den schriftsätzlichen Ausführungen der Klägerin, noch den vorgelegten Rechnungen lassen sich konkrete Zuordnungen i.S. eines Leitungswasserschaden einerseits oder eines Rohrbruchschadens andererseits vornehmen, was zu Lasten der darlegungspflichtigen Klägerin gehen muss.
Ausgenommen ist nur eine Rechnung (die der Fa. #### Bauservice GmbH, Anlage K 5), die die Beklagte vorgerichtlich schon zu 50 % übernommen hatte. Dort wird eindeutig feststellbar eine Maßnahme zur Beseitigung von Putzschäden als Folge der Feuchtigkeit durch das ausgetretene Wasser aus der Terrassenbewässerung abgerechnet (Anlage K 5).
Bei den übrigen Rechnungen ergibt sich dagegen bei einem Teil der Rechnungen aus deren Text klar, dass die abgerechneten Leistungen nicht dazu dienten, Wasserschäden an versicherten Sachen zu beseitigen, vielmehr das Ziel hatten, undichte Stellen an den Wasserleitungen aufzufinden und zu beseitigen. Bei einem anderen Teil der Rechnungen bleibt offen, welchen Zweck die abgerechneten Arbeiten hatten. Maßnahmen zur Beseitigung des Robrbruchschadens sind im gegebenen Fall aber gerade nicht versichert (s.o.). Daneben sind Leistungen betreffend den Ersatz eingegangener Pflanzen abgerechnet, für die keine Versicherungsleistung geschuldet ist, weil Pflanzen auf der Dachterrasse nicht zu den versicherten Sachen i.S.v. § 1 VGB 2000 gehören.
Abgesehen von alldem, ist ein Teil der geltend gemachten Schäden weder durch den Versicherungsfall Leitungswasser noch durch den Versicherungsfall Rohrbruch verursacht. Das gilt zum einen für Pflanzen, die aufgrund von Wassermangel eingegangen sind, sodass diese Schäden nicht durch Leitungswasser, d.h. durch die Einwirkung von bestimmungswidrig ausgetretenem Leitungswasser, verursacht sind (Anlage K 13, teils wohl auch Anlage K 7). Zum anderen ist die Reparatur der defekten Heizung der Bewässerungsleitungen nicht auf eines der genannten versicherten Ereignisse zurückzuführen (Anlage K 10, 11); der Defekt der Heizung war vorher eingetreten und hatte die Ursache für den Rohrbruch und den Austritt von Leitungswasser gesetzt.
II. Der Senat regt an, zu überdenken, den Rechtsstreit im Kosteninteresse durch ein Teilanerkenntnis seitens der Beklagten in Höhe von 743,75 € nebst geltend gemachter Verzugszinsen und durch Teilrücknahme der Berufung seitens der Klägerin in Höhe von 22.360,27 € zu beenden.
Für den Fall, dass (nur) die Beklagte der Anregung des Senats folgt und teilweise anerkennt, ist beabsichtigt, die Berufung im Übrigen durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Es wird Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Hinweisen und Vorschlägen des Senats binnen dreier Wochen gegeben.
Reinhard
Beckstett
Düe
Hinweise
Der Rechtsstreit ist durch Teilrücknahme und -erledigung beendet.