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28.04.2015 · IWW-Abrufnummer 144371

Oberlandesgericht Köln: Urteil vom 28.11.2014 – 19 U 71/14

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Oberlandesgericht Köln

19 U 71/14

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers wird – unter Zurückweisung der weitergehenden Anschlussberufung – das Schlussurteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 09.04.2014 – 4 O 500/10 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.118,90 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus einem Betrag von 5.085,93 EUR vom 19.12.2013 bis zum 25.02.2014 und aus einem Betrag von 7.118,90 EUR seit dem 26.02.2014 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 93 % und die Beklagte zu 7 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

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I.

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Der Kläger macht – nach Abschluss der Auskunftsstufe – einen Anspruch auf Zahlung restlicher Provision in Höhe von 7.118,90 €, einbehaltene Stornoreserve von 649,- € sowie einen Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB in Höhe von 98.108,58 € geltend. Der Kläger war seit 1984 für die Beklagte tätig, seit 01.12.1997 aufgrund eines Vertretervertrages vom 26.11.1997 als Generalagent, Anlage B 1, AH = K1, Bl. 7 ff. GA. Zum 31.12.2007 endete der Vertrag durch Kündigung der Beklagten. Der 1961 geborene Kläger ist wegen einer psychischen Erkrankung dauerhaft arbeitsunfähig. Mit Bescheid vom 28.11.2007 (K7, Bl. 142 AH) wurde ein GdB von 70 % festgestellt.

4

Mit Schreiben vom 12.03.2008 berechnete die Beklagte den Ausgleichsanspruch nach den „Grundsätzen“ für die Bereiche SHUR mit 27.249,70 € und für den Bereich Leben mit 12.010,28 €, zusammen 39.259,97 €. Aufgrund eines unverfallbaren Altersvorsorgeanspruchs von behaupteten 243.229,18 €, den die Beklagte auf den Ausgleichsanspruch anrechnet, kam es zu keiner Auszahlung (Anlage B5 AH, Bl. 13 f.).

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Der Kläger hat den Ausgleichsanspruch für den Bereich SHUR im Grundsatz nach den von der Beklagten ermittelten Beträgen in der Anlage B 5 berechnet, und zwar nach dem Durchschnitt der Bestandspflegeprovisionen und der Bestandswachstumsprovisionen der letzten 5 Jahre in Höhe von 32.702,86 €. Diesen Betrag multipliziert er mit 3 (bzw. im Schriftsatz vom 12.08.2011, Bl. 66 GA, 16.351,43 x 6,0), woraus sich ein Gesamtbetrag von 98.108,58 € ergibt.

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Für den Bereich Leben hat er den Ausgleichsanspruch in der von der Beklagten ermittelten Größe von 12.010,28 € nur hilfsweise geltend gemacht. Er hat nämlich die Ansicht vertreten, aus § 11 des Vertretervertrages, Bl. 9 GA, in dem geregelt ist, dass nach Beendigung des Vertreterverhältnisses der Provisionsanspruch erlischt mit Ausnahme von Abschlussprovisionen aus Versicherungen, für die der Vertreter vor Beendigung des Vertragsverhältnisses Versicherungsanträge eingereicht, aber seine Provision nach den Provisionsbestimmungen noch nicht erhalten hat, ergebe sich, dass ihm die Dynamikprovisionen weiterhin zustünden. Diese hat er für den Zeitraum 2011 – 2013 mit Schriftsatz vom 14.02.2014, Bl. 280 GA, mit 5.084,93 € zzgl. 40 % = 7.118,90 € beziffert. Dazu beruft er sich auf die Anlage B 11, Bl. 229 ff. GA (Buchauszugsergänzung). Ferner hat er - nachdem die Beklagte erklärt hatte, wegen Kleinststornos seien Bestandserhaltungsmaßnahmen nicht mehr recherchierbar – einbehaltene Stornoreserven in Höhe von 649,- € geltend gemacht. Dazu hat er sich auf die Anlage BLD 13, Bl. 174 AH, die Storni nach dem 01.01.2008 ausweist, berufen. Zur Berechnung wird auf den Schriftsatz vom 12.12.2013, Bl. 266 GA, verwiesen.

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Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Anrechnungsklausel bezüglich der Altersversorgung aus Ziffer 5 des zwischen den Parteien am 17.11.1997 geschlossenen Vertretervertrages sei unwirksam und die Altersversorgung auch nicht unter dem Aspekt der Billigkeit auf den Ausgleichsanspruch anzurechnen.

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Demgegenüber hat die Beklagte den Standpunkt vertreten, sie habe den Ausgleichsanspruch nach den „Grundsätzen“ zutreffend in der Anlage B 5 errechnet. Die Berechnung greife der Kläger nicht substantiiert an. Seine Berechnung sei unschlüssig; er könne nicht einfach den Höchstbetrag nach § 89 b Abs. 5 HGB (dreifache Jahresprovision) ansetzen; im Übrigen verbleibe nach Anrechnung des unverfallbaren Anspruchs der aus den aus Mitteln der Beklagten freiwillig gezahlten Altersvorsorge von über 240.000,- € gem. § 5 des Vertretervertrages auf den Ausgleichsanspruch kein Auszahlungsbetrag. Laufende Dynamikprovisionen stünden dem Kläger nach Vertragsbeendigung nicht zu, sondern seien nur im Rahmen des Ausgleichsanspruchs nach den „Grundsätzen“ zu berücksichtigen und berücksichtigt worden. Eine Stornorücklage, von der Einbehalte hätten gemacht werden können, bestünde nicht mehr. Die Stornorücklage von damals noch 2.837,07 € sei am 18.08.2010 an den Kläger ausgezahlt worden.

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Wegen der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

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Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Es hat angenommen, dass dem Kläger ein Ausgleichsanspruch nach § 89 b Abs. 1 HGB in Höhe von 78.519,40 € zustehe. Dabei hat es zunächst den von der Beklagten ermittelten Ausgleichsbetrag von 27.249,70 € (SHUR) und 12.010,00 € (Leben, ungenau, da eigentlich 12.010,28 €) zugrunde gelegt (= 39.259,70 €). Die Berechnung nach den „Grundsätzen“ sei in Ziff. 11.2 des Vertretervertrages vereinbart worden und auch richtig. Demgegenüber entspreche die Berechnung des Klägers diesen Grundsätzen nicht.

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Versorgungsleistungen aus der Altersversorgung seien nicht anzurechnen, da die Regelung in Ziff. 5 Satz 2 des Vertretervertrages und auch die entsprechenden Ziffern der „Grundsätze Sach“ bzw. „Leben“ wegen Verstoßes gegen § 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB unwirksam seien. Allerdings seien die Leistungen der Beklagten für die Altersversorgung im Rahmen der Billigkeit nach § 89 b Abs. 1 HGB zu berücksichtigen, um eine unangemessene Doppelbelastung der Beklagten zu vermeiden. Dies geschehe dadurch, dass die Obergrenze für den Ausgleichsanspruch auf den doppelten Jahresbetrag des Gesamtausgleichanspruch festzusetzen sei, also auf 78.519,40 €. Dynamikprovisionen stünden dem Kläger nicht mehr zu, da diese nach den „Grundsätzen“ im Rahmen des Ausgleichsanspruchs Berücksichtigung fänden. Allerdings habe der Kläger einen Anspruch auf Auszahlung der zu Unrecht einbehaltenen Stornoreserve. Denn die Beklagte habe nicht substantiiert dargelegt, dass diese Einbehalte nicht mehr erfolgt seien. Eine Identität mit der im Jahre 2010 erfolgten Auszahlung der Stornoreserve stehe nicht fest.

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Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten.

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Die Beklagte rügt zunächst, dass das Landgericht zu Unrecht die Unwirksamkeit der Regelung in § 5 des Vertretervertrages zur Anrechnung der Altersversorgung angenommen habe. Jedenfalls sei aber die Vereinbarung zur Anrechnung auf Grundlage der „Grundsätze“ im Rahmen der Billigkeitserwägungen des § 89 b Abs. 1 HGB bei der Bemessung des Ausgleichsanspruchs trotz Fälligkeitsdifferenz von 19 Jahren zu beachten. Die Billigkeitsprüfung des Landgerichts sei unzulänglich. Es habe nicht berücksichtigt, dass der Kläger seit Ausscheiden zu 70 % behindert und arbeitsunfähig sei. Es sei nicht Zweck des Ausgleichsanspruchs, die Zeit bis zum Einsetzen der Altersversorgung bei Arbeitsunfähigkeit zu überbrücken, sondern der Kläger hätte sich als Selbständiger anderweitig absichern müssen.

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Die Verdopplung des Ausgleichsanspruchs durch das Landgericht könne nicht nachvollzogen werden. Man könne nicht einerseits die „Grundsätze“ zugrundelegen und dann die bereits darin berücksichtigten vereinheitlichten Billigkeitskriterien, wie z.B. die Beschäftigungsdauer, erneut zur Begründung der Erhöhung des nach den „Grundsätzen“ ermittelten Anspruchs heranziehen.

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Bezüglich der angeblich zu Unrecht einbehaltenen Stornoreserve sei der Vortrag des Klägers unschlüssig, nachdem die Beklagte substantiiert dargelegt habe, dass die Stornoreserve bereits 2010 aufgelöst worden sei. Es hätte dem Kläger oblegen darzulegen, dass eine weitere Stornoreserve überhaupt bestehe.

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Die Beklagte beantragt,

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unter Abänderung der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung des Landgerichts Köln vom 09.04.2014 (4 O 500/10) die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Mit der Anschlussberufung beantragt er,

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die Beklagte unter Abänderung des Schlussurteils des Landgerichts Köln vom 09.04.2014 (4 O 500/10) zu verurteilen, an den Kläger weitere 19.589,18 EUR, hilfsweise weitere 31.599,46 EUR, nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB für die Zeit vom 01.01.2008 bis zum 31.01.2008, und Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB für die Zeit ab dem 01.02.2008, zu zahlen;

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die Beklagte unter Abänderung des Schlussurteils des Landgerichts Köln zu verurteilen, an den Kläger weitere 7.118,90 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB, und zwar aus einem Betrag von 5.084,93 EUR ab dem 19.12.2013 und aus einem Betrag von 7.118,90 EUR ab dem 26.2.2014 zu zahlen.

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Zur Begründung führt er aus, das Landgericht habe zwar zu Recht die Unwirksamkeit der Regelung in Ziff. 5 S. 2 des zwischen den Prozessparteien geschlossenen Vertretervertrages angenommen und auch eine Anrechnung der Altersvorsorgeansprüche des Klägers im Rahmen der Billigkeit verneint; denn der Handelsvertreter benötige bei einer erheblichen Fälligkeitsdifferenz von hier 19 Jahren den Ausgleichsanspruch zur Überbrückung der Zeit bis zur Fälligkeit der Altersvorsorge. Der Höhe nach habe das Landgericht allerdings den Ausgleichsanspruch falsch berechnet. Das Landgericht habe zu Unrecht für den Bereich SHUR den von der Beklagten ermittelten Wert von 27.249,70 EUR zu Grunde gelegt und dabei die Beweisantritte und den Vortrag aus dem Schriftsatz des Klägers vom 19.08.2011 übergangen. Denn nach der vom Kläger eingeholten Stellungnahme des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute, Anlage K 10, habe die Beklagte bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs zu Unrecht zum Teil übertragene Bestände zugrundegelegt. Eine Kürzung des von der Beklagten in der Anlage B5 ausgewiesen Betrages von 16.351,43 € wegen Provisionen aus angeblich übertragenden Versicherungsbeständen gemäß Nr. I.1.2 der „Grundsätze Sach“ auf 9.083,23 € sei nicht gerechtfertigt. Es handele sich insgesamt um selbst erworbene Bestände; die „Übertragung“ sei nur pro forma bei Vertragswechsel im Jahr 1997 trotz Weiterbearbeitung durch die vom Kläger geführte Agentur vorgenommen worden. Im Übrigen meint er, es sei gemäß Ziff. II der „Grundsätze Sach“ ein Multiplikator von 6,0 anzusetzen (= 98.108,58 €), weil seine Tätigkeit für das Versicherungsunternehmen mehr als 20 Jahre betragen habe. Es sei nicht lediglich die Zeit des Agenturvertrages (dann Faktor 3,0) anzusetzen.

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Rechtsfehlerhaft habe das Landgericht dem Kläger die geltend gemachten Provisionen für dynamische Lebensversicherungsverträge i.H.v. 7.118,90 EUR nicht zugesprochen. Bei den Dynamikprovisionen handele es sich um Abschlussprovisionen im Sinne von Ziff. 11 des Handelsvertretervertrages, die vom vereinbarten Provisionsverzicht ausgenommen seien. Er verweist dazu auf eine Entscheidung des Senats vom 01.08.2003 (19 U 39/02), nach der es sich bei Dynamikprovisionen um verzögert ausgezahlte Abschlussprovisionen handele. Dieser vertragliche Anspruch könne nicht im Rahmen einer Billigkeitsabwägung mit Verweis auf den Ausgleichsanspruch wieder aberkannt werden.

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Die Beklagte beantragt
,
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die Anschlussberufung zurückzuweisen.

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Was die Höhe des von der Beklagten berechneten Ausgleichsanspruchs anbelange, seien die Einwände des Klägers nicht ausreichend substantiiert. Sie sei den Einwänden des Klägers bereits mit Schriftsatz vom 23.08.2011 entgegengetreten. Soweit in ihrer Berechnung, Anl. B5, ein übertragener Bestand angegeben sei, sei der Kläger dem nicht ausreichend entgegengetreten. Der dort ermittelte Betrag von 27.249,70 EUR sei folglich korrekt. Auch der in Ansatz gebrachte Tätigkeitsfaktor von 3,0 sei zutreffend. Bei den Multiplikatoren sei nur die Zeit des Agenturvertrages und die damit verbundene Gewährung von ausgleichspflichtigen Bestandspflegeprovisionen maßgeblich. Denn würde man die Gesamtdauer des Vertretervertrages zu Grunde legen, würde dies im Falle eines langen Vertretervertrages und eines kurzzeitigen Agenturvertrages zu unbilligen Ergebnissen führen. Solange eigene Bestände nicht gebildet werden, entspreche es nicht der Billigkeit, wenn hierfür ausgleichspflichtige Zahlungen zu erbringen seien.

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Der Kläger könne auch keine Provisionen aus dynamischen Lebensversicherungsverträgen mehr beanspruchen, da diese ausweislich der vereinbarten „Grundsätze Leben“ im Rahmen des Ausgleichsanspruchs ausreichend berücksichtigt worden seien.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

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II.

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Die Berufung der Beklagten ist begründet. Die Anschlussberufung der Beklagten hat in Höhe von 7.118,90 € Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.

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Berufung der Beklagten:

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1. Das Landgericht hat dem Kläger zu Unrecht einen Ausgleichsanspruch nach den §§ 89 b Abs. 1, Abs. 5, 92 Abs. 1 HGB in Höhe von 78.519,40 EUR zuerkannt. Denn die Altersversorgung ist auf den Ausgleichsanspruch anzurechnen und führt hier entgegen der Auffassung des Landgerichts dazu, dass kein Zahlbetrag nach § 89 b HGB verbleibt. Soweit das Landgericht einen Ausgleichsbetrag ermittelt und diesen verdoppelt hat, ist dieser Ansatz schon im Grundsatz verfehlt, da Billigkeitserwägungen im Hinblick auf die Altersversorgung allenfalls zu einer Verringerung des Ausgleichsanspruch führen können und zudem die Billigkeitserwägungen durch das Landgericht unzulässig mit der Berechnung und der „Deckelung“ des Ausgleichsanspruchs nach § 89 b Abs. 5 S. 2 HGB vermengt werden; auch hat das Landgericht nicht berücksichtigt, dass der Kläger den Ausgleichsanspruch für den Bereich Leben nur hilfsweise geltend gemacht hat, er aber in erster Linie Fortzahlung der Dynamikprovisionen verlangt.

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Zunächst hat das Landgericht allerdings zutreffend bei der Berechnung nach den „Grundsätzen Sach“ für die Sparten SHUR den von der Beklagten ermittelten Betrag von 27.249,70 EUR zugrunde gelegt. Soweit der Kläger diese Berechnung angreift und dazu auf eine Stellungnahme des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute vom 08.08.2011, Anlage K 10, Bl. 148 AH, verweist, so ist diese Kritik nicht ausreichend substantiiert. Auch der Beweisantritt durch Sachverständigengutachten ist untauglich, da der Kläger zur Tatsachenbasis, auf der die Einschätzung des Verbandes beruhen soll, nicht ausreichend vorgetragen hat. Entgegen der Auffassung des Klägers kann nicht einfach unterstellt werden, dass der Nettobestand, den die Beklagte als „übertragen“ bezeichnet und mit 518.737,63 EUR beziffert, vom Kläger selbst erwirtschaftet wurde, wie er behauptet. Denn diese Übertragung beruht auf einer vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien (vgl. die „Besonderen Vereinbarungen zum Vertretervertrag“, Bl. 4 AH). Insofern hätte es dem Kläger oblegen näher darzulegen, dass Kundenbeziehungen mit einem Volumen von 518.737,63 EUR entgegen der vertraglichen Vereinbarung von ihm selbst aufgebaut wurden.

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Auch der Einwand des Klägers, es sei nach Ziff. II der „Grundsätze Sach“ wegen der langen Zugehörigkeit des Klägers zum Vertriebssystem der Beklagten ein Multiplikator von 6,0 anzusetzen, geht fehl. Denn der von der Beklagten angesetzte Multiplikator von 3,0 ergibt sich aus den „Besondere Bestimmungen Bestandsprovisionen“, Ziffer 7 Abs. 1, Bl. 9 AH. Danach wird für die Berechnung eines Ausgleichsanspruchs die Tätigkeitsdauer zugrundegelegt, die sich aus dem bestandsprovisionspflichtigen Vertretervertrag ergibt. Unstreitig hat der Kläger vor Abschluss des Agenturvertrags vom 26.11.1997 keine Bestandsprovision erhalten. Da sich der nach Ziffer I. der „Grundsätze Sach“ ermittelte Ausgleichswert ausschließlich aus den so genannten Bestandsprovisionen speist und das Vergütungssystem der Beklagten mit dem Vertretervertrag vom 29.11.1997 im Hinblick auf den eventuellen Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters eher günstig umgestellt wurde, erscheint es auch nicht unbillig, nur die Zeit des Agenturvertrags bei der Tätigkeitsdauer zugrundezulegen. Eine unangemessene Benachteiligung des Handelsvertreters durch die Regelung in Ziffer 7 der „Besonderen Bestimmungen - Bestandsprovisionen“ ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Es hat daher bei dem Multiplikator von 3,0 zu verbleiben, so dass sich ein rechnerischer Ausgleichsanspruch SHUR von 27.249,70 EUR ergibt

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Dieser ist jedoch durch Anrechnung des kapitalisierten Barwerts der Altersvorsorgeversicherung (Kapitallebensversicherung) von 243.229,18 € im Zeitpunkt der Vertragsbeendigung vollständig erloschen.

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a) Zwar ist die Regelung in Ziffer 5 des Vertretervertrages, nach der die Versorgungsleistungen auf den Ausgleichsanspruch anzurechnen sind, wegen Verstoßes gegen § 89 Abs. 4 HGB und 89b Abs. 1 HGB i.V.m. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam (vgl. BGH, NJW 2003, 1241, 1244). Denn durch diese Regelung wird der Ausgleichanspruch im Voraus jedenfalls eingeschränkt, was in gleichem Maße wie ein völliger Ausschluss unzulässig ist (BGHZ 55, 124, 126). Indem in der streitgegenständlichen Regelung eine (volle) Anrechnung ohne Berücksichtigung von Billigkeitserwägungen vorgesehen ist, ist sie im Ergebnis genauso einschränkend, wie die vom Bundesgerichtshof (im Fall NJW 2003, 1241) für unwirksam erachtete Regelung „ … in Höhe des Kapitalwerts …., entsteht aus Billigkeitsgründen kein Ausgleichanspruch“.

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b) Dennoch sind die Leistungen des Unternehmers zum Zwecke der Altersversorgung des Vertreters bei der gem. § 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB vorzunehmenden Abwägung von Bedeutung.

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Dabei kann dahinstehen, ob sich dies schon daraus ergibt, dass der Kläger selbst von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, den Ausgleichsanspruch auf Basis der „Grundsätze Sach“ zu berechnen, in deren Ziff. V geregelt ist, dass eine durch Beiträge des Unternehmens aufgebaute Altersversorgung anspruchsmindernd zu berücksichtigen ist. Dafür spricht, dass die Grundsätze „Kompromisscharakter“ haben und daher nur einheitlich als Ganzes angewendet werden können. Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung vom 08.05.2014 – VII ZR 282/12 -, zitiert nach juris, in diesem Sinne betont, dass dann, wenn der Versicherungsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses von der Möglichkeit Gebrauch macht, den Ausgleichsanspruch auf der Basis der „Grundsätze“ zu berechnen, für einzelfallbezogene Billigkeitserwägungen im Sinne des § 89 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB kein Raum sei. Allerdings war - wie der Kläger zu Recht einwendet - in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall die Berechnung des Ausgleichsanspruchs nach den Grundsätzen nicht vertraglich vereinbart, so dass dem Umstand, dass der Handelsvertreter sich nach Vertragsbeendigung auf diese Grundsätze einlässt, nicht die gleiche Bedeutung beigemessen werden kann, als wenn sich der Versicherungsvertreter – wie hier – aufgrund der Regelung im Vertretervertrag zu dieser Berechnung verpflichtet sieht.

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Der Altersvorsorgeanspruch ist trotz der erheblichen Fälligkeitsdifferenz auf den

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Ausgleichsanspruch anzurechnen. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass dies zu erfolgen hat, wenn und soweit die ungekürzte Zuerkennung des Ausgleichsanspruchs unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls unbillig wäre (BGH, NJW 1966, 1962; BGH, NJW 1994, 135; Senat, Urteil vom 17.08.2001, 19 U 206/00, juris Rz. 6 m.w.N.; Beschluss vom 14.08.2014, 19 U 67/14). Zu beachten ist nämlich, dass der Ausgleichanspruch nicht ein reiner Vergütungsanspruch ist, sondern auch Elemente der Versorgung enthält (Senat, a.a.O; OLG München, Urteil vom 02.02.2000, 7 U 4410), bzw. eine „funktionelle Verwandtschaft“ besteht, die die Nichtberücksichtigung der Altersversorgung bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs wegen der Doppelbelastung des Unternehmens (und umgekehrt der doppelten Absicherung des Versicherungsvertreters) in der Regel unbillig erscheinen lässt. Zwar schwächt sich die „funktionelle Verwandtschaft“ ab, je größer die Fälligkeitsdifferenz zwischen Ausgleichsanspruch und Altersvorsorge ist. Dieser Aspekt wird vorliegend allerdings wieder dadurch ausgeglichen, dass die Parteien durch die Vereinbarung in Ziffer 5 des Vertretervertrages und in Ziffer 11 durch Verweis auf die „Grundsätze“, die ebenfalls in Ziffer V. die Regelung enthalten, dass „nach Auffassung der Beteiligten ein Ausgleichanspruch aus Billigkeitsgründen insoweit nicht entsteht, wie der Vertreter Leistungen aus einer … Altersversorgung .. zu erwarten hat“, zum Ausdruck gebracht, was sie für der Billigkeit entsprechend erachten. Dies gilt auch in dem Fall, in dem – wie hier - die entsprechende Vereinbarung nach §§ 307 BGB, 89 b Abs. 4 HGB unwirksam ist (vgl. BGH, NJW 2003, 1241, Senat a.a.O.; OLG München, Urteil vom 10.11.2010, 7 U 3385/10, juris Rz. 19 m.w.N.; Senat, Beschluss vom 14.08.2014, 19 U 67/14; Küstner, BB 1994, 1590; Graf v. Westfalen, DB 2000, 2255)). Denn der Kläger hat das Versorgungsangebot der Beklagten angenommen in Kenntnis des Umstands, dass diese es zur Vermeidung einer Doppelbelastung auf den Ausgleichsanspruch angerechnet wissen will (vgl. dazu auch: BGH, Urteil vom 17.11.1983, I ZR 139/81: 24 Jahre Fälligkeitsdifferenz, Einverständnis mit Anrechnung, volle Kürzung um Anwartschaftsbarwert gerechtfertigt).

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Diese Erwägungen führen hier dazu, dass nach Anrechnung des Kapitalwerts der aus Mitteln der Beklagten finanzierten Lebensversicherung von ca. 244.000,- € kein Ausgleichsanspruch mehr besteht. Aufgrund der Höhe der Altersvorsorgeanwartschaft würde selbst bei einer nur anteiligen Anrechnung kein Ausgleichsbetrag verbleiben. Da der Kläger durch die hohen Beiträge der Beklagten zur Altersvorsorge in erheblichem Maße Beiträge für die eigene Altersvorsorge erspart hat und die Parteien gemeinsam zum Ausdruck gebracht haben, dass sie die Anrechnung der Altersvorsorge als der Billigkeit entsprechend erachten, muss auch der Aspekt zurücktreten, dass dem Handelsvertreter kein sofort fälliger Ausgleichsbetrag verbleibt. Zum einen gibt es – wenn der Altersvorsorgeanspruch den Ausgleichsanspruch um ein Vielfaches übersteigt - keinen tragfähigen Anknüpfungspunkt für einen solchen Mindestzahlbetrag. Zum anderen ist der Überbrückungsgedanke, der auf den Zeitraum ausgerichtet, bis dem Handelsvertreter aus seiner neuen Tätigkeit ausreichende laufende Mittel zufließen (vgl. Senat, Urteil vom 17.08.2001, 19 U 206/00), im vorliegenden Fall nicht einschlägig, weil der Kläger berufsunfähig erkrankt ist und ohnehin keine neue Tätigkeit anstrengt. Auch der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung angesprochene Umstand, dass er die hohe Altersvorsorgeanwartschaft durch intensiven Einsatz für die Beklagte und den daraus resultierenden hohen Provisionen selbst erwirtschaftet hat, greift nicht. Zwar wird die Höhe der Versorgung durch die Arbeitsleistung des Klägers bestimmt, es handelt sich aber dennoch um eine freiwillige Leistung der Beklagten und es ist nicht ersichtlich, dass die Versorgungsbeiträge nicht allein aus ihren Mitteln erbracht werden.

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2. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Erstattung zu Unrecht einbehaltener Stornoreserven in Höhe von 649,- € zu. Entgegen der Ansicht des Landgerichts hat der Kläger den Anspruch nicht schlüssig dargelegt. Die Beklagte hatte zur Erfüllung des Anspruchs auf Ergänzung des Buchauszugs um die Bestandserhaltungsmaßnahmen seit dem 01.01.2008 die Anlage BLD 13, Bl. 174 ff. AH, vorgelegt. Daraus sollen sich nach ihrem unwidersprochenen Vortrag sämtliche Versicherungsverträge ergeben, für die der Kläger noch eine Provision erhalten hat und welche teilweise ins Storno geraten sind; zu den Bestandserhaltungsmaßnahmen könne nicht vorgetragen werden. Der Kläger kann aber nicht einfach zur Begründung seines Anspruchs wegen zu Unrecht einbehaltener Stornoreserve sämtliche Sollbuchungen aus der Anlage BLD 13 zusammenrechnen (vgl. B 266 GA). Denn die Beklagte hatte unter Verweis auf die Anlage B 12, Bl. 204 AH, substantiiert vorgetragen, dass sie das am 18.08.2010 bestehende Stornoguthaben von 2.835,08 € an den Kläger überwiesen habe. Daher können – nach Auflösung der Stornoreserve zum 17.08.2010 – keine Buchungen zu Lasten der Stornoreserve mehr erfolgt sein. Aus der Anlage BLD 13 ergibt sich aber, dass teilweise Stornobuchungen erst im Jahr 2011 erfolgt sind. Insofern hätte der Kläger durch Vorlage der Abrechnung über die Stornoreserve im Einzelnen darlegen müssen, welche Provisionsbelastungen darin berücksichtigt wurden.

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Anschlussberufung des Klägers

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1. Soweit der Kläger einen höheren Ausgleichsbetrag für den Bereich SHUR geltend macht, als vom Landgericht zugesprochen, hat die Berufung nach den vorstehenden Ausführungen zur Berufung der Beklagten keinen Erfolg.

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2. Die Anschlussberufung hat allerdings insofern Erfolg, als dem Kläger noch laufende Provisionen aus Dynamisierungen aus von ihm vermittelten Lebensversicherungsverträgen zustehen. Das Landgericht, das den Anspruch auf laufende Provisionen ohne nähere Begründung abgewiesen hat, hat die Regelung in Ziff. 11 S. 2 des Vertretervertrages (Bl. 3 AH) nicht ausreichend beachtet. Denn darin werden bestimmte Provisionsansprüche vom Provisionsverzicht bei Beendigung des Vertragsverhältnisses ausgenommen. Bei den Dynamikprovisionen, deren Fortzahlung der Kläger auch nach Vertragsbeendigung verlangt, handelt es sich um solche Provisionen im Sinne von Ziff. 11 Satz 2, „für die der Vertreter die Versicherungsverträge vor Beendigung des Vertragsverhältnisses eingereicht hat, die Provision aber nach den Provisionsbestimmungen noch nicht voll erhalten hat“. Zwar liegen die „Provisionsbestimmungen“ für solche dynamischen Erhöhungen nicht vor. Die Beklagte hat aber nicht bestritten, dass hier dieselbe Vertragsgestaltung maßgeblich ist wie in dem vom Senat mit Urteil vom 01.08.2003, 19 U 39/02, entschiedenen Fall, der auch die hiesige Beklagte und die gleichlautende Regelung in Ziff. 11 S. 2 der Vertragsbedingungen betraf. Entsprechend sind auch hier diese Dynamiken als planmäßige Erhöhungen und nicht als neue Abschlüsse einzustufen. Denn aufgrund der „Automatisierung“ bei den Dynamisierungen handelt es sich um „verzögert ausgezahlte Abschlussprovisionen“ (vgl. Senat, 19 U 39/02, a.a.O. juris Rz. 22). Insofern hätte es der Beklagten oblegen darzulegen, dass Dynamisierungen nicht mehr auf den Kläger zurückzuführen sind, sondern etwa zwischenzeitlich eine abschlussprovisionspflichtige Veränderung durch einen anderen Vertreter erfolgt ist.

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Der Berechnung des Klägers nach der von der Beklagten selbst vorgelegten Anlage B 11 und auch den Voraussetzungen für den 40 %igen Provisionszuschuss nach der Anlage B 3, Bl. 11 AH, ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Dem Kläger stehen daher die geltend gemachten 5.084,93 € zzgl. 40 % = 7.118,90 € für den Zeitraum 2011-2013 zuzüglich der geltend gemachten Zinsen unter dem Gesichtspunkt des Verzuges zu.

48

Der Provisionsanspruch aus § 87 Abs. 1 HGB wird durch das Vertragsende und die Möglichkeit, einen Ausgleichsanspruch geltend zu machen, auch nicht ausgeschlossen. Dies ist der Klausel in Ziffer 11 des Vertretervertrages (Bl. 3 AH) nicht zu entnehmen. Zwar können die Dynamikprovisionen nicht neben einem Ausgleichanspruch nach den „Grundsätzen-Leben“ berücksichtigt werden. Es ist dem Kläger aber unbenommen, für den Bereich "Leben" auf den Ausgleichsanspruch zu verzichten und insoweit die Fortzahlung der Provisionen zu wählen.

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III.

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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Die Revision wird nicht zugelassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).

52

Streitwert für das Berufungsverfahren: 105.876,48 €

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