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07.04.2015 · IWW-Abrufnummer 176010

Landesarbeitsgericht Sachsen: Urteil vom 29.01.2015 – 1 Sa 407/14


In dem Rechtsstreit
...
hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 1 - durch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Herrn ... und Herrn ... auf die mündliche Verhandlung vom 29. Januar 2015
fürRechterkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Zwickau vom 18. Juni 2014 - 8 Ca 328/14 - wird auf Kosten des Klägers

z u r ü c k g e w i e s e n . Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer dem Kläger am 31. Januar 2014 zugegangenen außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung desselben Datums.



Der 1988 geborene, nicht unterhaltsverpflichtete Kläger begann am 1. September 2004 bei der Beklagten eine Ausbildung als Konstruktionsmechaniker für Feinblechbautechnik. Im Anschluss daran wurde er seit dem 1. März 2008 als Karosseriebauer und Anlagenfahrer zuletzt zu einem monatlichen Bruttoentgelt in Höhe von 3.271,71 € beschäftigt. Die Beklagte ist ein Automobilhersteller mit ca. 8.000 Beschäftigten im Betrieb ...



Alle Beschäftigten der Beklagten verfügen über einen Betriebsausweis im Checkkartenformat. In dem Ausweis ist ein Foto des jeweiligen Beschäftigten eingeschweißt. Außerdem enthält er einen elektronischen Chip, auf dem Daten gespeichert werden. Der Ausweis ermöglicht den Zutritt zum Betriebsgelände und hat außerdem eine betriebsinterne Bezahlfunktion. Die Beschäftigten können an speziellen Aufwertungsgeräten die Chips mit einem Guthaben bis zu 200,00 € durch Bezahlung mit Geldscheinen aufladen. Mit der Gutschrift auf dem Chip erhalten die Beschäftigten eine Forderung in entsprechender Höhe gegen die Beklagte. Der Betriebsausweis kann damit sowohl zur Bezahlung in der Kantine als auch an den ca. 90 aufgestellten Warenautomaten verwendet werden. Im Falle eines Warenkaufs unter entsprechender Abbuchung des Gegenwertes von dem Chip enthält der Betreiber des Warenautomaten - hier die ... GmbH (im Folgenden ...) - eine entsprechende Forderung gegen die Beklagte. Die Beklagte verwahrt das in die speziellen Geldautomaten eingezahlte Geld zur Aufladung der Chips auf einem Treuhandkonto, von dem monatlich die von den Beschäftigten durch Käufe auf die Dienstleister übergegangenen Forderungen abgebucht werden. Im Falle eines Defizits auf dem Treuhandkonto haftet die Beklagte zugunsten der Automatendienstleister bzw. des Kantinenbetreibers. In jedem Chip ist eine achtstellige Nummer gespeichert, unter der die Kauf- und Bezahlvorgänge des jeweiligen Beschäftigten an den jeweiligen Lesegeräten erfasst und der jeweilige Chip identifiziert werden kann. Auf diese Weise kann der Beschäftigte im Betrieb der Beklagten anonym Einkäufe vornehmen. Soweit notwendig lässt die auf der Rückseite des Betriebsausweises aufgedruckte achtstellige Chipnummer eine Identifizierung zu. In der Halle 23 auf dem Betriebsgelände befand sich ein Kaltgetränkeautomat mit der Nummer ... Dieser Automat hatte in fünf mit A bis E bezeichneten waagerechten Reihen jeweils neun mit eins bis neun bezeichnete Fächer mit Kaltgetränken zu unterschiedlichen Verkaufspreisen. Bei einem normalen Verkaufsvorgang hält der Mitarbeiter seinen Werksausweis an den Leser des Geräts und erhält auf dem darüber befindlichen Display sein aktuelles auf den Geldchip vorhandenes Guthaben angezeigt Nach Auswahl des Faches unter Betätigung der entsprechenden Buchstaben/Zahlenkombination wird der Kaufpreis abgebucht und die Ware zur Entnahme bereitgestellt. Auf dem Display wird sodann der noch verbleibende entsprechend reduzierte Guthabenbetrag angezeigt. Wegen der Einzelheiten des Verkaufsvorganges wird auf die Anlage B 1 (Bl. 41 ff. d. A.) und auf die Anlage B 2 (Bl. 39 f. d. A.) zum Schriftsatz der Beklagten vom 8. April 2014 (Bl. 22 ff. d. A.) Bezug genommen.



Wird irrtümlich ein Fach gewählt, welches leer ist oder aus dem die gewünschte Ware etwa aufgrund einer Fehlfunktion nicht an den Beschäftigten ausgegeben werden kann, bucht das Lesegerät zwar zunächst den Preis der Ware vom Guthaben auf dem Chip ab, es löst allerdings einen Rückbuchungsvorgang aus, um den abgebuchten Preis der Chipkarte wieder gutzuschreiben. Dieser Rückbuchungsvorgang dauert bis zu 45 Sekunden bis zu einem akustischen Signal, der den Beschäftigten auf die Rückbuchung hinweist. Hält der Beschäftigte den Werksausweis dann nicht zur Rückbuchung auf das Display, so "merkt" sich die Software den Betrag und bucht beim nächsten Kaufvorgang den Betrag auf derselben Chipkarte wieder zurück.



Am 9. Januar 2014 informierte die ... den Werkschutz der Beklagten darüber, dass am Automaten ... aufgrund eines Defektes die Möglichkeit bestanden habe, das Guthaben auf dem Geldchip des Werksausweises aufzuladen, ohne hierfür einen Gegenwert (Bargeld) entrichten zu müssen. Die Auswertung der anonymen Verkaufsprotokolle hatte ergeben, dass bei ca. 70 Karten unberechtigte Aufwertungen in einer Gesamthöhe zwischen 8,00 € und 1.600,00 € vorgenommen worden waren und damit ein Gesamtschaden von mehr als 13.700,00 € entstanden war. Darauf beschloss die interne Prüfung der Beklagten, der Datenschutzbeauftragte und der Betriebsrat nach Einsicht in die anonymisierten Buchungsvorgänge, die Anonymität der jeweiligen Karteninhaber aufzuheben, und ordnete am 10. Januar 2014 die einzelnen Namen den von der ... benannten Kartennummern zu, soweit eine unberechtigte Aufladung in Höhe von über 50,00 € erfolgt war. Die Liste der den Kartennummern zugeordneten Namen erhielt die Leiterin des Personalservicecenters am selben Tag. Am 13. Januar 2014 übergab die ... sogenannte Key/Card-Saldenverfolgungslisten für die Zeit vom 01. Januar bis zum 31. Dezember 2013. Daraus ergaben sich die Buchungsvorgänge der einzelnen Werksausweise. Die Key/Card-Saldenverfolgungslisten enthalten acht Spalten. Die erste Spalte "Kasse" enthält die Nummer des benutzten Automaten, die zweite Spalte "Beleg" gibt die Anzahl aller Belege (Nutzungen) an dem jeweiligen Automaten an. Die dritte Spalte "Datum" gibt das Datum einschließlich Uhrzeit der jeweiligen Nutzung an. Die vierte Spalte "VZ" (Vorgangszählung) gibt an, wie oft auf der Karte ein Vorgang (Aufbuchung, Abbuchung) stattgefunden hat. Die fünfte Spalte "Startsaldo" gibt das jeweilige Guthaben zu Beginn des Vorgangs an. Die sechste Spalte "Buchung" gibt die Höhe der Abbuchung (Kaufpreis) bzw. der Aufbuchung (Einzahlung) an. Schließlich gibt die siebente Spalte "Restsaldo" das verbleibende Guthaben (Startsaldo abzüglich Abbuchung bzw. zuzüglich Aufbuchung) an. Die letzte und achte Spalte "Differenz" gibt die unberechtigten Aufbuchungen an. Danach hat das Restsaldo der vorausgegangenen Zeile immer identisch zu sein mit dem Startsaldo der nächsten Zeile. Weist die nächste Zeile ein höheres Startsaldo als das Restsaldo der vorausgegangenen Zeile auf, so handelt es sich hierbei um eine unrechtmäßige Aufbuchung. Die Key/Card-Saldenverfolgungsliste mit der Nummer ... - die Werksausweisnummer des Klägers - weist während des Zeitraums vom 9. Juli 2013 bis zum 10. Dezember 2013 96 fehlerhafte Aufbuchungen aus mit einem aufgebuchten Gesamtbetrag von 120,45 €. Auf die Key/Card-Saldenverfolgungsliste des Klägers in Anlage 1 (Bl. 52 ff. d. A.) zum Schriftsatz der Beklagten vom 8. April 2014 wird verwiesen. Eine Aufbuchung des Guthabens auf der Chipkarte im Werksausweis des Klägers an dem Kaltgetränkeautomaten mit der Nummer ... war aufgrund dessen Fehlfunktion in folgender Weise möglich. Wurde die Fächerkombination A 1 gewählt, so wurde der Betrag des letzten erfolgreichen Verkaufs aus dem Automaten auf die Karte aufgebucht. Gleichzeitig wurde der Verkaufspreis des normalerweise in dem Fach A 1 befindlichen Getränks abgebucht und anschließend, weil der Automat ein Getränk aus dem Fach A 1 nicht herausgab, wieder aufgebucht. Bei der Fachkombination A 1 erfolgte demnach eine ungerechtfertigte Aufbuchung des Betrages in Höhe des zuletzt ordnungsgemäß getätigten Verkaufs, ohne dass der Nutzer den entsprechenden Gegenwert hätte bezahlen müssen. Nachdem die Delta Pro am 10. Dezember 2013 die Fehlfunktion des Getränkeautomaten festgestellt hatte, ließ sie ihn am 12. Dezember 2013 aus dem Betrieb der Beklagten zur Untersuchung abtransportieren.



Einschließlich derjenigen Werksausweise, auf denen unberechtigte Aufladungen bis zu einer Höhe von 50,00 € erfolgten, wurden mit insgesamt 68 Werksausweisen unberechtigte Aufladungen vorgenommen. Zwölf Karten hiervon wurden Zeitarbeitskräften zugeordnet, von denen elf umgehend abgemeldet und eine nicht ausgelesen werden konnte. In drei Fällen handelte es sich um nicht personifizierbare Gästekarten. Mit zweien der noch 53 verbleibenden Beschäftigten wurde Aufhebungsverträge geschlossen. 45 fristlose Kündigungen wurden ausgesprochen. Gegenüber sechs Beschäftigten wurden andere arbeitsrechtliche Maßnahmen, Abmahnungen, Versetzungen, Streichung von Prämien ergriffen. Alle sechs Beschäftigten, denen gegenüber keine Kündigungen ausgesprochen wurde, hatten deutlich geringere ungerechtfertigte Aufbuchungen vorgenommen.



Die Beklagte hörte den Kläger am 22. Januar 2014 zu den mit seiner Chipkarte erfolgten Aufbuchungen an dem Kaltgetränkeautomat ... in Höhe von 120,45 € an. Die Frage, ob der Kläger die Wirkungsweise der Tastenkombination kenne, beantwortete er mit "ja". Auf die Frage nach einer Erklärung antwortete der Kläger mit "Entschuldigung nicht mit Gier oder Bereicherung wollte nicht VWS schädigen". Im Übrigen wird auf das vom Kläger unterschriebene Protokoll über die Anhörung vom 22. Januar 2014 (Anlage 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 8. April 2014, Bl. 75 ff. d. A.) Bezug genommen. Mit Schreiben vom 22. Januar 2014, zugegangen am 23. Januar 2014, unterrichtete die Beklagte den Betriebsrat über die beabsichtigte außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung (Anlage B 3, Bl. 48 ff. d. A.). Im Anhörungsschreiben waren die Key/Card-Saldenverfolgungsliste des Klägers, das Protokoll über die Anhörung des Klägers sowie ein Protokoll über die Stellungnahme des Klägers vom 22. Januar 2014 (Anlage 3, Bl. 78 ff. d. A.) beigefügt. Mit Schreiben vom 24. Januar 2014 (Anlage B 4, Bl. 81 d. A.) teilte der Betriebsrat der Beklagten mit, dass er gegen die beabsichtigte Kündigung keine Bedenken habe. Die Beklagte sprach sodann mit Schreiben vom 31. Januar 2014 (Anlage K 3 zum Klageschriftsatz, Bl. 11 d. A.) die streitgegenständliche außerordentliche Kündigung zum 3. Februar 2014 aus.



Der Kläger hat vorgetragen, die streitgegenständliche außerordentliche Kündigung sei als Tatkündigung schon deshalb unwirksam, weil es an einer schuldhaften Arbeitsvertragsverletzung fehle. Dem Kläger sei zu keinem Zeitpunkt eine fehlerhafte Aufbuchung bewusst geworden. Er habe die fehlerhaften Aufbuchungen an dem Automaten ... mit der Tastenkombination A 1 nicht erkannt, weil er nicht auf das Display geachtet habe. Bei einem Gesamtumsatz von 1.396,40 € im überwachten Zeitraum von Januar bis Dezember 2013 fielen 120,45 €, somit 8,6 Prozent des Gesamtumsatzes nicht ins Gewicht. Seine Äußerungen in der Anhörung seien auch nicht als Geständnis zu werten. Die Beklagte habe eine den Kläger verunsichernde Situation ausgenutzt. Einen vorherigen Hinweis auf das zu besprechende Thema in der nur 15minütigen Anhörung sei nicht erfolgt. Wegen der Kürze der Anhörung habe man auch nicht aufgeklärt, dass es am 18. Juli 2013 nicht neun, sondern nur acht Vorgänge an dem nämlichen Automaten gegeben habe, so dass insoweit die Fragestellung in Nummer 4 des Anhörungsprotokolls fehlerhaft gewesen sei. Im Übrigen sei es unzutreffend, dass der Kläger, wie im Protokoll festgestellt, es gemerkt habe, dass am 18. Juli 2013 Aufbuchungen von insgesamt 9,75 € erfolgt seien. Wegen der fehlerhaften Anhörung sei auch die außerordentliche Verdachtskündigung unwirksam. Die Daten der Key/Card-Saldenverfolgungsliste seien nicht verwertbar, denn eine Verwertung sei nach den §§ 4, 32 BDSG unwirksam. Die Key/Card-Saldenverfolgungsliste sei auch fehlerhaft, insbesondere die Buchungsvorgänge vom 9. Juli 2013, 4:17 Uhr und 22:13 Uhr sowie vom 18. Juli 2013, 15:45 Uhr zeigten, dass die Buchungsdokumentation nicht den von der Beklagten geschilderten Buchungsvorgängen entspreche. Deshalb werde die Richtigkeit der Liste insgesamt bestritten. Die Fehlerhaftigkeit der Key/Card-Saldenverfolgungsliste ergebe sich auch aus der Fehlerhaftigkeit des Automaten selbst. So habe es eine Fehlfunktion des Automaten bereits im Juni 2013 und zwei weitere mechanische Störungen der Taste A 1 gegeben. Eine Servicemitarbeiterin der ... habe hierzu erklärt, die Taste A 1 klemme, man müsse mehrmals drücken, dann gehe das schon. Zu berücksichtigen sei auch, dass nicht die Beklagte, sondern allenfalls die ... geschädigt worden sei. Die streitgegenständliche Kündigung sei auch unwirksam, weil es sich um eine sogenannte herausgreifende Kündigung handele. Die Beklagte habe sechs Beschäftigte in vergleichbarer Situation nicht entlassen. Daraus folge, dass ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch mit dem Kläger zumutbar sei. Schließlich sei die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten. Bereits am 10. Januar 2014 sei eine Zuordnung der einzelnen Namen zu den jeweiligen Datennummern erfolgt. Die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung werde mit Nichtwissen bestritten.



Mit der am 20. Februar 2014 beim Arbeitsgericht Zwickau eingegangenen Klage hat der Kläger beantragt:

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche,



hilfsweise

ordentliche Kündigung der Beklagten vom 31.01.2014 aufgelöst worden ist.



Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.



Sie hat vorgetragen, die streitgegenständliche Kündigung sei wirksam, denn der Kläger habe bewusst unter Ausnutzung der Fehlfunktion des Kaltgetränkeautomaten mit der Nummer ... unberechtigte Aufbuchungen auf seiner Chipkarte vorgenommen und sich so insgesamt ein Guthaben in Höhe von 120,45 € erschlichen. Der Beklagten sei dadurch ein entsprechender Schaden entstanden, denn der Betrag fehle auf dem Treuhandkonto, so dass die Beklagte hierfür - unstreitig - einzustehen habe. Aufgrund des hohen Schadens und der hohen Anzahl der einzelnen ungerechtfertigten Aufbuchungen sei es der Beklagten nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei auch eingehalten. Die Key/Card-Saldenverfolgungsliste habe die Beklagte - unstreitig - erst am 13. Januar 2014 erhalten. Eine abschließende Kenntnisnahme habe die Beklagte erst nach der Anhörung des Klägers am 22. Januar 2014 erlangt, so dass die am 31. Januar 2014 zugegangene Kündigung noch innerhalb der zweiwöchigen Frist erfolgt sei. Die Key/Card-Saldenverfolgungsliste sei nicht fehlerhaft. Schließlich liege keine sogenannte herausgreifende Kündigung vor. Von 51 betroffenen Beschäftigten seien nur sechs Beschäftigte nicht entlassen worden. Dabei sei entscheidend gewesen der persönliche Eindruck, die Glaubhaftigkeit der Einlassungen der Mitarbeiter, die Sozialdaten sowie alle weiteren einzelfallbezogenen Umstände, insbesondere auch die Anzahl der Aufbuchungen sowie die Gesamtschadenshöhe. Die Voraussetzungen eines Verwertungsverbotes der Key/Card-Saldenverfolgungsliste lägen nicht vor.



Das Arbeitsgericht Zwickau hat mit Urteil vom 18. Juni 2014 - 8 Ca 328/14 - die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung (Bl. 114 ff. d. A.) Bezug genommen. Gegen das dem Kläger am 10. Juli 2014 zugestellte Urteil hat er mit Schriftsatz, der am 28. Juli 2014 beim Sächsischen Landesarbeitsgericht eingegangen ist, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz, der innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 7. Oktober 2014 beim Sächsischen Landesarbeitsgericht eingegangen ist, begründet.



Der Kläger trägt vor, die Kündigung sei unwirksam. Das Arbeitsgericht habe nicht hinreichend begründet, weshalb der Kläger die fehlerhaften Aufbuchungen bemerkt haben solle. Der Kläger habe zwar immer wieder die Tastenkombination A 1 des Automaten ... gedrückt; dies möge am 15. Juli 2013 bis zu sechs- und am 18. Juli 2013 bis zu achtmal - der Kläger könne sich nicht mehr genau erinnern - gewesen sein. Dies sei allerdings darauf zurückzuführen, dass der Kläger sehr gerne Orangensaft, den das Fach mit der Tastenkombination A 1 enthalten habe, trinke. Im Übrigen sei der Kläger darauf hingewiesen worden, dass er immer wieder die Taste drücken möge, bis sie dann funktioniere. Allerdings habe sie seit Juli 2013, obwohl sich in diesem Fach ein Getränk befunden habe, nie mehr funktioniert. Von den Aufbuchungen habe er nichts bemerkt. Im Übrigen ergäben sich ausweislich der vorgelegten Liste nur 94 unrechtmäßige Aufladungen und ein Gesamtbetrag von 118,85 €. Unrichtig sei auch die Annahme des Arbeitsgerichts, der Kläger habe am 18. Juli 2013 neunmal eine unrechtmäßige Aufbuchung vorgenommen, ausweislich der Liste seien es nur achtmal gewesen. Das Arbeitsgericht habe eine fehlerhafte Interessenabwägung durchgeführt. Die Störung des Arbeitsverhältnisses sei nicht so schwerwiegend, insbesondere wenn man berücksichtige, dass der Kläger seine Geldkarte regelmäßig auch rechtmäßig aufgeladen habe. Ebenfalls bestehe nach datenschutzrechtlichen Vorschriften ein Beweisverwertungsverbot bezüglich der vorgelegten Key/Card-Saldenverfolgungsliste, so dass dem Kläger die weiteren Verstöße jedenfalls nicht nachgewiesen werden könnten. Die Kündigung sei auch als sogenannte herausgreifende Kündigung unwirksam, denn die Beklagte habe nicht nachvollziehbar dargelegt, warum sechs Beschäftigte mit ähnlichen Arbeitsvertragspflichtverletzungen weiterbeschäftigt würden. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht eingehalten worden. Die Beklagte habe bereits seit Mitte des Jahres 2013 von Fehlfunktionen des Getränkeautomaten mit der Nummer ... gewusst. Warum sie daraus keine entsprechenden Folgerungen gezogen habe, müsse sie darlegen. Schließlich sei die Anhörung des Betriebsrates nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Der Betriebsrat sei nicht darüber unterrichtet worden, welche Geldbeträge der Kläger sich angeeignet haben solle. Ebenso fehle die Unterrichtung darüber, warum der Kläger im Gegensatz zu anderen Arbeitnehmern gekündigt werden solle.



Der Kläger beantragt:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Zwickau vom 18.06.2014 (8 Ca 328/14) wird abgeändert und es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen der Beklagten vom 31.01.2014 nicht beendet wurde.



Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen das angefochtene Urteil insbesondere mit Rechtsausführungen.



Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll nach § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO in Verbindung mit § 64 Abs. 6 ArbGG Bezug genommen.



Entscheidungsgründe



Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die Kündigungsschutzklage ist nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist aufgrund der außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 31. Januar 2014 zum 3. Februar 2014 aufgelöst worden.



A.



Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 lit. c) ArbGG an sich statthaft und auch im Übrigen form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).



B.



Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Die streitgegenständliche Kündigung ist wirksam.



I.



Die Kündigung gilt nicht bereits nach den §§ 4 Abs. 1 in Verbindung mit 7 KSchG als wirksam, denn der Kläger hat nach Zugang der Kündigung rechtzeitig innerhalb der Drei-Wochen-Frist Kündigungsschutzklage erhoben. Gegen die dem Kläger am 31. Januar 2014 zugegangene Kündigung hat er mit Schriftsatz, der am 20. Februar 2014, beim Arbeitsgericht Zwickau eingegangen ist, rechtzeitig Kündigungsschutzklage erhoben.



II.



Die außerordentliche Kündigung vom 31. Januar 2014 ist aus wichtigem Grund nach § 626 Abs. 1 BGB wirksam.



1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung der Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst festzustellen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich" und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Dann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (BAG vom 19. Juli 2012 - 2 AZR 989/11 - Rn. 38, NZA 2013, 143 [BAG 19.07.2012 - 2 AZR 989/11]; BAG vom 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 19, NZA 2014, 533 [BAG 29.08.2013 - 2 AZR 273/12] jeweils m. w. N.).



2. Unter Zugrundelegung der Rechtsgrundsätze ist die außerordentliche Kündigung vom 31. Januar 2014 bereits als (Tat-)Kündigung wirksam. Die Arbeitsvertragspflichtverletzungen des Klägers sind an sich geeignet, einen fristlosen Kündigungsgrund abzugeben (a). Eine umfassende Interessenabwägung führt zu dem Ergebnis, dass es der Beklagten nicht zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen.



a) Der Kläger verschaffte sich durch die Aufbuchung von Guthaben auf seiner Chipkarte einen ungerechtfertigten Vermögensvorteil, denn mit dem Guthaben aus den unberechtigten Aufladungen erwarb er in der Folgezeit Waren, ohne dafür den Kaufpreis mit eigenem Geld bezahlen zu müssen. Die Begehung derartiger, regelmäßig mit einem Vertrauensbruch verbundenen Vermögensdelikte sind an sich geeignet, einen wichtigen Grund zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung abzugeben (BAG vom 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 18 m. w. N., NZA 2011, 571 [BAG 16.12.2010 - 2 AZR 485/08]; BAG vom 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 13 m. w. N., BAGE 145, 278). Dem steht nicht entgegen, dass, wie der Kläger vorträgt, der Schaden nicht bei der Beklagten, sondern bei der ... eingetreten sei. Auch zum Nachteil eines Vertragspartners des Arbeitgebers begangene Eigentums- und Vermögensdelikte stellen eine vertragliche Nebenpflichtverletzung dar, die geeignet ist, auch eine außerordentliche Kündigung "an sich" zu rechtfertigen (BAG vom 6. November 2003 - 2 AZR 631/02 - Rn. 37 m. w. N., NZA 2004, 919 [BAG 06.11.2003 - 2 AZR 631/02]; so bereits Sächsisches Landesarbeitsgericht vom 9. Januar 2015 - 3 Sa 476/14 -).



b) Die Gesamtwürdigung der konkreten Umstände des Einzelfalles fällt zugunsten der Beklagten aus.



aa) In einer Gesamtwürdigung ist das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalles unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen der in Rede stehenden Pflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen anderen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG vom 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 17, BAGE 146, 303).



bb) Unter Berücksichtigung dieser Kriterien lassen sich für die Beklagte mildere zumutbare Reaktionsmöglichkeiten auf die Arbeitsvertragsverletzungen des Klägers nicht feststellen.



aaa) Zunächst ist zu Lasten des Klägers der hohe Schaden und die große Anzahl der einzelnen rechtswidrigen Aufbuchungen zu berücksichtigen. Der Kläger hat die Beklagte, die für einen Fehlbestand des Treuhandkontos haftet, in Höhe von insgesamt 120,45 € durch insgesamt 96 rechtswidrige Aufbuchungen geschädigt. Die Key/Card-Saldenverfolgungsliste dokumentiert in dem Zeitraum vom 9. Juli 2013 4:17 Uhr und dem 10. Dezember 2013, 15:59 Uhr, nicht wie der Kläger meint, 94, sondern insgesamt 96 fehlerhafte Aufbuchungen, die zu einer unrechtmäßigen Aufwertung, nicht wie der Kläger meint, in Höhe von 118,85 €, sondern in Höhe von 120,45 € geführt haben. Diese in der Key/Card-Saldenverfolgungsliste dokumentierten Aufbuchungen, an deren Richtigkeit und Verwertbarkeit keine Zweifel bestehen, hat der Kläger bewusst und zielgerichtet vorgenommen. Dabei fällt nicht ins Gewicht, dass der Kläger möglicherweise annahm, nicht die Beklagte, sondern einen Vertragspartner der Beklagten zu schädigen.



(1) Die Kammer hat an der inhaltlichen Richtigkeit der Key/Card-Saldenverfolgungsliste keine Zweifel. Entgegen der Auffassung des Klägers lässt keine systemwidrige Dokumentation der Aufladungen am 09. und 18. Juli 2013 auf eine generelle Unrichtigkeit der Liste schließen. Diese Dokumentationen sind nicht systemwidrig. Am 9. Juli 2013 um 4:17 Uhr erwarb der Kläger aus dem Automaten ... ein Getränk zum Preise von einem 1,20 €. Das Anfangsguthaben um 4:17 Uhr entsprach dem Restguthaben nach dem vorausgegangenen Vorgang vom 9. Juli 2013 um 4:01 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt hat der Kläger an dem Pfandrückgabeautomat ... offensichtlich eine leere Flasche zurückgegeben und eine Aufbuchung in Höhe des Pfandes von 0,25 Cent erhalten. Der Verkaufsvorgang vom 9. Juli 2013, 4:17 Uhr führte zu einer Belastung von 1,20 €, so dass sich das Anfangsguthaben von 19,78 € auf 18,58 € reduzierte. Dieses Restguthaben in Höhe von 18,58 € stimmt mit dem Anfangsguthaben des nächsten Kaufvorgangs vom 9. Juli 2013 um 22:13 Uhr nicht überein, sondern ist mit 19,78 € um 1,20 € höher. Das heißt, der Kläger hat am 9. Juli 2013, um 22:13 Uhr die Taste A 1 mit der Folge gedrückt, dass zu Unrecht der Kaufpreis des letzten ordnungsgemäß getätigten Verkaufs in Höhe von 1,20 € gutgeschrieben worden ist. Von einer systemwidrigen Dokumentation kann hier kein Rede sein. Dies gilt auch für den Kaufvorgang vom 18. Juli 2013, 15:45 Uhr. Der Kaufvorgang um 15:45 Uhr begann mit einem Anfangssaldo von 10,01 €, welches dem Restsaldo des vorausgegangenen Verkaufsvorgangs um 15:18 Uhr entsprach. Es erfolgte eine Aufbuchung in Höhe von 1,20 €. Hierbei handelt es sich um die Rückbuchung des fehlgeschlagenen Kaufs an dem Automat ... mit der Tastenfolge A 1, die am 18. Juli 2013, um 15:18 Uhr zu einer ungerechtfertigten Aufbuchung von 1,20 € führte, gleichzeitig zu der Abbuchung des Kaufpreises, der dann - der Automat "merkt" sich erforderliche Rückbuchungen - bei der nächsten Automatennutzung um 15:45 Uhr wieder gutgeschrieben wurde. Auch insoweit ist die Dokumentation systemgerecht. Auch wurden die rechtswidrigen Aufbuchungen "nur" dergestalt dokumentiert, dass in der Spalte "Startsaldo" ein höherer Betrag als in der vorausgegangenen Zeile "Restsaldo" erschien.



Auch die aufgetretenen Fehlfunktionen an dem Kaltgetränkeautomat ... begründen nicht die Vermutung, dass auch die Key/Card-Saldenverfolgungslisten fehlerhaft erstellt worden sind. Die Fehlerhaftigkeit des Automaten beschränkte sich auf einen mechanischen Fehler, der auf die Richtigkeit der Key/Card-Saldenverfolgungslisten keinen Einfluss hatte.



(2) Die prozessuale Verwertung der Key/Card-Saldenverfolgungsliste ist nicht nach § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 32 Abs. 1 BDSG unzulässig.



Nach § 4 Abs. 1 BDSG sind die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nur zulässig, soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat. Liegt keine Einwilligung des Betroffenen vor, ist die Datenverarbeitung nach dem Gesamtkonzept des BDSG nur zulässig, wenn eine verfassungsgemäße Rechtsvorschrift dies erlaubt (siehe auch BAG vom 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 22, BAGE 145, 278). Gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten zum Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach dessen Begründung für seine Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Nach § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG dürfen zur Aufdeckung von Straftaten personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind. Damit verlangt § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG eine am Verhältnismäßigkeitsprinzip orientierte, die Interessen des Arbeitgebers und des Beschäftigten berücksichtigende Abwägung im Einzelfall. Das Bundesarbeitsgericht hat eine heimliche Öffnung des Spinds des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber zur Aufdeckung einer Straftat als unzulässig angesehen, weil der Arbeitgeber andere Möglichkeiten zur Aufdeckung der Straftat gehabt habe und somit ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bestanden habe (BAG vom 20. Juni 2013, a. a. O.).



Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze ist die Verwertung der persönlichen Daten des Klägers in der Key/Card-Saldenverfolgungsliste nicht unzulässig. Die Beklagte durfte die erhobenen Daten deanonymisieren und zur Aufdeckung der Vermögensdelikte des Klägers verwenden. Dies ergibt sich daraus, dass die Beklagte zur Aufdeckung der Vermögensdelikte in Höhe von insgesamt 13.700,00 € keine andere Möglichkeit hatte als die personenbezogenen Daten zu deanonymisieren und Key/Saldenverfolgungsliste erstellen zu lassen. Hinzukommt die Höhe des Schadens im Verhältnis zu den nur 68 tatverdächtigen Beschäftigten.



Die Nutzung ist somit zur Aufdeckung einer Straftat auch ohne die Zustimmung des Klägers zulässig. Es kann deshalb dahinstehen, ob der Kläger mit seinem Geständnis der rechtswidrigen Aufbuchungen in der Anhörung vom 22. Januar 2014 auch eine Einwilligung zur Nutzung dieser personenbezogenen Daten gegeben hat. Entgegen der Auffassung des Klägers wäre ein milderes Mittel auch nicht eine Videoüberwachung des Getränkeautomaten gewesen. Unabhängig von der Frage der Zulässigkeit einer solchen Videoüberwachung wäre sie nicht geeignet gewesen, die unrechtmäßigen Aufbuchungen des Klägers festzustellen. Dies ergibt sich auch daraus, dass die Beklagte vor dem 10. Januar 2014 möglicherweise von einem mechanischen Defekt des Getränkeautomaten wusste, indessen keinerlei Anlass hatte anzunehmen, dass jener Automat solche rechtswidrigen Aufbuchungen ermöglichte. Damit kann auch dahinstehen, ob die streitgegenständliche außerordentliche Kündigung als Tat- oder Verdachtskündigung schon allein aufgrund des Geständnisses des Klägers vom 22. Januar 2014 wirksam ist.



(3) Die Kammer hat keinen Zweifel, dass der Kläger bewusst 96 Aufbuchungen vorgenommen hat, um sich ein ihm nicht zustehenden Vermögensvorteil in Höhe von 120,45 € zu verschaffen. Dies folgt bereits aus der Anhörung vom 22. Januar 2014, in dem der Kläger zugegeben hat, die fehlerhafte Funktionsweise des Kaltgetränkeautomaten in Halle 23 zu kennen. Außerdem hat er zugegeben, dass am 18. Juli 2013 mit seinem Ausweis neun Vorgänge an jenem Automaten durchgeführt zu haben, welche zu einer Gutschrift von insgesamt 9,75 € führten. Dass es an diesem Tag insgesamt mehr als neun Vorgänge waren, allerdings nur bei acht Vorgängen unrechtmäßige Aufladungen in Höhe von 9,75 € erfolgten, lässt keine Zweifel daran aufkommen, dass der Kläger bewusst in einem erheblichen Umfang rechtswidrige Aufbuchungen vorgenommen hat. Auf den Hinweis, dass derartige Vorgänge systematisch durchgeführt worden seien, und auf die Frage nach einer Erklärung antwortete der Kläger mit "Entschuldigung nicht mit Gier oder Bereicherung wollte nicht VWS schädigen." Damit räumt er die ihm zur Last gelegten Vermögensdelikte ein, bittet indessen um eine Entschuldigung und versucht sie zu erklären, um sie in einem nicht so negativen Licht erscheinen zu lassen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in der Anhörung vom 22. Januar 2014 seine Vorgehensweise zu Unrecht einräumte, sind nicht erkennbar. Schon deshalb bestehen keine Zweifel, dass der Kläger entgegen seiner nunmehrigen Einlassung die fehlerhafte Funktionsweise des Kaltgetränkeautomaten bewusst zu seinen Gunsten wie in der Key/Card-Saldenverfolgung dokumentiert ausgenutzt hat. Dies wird auch dadurch ersichtlich, dass die Anzahl der Nutzungen des Kaltgetränkeautomaten mit der Nummer 28422 ab Juli 2013, zu dem Zeitpunkt ,als der Kläger die Möglichkeit einer rechtswidrigen Aufladung erkannte, deutlich zunahm. Es ist auch nicht glaubwürdig, wenn der Kläger behauptet, er habe am 18. Juli 2013 bis zu achtmal und auch in den darauffolgenden Tagen und Wochen immer wieder die Taste A 1 gedrückt in der Hoffnung, ein Getränk zu erhalten, obwohl allein am 18. Juli 2013 diese Hoffnung achtmal enttäuscht wurde. Das häufige und wiederholte Drücken der Taste A 1 hatte damit nur den Zweck, eine unberechtigte Aufladung zu bewirken. Entgegen der Auffassung des Klägers spricht auch nicht das Verhältnis des Gesamtumsatzes zur unrechtmäßigen Aufladung dagegen. Es ist schon unzutreffend, dass einem Gesamtumsatz von 1.396,40 € ein unrechtmäßig aufgeladener Betrag in Höhe von 120,45 € gegenübersteht. Während des Zeitraums der unrechtmäßigen Aufladungen vom 9. Juli 2013 und dem 10. Dezember 2013 steht dem aufgeladenen Betrag in Höhe von 120,45 € ein Gesamtumsatz von gut 600,00 € gegenüber. Deshalb hat der Kläger ca. 20 Prozent seines Gesamtumsatzes unrechtmäßig aufgeladen. Es ist ausgeschlossen, dass der Kläger dies nicht bemerkt hat. Entgegen der Auffassung des Klägers lässt auch die Tatsache, dass er auch rechtmäßige Aufladungen vornahm, keine andere Bewertung zu.



bbb) Unter Berücksichtigung dieser zahlreichen Vermögensdelikte zu Lasten der Beklagten folgt aus der abschließenden umfassenden Interessenabwägung, dass das Interesse der Beklagten an der Lösung des Arbeitsverhältnisses gewichtiger ist als das Bestandschutzinteresse des Klägers. Zwar war der Kläger einschließlich der Berufsausbildung ca. zehn Jahre bei der Beklagten beschäftigt. Er ist indessen mit 26 Jahren noch sehr jung und hat durchaus die Möglichkeit, beruflich an anderer Stelle wieder Fuß zu fassen. Hinzukommt, dass keinerlei Unterhaltspflichten bestehen. Nicht zuletzt besteht auch im Hinblick auf die Nachhaltigkeit seiner 96 Einzeltaten durchaus die Gefahr einer Wiederholung, sollte sich dem Kläger eine entsprechende Gelegenheit einmal wieder bieten. Nach alledem fällt die Interessenabwägung zu Lasten des Klägers aus.



ccc) Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Beklagte von 51 betroffenen Beschäftigten sechs Beschäftigte weiterbeschäftigt hat. Hieraus kann nicht gefolgert werden, dass es der Beklagten zumutbar sei, auch den Kläger weiterzubeschäftigen.



Eine mittelbare Auswirkung auf die Interessenabwägung kann der hier geltend gemachte Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz allerdings dann haben, wenn der Arbeitgeber bei gleicher Ausgangslage (gleichartige Pflichtverletzung) nicht allen beteiligten Arbeitnehmern kündigt und daraus zu schließen ist, dass es für ihn zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis auch mit den gekündigten Arbeitnehmern fortzusetzen (BAG vom 22. Februar 1979 - 5 AZR 115/78 - Rn. 11, DB 1979, 1659; Sächsisches Landesarbeitsgericht vom 10. September 2008 - 6 Sa 384/08 - DB 2009, 605).



Im vorliegenden Fall fehlt es schon an einer gleichen Ausgangslage. Alle sechs weiterbeschäftigten Arbeitnehmer haben einen deutlich geringeren Gesamtschaden durch ihre rechtswidrigen Aufbuchungen vorgenommen. Damit liegt eine sachgerechte Differenzierung vor (so bereits Sächsisches Landesarbeitsgericht vom 8. Januar 2015 - 6 Sa 456/14 -; Sächsisches Landesarbeitsgericht vom 2. März 2011 - 6 Sa 871/10 - Rn. 29).



3. Die Kündigung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil als milderes Mittel eine Abmahnung ausgereicht hätte. Eine Abmahnung ist grundsätzlich erforderlich, um den Arbeitnehmer die Möglichkeit zu geben, sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv zu beeinflussen. Einer Abmahnung bedarf es allerdings dann nicht, wenn eine Vertragsänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten ist oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG vom 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 37 m. umf. w. N., BAGE 134, 349). Im Hinblick auf die Schwere und die Nachhaltigkeit der vom Kläger begangenen Vermögensdelikte war es für ihn erkennbar, dass eine Hinnahme dieser Pflichtverletzung durch die Beklagte offensichtlich ausgeschlossen war.



III.



Die streitgegenständliche Kündigung ist dem Kläger auch innerhalb der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB zugegangen.



1. Nach § 626 Abs. 2 BGB kann die ordentliche Kündigung innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglichen, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht (BAG vom 22. November 2012 - 2 AZR 732/11 - Rn. 30, NZA 2013, 665 [BAG 22.11.2012 - 2 AZR 732/11]).



2. Unter Berücksichtigung dessen begann die zweiwöchige Frist am 22. Januar 2014 zu laufen und endete am 5. Februar 2014 (§§ 187 Abs. 1; 188 Abs. 2, 1. Alt. BGB), so dass die am 31. Januar 2014 zugegangene Kündigung innerhalb der zweiwöchigen Frist und damit rechtzeitig erfolgte.



Die Frist begann mit Abschluss der Anhörung des Klägers am 22. Januar 2014 zu laufen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte aufgrund der Anhörung erst vollständige Kenntnis über Umfang, Identität und Reichweite der dem Kläger zur Last gelegten Vermögensdelikte erhalten. Die Beklagte hat auch zügig und zeitnah nach den ersten Informationen über die rechtswidrigen Aufbuchungen die weitere Aufklärung vorangetrieben, die dem Kläger zuzuordnende Key/Card-Saldenverfolgungsliste erhielt die zuständige Kündigungsberechtigte am 13. Januar 2014. Die Anhörung des Klägers erfolgte im Anschluss daran unverzüglich.



IV.



Schließlich ist die Kündigung nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.



1. Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitzuteilen, das heißt der Arbeitgeber muss schriftlich oder mündlich dem Betriebsrat neben näheren Informationen über die Person des betroffenen Arbeitnehmers die Art und den Zeitpunkt der Kündigung und die seiner Ansicht nach maßgeblichen Kündigungsgründe mitteilen (st. Rspr. s. BAG, Urteil vom 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - AP Nr. 47 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; BAG, Urteil vom 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Namensliste; BAG, Urteil vom 15. November 1995 - 2 AZR 974/94 - AP Nr. 73 zu § 102 BetrVG 1972 jeweils m. w. N.). Der für den Arbeitgeber maßgebende Sachverhalt ist unter Angabe der Tatsachen, aus denen der Kündigungsentschluss hergeleitet wird, näher so zu beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschung in die Lage versetzt wird, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über eine Stellungnahme schlüssig zu werden. Kommt der Arbeitgeber diesen Anforderungen an seine Mitteilungspflicht nicht oder nicht richtig nach und unterlaufen ihm insoweit bei der Durchführung der Anhörung Fehler, ist die Kündigung unwirksam. Allerdings ist die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers subjektiv determiniert. An sie sind nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess. Es müssen dem Betriebsrat also nicht alle objektiv kündigungsrechtlich erheblichen Tatsachen, sondern nur die vom Arbeitgeber für die Kündigung als ausschlaggebend angesehenen Umstände mitgeteilt werden. Dagegen führt eine aus Sicht des Arbeitgebers bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung zu einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats (BAG, Urteil vom 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - a. a. O. m. u. w. N.). Dem Betriebsrat müssen nicht diejenigen Tatsachen mitgeteilt werden, von denen er schon Kenntnis hat.



2. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze genügt das Schreiben der Beklagten an den Betriebsrat vom 22. Januar 2014 diesen Anforderungen. Dieses detaillierte Schreiben begründet im Einzelnen die aus der Sicht der Beklagten kündigungserheblichen Vorgänge. Dem Schreiben beigefügt war die Key/Card-Saldenverfolgungsliste sowie das Protokoll über die Anhörung des Klägers nebst seiner Stellungnahme. Damit hat die Beklagte den Betriebsrat umfassend und ordnungsgemäß unterrichtet.



Der Ordnungsgemäßheit des Betriebsrates steht nicht entgegen, dass die Beklagte den Betriebsrat über "9 Vorgänge" am 18. Juli 2013 unterrichtete. Selbst wenn man hier unter Vorgang den zur rechtswidrigen Aufladung führenden Vorgang versteht, ist der Irrtum über einen Vorgang rechtlich unerheblich. Es blieben doch als kündigungsrelevanter Sachverhalt 95 rechtswidrige Aufbuchungen. Im Übrigen konnte sich der Betriebsrat aufgrund der ihm vorgelegten Key/Card-Saldenverfolgungsliste ein eigenes Bild über die Anzahl der unrechtmäßigen Aufladung machen und feststellen, dass es am 18. Juli 2013 mehr als neun Vorgänge insgesamt, indessen acht Vorgänge, die zu unrechtmäßigen Aufbuchungen führten, gegeben hat. Ein solches Versehen der Beklagten macht die Betriebsratsanhörung nicht fehlerhaft, zumal es insgesamt tatsächlich 96 rechtswidrige Aufbuchungen waren. Schließlich musste die Beklagte den Betriebsrat nicht über diejenigen Gründe informieren, die zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses der weiteren sechs betroffenen Beschäftigten geführt haben. Dies gehörte nicht zu den für die Beklagte maßgeblichen Kündigungsgründen.



C.



Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Berufung zu tragen.



Veranlassung für die Zulassung der Revision bestanden nicht.

Verkündet am 29.01.2015

Vorschriften§§ 4, 32 BDSG, § 626 Abs. 2 BGB, § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO, §§ 4 Abs. 1, 7 KSchG, § 626 Abs. 1 BGB, § 32 Abs. 1 BDSG, § 4 Abs. 1 BDSG, § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG, § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 1. Alt. BGB, § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG, § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, § 97 Abs. 1 ZPO

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