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28.09.2005 · IWW-Abrufnummer 052721

Finanzgericht Münster: Urteil vom 24.05.2005 – 15 K 2752/01 U

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Münster

15 K 2752/01 U 24.05.2005
15. Senat

Urteil

Tenor:

Der USt-Bescheid für 1998 vom 04.04.2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.04.2001 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Übertragung eines Miteigentumsanteils an einer umsatzsteuerpflichtig vermieteten Immobilie auf den Ehepartner eine Vorsteuerkorrektur gemäß § 15 a UStG auslöst, wenn die Immobilie anschließend durch die neu entstandene Ehegattengrundstücksgemeinschaft steuerpflichtig an dieselbe GmbH wie vorher vermietet wird.

Die Klägerin (Klin.) war Alleineigentümerin von zwei aneinander angrenzenden, bebauten Gewerbegrundstücken, C*******straße 11 bis 22 und O*****straße in C*****. Diese Grundstücke waren seit 1986 umsatzsteuerpflichtig an eine B****** GmbH vermietet. In den Jahren 1989 bis 1996 wandte die Klin. auf die Gewerbeobjekte Herstellungskosten auf, aus denen sie jeweils den Vorsteuerabzug geltend machte. Es wird wegen der Einzelheiten auf die Darstellung des Beklagten (Bekl.) in der Einspruchsentscheidung (EE) vom 19.04.2001 Bezug genommen.

Mit notariellen Verträgen vom 29.07.1998 und 06.11.1998 übertrug die Klin. mit Wirkung vom 01.10.1998 unentgeltlich den halben Miteigentumsanteil an den Grundstücken auf ihren Ehemann. Die aus den Eheleuten bestehende Grundstücksgemeinschaft trat mit Wirkung vom 01.10.1998 in den Mietvertrag mit der B****** GmbH ein. Zum 01.11.1999 wurde wegen zwischenzeitlich erfolgter Baumaßnahmen eine Erhöhung des Mietzinses vereinbart.

Die Klin. erklärte für das Streit jahr 1998 lediglich die Miete aus den Objekten bis zur Veräußerung der Miteigentumsanteile. Die USt-Erklärung der Klin. wurde zunächst der Besteuerung zu Grunde gelegt. Im Jahr 2000 fand eine USt-Sonderprüfung bei der Klin. statt. Die Prüfer waren der Auffassung, durch die unentgeltliche Übertragung der Miteigentumsanteile habe die Klin. einen gemäß § 4 Nr. 9 a UStG steuerfreien Eigenverbrauch verwirklicht. Die bei der Klin. verbleibenden Miteigentumsanteile seien von ihr unentgeltlich der Ehegattengrundstücksgemeinschaft überlassen worden, wodurch ein weiterer Eigenverbrauch verwirklicht werde, der gemäß § 4 Nr. 12 a UStG steuerfrei sei. Wegen der steuerfreien Verwendung sei der Vorsteuerabzug gemäß § 15 a UStG zu berichtigen. Es wird wegen der Einzelheiten auf den Außenprüfungsbericht vom 16.03.2000 samt Anlagen Bezug genommen.

Der Bekl. änderte nach Maßgabe des oben genannten Außenprüfungsberichts die USt-Festsetzung der Klin. für das Streitjahr (Bescheid für 1998 über USt vom 04.04.2000). Der dagegen von der Klin. eingelegte Einspruch war erfolglos (EE vom 19.04.2001).

Dagegen richtet sich die Klage.

Die Klin. trägt vor, durch die Übertragung der Miteigentumsanteile auf ihren Ehemann sei eine Grundstücksgemeinschaft entstanden, diese sei in den Mietvertrag zwischen der Klin. und der GmbH eingetreten. Die Klin. habe eine Geschäftsveräußerung im Ganzen gemäß § 1 Abs. 1 a UStG vorgenommen, denn das bisherige (Vermietungs) Unternehmen sei auf die nunmehr als Vermieterin auftretende Grundstücksgemeinschaft übergegangen. Falls die Auffassung des Bekl., nach der die Regelung des § 1 Abs. 1 a UStG bei der Übertragung von Miteigentumsanteilen nicht greife, richtig sei, habe die ab 1994 geltende Regelung über die Nichtsteuerbarkeit von Geschäftsveräußerungen im Ganzen teilweise ihren Sinn verfehlt. Die genannte Regelung bezwecke nämlich u. a. die Vermeidung von sachlich und systematisch nicht gebotenen Vorsteuerkorrekturen. Die Bruchteilsgemeinschaft sei darüber hinaus mit anderen Personengesellschaften, die eigene Steuersubjekte darstellen könnten, gleichzubehandeln.

Die Klin. beantragt,
den USt-Anderungsbescheid für 1998 vom 04.04.2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.04.2001 aufzuheben,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Er nimmt Bezug auf seine EE.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klin. in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO). Der Vorsteuerabzug aus den Herstellungsaufwendungen für die streitbefangenen Grundstücke ist nicht gemäß § 15 a UStG zu berichtigen. Der Berichtigungszeitraum ist durch die Übertragung der Miteigentumsanteile von der Klin. auf ihren Ehemann nicht unterbrochen (§ 15 a Abs. 6 a UStG), denn es lag insoweit eine Geschäftsveräußerung i. S. v. § 1 Abs. 1 a UStG vor.

Seit dem 01.01.1994 unterliegen die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht mehr der Umsatzbesteuerung. Als Folge dieser Neuregelung bestimmt der ebenfalls zum 01.01.1994 eingeführte § 15 a Abs. 6 a UStG, dass der maßgebende Berichtigungszeitraum von 5 bzw. 10 Jahren nicht unterbrochen wird. Überträgt ein Unternehmer sein Unternehmen an einen anderen Unternehmer, führt dies nicht zu einer Belastung mit USt und beim leistenden Unternehmer nicht zu einer Änderung der Verhältnisse. Der Übertragungsempfänger führt das Unternehmen unter Beachtung der bislang maßgebenden Verhältnisse fort. Er tritt in die Fristen und Pflichten nach § 15 a UStG ein (sh. dazu Hundt-Eßwein, Offerhaus/Söhn/Lange, § 15 a UStG Rdnr. 80 a ff). Das Vorliegen einer Geschäftsveräußerung ist unter Beachtung der Vorgaben des Art. 5 Abs. 8 6. EGRL und der Auslegung dieser Vorschrift durch den EuGH zu prüfen. Demnach liegt eine Geschäftsveräußerung vor, wenn die Übertragung materielle und gegebenenfalls immaterielle Bestandteile umfasst, die zusammen genommen ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann. Eine bloße Übertragung von Gegenständen, wie den Verkauf eines Warenbestandes, stellt keine Geschäftsveräußerung dar (EuGH-Urteil vom 27. November 2003 - C 497/01 Zita Modes Sari, UR 2004,19, Rdnr. 40). Es werden von Art. 5 Abs. 8 6. EGRL diejenigen Übertragungen erfasst, bei denen der Begünstigte beabsichtigt, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil weiter zu betreiben und nicht nur die betreffende Geschäftstätigkeit sofort abzuwickeln, sowie gegebenenfalls den Waren bestand zu verkaufen (EuGH, a.a.O. Rdnr. 44). Es ist aber nicht erforderlich, dass der Begünstigte vor der Übertragung eine wirtschaftliche Tätigkeit derselben Art ausgeübt hat, wie der Übertragende (EuGH, a.a.O. Rdnr. 45).

Nach den vorgenannten Grundsätzen hat die Klin. eine nichtsteuerbare. Geschäftsveräußerung im Sinne von § 1 Abs. 1 a UStG bzw. Art. 5 Abs. 8 6. EGRL vorgenommen. Durch die Übertragung der Miteigentumsanteile an den Grundstücken an ihren Ehemann ist gemäß § 741 ff BGB eine Bruchteilsgemeinschaft entstanden. Zusätzlich zur Übertragung der Miteigentumsanteile hat die Klin. den jeweils bei ihr verbliebenen Miteigentumsanteil der Bruchteilsgemeinschaft zur Nutzung überlassen, denn ansonsten hätte die Bruchteilsgemeinschaft nicht aus eigenem Recht eine Vermietung der gesamten Grundstücke vornehmen können. Die Klin. hat somit ihr gesamtes Unternehmen aufgegeben und in ein neu es Unternehmen, die Bruchteilsgemeinschaft, eingebracht. Die Auffassung des Bekl., die Klin. habe den Miteigentumsanteil an ihren Ehemann und nicht an das die steuerpflichtige Vermietung ausführende Unternehmen, die Bruchteilsgemeinschaft, übertragen, geht fehl. Die Bruchteilsgemeinschaft entsteht nämlich gleichzeitig mit Übertragung des Miteigentumsanteils an den anderen Miteigentümer. Eine Übertragung "an" die Bruchteilsgemeinschaft ist rechtlich nicht möglich. Zur Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen ist nicht erforderlich, dass eine vollständige zivilrechtliche Übertragung des gesamten Unternehmens auf das neue Unternehmen erfolgt. Ausreichend ist, wenn der übernehmende Unternehmer die nicht zu Eigentum übertragenen Wirtschaftsgüter langfristig nutzen kann und so die dauerhafte Fortführung des Unternehmens gewährleistet ist (BFH-Urteil vom 04. Juli 2002 V R 10/01, BFHE 199, 66, BStBl1i 2004, 662).

Die vom Bekl. herangezogenen BFH-Urteile vom 27. April 1994 XI R 85/92, BFHE 175,460, BStBI1I1995, 30 und vom 27. April 1994, XI R 91 - 92/92, BFHE 174, 559, BStB11I1994, 826 stützen nicht seine Auffassung. Die Urteile sind zum UStG 1980 ergangen. Zum damaligen Zeitpunkt gab es die Regelung über die Nichtsteuerbarkeit von Geschäftsveräußerungen (§ 1 Abs. 1 a UStG) noch nicht. Die Übertragung der Miteigentumsanteile konnte daher nur eine steuerbare Leistung oder Eigenverbrauch sein.

Das hier vertretene Ergebnis ist auch systemkonform. Nach dem das USt-Recht beherrschenden Prinzip der Neutralität der USt (sh. dazu EuGH a.a.O., Rdnr. 38 m.w.N.) sollen die wirtschaftlich Tätigen grundsätzlich von der USt entlastet werden. Lediglich der Letztverbrauch soll der USt unterliegen. Die Regelungen über die Nichtsteuerbarkeit von Geschäftsveräußerungen bezwecken, dass Übertragungen von Unternehmen steuerlich vereinfacht werden und wollen vermeiden, dass der Übertragungsnehmer zunächst mit USt belastet wird, die er durch den Vorsteuerabzug , wiedererlangen würde. Im Streitfall bleibt das gesamte ursprünglich der Klin. gehörende Grundstück umsatzsteuerbehaftet, da die Vermietung durch die Bruchteilsgemeinschaft steuerpflichtig erfolgt. Eine Belastung der Klin. mit zurückzuzahlender Vorsteuer gemäß § 15 a UStG würde zu einer systemwidrigen USt-Belastung bei der Klin. führen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO; die über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis auf §§ 151,155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10,711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Die Zulassung der Revision erfolgt wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Das Urteil weicht von Abschn. 215 Abs. 8 Nr. 3 c UStR 2005 (früher: Abschn. 215 Abs. 7 Nr. 3 c UStR) ab. Demgegenüber ist in den Regelungen zu § 1 Abs. 1 a UStG (Absehn. 5 Abs. 1 S. 7 UStR 2005) die neuere Rechtsprechung des BFH zur Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen auch bei Zurückbehaltung wesentlicher Betriebsgrundlagen und Gewährleistung einer dauerhaften Unternehmensfortführung aufgenommen worden. Die zuletzt genannte Verwaltungsauffassung stützt die Auffassung des Senats.

RechtsgebietUStGVorschriften§§ 1 Abs. 1a, 15a UStG

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