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05.03.2015 · IWW-Abrufnummer 143986

Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 21.10.2014 – 9 K 2257/13 E

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Düsseldorf

9 K 2257/13 E

Tenor:

Unter Aufhebung des Einkommensteuerbescheids für 2011 vom 30.11.2012 wird die Einkommensteuerfestsetzung 2011 dahingehend geändert, dass – gekürzt um die zumutbare Eigenbelastung – außergewöhnliche Belastungen von 7.385 € anerkannt werden.

Die Ermittlung der festzusetzenden Steuer wird der Finanzbehörde übertragen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

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Streitig ist die Berücksichtigung von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung.

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Die klagenden Eheleute erzielten im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Ihr zu versteuerndes Einkommen betrug 53.010 €. Mit ihren beiden in den Jahren 2000 und 2002 geborenen Kindern bewohnten sie das Haus … in A-Stadt. In der Steuererklärung für das Streitjahr machten sie Zivilprozesskosten in Höhe von 7.485 € als außergewöhnliche Belastung geltend. Die Kläger sind nicht rechtschutzversichert.

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Die Aufwendungen entstanden durch eine Erbstreitigkeit. Die Klägerin und ihre Eltern erwarben im Jahr 1995 zum Kaufpreis von 600.000 DM je zur Hälfte das Zweifamilienhaus … in A-Stadt. Den auf sie entfallenden Kaufpreisanteil finanzierte die Klägerin in Höhe von 200.000 DM. 100.000 DM wurden ihr von den Eltern im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zur Verfügung gestellt. Durch Testament setzten sich die Eltern der Klägerin wechselseitig als Erben ein. Der Längstlebende sollte von der Klägerin und ihrem Bruder (B) als Schlusserben beerbt werden, mit der Maßgabe, dass die Klägerin den bereits erhaltenen Betrag von 100.000 DM auszugleichen habe. Der Vater der Klägerin verstarb kurz danach. Die Mutter übertrug der Klägerin im Jahr 2000 ihren ½ Miteigentumsanteil. Als Gegenleistung erhielt die Mutter ein lebenslanges Wohnrecht an den Räumen im Erdgeschoss. Außerdem verpflichtete sich die Klägerin, die Mutter bis an ihr Lebensende zu betreuen und zu pflegen. Kurz danach verstarb der Bruder der Klägerin. Dessen Ehefrau schlug ihr Erbe aus, so dass er von seinem Adoptivsohn C (C) beerbt wurde. Als im Jahr 2004 die Mutter der Klägerin verstarb, wurde sie je zur Hälfte von der Klägerin und C beerbt. Dieser war der Auffassung, die Übertragung des ½ Miteigentumsanteils im Jahr 2000 stelle eine seinen Erbteil beeinträchtigende Schenkung dar und sei rückabzuwickeln. Als die Klägerin sich weigerte, verklagte er sie und beantragte, der Übertragung des im Jahr 2000 erworbenen hälftigen Miteigentumsanteils an dem Haus … auf die Erbengemeinschaft zuzustimmen und insoweit die Eintragung der Erbengemeinschaft im Grundbuch zu bewilligen. Außerdem beantragte er, festzustellen, dass die Klägerin gemäß § 2050 BGB die im Jahr 1995 erhaltene Geldzuwendung von 100.000 DM auszugleichen habe. Wegen der Hilfsanträge wird auf Blatt 35 der Finanzgerichtsakte verwiesen. Das Landgericht D verurteilte die Klägerin mit Urteil vom ….2011 (Aktenzeichen: …), an C 25.998 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszins ab dem 07.07.2007 zu zahlen. Das Gericht stellte außerdem fest, dass sich die Klägerin bei der Teilung des Nachlasses ihrer Mutter 51.129 € auf ihren Erbteil anrechnen lassen muss. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin wies das Oberlandesgericht D die Klage mit Urteil vom ….2012 insgesamt ab und verurteilte C zur Tragung aller Kosten (Aktenzeichen: …). Wegen weiterer Einzelheiten wird auf Blatt 30-55 der Finanzgerichtsakte verwiesen.

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Für die erste Instanz entstanden der Klägerin Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 5.261 €. Durch die Einlegung der Berufung fielen Gerichtskosten in Höhe von 2.224 € an, die in Höhe von 100 € aber erst im Jahr 2012 entrichtet wurden.

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In dem Einkommensteuerbescheid vom 30.11.2012 lehnte das beklagte Finanzamt (FA) die Berücksichtigung einer außergewöhnlichen Belastung ab.

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Die Kläger legten am 12.12.2012 Einspruch ein und trugen vor, es sei ihnen bekannt, dass der Fiskus das Urteil des BFH zu Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung vom 12.06.2011 VI R 42/10 (Fundstelle: BStBl II, 2011, 1015) über den Einzelfall hinaus nicht anwende. Aber die Aufwendungen für familienrechtliche Prozesse, die eine Bedrohung für die Existenz darstellten, seien auch schon vor dieser Rechtsprechungsänderung abzugsfähig gewesen. Der Prozess sei für sie existenzbedrohend gewesen. Sie hätten eine Zwangsversteigerung des Hauses befürchtet. Insgesamt seien ihnen Prozesskosten in Höhe von 25.000 € entstanden. Da C sich wegen Schulden im Ausland aufhalte, seien sie mit den Kosten belastet.

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Mit Schreiben vom 18.03.2013 teilte das FA den Klägern mit, das Einspruchsverfahren ruhe gemäß § 363 Abs. 2 Satz 2 AO auf Grund des beim BFH anhängigen Verfahrens IX R 5/12.

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Der 9. Senat des BFH entschied in diesem Verfahren mit Urteil vom 16.04.2013 IX R 5/12 (BStBl II, 2013, 806), dass die einem wegen einer vorsätzlichen Tat verurteilten Steuerpflichtigen entstandenen Kosten seiner Strafverteidigung nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar seien. Es fehle schon an der Unausweichlichkeit der Aufwendungen.

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Mit Schreiben vom 12.06.2013 forderten die Kläger deshalb das FA auf, nun über den Einspruch zu entscheiden.

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Am 28.06.2013 haben sie die vorliegende Klage erhoben.

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Sie meinen, das FA sei verpflichtet, über den Einspruch zu entscheiden.

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Sie verweisen auf das Urteil des BFH vom 12.06.2011 VI R 42/10 (BStBl II, 1015) und tragen vor, der Prozess gegen C sei nicht mutwillig geführt worden. Der Erfolg sei ebenso wahrscheinlich gewesen wie der Misserfolg. Das Landgericht habe den Streitwert auf 107.371 € festgesetzt. Die Kosten seien zur Rechtsverteidigung notwendig gewesen und nicht unangemessen hoch. Die Kläger legen Unterlagen vor, aus denen hervorgeht, dass sie versucht haben, gegen C zu vollstrecken (Blatt 77-93 der Gerichtsakte).

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Die Kläger beantragen,

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den Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 30.11.2012

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dahin zu ändern, dass – gekürzt um die zumutbare Eigenbelastung – außergewöhnliche Belastungen von 7.385 €

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anerkannt werden.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

21

Das FA vertrat zunächst die Auffassung, das Einspruchsverfahren ruhe gemäß § 363 Abs. 2 Satz 2 AO auf Grund des beim BFH anhängigen Verfahrens IX R 5/12.

22

Später meinte das FA, es komme zu einem Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO, da beim BFH zu der Anerkennung von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung nun die Verfahren VI R 65/12, 66/12, 69/12, 70/12, 74/12, 5/13, 14/13 und X R 34/12 anhängig seien. Die Kläger würden sich auf diese Verfahren zwar nicht berufen. Die Vorschrift sei jedoch großzügig auszulegen.

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Nachdem die Berichterstatterin das FA sowohl schriftlich (Blatt 28 und 66-68 der Gerichtsakte) als auch in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass die Kläger sich nur auf das vom Fiskus mit einem sog. Nichtanwendungserlass (siehe BStBl I 2011, 1286) belegte Urteil des BFH vom 12.06.2011 VI R 42/10 (BStBl II, 2011, 1015) berufen und darüber hinaus gemäß § 363 Abs. 2 Satz 4 AO die Fortsetzung des Einspruchsverfahrens beantragt haben, vertritt nun auch das FA nicht mehr die Auffassung, dass das Einspruchsverfahren nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO ruhe.

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Das FA verweist auf den weiterhin bestehenden Nichtanwendungserlass und meint - unter Berufung auf Hinweis 33.1-33.4 der Einkommensteuerrichtlinien sowie auf die Rechtsprechung des 3. Senats des BFH (vgl. Urteil vom 20.04.2006 III R 23/05, BStBl II 2007, 41, m.w.N.) - , eine Anerkennung als außergewöhnliche Belastung komme bei Prozesskosten nur ausnahmsweise in Betracht, wenn der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Nur für die unvermeidbaren Kosten des Scheidungsverfahrens, bei den Kosten für Streitigkeiten über das Umgangsrecht mit dem eigenen Kind und für die Kosten eines Vaterschaftsfeststellungsprozesses sei dies bisher bejaht worden. Im Streitfall sei es in den Prozessen nur um eine nicht existenzbedrohende Erbauseinandersetzungsstreitigkeit gegangen.

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Entscheidungsgründe:

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Die Klage ist zulässig und begründet.

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I.

28

Die Klage ist gemäß §§ 44, 46 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens über den außergerichtlichen Rechtsbehelf zulässig, da das FA ohne zureichenden Grund bis heute nicht über den im Dezember 2012 eingelegten Einspruch entschieden hat.

29

Als zureichender Grund dafür, ein Rechtsbehelfsverfahren nicht abzuschließen, wird das Ruhen des Verfahrens angesehen (Gräber/von Groll, FGO, 7. Auflage 2010, § 46 Rz 21).

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Da die Kläger einem Ruhen nicht zugestimmt haben (§ 363 Abs. 2 Satz 1 AO), sich nicht auf die beim BFH anhängigen Verfahren VI R 65/12, 66/12, 69/12, 70/12, 74/12, 5/13, 14/13 und X R 34/12 berufen ( § 363 Abs. 2 Satz 2 AO) und auch unstreitig keine Allgemeinverfügung existiert, auf Grund der das Einspruchsverfahren ruhte (§ 363 Abs. 2 Satz 3 AO), ist im Streitfall ein zureichender Grund nicht ersichtlich. Der Nichtanwendungserlass des Bundesministers der Finanzen untersagt dem FA zwar die Anwendung des Urteils des BFH vom 12.06.2011 VI R 42/10 (BStBl II, 2011, 1015), nicht aber den Abschluss des Einspruchsverfahrens durch eine Einspruchsentscheidung.

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II.

32

Die Klage ist auch begründet.

33

Denn der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2011 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Der Beklagte hat die geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von 7.385 € zu Unrecht nicht als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 Abs. 1 EStG berücksichtigt.

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1.

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Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in einem bestimmtem Umfang ermäßigt, § 33 Abs. 1 EStG. Aufwendungen erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

36

Bei den Kosten eines Zivilprozesses sprach nach bisheriger ständiger Rechtsprechung des BFH eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit. Zwar könne sich der Steuerpflichtige nach einem verlorenen Zivilprozess einer Zahlungsverpflichtung aus rechtlichen Gründen nicht entziehen. Allein darauf komme es jedoch nicht an. Vielmehr seien die Kosten nur zwangsläufig, wenn auch das die Zahlungspflicht adäquat auslösende Ereignis für den Steuerpflichtigen zwangsläufig sei. Derartige Kosten wurden daher nur ausnahmsweise als zwangsläufig erachtet, wenn der Prozess existentiell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH-Urteile vom 09.05.1996 III R 224/94, BStBl II 1996, 596; vom 04.12.2001 III R 31/00, BStBl II 2002, 382 und vom 20.04.2006 III R 23/05, BStBl II 2007, 41, m.w.N.).

37

An dieser Rechtsprechung hält der 6. Senat des BFH in dem von den Klägern in Bezug genommenen Urteil vom 12.05.2011 (VI R 42/10, BStBl II 2011, 1015) nicht mehr fest. Zivilprozesskosten können den Prozessbeteiligten danach unabhängig vom Gegenstand des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Denn für den Steuerpflichtigen, der sein Recht durchsetzen wolle oder müsse, sei im Rechtsstaat die Beschreitung des Rechtsweges unausweichlich. Zivilprozesskosten seien nur dann nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige sich mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen habe bzw. wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten hätte.

38

2.

39

Im Streitfall ist die Klage unter Berücksichtigung der geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung, der der Senat folgt, in vollem Umfang begründet. Die Rechtsanwaltskosten für das Verfahren vor dem Landgericht sind auch unter Zugrundelegung der Grundsätze der früheren Rechtsprechung zwangsläufig entstanden (vgl. BFH-Urteile vom 09.05.1996 III R 224/94, BStBl II 1996, 596; vom 04.12.2001 III R 31/00, BStBl II 2002, 382 und vom 20.04.2006 III R 23/05, BStBl II 2007, 41, m.w.N.).

40

a. Aus den Urteilen des Landgerichts sowie des Oberlandesgerichts, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, ergibt sich, dass die Klägerin zur Verteidigung ihrer Rechte gezwungen war, sich verklagen zu lassen. Sie beantragte weder mutwillig noch leichtfertig die Klageabweisung und legte nach einem Teilobsiegen des C Berufung ein, wodurch sie in vollem Umfang obsiegte. Die Rechtsverfolgung hatte aus der Sicht eines verständigen Dritten Aussicht auf Erfolg. Das Prozesskostenrisiko realisierte sich bezüglich der hier streitigen Kosten nur dadurch, dass C nicht willens oder in der Lage war, der Klägerin die aufgewendeten Rechtsanwaltskosten und Gerichtskosten zu erstatten. Daran, dass die als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Rechtsanwalts- und Gerichtskosten notwendig waren und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen, bestehen keine Zweifel (vgl. § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

41

b. Der Prozess vor dem Landgericht war für die Klägerin und ihre Familie bei einer Würdigung der Gesamtumstände auch von existenzieller Bedeutung. Sie hatte 1995 einen halben Miteigentumsanteil an dem Haus … zur Nutzung durch ihre vierköpfige Familie erworben. Sie hatte für diesen Erwerb 200.000 € gezahlt und den Betrag finanziert, so dass die Eheleute mit den Zinsverpflichtungen belastet waren. Hätte C mit dem Hauptantrag seiner Klage obsiegt, so wäre die aus der Klägerin und C bestehende Erbengemeinschaft Eigentümerin des im Jahr 2000 erworbenen halben Miteigentumsanteils an dem Haus geworden. Angesichts der aus dem Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils ersichtlichen Zerwürfnisse der Parteien hätte eine Teilungsversteigerung des Hauses gedroht. Da bei Zwangsversteigerungen ein Zuschlag selten zum Verkehrswert erfolgt, war zu befürchten, dass der von der Klägerin im Jahr 1995 erworbene halbe Miteigentumsanteil unter Wert versteigert werden würde. Dies hätten die Kläger zwar durch eine Selbstersteigerung abwenden können. Dafür hätten sie aber weitere erhebliche Aufwendungen tätigen müssen. Nach dem vom Landgericht eingeholten Gutachten soll der Sachwert des ½ Miteigentumsanteils am ….2000 128.000 € betragen haben. In dieser Situation geriet die Klägerin durch die Forderungen des C in eine Zwangslage, die eine Rechtsverteidigung vor dem Zivilgericht und die Übernahme eines entsprechenden Prozessrisikos erforderlich machten. Ohne den Zivilrechtsstreit hätten die Klägerin und ihre Familie voraussichtlich einen ganz erheblichen wirtschaftlichen Schaden erlitten, was – angesichts der Einkommensverhältnisse der Familie und ebenfalls voraussichtlich – , dazu geführt hätte, dass die Kläger ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse nicht mehr im bisherigen Rahmen hätten erfüllen können. Unabhängig davon drohte der Verlust des von der vierköpfigen Familie genutzten Familienheims. Dies berührte einen elementaren Bereich ihres Lebens. Insofern liegt ein Sachverhalt vor, bei der auch nach bisheriger Rechtsprechung eine Zwangsläufigkeit der Zivilprozesskosten vorgelegen hätte.

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Soweit die Klägerin jedoch gegen das Urteil des Landgerichts Berufung einlegte, handelt es sich um eine (übliche) zivilrechtliche Streitigkeit, die sich gegen einen Anspruch auf Geld richtete und die angesichts der Höhe des Anspruchs nicht von wirtschaftlich existenzieller Bedeutung war. Der drohende Verlust des Familienheims war schon abgewendet. Die Aufwendungen für die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens entstanden daher nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH nicht zwangsläufig.

43

c. Einem Abzug der Gerichtskosten für die Einlegung der Berufung als außergewöhnliche Belastung steht die Vorschrift des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (AmtshilfeRLUmsG) vom 26.6.2013 (BGBl. I 2013, 1809) nicht entgegen. Danach sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Die Vorschrift ist mangels einer besonderen Anwendungsbestimmung in § 52 Abs. 1 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG erst ab dem Veranlagungszeitraum 2013 anzuwenden.

44

d. Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht im Hinblick auf das Urteil des 9. Senats des BFH vom 19.03.2013 (IX R 41/12, BFH/NV 2013, 1168). Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem der Kläger und seine von ihm geschiedene Ehefrau Eigentümer eines vermieteten Grundstücks waren. Weil die Frau einem Verkauf nicht zustimmte und er die Gemeinschaft nicht aufrechterhalten wollte, beantragte er, die Gemeinschaft im Wege der Teilungsversteigerung aufzulösen. Im Rahmen dieses Verfahrens einigten sich die geschiedenen Ehegatten. Der 9. Senat bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz, dass die Anwalts- und Gerichtskosten für das Verfahren nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden könnten. Dabei wies er darauf hin, dass aus der Entscheidung des 6.Senats vom 12.50.2011 (VI R 42/10, BStBl II 2011, 1015) nicht folge, dass sämtliche Kosten von Verfahren, bei dem ein Gericht zu beteiligen sei, als außergewöhnliche Belastungen zu qualifizieren seien. Da eine verfrühte, unabgestimmte und damit vermeidbare Inanspruchnahme des Gerichts erfolgt sei, könne aber dahinstehen, ob der Senat der Rechtsauffassung des 6. Senats folge.

45

Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich von dem vom 9. Senat des BFH entschiedenen insoweit, als die Klägerin das Verfahren nicht in Gang gesetzt hat und es für sie auch nicht vermeidbar war.

46

III.

47

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

48

IV.

49

Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zuzulassen, da zur Frage der Berücksichtigung von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung bereits zahlreiche Revisionsverfahren anhängig sind (Aktenzeichen: VI R 65/12, 66/12, 69/12, 70/12, 74/12, 5/13, 14/13 und X R 34/12).

RechtsgebieteBGB, EStGVorschriften§ 2050 BGB; § 33 Abs. 1 EStG

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