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13.01.2015 · IWW-Abrufnummer 143601

Oberlandesgericht Koblenz: Beschluss vom 10.07.2014 – 3 U 1415/13

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Aktenzeichen: 3 U 1415/13
4 O 133/10 LG Koblenz

Oberlandesgericht Koblenz

Beschluss

In dem Rechtsstreit

- Klägerin, Berufungsklägerin und Anschlussberufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
gegen

- Beklagte, Berufungsbeklagte und Anschlussberufungskläge -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …

wegen Vergütung für Erdarbeiten

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Grünewald, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert und die Richterin am Oberlandesgericht Haberkamp am 12.06.2014 beschlossen:

1. Termin zur mündlichen Verhandlung wird bestimmt auf Dienstag, den 15. Juli 2014, 9.00 Uhr, DG II, Saal 10
Das persönliche Erscheinen der Parteien wird angeordnet, wobei es ausreicht, wenn ein informierter Vertreter erscheint.

2. Der Senat weist zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung auf folgendes hin:

A. Sachverhalt

Die Beklagte beauftragte die Klägerin mit dem Neubau des Autobahnabschnittes der Bundesautobahn A1 zwischen ...[X] und der Anschlussstelle ...[Y]. Die Beklagte hatte die Leistung öffentlich ausgeschrieben. Grundlage war die VOB/B (in der Fassung vom 27. Juni 2006, nachfolgend: VOB/B) und das Leistungsverzeichnis vom 17. Dezember 2007, das in Nr. 1.2.2 auf das für den gesamten Trassenbereich angefertigte Baugrundgutachten der ...[A] vom 26. November 2007.

Die Klägerin erhielt am 18. September 2008 den Zuschlag zu einer Auftragssumme von 22.722.540,27 €. In dem Zuschlagsschreiben (/Bl. 64 GA) wird u.a. Bezug genommen auf das Angebot der Klägerin sowie auf deren Schreiben vom 20. März 2008 (Bl. 62, 63 GA) im Anschluss an ein Aufklärungsgespräch vom 19. März 2008. Zu die-sem Aufklärungsgespräch fertigte die Beklagte einen Vermerk (Bl. 60, 61 GA).

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Vergütung der Klägerin für den Erdaus-hub in dem Trassenabschnitt V mit dem Einschnitt der Anschlussstelle (AS) ...[Z] betreffend die Positionen 01.02.0001, 01.02.0002 und 01.02.0003 des Leistungsverzeichnisses der Klägerin vom 17. Dezember 2006. Danach waren folgende Massen Boden bzw. Fels zu lösen und einzubauen: Im Bereich der Autobahntrasse zwischen AS ...[Z] und Behelfsausfahrt ...[W] 300.000,00 Kubikmeter Boden bzw. Fels der Klas-se 3 bis 6 (01.02.0001), im Bereich der Autobahntrasse zwischen AS ...[Z] und AS ...[Y] 360.000 Kubikmeter Boden bzw. Fels der Klasse 3 bis 6 (02.02.0002), im Bereich der gesamten Autobahntrasse 110.000 Kubikmeter Boden bzw. Fels der Klasse 7 (01.02.0003)

In ihrem Angebot ging die Klägerin davon aus, dass der Erdaushub des Bodens der Bodenklasse 3 bis 6 zu 50 % mit einem Scraper und zu 50 % mit einem Bagger durch-geführt werden könne. Sie ging ferner davon, dass der Boden der Bodenklasse 6 nur einen Anteil von 5 % der gesamten abzutragenden Masse, mithin 47.000 Kubikmeter, betrage. Für den Erdaushub des Bodens der Bodenklasse 3 bis 6 kalkulierte sie einen Einheitspreis von 0,59 € pro Kubikmeter, für den Boden der Bodenklasse 7 einen Einheitspreis von 6,01 € pro Kubikmeter.

Tatsächlich bestand der Boden nicht aus einem ausgeglichenen, gegenüber Felslagen der Bodenklasse 7 ablösbaren Mix der Bodenklassen 3 bis 6. Es gab keine nennenswerten Felslagen der Bodenklasse 7. Es lag vielmehr ein Gemenge aus überwiegend Bodenklasse 6 mit vereinzelten Einschlüssen aus Bodenklasse 7 vor. Der Einsatz eines Scrapers war nicht wie geplant möglich.

Die Klägerin erstellte am 7. Juli 2009 ein Nachtragsangebot 4 das die Lösung von Fels der Klassen 6 und 7 zu einem Einheitspreis von 6,99 € pro Kubikmeter vorsah. Damit war die Beklagte nicht einverstanden.

Mit der streitgegenständlichen 11. Abschlagsrechnung vom 8. Oktober 2008 brachte die Klägerin die bewegten Bodenmassen der Klassen 3 bis 5 zur Ursprungsangebot von 0,95 € in Ansatz, während sie hinsichtlich der Bodenklassen 6 bis 7 den Einheitspreis von 6,99 € pro Kubikmeter gemäß Nachtrag Nr. 4 abrechnete.

Zwischen den Parteien ist ein Betrag von 1.477.729,36 € streitig, der auf dem Nachtrag Nr. 4 wegen Abweichungen in den Bodenklassen beruft. Davon macht die Klägerin im Wege der Teilklage einen Betrag von 25.000,00 € geltend, den sie nach Abweisung durch das Landgericht mit der Berufung weiterverfolgt. Sie stützt den Anspruch auf § 2 Nr. 5 VOB/B, hilfsweise auf Anpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage bzw. Schadensersatz nach §§ 311 Abs. 2 Nr. 2, 214 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB wegen Verstoßes der Ausschreibung gegen § 9 Nr. 1 bis 3 VOB/A (Ausgabe 2006, nachfolgend: VOB/A 2006).

Die Klägerin ist der Ansicht, die Bestimmung der von ihr geschuldeten Leistung habe sich an der ausdrücklich in Bezug genommenen Kostenkalkulation gemäß Schreiben vom 20. März 2008 zu orientieren. Diese Kalkulation habe sie auf der Grundlage des Leistungsverzeichnisses und der dort gemachten Mengenangaben zu Recht vornehmen können. Auf der Grundlage des Bodengutachtens, dort Tabelle 13 Seite 24, habe sie davon ausgehen können, dass die Angabe von 110.000 Kubikmeter Boden der Bodenklasse 7 leistungsbestimmenden Faktor zur Bodenklasse 6 sei. Ausgehend von einem Anteil von 30 % für die Bodenklasse 6 ergebe sich eine Menge von 47.000 Kubikmeter, mithin 5 % der gesamten abzutragenden Menge. Die Klägerin wirft der Beklagten vor, nicht VOB/A 2006 konform ausgeschrieben und ihr ein ungebührliches Wagnis auferlegt zu haben. Das Aufklärungsgespräch vom 19. März 2008 sei nicht Vertragsbestandteil geworden.

Die Beklagte hält das landgerichtliche Urteil für richtig. Sie begehrt im Wege der Anschlussberufung die Feststellung, dass der Klägerin der Betrag von 1.477.729,36 €, dessen sie sich berühmt, nicht zusteht. Sie macht geltend, es liege keine Abweichung des Ist- vom Sollzustand vor sondern der Mix der Bodenverhältnisse sei bereits Grundlage ihrer Ausschreibung gewesen. Die Klägerin habe eine zuverlässige Einschätzung der anstehenden Bodenklassen vornehmen können. Für einen fachkundigen Bieter sei es ohne weiteres erkennbar gewesen, dass die Bodenklassen 3 bis 5 von untergeordneter Bedeutung seien und die Klasse 6 dominiere. Es sei auch klar gewesen, dass nicht mit zusammenhängenden Schichten der Bodenklasse 7 zu rechnen gewesen sei. Die Klägerin habe spekulativ kalkuliert und sei nicht schutzwürdig.

B. Vorläufige rechtliche Würdigung

Der Senat misst der Berufung der Klägerin nach vorläufiger Würdigung der Sach- und Rechtslage und vorbehaltlich der Erörterungen im Termin keine Erfolgsaussicht bei. Demgegenüber dürfte die Anschlussberufung der Beklagten begründet sein.

I.

Als Anspruchsgrundlage für das Zahlungsverlangen der Klägerin kommt § 2 Nr. 5 VOB/B in Betracht und nicht, was das Landgericht geprüft hat, § 2 Nr. 6 VOB/B. Denn die Klägerin begehrt nicht die Vergütung für eine nicht geschuldete, mithin zusätzliche Leistung im Sinne des § 2 Nr. 6 VOB/B. Der Erdaushub in dem Trassenabschnitt V war geschuldet. Sie macht vielmehr Mehrkosten im Sinne des § 2 Nr. 5 VOB/B geltend mit der Begründung, dass sich wegen geänderter Bodenklassen die Grundlagen des Preises für die vertraglich übernommene Leistung geändert habe.

Das verhilft der Berufung jedoch nicht zum Erfolg. Die Voraussetzungen des § 2 Nr. 5 VOB/B dürften nicht vorliegen.

1. Nach § 2 Nr. 5 VOB/B ist für den Fall, dass durch Änderung des Bauentwurfs oder andere Anordnungen die Grundlagen des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung geändert werden, ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren. Kommt eine solche Vereinbarung nicht zustande, kann der Auftragnehmer den sich aus § 2 Nr. 5 VOB/B ergebenden Vergütungsanspruch im Wege der Klage geltend machen (BGH, Urteil vom 20. August 2009 - VII ZR 205/07 - BGHZ 182, 158 ff.; Urteil vom 18. Dezember 2008 - VII ZR 201/06 - BGHZ 179, 213 Urteil vom 21. März 1968 - VII ZR 84/67- BGHZ 50, 25 ff.).

2. Welche Leistungen von der Vergütungsabrede in einem Bauvertrag erfasst sind, ist durch Auslegung des Vertrages nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen, §§ 133, 157 BGB, zu ermitteln.

Dabei ist das gesamte Vertragswerk zugrunde zu legen, wozu bei einer öffentlichen Ausschreibung auch die VOB/B gehört. Danach werden durch die vereinbarten Preise alle Leistungen abgegolten, die nach der Leistungsbeschreibung, den verschiedenen Vertragsbedingungen und der gewerblichen Verkehrssitte zu den vertraglichen Leistungen gehören, § 2 Nr. 1 VOB/B. Bei einer öffentlichen Ausschreibung kommt dem Wortlaut der Leistungsbeschreibung vergleichsweise große Bedeutung zu (BGH, Urteil vom 9. Januar 1997 - VII ZR 259/95 - BGHZ 134, 245). Wie diese zu verstehen ist, hängt, worauf die Berufung zutreffend hinweist, vom Empfängerhorizont ab. Maßgeblich ist insoweit bei Ausschreibungen nach VOB/A der objektive Empfängerhorizont der potentiellen Bieter (BGH, Urteil vom 22. April 1993 - VII ZR 118/92 - BauR 1993, 595; Urteil vom 11. November 1993 - VII ZR 47/94 - BGHZ 124, 64 ff.).

Die Auslegung hat zu berücksichtigen, dass der Bieter grundsätzlich eine mit den Ausschreibungsgrundsätzen der öffentlichen Hand konforme Ausschreibung erwarten darf. Deshalb darf der Bieter die Leistungsbeschreibung einer öffentlichen Ausschreibung im Zweifelsfall so verstehen, dass der Auftraggeber den Anforderungen der VOB/A an die Ausschreibung entsprechen will (BGH, Urteil vom 11. November 1993 - VII ZR 47/93, BGHZ 124, 64 ff.; Urteil vom 9. Januar 1997 - VII ZR 259/95 - BGHZ 134, 245; Urteil vom 11. März 1999 - VII ZR 179/98 - BauR 1999, 897 f.).

2. Dies vorausgeschickt vermag der Senat nach vorläufiger Würdigung nicht zu erkennen, dass die Bodenklassen, die Grundlagen des Preises für die vertraglich übernommene Leistung der Klägerin waren, sich geändert haben. Das ergibt eine Auslegung der Vertragsunterlagen. Es handelt sich dabei um das Leistungsverzeichnis, das Bodengrundgutachten und das Schreiben der Klägerin vom 20. März 2008. Diese Vertragsunterlagen sind in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der Anforderungen der VOB/A zu betrachten.

Danach dürften die Parteien vorliegend weder einen Scrapereinsatz zu 50 %, noch einen geringen Anteil von Boden der Bodenklasse 6 (unter 5 %) vereinbart haben. Nach vorläufiger Würdigung des Senats haben sie auch nicht vereinbart, dass Boden der Klassen 3 bis 6 einerseits und Boden der Klasse 7 andererseits getrennt anfallen werden. Vielmehr musste die Klägerin von vornherein von einem überwiegenden Anteil der Bodenklasse 6 und einem Mix der Bodenklassen 6 und 7 ausgehen und den Geräteeinsatz entsprechend kalkulieren.

a) Leistungsverzeichnis vom 17. Dezember 2007

Nach § 2 Nr. 1 bis 3 VOB/A 2006 ist die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung in gleichem Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können. Dem Auftragnehmer darf kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen kann. Nach § 9 Nr. 14 VOB/A 2006 ist im Leistungsverzeichnis die Leistung derart aufzugliedern, dass unter einer Ordnungszahl (Position) nur solche Leistungen aufgenommen werden, die nach ihrer technischen Beschaffenheit und für die Preisbildung als in sich gleichartig anzusehen sind. Ungleichartige Leistungen sollen unter einer Ordnungszahl (Sammelposition) nur zusammengefasst werden, wenn eine Teilleistung gegenüber einer anderen für die Bildung eines Durchschnittspreises ohne nennenswerten Einfluss ist.

Das Leistungsverzeichnis entspricht vordergründig in mehrfacher Hinsicht diesen Anforderungen nicht:

Die Beklagte hat die Bodenklassen 3 bis 6 zusammen ausgeschrieben. Böden der Bodenklasse 6 weichen von den Bodenklassen 3 bis 5 jedoch insoweit ab, als für die Bodenklasse 6 der Scraberbetrieb technisch nicht mehr möglich ist (nach den mündlichen Erläuterungen des gerichtlichen Sachverständigen erster Instanz ist der Einsatz eines Scrapers bei der Bodenklasse 5 bereits grenzwertig, ab Bodenklasse 6 wirkt er sich maschinenzerstörend aus, vgl. Protokoll des Landgerichts vom 30. September 2013, Bl. 774 GA). Eine Zusammenfassung der Bodenklasse 3 bis 6 in einer Position ist bei öffentlichen Ausschreibungen zudem unüblich (S. 16 des Sachverständigen-gutachtens erster Instanz vom 28. Juni 2012). Der tatsächliche Anteil der Bodenklasse 6 im hier streitgegenständlichen Streckenabschnitt V ließ sich ferner aus der gemeinsamen Position des Leistungsverzeichnisses nicht herleiten. Die Bodenklasse 7 war hingegen in einer gesonderten Position des Leistungsverzeichnisses ausgeschrieben. Dass ein Mix der Bodenklasse 6 und 7 vorliegen kann, ergibt sich aus dem Leistungsverzeichnis somit nicht.

Der von der Klägerin erhobene Vorwurf des Verstoßes gegen die VOB/A 2006 greift dennoch nicht. Für die Bestimmung einer nach VOB/A ausgeschriebenen Leistung sind neben dem Wortlaut der Leistungsbeschreibung die Umstände des Einzelfalles, unter anderem die Besonderheiten des Bauwerkes, maßgeblich (BGH, Urteil vom 28. Februar 2002 - VII ZR 376/00 - NJW 2002, 1954). Danach gilt hier folgendes:

Nach den Feststellungen des Sachverständigen erster Instanz war es für die Beklagte angesichts der bestehenden Bodenverhältnisse schwierig, aufmaßtechnisch nach einzelnen Bodenmassen und Bodenmassen zu differenzieren. Die Beklagte hat dem Rechnung getragen und auf das Baugrundgutachten der ...[A] vom 26. November 2007 verwiesen, das als Kalkulationsgrundlage dienen sollte. Es hat zudem am 19. März 2008 ein Aufklärungsgespräch nach § 24 VOB/A durchgeführt. Damit hat die Beklagte gegenüber der Klägerin die Schwierigkeit der konkreten Ermittlung der anstehenden Massen offen gelegt und Informationen zur Einschätzung der örtlichen Begebenheiten gegeben.

Nach alledem war das Leistungsverzeichnis der Klägerin zwar insoweit unklar, als es die Bodenmassen nicht exakt wiedergab. Die Bodenmassen waren jedoch kalkulier-bar. Der Klägerin wurde auch ein Wagnis auferlegt. Dieses war ihr jedoch bekannt und für sie abschätzbar. Andernfalls hätte sie das Leistungsverzeichnis nicht ohne weiteres als Grundlage ihrer Kalkulation hinnehmen dürfen. Sie hatte vielmehr die Obliegenheit, sich daraus ergebende Zweifelsfragen zu klären (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 1987 - VII ZR 107/86 - NJW-RR 1987, 1306 zu Erkundigungspflichten des Auftragnehmers vor Abgabe seines Angebots; vgl. auch OLG Naumburg, Urteil vom 22. Februar 2013 - 12 U 120/12 -, juris).

b) Baugrundgutachten der ...[A] vom 26. November 2007

In dem Baugrundgutachten wurden die anstehenden Bodenverhältnisse in einer Weise beschrieben, die die Klägerin in die Lage versetzt hat zu beurteilen, welcher Geräteeinsatz für die Baumaßnahme sinnvoll sein würde.

aa) Nach dem in erster Instanz eingeholten Sachverständigengutachten ließen sich allerdings allein aus dem textlichen Teil des Baugrundgutachtens die anstehenden Bodenmassen, bezogen auf Bodenklasse 6 und 7 nicht zuverlässig ermitteln. Insbesondere die von der Klägerin allein hinzugezogene Aufteilung der Bodenklassen in Tabelle 13 Seite 24 des Baugrundgutachtens gab keine Anhaltspunkte für die Massen der Bodenklassen 6 und 7. Dies hat der Sachverständige mehrfach ausgeführt (Gutachten vom 28. Juni 2012; mündliche Erläuterung des Sachverständigen im Termin vor dem Landgericht am 30. September 2013, Bl. 371 ff. GA).

Die Klägerin hätte sich jedoch nicht auf den Text des Bodengutachtens beschränken dürfen sondern war gehalten, sich durch eine Auswertung der vorhandenen Bohrprofile für den Bauabschnitt V nähere Kenntnisse über die zu erwartenden Bodenklassen zu verschaffen.

Der Sachverständige hat ausgeführt, diese Ausarbeitung könne von einem Bieter nicht erwartet werden, da sie zeitintensiv und umfangreich sei. Das Landgericht ist dieser Einschätzung zu Recht nicht gefolgt. Wegen der besonderen Umstände des konkreten Falles ist auch der Senat der Auffassung, dass eine Auswertung der Bodenprofile von der Klägerin hier zu erwarten. Die Bodenverhältnisse waren für die Parteien erkennbar schwierig zu beurteilen. Das Baugrundachten wies ausdrücklich auf diese Schwierigkeit bei der Bestimmung der Bodenklassen hin. Der Boden wurde als wechselhaft und vielfältig in der Zusammensetzung beschrieben.

Damit musste die Klägerin auch deshalb rechnen, weil ihr die Problematik bekannt gewesen sein dürfte. Sie hatte im Jahr 2002 eine Baumaßnahme (Erdaushub von 50.000 Kubikmeter für einen Brückenbau, AS ...[Z]) durchgeführt, bei der gleichermaßen Anteile an schwer lösbarem Fels der Bodenklasse 7 nicht vorhanden gewesen waren und 80 % als Bodenklasse 6 abgerechnet wurden (Aktennotiz vom 18. Juni 2002, Anlage A18 zum Schriftsatz der Beklagten vom 28. Februar 2011, Bl. 260 GA). Auch wenn die damalige Baumaßnahme nicht genau an derselben Stelle wie die hier streitgegenständlichen Erdaushubarbeiten durchgeführt wurde und nicht denselben Umfang hatte, betraf sie doch ebenfalls die Anschlussstelle ...[Z] der BAB 1. Die da-mals gewonnenen Kenntnisse waren geeignet, die Schwierigkeit bei der Klassifizierung des Bodens deutlich zu machen und die Klägerin für die Problematik zu sensibilisieren.

Unter Berücksichtigung dieser besonderen Umstände des konkreten Einzelfalls dürfte es der Klägerin zuzumuten gewesen sein, eine besondere, das normale Maß überschreitende Prüfung aller ihr zur Verfügung stehenden Informationsquellen anzustellen.

Aber auch wenn von der Klägerin eine intensive Auswertung der Bohrprofile nicht hätte erwartet werden können, durfte sie andererseits aber auch nicht annehmen, dass die Bodenklasse 6 keinen relevanten Anteil an der Aushubmasse besitze. Jedenfalls dafür gab das Baugrundgrundachten nach dem Ergebnis des in erster Instanz eingeholten Sachverständigengutachtens keiner Grundlage. Insbesondere konnte die Klägerin aus der Aufteilung der Bodenklassen in Tabelle 13 Seite 24 des Baugrundgutachtens nur entnehmen, dass bei der Gesamtmaßnahme der Anteil der Bodenklasse 6 maximal ca. dem 1,78 fachen Anteil der Bodenklasse 7 entspricht, nicht aber, welcher Anteil der Bodenklasse 7 in welchem Bauabschnitt anzutreffen war (S. 19 des Sachverständigengutachtens vom 28. Juni 2012).

Die Klägerin macht mit der Berufung ohne Erfolg geltend, aus der ausgeschriebenen Bodenverbesserung habe sie davon ausgehen dürfen, dass Bodenarbeiten zu Böden anstanden, die mit einem ganz erheblichen Anteil der Bodenklasse 3 bis 5 angehörten. Soweit die Klägerin dafür Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens anbietet, dürfte dieses Beweisangebot verspätet sein, § 531 Abs. 2 ZPO. Denn der erstinstanzliche Sachverständige hat die Frage, ob das Leistungsverzeichnis und die einbezogenen Vertragsunterlagen die Annahme gerechtfertigt hätten, dass die Bodenklasse 6 mengenmäßig untergeordnet in einem Mix aus Bodenklasse 3 bis 6 vorliege, umfassend geprüft und verneint (Sachverständigengutachten vom 9. August 2011). Die Klägerin, die bereits in erster Instanz auf die Angaben zu dem Bodenverbesserungsaufwand hingewiesen hatte (Schriftsatz vom 26. August 2010, Bl. 79 GA), hat keine Ergänzung und Erläuterung des Sachverständigengutachtens zu der Aussagefähigkeit der ausgeschriebene Masse der zu verbessernden Böden beantragt sondern sich auf andere Fragen beschränkt. Der Sachverständige hat sein Gutachten zwei Mal schriftlich ergänzt und sodann mündlich erläutert, ohne dass die Klägerin die Boden-verbesserung angesprochen hätte. Mit der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens in der Berufungsinstanz dürfte sie daher ausgeschlossen sein.

Der Einwand der Klägerin, nach Erstellung des Baugrundgutachtens hätten neue Er-kenntnisse über den Baugrund vorgelegen, so dass sie habe erwarten können, dass diese in die Ausschreibung eingeflossen seien, verfängt ebenfalls nicht. Denn aus dem Leistungsverzeichnis ließ sich gerade nicht mit hinreichender Klarheit das Verhältnis der anstehenden Bodenmassen entnehmen. Dann durfte die Klägerin, ohne sich weitere Informationen zu verschaffen, nicht mehr oder weniger ins Blaue hinein mit einem günstigen Einheitspreis für die Bodenklassen 3 bis 6 kalkulieren, um ihr Angebot günstig zu machen und Gefahr zu laufen, später erhebliche Nachforderungen zu stellen.

bb) Aus dem Baugrundgutachten konnte die Klägerin auch nicht, wie von ihr kalkuliert, von einer isolierten Lösbarkeit des Bodens der Bodenklasse 7 ausgehen. Sie musste vielmehr mit einem Mix der Bodenklassen 6 und 7 rechnen.

Der erstinstanzliche Sachverständige hat zwar auf Seite 29 seines Gutachtens vom 9. August 2011 festgehalten, dass die Klägerin bei ihrer Kalkulation davon habe ausgehen können, dass die Bodenklasse 7 in aufmaßtechnisch getrennter Form anstünde. Seine Auswertung der Bohrprofile hat jedoch offensichtlich, das Gegenteil ergeben: Danach ergab sich aus den ausgewerteten Bodenprofilen, dass in Teilbereichen des hier streitgegenständlichen Trassenabschnitts V ab einer gewissen Tiefe Boden der Bodenklasse 6 bis 7 anstand (S. 28 und 29 des Gutachtens vom 9. August 2011). Dementsprechend hat der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten vom 28. Juni 2012, Seite 8, klargestellt, dass die Bodenklasse 7 nicht in technisch und aufmaßtechnisch getrennt aufnehmbarer Form vorlag und dass es den Parteien offensichtlich nicht möglich gewesen war, den Anteil der Bodenklasse 7 exakt zu bestimmen.

c) Schreiben der Klägerin vom 20. März 2008

Die Klägerin hat im Anschluss an das Aufklärungsgespräch am 19. März 2008 mit Schreiben vom 20. März 2008 ihre Kalkulation erläutert (Bl. 62 f. GA). Dieses Schreiben ist Vertragsgegenstand geworden mit dem Inhalt, wie ihn die Beklagte im Lichte des Aufklärungsgesprächs vom 19. März 2008 verstehen konnte. Danach konnte die Beklagte das Schreiben der Klägerin vom 20. März 2008 nur so verstehen, dass diese auch bei überwiegendem Vorhandensein von Boden der Bodenklasse 6 den Abtrag der Bodenklasse 3 bis 6 im Scaperbetrieb kalkulieren wolle, mithin unabhängig davon, ob der Scraperbetrieb wegen der tatsächlich anzutreffenden Bodenverhältnisse auch technisch möglich sein sollte.

Denn für das Berufungsverfahren ist davon auszugehen, dass die Beklagte die Klägerin darauf hingewiesen hat, dass überwiegend Fels der Bodenklasse 6 aufzufinden sein werde. Im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils ist der Inhalt des Aufklärungsgesprächs, wie er sich aus dem Vermerk der Klägerin vom 19. März 2008 ergibt (Bl. 60, 61 GA), als unstreitige Tatsache festgehalten. Die Klägerin ist dem nicht mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag gemäß § 320 ZPO entgegengetreten, so dass sie im Hinblick auf die Tatbestandswirkung des Urteils an diese Feststellungen gebunden ist.

Die Klägerin macht ohne Erfolg geltend, dass das Aufklärungsgespräch selbst nicht Vertragsinhalt geworden sei, da es sich "nur" um ein Aufklärungsgespräch gemäß § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A gehandelt habe.

Nach dieser Vorschrift darf der Auftraggeber nach Öffnung der Angebote bis zur Zuschlagserteilung mit einem Bieter nur verhandeln, um sich u. a. über das Angebot selbst oder auch die geplante Art der Durchführung zu unterrichten. Der Klägerin ist darin zuzustimmen, dass in dem Aufklärungsgespräch vom 19. März 2008 keine vertragsändernden Verhandlungen stattfanden. Darum geht es hier jedoch nicht. Das Aufklärungsgespräch vom 19. März 2009 ist allein dafür maßgebend, welche Informationen der Klägerin gegeben wurden, die für die Kalkulation von Bedeutung waren, und wie ihr Schreiben vom 20. März 2008 von der Beklagten verstanden werden konnte und musste.

Die Klägerin durfte sich den in dem Aufklärungsgespräch gegenüber Informationen nicht verschließen. Sie musste berücksichtigen, dass überwiegend Bodenklasse 6 und die Bodenklasse 7 nicht als zusammenhängende Zone antreffen werde, und ihr Angebot daraufhin überprüfen. Wenn sie gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 20. März 2008 ihre Kalkulation erläutert und verteidigt, wird nach Auffassung des Senats deutlich, dass sie trotz der schwierigen Bodenverhältnisse mit dem Einsatz eines Scrapers zu einem Anteil von 50 % kalkulieren und das damit verbundene Risiko ein-gehen wollte.

Zwar kann auch bei Anteil der Bodenklasse 6 noch auf der Grundlage des Einsatzes eines Scrapers kalkuliert werden, wie der Sachverständige im Rahmen seiner mündlichen Anhörung vor dem Landgericht ausgeführt hat (Protokoll vom 30. September 2013, Bl. 774 GA). Bei einem so erheblichen Anteil der Bodenklasse 6 und einem Mix der Bodenklassen 6 und 7, wie er hier vorlag, war ein Scraperbetrieb jedoch technisch nicht mehr möglich. Es war dann aus Sicht der Beklagten eine unternehmerische Entscheidung der Klägerin, wie sie den Erdaushub kalkuliert, um den Zuschlag für die Baumaßnahme zu erhalten.

III.

Da sich aus den oben genannten Gründen die Bodenklassen, die Grundlagen des Preises für die vertraglich übernommene Leistung der Klägerin waren, nicht geändert haben sondern sich nur das Risiko verwirklicht hat, das die Klägerin übernommen hat, scheidet ein Anspruch auf Anpassung der Vergütung wegen Störung der Geschäftsgrundlage aus, § 313 Abs. 1 BGB.

Da die Ausschreibung der Beklagten VOB/A konform ist, ist der geltend gemachte Zahlungsanspruch auch nicht als Schadensersatz nach §§ 311 Abs. 2 Nr. 2, 214 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB begründet.

IV.

Aus den Hinweisen unter Abschnitt I. und II. ergibt sich im Umkehrschluss, dass die Anschlussberufung der Beklagten Erfolg haben dürfte. Der Klägerin steht die mit der 11. Abschlagsrechnung vom 8. Oktober 2008 wegen abweichender Bodenklassen 6 und 7 berechnete Vergütung von 1.477.729,36 € aus keinem Rechtsgrund zu.

3. Die Parteien haben Gelegenheit, zu den Hinweisen des Senats Stellung zu nehmen bis zum 4. Juli 2014.

Grünewald Dr. Reinert Haberkamp
Vorsitzender Richter
am Oberlandesgericht Richter
am Oberlandesgericht Richterin
am Oberlandesgericht

B e s c h l u s s

In dem Rechtsstreit

pp.
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Grünewald, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert und die Richterin am Oberlandesgericht Haberkamp am 10.07.2014 beschlossen:

1. Die Zurücknahme der Berufung hat den Verlust des Rechtsmittels zur Folge.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Anschlussberufung zu zahlen.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.477.729,36 € festgesetzt (Berufung: 25.000,00 €; Anschlussberufung: 1.452.729,36 €).

Gründe:

I.

Die Klägerin hat aus einer Abschlagsrechnung vom 8. Oktober 2008, von der ein Betrag in Höhe von 1.477.729,36 € für bewegte Bodenmassen wegen Abweichungen in der Bodenklasse streitig sind, einen Betrag von 25.000,00 € im Wege der Teilklage geltend gemacht. Die Beklagte hat im Wege der (unselbständigen) Anschlussberufung negative Zwischenfeststellungswiderklage erhoben und beantragt festzustellen, dass der Klägerin der Betrag von 1.477.729,36 € aus der Abschlagsrechnung nicht zustehe.

Der Senat hat gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO mit Hinweisbeschluss vom 12. Juni 2014 darauf hingewiesen, dass die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern (§ 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Auch sind die offensichtlichen Erfolgsaussichten der Berufung verneint worden.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 30. Juni 2014 mit Hinweis darauf, dass zwischenzeitlich Schlussrechnung erstellt worden sei, und unter Aufrechterhaltung ihres Rechtstandpunktes im Übrigen die Teilklage zurückgenommen. Sie hat beantragt, der Beklagten die Kosten der Anschlussberufung aufzuerlegen. Dem ist die Beklagte entgegengetreten.

II.

Nach Rücknahme der Berufung hat die Anschlussberufung ihre Wirkung verloren, § 524 Abs. 4 ZPO.

Die Kosten des Berufungsverfahrens waren der Klägerin nach § 516 Abs.3 ZPO aufzuerlegen. Dazu gehören auch die Kosten der (unselbständigen) Anschlussberufung der Beklagten.

1. Gemäß § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO sind einem Berufungskläger in der Regel auch die Kosten einer zulässig erhobenen Anschlussberufung aufzuerlegen, wenn diese ihre Wirkung durch Rücknahme der Berufung verliert (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2005 - XII ZB 163/04 - NJW-RR 2005, 727, 728 m.w.N. = FamRZ 2005, 513). Die Anschlussberufung ist kein eigenes Rechtsmittel, sondern nur ein Angriff innerhalb des vom Berufungskläger eingelegten Rechtsmittels. Wird die Anschlussberufung durch die im Belieben des Berufungsklägers stehende Rücknahme der Berufung ohne gerichtliche Sachentscheidung hinfällig, können die diesbezüglichen Kosten dem Anschlussberufungskläger weder in unmittelbarer noch in entsprechender Anwendung der §§ 91 ff. ZPO auferlegt werden.

Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Berufungsrücknahme ein gerichtlicher Hin-weis gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO vorausgegangen ist (BGH, Beschluss vom 7. Februar 2006 - XI ZB 9/05 - NJW-RR 2006, 1147 = FamRZ 2006, 619). Auch in diesem Fall wird die Anschlussberufung durch eine im Belieben des Berufungsklägers stehende Prozesshandlung ohne gerichtliche Sachentscheidung hinfällig. Dies zeigt sich daran, dass dem Berufungskläger zusammen mit dem Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist. Es steht dem Berufungskläger frei, seine Berufung aufrecht zu erhalten und eine gerichtliche Sachentscheidung herbeizuführen. Entschließt er sich zur Rücknahme der Berufung, können die Kosten der Anschlussberufung nicht anders verteilt werden als in Fällen der Berufungsrücknahme nach einem nicht unter den Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO ergangenen Hinweis auf die mangelnde Erfolgsaussicht.

2. Der Berufungskläger trägt auch dann die Kosten der Anschlussberufung nach § 516 ZPO, wenn die Anschlussberufung, wie hier, zur Erhebung einer Widerklage erfolgt ist (Rimmelspacher, in: Münchener Kommentar, ZPO, 4. Aufl. 2012, § 524 Rdn. 62).

Es kann dahin stehen, ob dies auch dann gilt, wenn die Widerklage auf einen neuen Streitgegenstand erstreckt wird (bejahend OLG Celle, Beschluss vom 14. Juni 2001 - 14 U 228/00 -, juris; verneinend KG, Beschluss vom 18. April 1988 - 18 UF 5043/87 - FamRZ 1988, 1301; OLG Köln, Beschluss vom 5. Mai 1976 - 2 U 51/75 - VersR 1977, 62 für den Fall der Aus-dehnung der Widerklage auf einen bislang am Rechtsstreit nicht beteiligten Dritten). Denn das ist vorliegend bei der negativen Zwischenfeststellungswiderklage des Beklagten nicht der Fall.

Eine (negative) Zwischenfeststellungsklage ist gemäß § 256 Abs. 2 ZPO zulässig, solange ein Hauptklageverfahren in der Tatsacheninstanz anhängig ist und über den Anspruchsgrund noch nicht durch Grundurteil entschieden worden ist. Zulässiger Gegenstand einer derartigen Feststellungsklage können einzelne aus dem Rechtsverhältnis sich ergebenden Rechte oder Pflichten sein, jedoch nicht nur bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses, reine Tatsachen oder etwa die Wirksamkeit von Willenserklärungen. Das Rechtsverhältnis muss über eine Tatfrage oder abstrakte Rechtsfrage hinausgehen und wenigstens teilweise maßgeblich für die Hauptsachenentscheidung sein (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2009 - XI ZR 110/09 - NJW-RR 2010, 640; Urteil vom 19. April 2000 - XII ZR 332/97 - NJW 2000, 2280).

Das war hier der Fall. Die Beklagte wollte mit der negativen Zwischenfeststellungsklage die zwischen den Parteien streitige Frage der Berechtigung der Klägerin zur Beanspruchung einer Mehrvergütung klären. Sinn und Zweck der negativen Zwischenfeststellungsklage war die Erweiterung der Rechtskraft auf vorgreifliche Rechtsverhältnisse der Parteien.

Damit ist die mit der Anschlussberufung der Beklagten eingelegte negative Zwischenfeststellungsklage durch die Berufung des Klägers veranlasst und führt keinen neuen Streitgegenstand ein. Nimmt der Kläger die Berufung zurück, hat er auch die Kosten der Anschlussberufung zu tragen.

3. Nur wenn ausnahmsweise über das Anschlussrechtsmittel in der Sache entschieden wird, sei es, dass es als unbegründet zurückgewiesen wird, sei es, dass es selbst unzulässig war, oder wenn die nach § 524 Abs. 4 ZPO wirkungslos gewordene Anschlussberufung weiter verfolgt wird und diese als unzulässig zu verwerfen ist, ist über Anschlussrechtsmittel auf Kosten dessen zu entscheiden, der es eingelegt hat (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2005, a.a.O.).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Die Anschlussberufung der Beklagten war insbesondere zulässig. Die Erhebung der Zwischenfeststellungswiderklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO erst im Berufungsrechtszug stand ihr ohne die Einschränkungen des § 533 ZPO offen (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 1969 - X ZR 22/67 - BGHZ 53, 92 ff.).

Über sie muss in Folge der Berufungsrücknahme sachlich nicht mehr entschieden werden.

5. Ein Missbrauchsfall dahingehend, dass die Anschlussberufung allein zur Erhöhung des Streitwerts oder in sonstiger Weise rechtsmissbräuchlich eingelegt wurde, was eine Kosten-quotelung rechtfertigen könnte (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 1. September 2009 - 5 UF 24/09 - FamRZ 2009, 399) ist ersichlich nicht gegeben.

Das führt dazu, dass der Klägerin die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Anschlussberufung aufzuerlegen waren, § 516 Abs. 3 ZPO.

Grünewald Dr. Reinert Haberkamp
Vorsitzender Richter
am Oberlandesgericht Richter
am Oberlandesgericht Richterin
am Oberlandesgericht

RechtsgebietAnschlussberufungVorschriften§ 516 ZPO

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