Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

05.01.2015 · IWW-Abrufnummer 173941

Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 29.09.2014 – 2 Sa 346/14

Von dem erhöhten Feiertagszuschlag Nach §4 Ziffer6 MTV Chem. Industrie werden auch Arbeiten an beweglichen Feiertagen erfasst, soweit für andere Arbeitnehmer des Betriebes ein gesetzlicher Lohnfortzahlungsanspruch besteht.


Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 20.02.2014 - 8 Ca 1882/13 - abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 87,45 € brutto nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 20.03.2013 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten über die Höhe eines Feiertagszuschlags für den 03.10.2012, einem Mittwoch, an dem der Kläger für die Beklagte, einen Betrieb der chemischen Industrie, gearbeitet hat.



Der Kläger ist seit dem 23.02.1988 bei der Beklagten beschäftigt. Er ist Gewerkschaftsmitglied. Sein Stundenlohn betrug zum Zeitpunkt des Feiertags 12,96 €. Die Beklagte war bis zum 31.12.2007 Mitglied im Arbeitgeberverband. Während dieser Zeit war auf das Arbeitsverhältnis Kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der MTV Chemische Industrie vom 24.06.1992 in der Fassung vom 21.08.2007 anwendbar.



§ 4 MTV regelt folgendes:



1. für Mehrarbeit 25 %



2. für regelmäßige Nachtarbeit 15 %



3. für nichtregelmäßige Nachtarbeit 20 %



4. für Arbeiten an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen 60 %



5. für Arbeiten am 24. Dezember ab 13 Uhr 100 %



6. für Arbeiten an den Wochenfeiertagen, an denen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen der Arbeitsausfall zu vergüten ist; für Arbeiten am 01. Mai, an den Oster-, Pfingst- und Weihnachtsfeiertagen, am Neujahrstag, auch dann, wenn diese Feiertage auf einen Sonntag oder auf einen an sich arbeitsfreien Werktag fallen 150 %



Der Kläger hat am 03.10.2012 7,5 Stunden gearbeitet. Die Beklagte hat ihm hierfür eine Zulage von 60 % gewährt. Der Kläger ist der Ansicht, es sei eine Zulage in Höhe von 150 % zu zahlen. Die rechnerische Differenz der Vergütung beträgt unstreitig 87,45 €.



Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat den Tarifvertrag dahingehend ausgelegt, dass Wochenfeiertage nur diejenigen Feiertage sein könnten, die in jedem Jahr auf einen Wochentag fielen. Dies seien in Nordrhein-Westfalen insbesondere Christi Himmelfahrt und Fronleichnam.



Der Kläger ist der Ansicht, dass der Tarifvertrag anders auszulegen sei. Die höhere Zulage falle auch für bewegliche Feiertage an, wenn sie auf einen Wochentag im Sinne des Tarifvertrags fielen. Zudem verweist der Kläger auf eine von der Gewerkschaft herausgegebene Tabelle. Die Beklagte bestreitet hierzu, dass diese Tabelle mit dem Arbeitgeberverband abgesprochen sei.



Mit der Berufung beantragt der Kläger,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 20.02.2014- 8 Ca 1882/13 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 87,45 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 20.03.2013 zu zahlen.



Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.



Entscheidungsgründe



I. Die zulässige und fristgerechte Berufung des Klägers ist begründet. Der 03.10.2012 stellt einen Wochenfeiertag im Sinne des § 4 Nr. 6 MTV Chemische Industrie dar.



Die Beklagte ist aufgrund beiderseitiger Tarifbindung zunächst kraft Gesetzes zur Anwendung des Tarifvertrages verpflichtet gewesen. Nach ihrem Austritt aus dem Arbeitgeberverband galt der Tarifvertrag in der Form der Nachbindung bis zu seiner Ablösung. Unabhängig von einer eventuellen Ablösung oder Außerkrafttreten dieses Tarifvertrages gilt der Tarifvertrag aber auch im Wege der Nachwirkung nach § 4 TVG weiter, bis eine andere Abmachung getroffen wurde. Da diese nicht festgestellt werden kann, ist § 4 MTV Chemische Industrie in der im Tatbestand festgestellten Fassung auf das Arbeitsverhältnis am 03.10.2012 anwendbar gewesen.



Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben der Tarifnorm zu haften. Bei nicht eindeutigem Wortsinn ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist dabei stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen - ohne Bindung an eine Reihenfolge - weitere Kriterien, wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags oder die praktische Tarifübung, ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, gesetzeskonformen und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG, Urteil vom 24.02.2011 - 2 AZR 830/09 - ).



Ausgehend von der tarifvertraglichen Staffelung ergibt sich aus dem Tarifvertrag zunächst, dass Sonntage und gesetzliche Feiertage grundsätzlich gleichwertig sind, wenn Arbeitnehmer an diesen Tagen arbeiten müssen. Die erste Ausnahme betrifft den 24.12., der kein gesetzlicher Feiertag ist, für den aber die Arbeit ab 13:00 Uhr als höherwertig angesehen wird als Sonntags- und Feiertagsarbeit. Die weitere tarifvertragliche Steigerung in der Wertigkeit von Arbeit an Feiertagen findet sich dann in Ziffer 6) des § 4 MTV. Dieser ist in zwei Teile durch ein Semikolon unterteilt. Jeder Teil für sich stellt dabei einen Anwendungsbereich dar, bei dem ein 150%iger Lohnzuschlag zu zahlen ist. Die Auslegungsschwierigkeiten entzünden sich dabei an dem Wort "Wochenfeiertage". Für das Wort "Wochenfeiertag" ist eine gesetzliche Definition nicht ersichtlich. Das Arbeitszeitgesetz unterscheidet insoweit nur zwischen Werktagen (Montag bis Samstag) und Sonn- bzw. Feiertagen. Unter Wochentagen werden in der Regel alle Tage von Montag bis Sonntag einschließlich verstanden. Eine sinnvolle Auslegung des Tarifvertrags verlangt dabei, dass Ziffer 6) für einen Wochenfeiertag einen anderen Geltungsbereich hat, als Ziffer 4) für einen Feiertag. Diesen Geltungsbereich haben die Tarifvertragsparteien unmittelbar selbst in Ziffer 6) definiert, denn sie haben an das Wort "Wochenfeiertagen" angefügt "an denen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen der Arbeitsausfall zu vergüten ist". Folgt man der Auslegung des Arbeitsgerichts, wäre dieser Nachsatz im Tarifvertrag nicht erforderlich, denn bei der Auslegung, dass nur die Feiertage gemeint sind, die immer auf einen Arbeitstag fallen, stellt sich die zusätzliche Erklärung als Überflüssig dar. Nach Ansicht der Kammer spricht dies deshalb dafür, dass der Satzteil "an denen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen der Arbeitsausfall zu vergüten ist" die tarifvertragliche Definition dafür ist, was die Tarifvertragsparteien mit einem Wochenfeiertag, der einen 150%igen Zuschlag auslöst, meinten. Immer dann, wenn andere Arbeitnehmer aufgrund eines Feiertages zusätzliche bezahlte Freizeit haben, sollen die Arbeitnehmer, die an diesem Tag arbeiten müssen, einen besonders hohen Zuschlag erhalten. Fällt der Feiertag auf einen Sonntag oder einen anderen betriebsüblicherweise freien Werktag, bleibt es bei der Regelung der Ziffer 4).



Gegen die vom Arbeitsgericht gefundene Auslegung entspricht auch, dass in einigen Bundesländern nach wie vor der Buß- und Bettag, der regelmäßig auf einen Mittwoch fällt und damit einen Wochenfeiertag im Sinne der erstinstanzlichen Auslegung darstellt, mit 150% Zuschlag zu bezahlen wäre. Dieser Feiertag steht in keinem günstigen Verhältnis zum vorherigen oder nachfolgenden Wochenende, was für die erste Instanz Anlass war anzunehmen, der Fronleichnamstag und Christi Himmelfahrt seien durch die tarifvertragliche Regelung gemeint, da diese Feiertage durch Inanspruchnahme eines weiteren Urlaubstages ein besonders langes Wochenende ermöglichten. Dies würde auch auf einen beweglichen Feiertag zutreffen, der zufällig montags oder freitags liegt. Die Freizeit an diesem Tag wäre im konkret betroffenen Jahr besonders wertvoll. Das Kriterium des Brückentages/langen Wochenendes ist deshalb nicht geeignet, einen Feiertag, der immer auf einen Donnerstag fällt, anders zu behandeln, als einen Feiertag, der im konkreten Jahr auf einen Donnerstag fällt.



Die vom Landesarbeitsgericht vertretene Auslegung wird auch durch die zweite Fallgruppe von Feiertagen, bei denen ein 150%iger Zuschlag zu zahlen ist, gestützt. Bei der Aufzählung der Feiertage nach dem Semikolon in Ziffer 6) des § 4 MTV haben die Tarifvertragsparteien besonders "wertvolle" Feiertage hervorgehoben, bei denen der 150%ige Zuschlag immer zu bezahlen ist, unabhängig davon, ob im Betrieb der konkrete Tag ohnehin für alle Arbeitnehmer arbeitsfrei wäre. Die Aufnahme von Ostern und Pfingsten, bei denen nach § 2 Feiertagsgesetz NRW lediglich der Montag gesetzlicher Feiertag ist, in die tarifliche Aufzählung wäre überflüssig, weil es sich stets nach der Auslegung der ersten Instanz um einen Wochenfeiertag im Sinne des ersten Satzes aus Ziffer 6) handelt. Wenn aber auch dann, wenn im Betrieb individuell auf den Ostermontag oder Pfingstmontag ein arbeitsfreier Tag fällt (wenn beispielsweise in der 4-Tage-Woche gearbeitet wird), der 150%ige Zuschlag zu zahlen ist, ergibt die Regelung Sinn. Denn dann stellen die aufgezählten Feiertage tatsächlich besonders schutzwürdige und hochwertige Feiertage dar, die unabhängig von den betrieblichen Gegebenheiten zum 150%igen Zuschlag führen. Des Zusatzes "auch dann, wenn diese Feiertage auf einen Sonntag oder auf einen an sich arbeitsfreien Werktag fallen" hätte es nicht bedurft, wenn für die beweglichen Feiertage stets nur der für Sonntage geltende "normale" Feiertagszuschlag anwendbar wäre.



Nach alledem ergibt sich, dass unabhängig von der Frage, ob die Tarifvertragsparteien bei Schaffung des Tarifvertrages über dessen Inhalt und Bedeutung Einigkeit im Sinne der hier gefundenen Auslegung hergestellt hatten, bewegliche Feiertage, die auf einen Tag fallen, an dem aufgrund gesetzlicher Bestimmung der Arbeitsausfall für die anderen Mitarbeiter des Betriebes zu vergüten ist, mit einem Zuschlag von 150% zu bezahlen ist.



Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.



Die Revision wurde mangels allgemeiner Bedeutung nicht zugelassen.

Vorschriften§ 4 MTV, § 4 Nr. 6 MTV, § 4 TVG, § 2 Feiertagsgesetz NRW, § 91 ZPO

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr