12.12.2014 · IWW-Abrufnummer 173650
Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 28.08.2014 – 8 Sa 196/14
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 17.12.2013 - 5 Ca 1799/13 - abgeändert.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 01.09.2013 eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe 8 der Anlage 2 zu den AVR-L zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 283,55 € brutto nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.09.2013 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin nach den Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen LC (AVR L).
Die am 12.12.1968 geborene Klägerin ist auf der Grundlage des Dienstvertrages vom 24.09.2010 (Bl. 8 f d. A.), auf den der Einzelheiten wegen Bezug genommen wird, seit dem 01.10.2010 bei der Beklagten als "Springerin in der Information" in Teilzeit beschäftigt. Gemäß § 2 des Vertrages gelten für das Arbeitsverhältnis die "Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen LC (AVR)" in ihrer jeweils geltenden Fassung. Gemäß Nachtrag Nr. 1 zum Arbeitsvertrag (Bl. 89 d. A.), der auf den 15.01.2013 datiert, ist die Klägerin seit dem 01.09.2012 in die Vergütungsgruppe 9a Ziffer 5 der Anlage 2 AVR (Pförtnerin nach Bewährungsaufstieg) eingruppiert. Danach betrug die Grundvergütung zum Zeitpunkt des Klageeingangs 1.084,50 € brutto.
Die Beklagte, die dem Deutschen L angeschlossen ist, betreibt in G ein akademisches Lehrkrankenhaus mit 11 Fachabteilungen, rund 580 Betten und ca. 1.150 Beschäftigten. Der Einsatz der Klägerin erfolgt ganz überwiegend im Bereich der dortigen Krankenhauspforte/Rezeption und der dieser räumlich und organisatorisch angegliederten Telefonzentrale. Gelegentlich wird sie mit vergleichbaren Aufgaben im S K, welches bei rechtlicher Selbständigkeit unter personenidentischer Leitung steht, eingesetzt.
Der Arbeitsplatz der Klägerin im Bereich der Krankenhauspforte ist, den organisatorischen Gegebenheiten folgend, zweigeteilt. Neben der Arbeit an der Information/Rezeption gehört dazu die Bedienung der in einem separaten Raum vorgehaltenen Telefonzentrale. Während der Tagschichten sind dort zusammen stets 2 Beschäftigte im Einsatz, welche die Information und die Telefonzentrale innerhalb ihrer jeweiligen Schichten im Wechsel besetzen. Während der Nachdienste sowie an Sonn- und Feiertagen ist jeweils nur eine Kraft im Einsatz. Die in Telefonzentrale und Information anfallenden Aufgaben sind dann von dieser allein zu erledigen.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr als Telefonistin mit "umfangreicher oder schwieriger Tätigkeit" Vergütung nach der Vergütungsgruppe 9 Ziffer 43 der Anlage 2 AVR zusteht. Eine entsprechende außergerichtliche Geltendmachung wies die Beklagte mit Schreiben vom 19.07.2013 (Bl. 90/91 d. A.), auf welches der Einzelheiten wegen Bezug genommen wird, zurück. Mit ihrer am 06.09.2013 beim Arbeitsgericht eingegangen, der Beklagten am 12.09.2013 zugestellten Klage verfolgt die Klägerin ihr Eingruppierungsbegehren und eine - der Höhe nach unstreitige - Differenzforderung für die Monate März bis August 2013 (6 x 47,26 € brutto) nunmehr auf dem Rechtsweg.
Die Klägerin hat zur Begründung ihrer Ansprüche vorgetragen, dass sie mit dem überwiegenden Anteil ihrer Arbeitszeit die Aufgaben einer Telefonistin ausführe, die sowohl umfangreich als auch schwierig seien.
Insoweit habe sie zahlreiche Tätigkeiten zu erledigen, die über das Entgegennehmen und Weitervermitteln von Anrufen weit hinausgingen. Während der Tätigkeit in der Telefonzentrale seien tagsüber - parallel zu der an der Information eingesetzten weiteren Kraft - zudem Aufgaben aus dem Tätigkeitsfeld der Patientenaufnahme, des Kassen- und Zuzahlungswesens und sonstige Arbeiten teils organisatorischer teils technischer Art zu erledigen, weshalb nicht von einer reinen oder überwiegenden Pförtner-, sondern von einer qualifizierten Telefonistentätigkeit auszugehen sei. Bezogen auf die Gesamtarbeitszeit und angesichts der vielen der Information zugewiesenen Aufgaben komme der eigentlichen Pförtnerarbeit gänzlich untergeordnete Bedeutung zu.
Die Klägerin hat beantragt,
Die Beklagte hat beantragt,
Zur Begründung hat sie geltend gemacht, dass die Klägerin nicht als Telefonistin, sondern als Pförtnerin tätig sei. Das Bedienen der Telefonanlage gehöre im Sinne einer Zusammenhangstätigkeit zu den Aufgaben des Pförtners dazu, wenn die Telefonanlage wie hier an der Pforte stehe. Insoweit habe die Klägerin mit der Vergütungsgruppe 9a Ziffer 5 der Anlage 2 AVR bereits die höchstmögliche Eingruppierung erreicht. Die Tätigkeit der Klägerin an der Telefonanlage mache tatsächlich allenfalls 40 % ihrer Arbeitszeit aus. Diese sei folglich, selbst wenn man von einer Doppelfunktion ausgehen wolle, nicht eingruppierungsrelevant. Auch könne insoweit nicht von einer umfangreichen oder schwierigen Tätigkeit ausgegangen werden.
Einerseits könne die Klägerin in diesem Zusammenhang nicht auf schwierige Pförtnertätigkeiten bzw. entsprechende Zusammenhangstätigkeiten verweisen, da es ihr nicht um die Bewertung der Pförtnerarbeiten gehe. Anderseits seien die Aufgaben der Klägerin an der Telefonanlage, soweit diese über das bloße Entgegennehmen und Vermitteln von Telefonaten hinausgingen, nicht den qualifizierten Eingruppierungsmerkmale der Vergütungsgruppe 9 Ziffer 43 der Anlage 2 AVR zuzuordnen, denn diese Aufgaben seien eher schematischer oder vermittelnder Natur, während die jeweilige Verantwortung anderweitig verortet sei.
Das Arbeitsgericht Gelsenkirchen hat die Klage mit Urteil vom 17.12.2013 - 5 Ca 1799/13 abgewiesen. Die darlegungspflichtige Klägerin habe zu den tatsächlichen Voraussetzungen der begehrten Eingruppierung nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, weshalb zugleich der Zahlungsantrag der Abweisung unterliegen müsse. Weder sei erkennbar, dass auf die Aufgabe der Telefonistin tatsächlich ein im Verhältnis zur Gesamttätigkeit hinreichender Zeitanteil entfiele, noch könne die Kammer insoweit Besonderheiten in Schwierigkeit oder Umfang der Tätigkeiten feststellen. Insbesondere habe die Klägerin nicht herausgearbeitet, warum sich ihre Tätigkeit an der Telefonanlage in Abgrenzung zu einer normalen Telefonistentätigkeit als schwierig oder umfangreich darstelle.
Gegen dieses ihr am 17.01.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 14.02.2014 Berufung eingelegt, die sie mit Schriftsatz vom 11.03.2014, der am 13.03.2014 beim Landesarbeitsgericht einging, begründet.
Das Arbeitsgericht sei zunächst zu Unrecht davon ausgegangen, dass ein auf die Telefonistentätigkeit entfallender Arbeitszeitanteil von zumindest 50 % nicht vorliege. So werde der Bereich Rezeption und Telefonzentrale - was als solches unstreitig ist - mit insgesamt 11 Mitarbeitern in einem rollierenden Schichtsystem besetzt (Frühdienst 1 von 6.00 bis 13.15 Uhr mit 30 min Pause, Frühdienst 2 von 7.00 bis 13.00 Uhr ohne Pause, Spätdienst 1 von 13.15 bis 20.15 Uhr mit 30 min Pause, Spätdienst 2 von 13.00 bis 19.00 Uhr ohne Pause, Nachtdienst von 20.15 bis 6.00 Uhr), wobei die Aufgaben innerhalb der doppelt besetzten Schichtzeiten stets getauscht würden.
Die Telefonzentrale sei während der Pausenzeiten stets von dem verbleibenden Mitarbeiter besetzt, was dazu führe, dass der Arbeitszeitanteil in der Telefonzentrale in allen 4 Tagschichten rechnerisch oberhalb 50 % liege, wobei hinsichtlich der klägerischen Berechnung im Einzelnen ergänzend auf die Berufungsbegründungsschrift, dort Seiten 3 und 4 (Bl. 78 f d. A.), verwiesen wird.
Während der von der parallelen Wahrnehmung beider Aufgaben gekennzeichneten, von einer Kraft allein durchzuführenden Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdienste nehme die Tätigkeit am Telefon deutlich über 60% der Arbeitszeit in Anspruch, weshalb auf die Telefonistentätigkeit insgesamt ein Zeitanteil von rund 60 % entfalle.
Die ihr obliegenden Aufgaben seien sowohl umfangreich als auch schwierig im Sinne der vorliegend maßgeblichen Eingruppierungsordnung. Das Tätigkeitsfeld einer Telefonistin umfasse regelmäßig lediglich die Annahme und Weiterleitung von Anrufen sowie das Erstellen von Gesprächsnotizen und das Erfassen von Anrufen in Datenbanken. Neben diesen Tätigkeiten habe die an der Telefonanlage eingesetzte Kraft - was als solches unstreitig ist - hier aber im Bedarfsfall unter anderem nach Anforderung der Diensthabenden außer Haus befindliches Hintergrundpersonal (Oberärzte, Pflegekräfte) nach den jeweiligen Dienstplänen der Abteilungen zu ermitteln und zu aktivieren, im Auftrag der Stationen Krankentransporte bei externen Dienstleistern zu bestellen und ggf. zwischen beiden die gewünschte bzw. mögliche Abholzeit zu vermitteln, Sonderkrankentransporte extern zu bestellen (mit Sauerstoff, mit Monitoring, Kinder-Inkubatortransporte, Transporte besonders schwergewichtiger Patienten) und insoweit Abstimmungsprozesse vorzunehmen und die erforderlichen Daten und Einzelheiten weiterzugeben, im Auftrag der Operationsteams Gewebeproben (Schnellschnitte) bei der örtlichen Pathologie anzumelden insoweit die dort benötigten Daten weiterzugeben und den Transport durch externe Dienstleister zu organisieren, auf Anforderung externe Dienstleister für Schlussdesinfektionen von keimbelasteten Räumen unter Angabe der benötigten Informationen zu bestellen, bei der Aufnahme nicht erfasste oder noch fehlende Patientendaten über Telefonate mit den Patienten oder den Stationen zu ermitteln und festzuhalten, auf dem Parkplatz aufgebrochene Fahrzeuge bei der Polizei zu melden und im Falle extern gemeldeter Großschadensereignisse diese durch Rückfrage zu verifizieren und sodann in Zusammenarbeit mit dem diensthabenden Arzt die interne Alarmierungskette auszulösen.
Letztlich ergebe sich der Anspruch auf die begehrte Eingruppierung auch unter den Gesichtspunkten der Gleichbehandlung, da einzelne Beschäftige des Teams - was unstreitig ist - wie hier begehrt höher eingruppiert seien sowie unter Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes.
Die Klägerin beantragt,
Die Beklagte beantragt,
Sie verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts unter weiterer Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Der Arbeitsbereich Krankenhauspforte/Rezeption bestehe zum einen aus dem reinen Pförtnerarbeitsplatz und zum anderen aus einem Pförtnerarbeitsplatz mit Telefonanlage, wobei der dort eingesetzte Mitarbeiter immer dann Pförtner- oder Zusammenhangstätigkeiten zu erledigen habe, wenn die Telefonanlage nicht zu bedienen sei. Insoweit sei richtig, dass bei Einsatz an dem Arbeitsplatz mit Telefonanlage ein Anteil von 60 % Telefonistentätigkeit anfalle, während bei Einsatz am anderen Arbeitsplatz hingegen ausschließlich Pförtnertätigkeit zu erledigen sei. Insgesamt ergebe sich ein rechnerischer Anteil der Telefonistentätigkeit von nur rund 40 %, der folglich nicht eingruppierungsrelevant sei.
Da dem Mitarbeiterteam nur die eigentliche Schichtzeit vorgegeben sei werde zudem bestritten, dass die Mitarbeiter ihre Arbeitsplätze innerhalb der Schichten immer exakt in dem von der Klägerin behaupteten Rhythmus wechselten. Zudem sei die Telefonistentätigkeit weder umfangreich noch schwierig, außerdem werde insoweit nicht das für eine Höhergruppierung erforderliche Maß von 50 % erreicht. Die von der Klägerin angesprochenen besonderen Aufgaben seien - selbst wenn diese telefonisch zu erledigen sind - solche des Pförtnerdienstes und im Übrigen schematisch abzuarbeiten.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstands im Übrigen wird ergänzend auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg.
I.
Die gem. § 64 Abs. 1 und 2b ArbGG statthafte Berufung ist zulässig. Die Klägerin hat das Rechtsmittel nach § 66 Abs. 1 S. 1 u. 2 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet.
II.
Die Kammer hat auf Antrag der Klägerin festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr seit dem 01.09.2013 Vergütung nach der Entgeltgruppe 8 Ziffer 43 der Anlage 2 zu den ARV L zu zahlen. Der für die Monate März bis August 2013 verfolgte Zahlungsantrag, der den der Höhe nach unstreitigen Differenzbetrag zwischen den fraglichen Vergütungsgruppen für diesen Zeitraum abbildet, ist aus § 611 Abs. 1 BGB unter den gleichen rechtlichen Gesichtspunkten begründet. Der Zinsanspruch folgt nach Grund und Höhe aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
1.
Die mit der Berufung weiter verfolgten Klageanträge sind als Leistungs- bzw. Feststellungsantrag (§ 256 Abs. 1 ZPO) zulässig. Bei dem Antrag zu 1. handelt es sich um einen Eingruppierungsfeststellungsantrag, gegen den nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Bereich des öffentlichen Dienstes keine durchgreifenden prozessrechtlichen Bedenken bestehen (BAG, Urteil vom 28.01.1998 - 4 AZR 473/96 - ZTR 1998, S. 329 ff m. w. N.; BAG, Urteil vom 07.07.2010 - 4 AZR 862/08 - [...]). Gleiches gilt für entsprechende Feststellungsbegehren der Beschäftigten kirchlicher Einrichtungen (BAG, Urteil vom 19.01.2004 - 4 AZR 10/03 - ZTR 2004, S. 643 ff).
2.
Die Eingruppierung der Klägerin und damit die Höhe der ihr zu zahlenden Vergütung richtet sich gemäß der Vereinbarung im Arbeitsvertrag der Parteien (dort § 2) nach den AVR L in ihrer jeweils geltenden Fassung.
a. Wird in einem Arbeitsvertrag auf kirchliche Arbeitsbedingungen oder Arbeitsvertragsrichtlinien im Ganzen Bezug genommen, so ist davon auszugehen, dass sich die Eingruppierung des Arbeitnehmers - der zugewiesenen Tätigkeit folgend - nach der für ihn zutreffenden Entgelt- oder Vergütungsgruppe richten soll, was unabhängig davon gilt, ob und welche Eingruppierungsangaben im Arbeitsvertrag enthalten sind (BAG, Urteil vom 12.12.1990 - 4 AZR 306/90 - [...]). Gemäß § 12 AVR-AT bestimmen sich die Dienstbezüge nach dem Abschnitt II der Anlage 1 zu den AVR. Die Bestimmung der dort angesprochenen Regelvergütung setzt eine Eingruppierung nach Maßgabe der Anlage 1 Abschnitt I voraus. Danach gelten für die Eingruppierung der Klägerin hier folgende Bestimmungen:
Eingruppierung
(a) Die Eingruppierung des Mitarbeiters richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Anlagen 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 30, 31, 32 und 33 zu den AVR. Der Mitarbeiter erhält Vergütung nach der Vergütungsgruppe bzw. Entgeltgruppe, in die er eingruppiert ist.
(b) Der Mitarbeiter ist in die Vergütungs- oder Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmale der gesamten von ihm nicht nur vorübergehend auszuübenden Tätigkeit entspricht.
(c) Die gesamte Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Vergütungs- oder Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe erfüllen.
...
Anlage 2, Vergütungsgruppen für Mitarbeiter (allgemein), welche im Sinne einer Auffangregelung die Tätigkeiten erfasst, die nicht in folgenden speziellen Anlagen angesprochen sind, ordnet die hier fraglichen Tätigkeiten folgenden Vergütungsgruppen zu:
Vergütungsgruppe 10
...
16 Pförtner
...
Vergütungsgruppe 9
...
30 Pförtner in Einrichtungen mit mehr als 200 Betten
...
35 Telefonisten
...
Vergütungsgruppe 9a
...
5 Pförtner in Einrichtungen mit mehr als 200 Betten nach zweijähriger Bewährung in der Vergütungsgruppe 9 Ziffer 30
...
Vergütungsgruppe 8
...
43 Telefonisten mit umfangreicher oder schwieriger Tätigkeit
...
b. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt demnach davon ab, ob zumindest die Hälfte der Gesamtarbeitszeit der Klägerin mit Arbeitsvorgängen belegt ist, die den Tätigkeitsmerkmalen der in Anspruch genommenen Vergütungsgruppe 8 Ziffer 43 der Anlage 2 zu den AVR entsprechen (§ 12 AVR i. V. m. der Anlage 1 Vergütungsregelung Abschnitt I zu den AVR).
aa. Der Begriff des Arbeitsvorgangs wird nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als eine unter Hinzurechnung von Zusammenhangstätigkeiten bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit verstanden, die zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führt (BAG, Urteil vom 27.07.1994 - 4 AZR 593/93 - AP Nr. 5 zu § 12 AVR L m. w. N.). Dabei ist es möglich, dass die gesamte Tätigkeit des Angestellten nur einen einzigen Arbeitsvorgang bildet, wenn der Aufgabenkreis nicht weiter aufteilbar und somit einer gesonderten rechtlichen Bewertung unzugänglich ist (BAG, Urteil vom 30.01.1985 - 4 AZR 184/83 - AP Nr. 101 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Tatsächlich trennbare Tätigkeiten mit unterschiedlicher Wertigkeit können jedoch nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst werden (BAG, Urteil vom 20.10.1993 - 4 AZR 45/93 - AP Nr. 172 zu §§ 22, 23 BAT; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 07.02.2007 - 6 Sa 279/05 - [...]). Knüpfen Tätigkeitsmerkmale bzgl. der Eingruppierung an eine Funktionsbezeichnung, etwa ein bestimmtes Berufs- oder Tätigkeitsbild an (sog. Funktionsmerkmale), ist die gesamte Tätigkeit des Angestellten in dieser Funktion regelmäßig als einheitlicher Arbeitsvorgang anzusehen (BAG, Urteil vom 21.02.2007 - 4 AZR 242/06 - ZTR 2007, S. 616 ff). Werden neben einer Funktion weitere Tätigkeiten ausgeübt, so ist für die Eingruppierung entscheidend, ob es sich um Zusammenhangstätigkeiten mit der einen Tätigkeit bzw. Funktion oder um selbständig zu bewertende Tätigkeiten bzw. Funktionen handelt.
bb. In Anwendung dieser Grundsätze ist zunächst festzustellen, dass der Klägerin parallel zwei Funktionen bzw. Tätigkeiten, konkret Telefonistin und Pförtnerin, zugewiesen sind, die jeweils für sich abgrenzbare Arbeitsvorgänge bilden, wobei für die begehrte Eingruppierung unerheblich ist, ob die Pförtner- bzw. Rezeptionstätigkeit als solche sich vorliegend als einheitlicher Arbeitsvorgang mit Zusammenhangstätigkeiten darstellt, oder - etwa im Zusammenhang mit der Aufnahme von Patienten - von weiteren selbständigen Arbeitsvorgängen auszugehen ist. Beide Funktionen sind in der Anlage 2 AVR gesondert genannt und verschiedenen Vergütungsgruppen, der Pförtner den Vergütungsgruppen 9a, 9 und 10 der Telefonist hingegen den Vergütungsgruppen 8, 9a und 9 zugeordnet, was eine seitens des Normgebers angenommene unterschiedliche Wertigkeit der Tätigkeiten ausdrückt.
Beide Tätigkeiten können rein tatsächlich ohne Weiteres völlig unabhängig voneinander ausgeübt werden. Ob und in welcher Form eine Telefonzentrale vorgehalten und diese räumlich wie personell dem Pforten- oder Empfangsdienst, der Verwaltung, der Poststelle oder einem anderen Bereich zugeordnet oder selbständig unterhalten wird, liegt in der Organisationshoheit des Arbeitsgebers. Der Dienst des Pförtners kann, selbst wenn dieser in Wahrnehmung seiner Aufgaben auch zu telefonieren hat, ohne gleichzeitige Bedienung einer Telefonzentrale schon dann ausgeübt werden, wenn der Arbeitsplatz mit einem einfachen Telefon ausgestattet ist. Der Annahme der Beklagten, die Bedienung der Telefonzentrale stelle sich als Zusammenhangstätigkeit mit dem Pförtnerdienst dar, kann daher unter rechtlichen wie tatsächlichen Gesichtspunkten nicht gefolgt werden.
cc. Die Tätigkeit der Klägerin in der Funktion der Telefonistin nimmt zumindest die Hälfte ihrer Gesamtarbeitszeit in Anspruch. Sie ist daher nach Maßgabe der Anlage 1 Abschnitt I (c) AVR eingruppierungsrelevant.
Nach dem Schichtmodell der Beklagten mit rollierendem Einsatz der 11 im fraglichen Bereich beschäftigten Mitarbeiter ist die Klägerin zunächst während der Nachtdienste, an Wochenenden und Feiertagen stets zugleich als Telefonistin tätig, da ihr dann die alleinige Bedienung der Telefonzentrale obliegt. Dabei wird diese Funktion in den angesprochenen Zeiträumen ununterbrochen ausgeübt, denn der Telefonist ist auch dann in dieser Funktion tätig, wenn gerade kein Anruf zu bearbeiten oder kein Telefonat zu führen ist, weil die sichere Bedienung einer Telefonzentrale die ständige Präsens bzw. Arbeitsbereitschaft des dort tätigen Personals erfordert. Gleiches gilt für die Stunden an Wochentagen von 6.00 bis 7.00 sowie von 19.00 bis 20.15 Uhr, weil dann im Bereich Pforte/Telefonzentrale nur eine Kraft eingesetzt wird. Unstreitig ist, dass die Mitarbeiter während der übrigen Dienstzeit (doppelt besetzte Tagdienste an Wochentagen von 7.00 bis 19.00 Uhr) die beiden vorhandenen Arbeitsplätze regelmäßig wechseln, womit der Klägerin denknotwendig insgesamt zu mehr als der Hälfte ihrer Gesamtarbeitszeit die Funktion der Telefonistin obliegt, ohne dass es auf die ganz exakte Einhaltung der von der Klägerin dargestellten Wechselrhythmen an den Wochentagen ankäme.
dd. Die Klägerin wird als Telefonistin mit umfangreicher Tätigkeit im Sinne der Vergütungsgruppe 8 Ziffer 43 der Anlage 2 AVR eingesetzt.
(1) Kirchliche Arbeitsrechtsregelungen, etwa Arbeitsvertragsrichtlinien, sind, obwohl es sich nicht um Tarifverträge handelt, nach den für Tarifnormen entwickelten Grundsätzen auszulegen. Danach ist vom Wortlaut der Regelung auszugehen, anhand dessen der Sinn der Bestimmung zu ermitteln ist, ohne dass dabei am Wortlaut zu haften wäre. Vielmehr ist der wirkliche Wille des Normgebers und der mit der Bestimmung verfolgte Sinn und Zweck mit zu berücksichtigen, soweit selbige in der Regelung ihren Niederschlag gefunden haben (BAG, Urteil vom 24.06.2014 - 1 AZR 1044/12 - [...]). Abzustellen ist ferner auf den systematischen Zusammenhang der Norm. Ferner können in Zweifelsfällen weitere Auslegungskriterien wie die Entstehungsgeschichte der Bestimmung und die Praxis ihrer Handhabung berücksichtigt werden (BAG, aaO).
(2) Soweit die Anlage 2 AVR unter der Vergütungsgruppe 8 Ziffer 43 die Funktion des Telefonisten mit "umfangreicher oder schwieriger Tätigkeit" anspricht, ist danach zunächst festzustellen, dass die beiden Heraushebungsmerkmale dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Bestimmung nach in ein Alternativverhältnis gestellt sind, woraus folgt, dass für eine Eingruppierung in diese Verg ütungsgruppe die Verwirklichung allein eines der beiden Merkmale ausreicht. Auf die Schwierigkeit der Tätigkeit, mit welcher in der Tarifpraxis in der Regel in Abgrenzung zur einfachen Tätigkeit ein höherer Aufwand an gedanklicher Arbeit oder besondere Anforderungen an Qualifikation, Verstand oder Konzentrationsfähigkeit angesprochen sind, kommt es demnach vorliegend nicht an, wenn das Merkmal "umfangreich" erfüllt ist, wovon die Kammer hier ausgeht.
(3) Bei der Auslegung und Anwendung der Norm ist ferner zu beachten, dass die begehrte Eingruppierung eine "umfangreiche" Tätigkeit gerade im Berufsbild des Telefonisten voraussetzt, womit einerseits zu klären ist, welche Aufgaben dem Telefonisten grundsätzlich obliegen und wann seine Tätigkeit darüber hinaus umfangreich sein kann, wobei die Bestimmung allerdings verbindlich vorgibt, dass eine umfangreiche Tätigkeit in diesem Berufsbild grundsätzlich möglich und durch eine höhere Vergütung zu honorieren ist.
Das Berufsbild der Telefonistin beschreibt, wie von der Klägerin herausgearbeitet, im Ausgangsfall den betrieblichen Telefonservice für ein- und ausgehende Gespräche, also die innerbetriebliche Telefonvermittlung, die im Regelfall über eine Telefonzentrale erfolgt (LAG Hamm, Urteil vom 17.04.1997 - 4 Sa 1652/96 - [...]). Da der Normgeber mit dem Merkmal der Schwierigkeit inhaltliche Anforderungen an die Tätigkeit bereits beschrieben hat und erkennbar ein Alternativverhältnis zur deren Umfänglichkeit begründen wollte, können mit diesem weiteren Heraushebungsmerkmal nur die Breite der Tätigkeit als Telefonist oder aber das Maß der Inanspruchnahme angesprochen sein. Letzteres wäre, wollte man an die die Anzahl der angeschlossenen Teilnehmer anknüpfen, hier angesichts von potentiell über 500 Patientenanschlüssen und über 1.000 Beschäftigen ohne Weiteres als "umfangreich" anzunehmen, da der Normgeber im Kontext mit der Pförtnertätigkeit bereits bei Einrichtungsgrößen ab 200 Betten von einer höheren Wertigkeit der Tätigkeit ausgeht.
Will man hingegen - wovon die Kammer ausgeht, da die Vergütungsgruppen im Zusammenhang mit der Wertigkeit der Telefonistentätigkeit in Abgrenzung zum Pförtnerdienst gerade nicht an die Einrichtungsgröße anknüpfen, was bei entsprechendem Willen innerhalb eines Systems nahegelegen hätte - das Merkmal "umfangreich" an einer gegenüber dem Normalfall gesteigerten Vielfalt der Aufgaben festmachen, führt (auch) dies hier im Ergebnis zur begehrten Eingruppierung. Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass der Normgeber mit der Vergütungsgruppe 8 Ziffer 43 eine einfache und keine erheblich gesteigerte Erhöhung der Aufgabenvielfalt im Blick hatte, weil er an dieser Stelle - anders als z. B. im Kontext mit der in der Vergütungsgruppe 7 Ziffer 19 angesprochen Eingruppierung der Hausmeister (dort: "mit besonders schwierigem oder besonders vielseitigem Tätigkeitsbereich") auf die Verwendung von zusätzlichen Steigerungsmerkmalen verzichtet hat.
Die von der Klägerin am Telefon zu erbringenden weiteren Dienstleistungen heben ihre Tätigkeit danach ausreichend von der bloßen Vermittlungs- und Weiterleitungstätigkeit einer Telefonistin ab. So ist unstreitig, dass die Klägerin im Bedarfsfall nach eigener Recherche in den jeweiligen Dienstplänen der Abteilungen die Hintergrunddienste des Hauses zu aktivieren hat, regelmäßig mit externen Dienstleistern (div. Transporte, Pathologie, Desinfektion, Feuerwehr und Rettungsdienste u. a.) und weiteren Stellen in Kontakt tritt und diese mit den notwendigen Informationen und Daten versorgt bzw. Absprachen in zeitlicher und / oder organisatorischer Hinsicht vermittelt und zudem telefonisch Patientendaten erfragt und erfasst. Sie erbringt damit über das Arbeitsmittel Telefon umfassende Dienstleistungen für viele Bereiche des Krankenhauses und entlastet diese von der Notwendigkeit, solche Telefonate selbst führen zu müssen. Unter Berücksichtigung des zur Erledigung dieser Aufgaben einzusetzenden Arbeitsmittels und der fernmündlich kommunikativen Prägung der weiteren Telefondienstleistungen lassen sich selbige nicht in einen Zusammenhang mit der Pförtnertätigkeit stellen. Sie begründen vielmehr die Vielseitigkeit der klägerischen Telefonistentätigkeit.
(4) Bei diesem Verständnis von der Eingruppierungsnorm und der mit ihr angesprochenen Fälle sind die Aufgaben der Telefonistin/des Telefonisten entweder "umfangreich" im Sinne der Vergütungsgruppe oder sie sind es nicht. Denn anders als ggf. das Merkmal der "schwierigen Tätigkeit" entzieht sich dieses Heraushebungsmerkmal der näheren zeitlichen Bestimmung seines Anteils an der Gesamtarbeitszeit, weil die Klägerin stets das gesamte Repertoire des ihr zugewiesenen Dienstleistungsangebots vorhalten und im Bedarfsfall abrufen können muss.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht ersichtlich. Der Rechtsstreit wirft weder entscheidungserhebliche Fragen grundsätzlicher Bedeutung auf noch weicht die Kammer in entscheidungserheblicher Weise von obergerichtlicher Rechtsprechung ab.