09.12.2014 · IWW-Abrufnummer 173524
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 18.09.2014 – 7 Sa 244/14
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens -, Az: 6 Ca 357/13, vom 27. März 2014 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über die Kürzung einer Leistungszulage ab September 2013.
Der am 21. August 1951 geborene Kläger ist seit dem 1. Juli 1989 bei der Beklagten, die circa 1.700 Arbeitnehmer beschäftigt, bzw. deren Rechtsvorgängerinnen tätig. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist ein zwischen dem Kläger und der Z.-Y. X. und dem Kläger unter dem 10. Mai 1989 abgeschlossener Arbeitsvertrag. Dessen Ziffer 8 lautet:
"8. Vertrag - Arbeitsordnung - Tarifverträge
Andere Vereinbarungen als in diesem Vertrag enthalten sind nicht getroffen. Änderungen und Ergänzungen bedürfen zu ihrer rechtlichen Wirksamkeit der Schriftform.
Unsere Arbeitsordnung ist ein Teil dieses Vertrages. Soweit hier nicht anderes festgelegt wurde, gelten die gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen für die Angestellten in der Pfälzischen Eisen- und Metallindustrie in gleichem Maße für Sie wie auch für uns."
Im Betrieb ist ein Betriebsrat gebildet. Es finden im Betrieb die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Rheinland-Pfalz, unter anderem das Entgeltrahmenabkommen (ERA) Anwendung.
In einem Schreiben vom 28. April 1995 (Bl. 40 d. A.) teilte die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Z. Y. AG dem Kläger Folgendes mit:
"aufgrund der für Sie durchgeführten und Ihnen zur Kenntnis gebrachten neuen Leistungsbewertung wurde ab 01. April 1995 eine Leistungszulage von 13 % ermittelt. Ihr monatliches Bruttogehalt setzt sich ab diesem Zeitpunkt wie folgt zusammen:
Übertarifliche Gehaltsbestandteile können bei Tarifänderungen angerechnet oder bei Vorliegen sachlicher Gründe widerrufen werden."
Aus Anlass der "Einführung des Entgeltrahmenabkommens (ERA) zum 01. April 2007" teilte die W. Y. GmbH dem Kläger mit Schreiben vom 17. April 2008 (Bl. 4 d. A.) mit, dass für ihn folgende Reglungen getroffen wurden:
"Sie werden ab dem 01. April 2007 in Entgeltgruppe E08 eingestuft. Ihr Entgelt setzt sich ab diesem Zeitpunkt auf Basis Ihrer individuellen wöchentlichen Arbeitszeit von 40,00 Stunden wie folgt zusammen:
In den Entgeltabrechnungen des Klägers für die Monate Januar bis Oktober 2013 (Bl. 5 ff., 63 ff. d. A.) sind neben der "Kontoführungsgebühr" und dem "Vermögensb.AG-Anteil" das "Grundentgelt", "Leistungszulage %" und "Freiwillige Zulage" ausgewiesen.
Unter dem 25. März 2013 erstellte die Beklagte eine "Leistungsbeurteilung für Beschäftigte im Zeitentgelt" mit einer Gesamtpunktzahl von "5" (Bl. 34 d. A.). Der Kläger verweigerte die Unterschrift auf diesem Formular in der Rubrik "Kenntnisnahme".
Mit Schreiben vom 18. April 2013 (Bl. 8 d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass seine "erstmalige Beurteilung nach dem neuen Leistungsbeurteilungssystem gemäß Anhang A des Entgeltrahmenabkommens (...) im Ergebnis zu einer Leistungszulage von 3,83 %" führt und sich sein monatliches Bruttoentgelt mit Wirkung vom 1. April 2013 "unter Berücksichtigung der neu ermittelten Leistungszulage wie folgt zusammen(setzt):
Dieses Schreiben wurde dem Kläger am 29. April 2013 zusammen mit der Lohnabrechnung für den Monat April 2013 übergeben. Entsprechend wurde für die Monate April und Mai 2013 lediglich eine Leistungszulage in Höhe von 142,17 € ausgezahlt.
Der Kläger widersprach mit anwaltlichem Schreiben vom 13. Mai 2013 (Bl. 9 d. A.) der im "Schreiben vom 18. April 2013 gekündigten Abrechnung der Leistungsumlage sowie der vorgelegten Leistungsbeurteilung."
Ab Juli 2013 erhöhte sich das Grundentgelt des Klägers auf 3.838,86 € brutto.
Am 5. August 2013 erfolgte eine erneute Beurteilung des Klägers. Die Beklagte teilte daraufhin mit Schreiben vom 12. August 2013 mit, dass die Leistungszulage nunmehr 9,97 % betrage und diese ab dem 1. September 2013 entsprechend gezahlt würde.
Der Kläger hat - soweit im Berufungsverfahren noch von Bedeutung - vorgetragen,
er habe seit seinem Eintritt bei der Beklagten am 1. Juni 1989 - vollkommen unabhängig von ERA - eine Zulage in Höhe von 13 % des Grundentgeltes erhalten. Die Leistungszulage sei Lohnbestandteil geworden. Sämtliche Unterlagen stünden ihm nicht mehr zur Verfügung. Unterschiedliche Leistungsbeurteilungen aus den vergangenen Jahren seien ihm nicht bekannt. Zu keinem Zeitpunkt seien die entsprechenden tarifvertraglichen Regelungen in den letzten Jahrzehnten angewandt worden.
Selbst wenn man davon ausgehe, dass die Regelungen des ERA, insbesondere § 8 Anwendung fänden, bestehe nach § 8 Abs. 5 zumindest ein Anspruch in Höhe von 10 %, da die Beklagte auf eine methodisch individuelle Beurteilung der Leistung in den vergangenen Jahren verzichtet habe.
Mit seiner am 5. Juni 2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen und mehrfach erweiterten Klage verfolgte der Kläger seinen Anspruch auf Zahlung der Leistungszulage in der bis zum 31. März 2013 gezahlten Höhe weiter.
Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
Die Beklagte hat beantragt,
Sie hat - soweit im Berufungsverfahren noch relevant - vorgetragen,
bei der an den Kläger gezahlten Zulage handele es sich nicht um eine freiwillige übertarifliche Zulage, sondern um eine tarifliche Leistungszulage. Mit Schreiben vom 13. Oktober 1989 sei dem Kläger mitgeteilt worden, dass nach § 3 Gehaltsrahmentarifvertrag den Angestellten je nach Beurteilung ihrer Leistung eine Leistungszulage zu ihrem tariflichen Grundgehalt zu zahlen sei. Weiter sei ihm mitgeteilt worden, dass aufgrund der für ihn durchgeführten und ihm zur Kenntnis gebrachten Leistungsbewertung ab dem 1. Oktober 1989 eine Leistungszulage von 7,8 % ermittelt worden sei. Auch in den Jahren 1992, 1995 und 1999 sei die Leistung des Klägers unterschiedlich beurteilt worden (Beurteilungsbögen Bl. 49 ff. d. A.). Gerade im Hinblick auf die Leistungsbeurteilung vom 9. März 1992 sei eine Leistungszulage auch lediglich in Höhe von 10,4 % für den Kläger festgelegt worden.
Sie war der Ansicht, ein Anspruch des Klägers aus betrieblicher Übung sei nicht gegeben. Die streitgegenständliche Leistungszulage habe einen tarifvertraglichen Bezug und sei in keiner Abrechnung ohne diese Begrifflichkeit ausgewiesen. Dass sie in den letzten Jahren keine Leistungsbeurteilung durchgeführt habe, führe nicht dazu, dass der Kläger einen unangreifbaren Anspruch auf die streitgegenständliche Leistungszulage habe. Vielmehr könne sie, wie geschehen, auch eine Leistungsbeurteilung vornehmen, wenn sie der Auffassung sei, dass die Leistung des Klägers nicht mehr der bisherigen Leistungsbeurteilung entspreche. Die tarifliche 10 %-Regelung habe lediglich zur Folge, dass der Arbeitgeber über den gesamten Betrieb bei den Beschäftigten im Durchschnitt 10 % als Leistungszulage zu zahlen habe. Insoweit sei auch in § 8 Abs. 1 klargestellt, dass daraus nicht abgeleitet werden könne, dass jeder Beschäftigte im Zeitentgelt eine Leistungszulage zu beanspruchen habe.
Das Arbeitsgericht Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - hat die Beklagte durch Urteil vom 27. März 2014 verurteilt, an den Kläger 1.021,17 € brutto sowie weitere 704,04 € brutto, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. Juni 2013 zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt: Der Kläger habe gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung der Differenzbeträge bezüglich der alten und neuen Leistungszulage in Höhe von 340,39 € brutto monatlich für den Zeitraum April 2013 bis Juni 2013 und in Höhe von 352,02 € brutto monatlich für den Zeitraum Juli 2013 bis August 2013 gemäß § 611 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag, § 8 ERA. Dagegen habe der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf den Differenzbetrag für den Zeitraum September bis Dezember 2013 und damit auch keinen Anspruch auf Feststellung, dass künftig eine Leistungszulage in Höhe von 13 % des Grundentgelts zu zahlen sei. Da in der nochmaligen Leistungsbeurteilung eine Leistungszulage in Höhe von 9,97 % festgelegt worden sei und dies dem Verfahren gemäß § 8 ERA entspreche, habe der Kläger keine weitergehenden Ansprüche. Ein Anspruch auf Zahlung der Differenz der alten und neuen Leistungszulage beruhe auch nicht auf betrieblicher Übung. Mit § 8 ERA bestehe eine tarifvertragliche Anspruchsgrundlage für die streitige Leistungszulage. Aufgrund der Subsidiarität der betrieblichen Übung scheide deren Anwendung im vorliegenden Fall aus. Auch seien seitens des Klägers keine Umstände dargelegt, aufgrund derer geschlossen werden müsse, dass die Beklagte eine von § 8 ERA unabhängige, zusätzliche Leistung habe erbringen wollen. Tatsächlich sei seitens der Beklagten lediglich eine Leistungszulage in den Entgeltabrechnungen ausgewiesen, woraus geschlossen werden müsse, dass es sich insoweit um die tarifvertragliche Leistungszulage gemäß § 8 ERA handele, da insoweit eine Zahlungsverpflichtung für die Beklagte bestehe.
Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens (Bl. 83 ff. d. A.) Bezug genommen.
Das genannte Urteil ist dem Kläger am 9. April 2014 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit einem am 5. Mai 2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag (Bl. 97 d. A.) Berufung eingelegt und diese mit am 2. Juni 2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 28. Mai 2014 begründet.
Zur Begründung der Berufung macht der Kläger nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes sowie der Schriftsätze vom 8. August 2014 und 9. September 2014, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 118 ff., 136, 140 d. A.) zusammengefasst geltend,
die letzte Leistungsüberprüfung habe im Jahr 1999 stattgefunden. Seit Beschäftigungsbeginn sei ihm durchgängig eine Leistungszulage in Höhe von 13 % gezahlt worden. Ihm sei im Rahmen der ERA-Einführung im Jahr 2003 mehrfach zugesichert worden, dass an der bestehenden Zulage in Höhe von 13 % nichts geändert werde. Dies sei ihm im Rahmen der ERA-Einführung auch so schriftlich übermittelt worden. Folgerichtig habe es bei ihm ab dem Jahr 2003 keinerlei Leistungsüberprüfungen gegeben. Der Anspruch auf Zahlung der Zulage in Höhe von 13 % folge insoweit aus den ursprünglichen arbeitsvertraglichen Bestimmungen. Darüber hinaus sei eine betriebliche Übung dahingehend eingetreten, dass er aufgrund der Zusicherungen und der langjährigen Zahlung der Zulage habe darauf vertrauen dürfen, dass er die Zulage auch weiterhin erhalte.
Der Kläger beantragt zweitinstanzlich zuletzt,
Die Beklagte beantragt,
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 4. Juli 2014 und des Schriftsatzes vom 29. August 2014, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 132 ff., 137 f. d.A.), als rechtlich zutreffend. Ein Rückgriff auf das subsidiäre Rechtsinstitut der betrieblichen Übung könne nicht erfolgen, da seit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses des Klägers die dem ERA vorangegangenen tariflichen Regelungen des Lohnrahmentarifvertrages für die Arbeiter in der Metallindustrie Rheinland-Pfalz vom 31. Oktober 1996, insbesondere dessen § 5, bzw. die entsprechenden Regelungen im Gehaltstarifvertrag maßgeblich gewesen seien.
Dem Kläger sei auch nicht bei Einführung des Entgeltrahmenabkommens im Jahr 2003 zugesichert worden, dass an der bestehenden Zulage in Höhe von 13 % nichts geändert werde. Aus den Bestimmungen bezüglich der ERA-Einführung aus dem Jahr 2003 ergebe sich nichts anderes, da damit im Ergebnis ebenfalls auf die Anwendbarkeit des § 8 ERA und damit auf die Überprüfungsmöglichkeit hingewiesen werde. Selbst bei jahrelanger Gewährung der tarifvertraglichen Leistungszulage von 13 % sei ihr nicht das Recht genommen, die Leistungszulage zu überprüfen und bei entsprechender negativer Veränderung die Zulage auch zu vermindern.
Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 18. September 2014 (Bl. 176 ff. d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.
II. In der Sache hatte die Berufung des Klägers keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage im Hinblick auf Zahlung der Differenzvergütung für die Monate September bis Dezember 2013 sowie auf Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, zukünftig eine Leistungszulage in Höhe von 13 % des Grundentgeltes in Höhe von derzeit monatlich 499,05 € brutto zu zahlen, zu Recht abgewiesen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Leistungszulage in Höhe von 13 % des Grundgehaltes für die Monate September, Oktober, November und Dezember 2013 sowie für die daran anschließende Zeit. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus den bei dem Beschäftigungsbeginn zwischen den damaligen Vertragsparteien getroffenen Vereinbarungen noch aus einer Zusicherung im Jahr 2003, aus den tariflichen Regelungen oder aus betrieblicher Übung.
Ein vertraglicher Anspruch auf Zahlung einer Leistungszulage in Höhe von 13 % des Tarifentgelts ergibt sich nicht ausdrücklich aus den zwischen den Parteien getroffenen vertraglichen Vereinbarungen, insbesondere nicht aus dem zwischen der Z.-Y. Baumaschinen und dem Kläger geschlossenen Arbeitsvertrag in Verbindung mit § 611 Abs. 1 BGB.
Ein solcher Anspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus einer dem Kläger von der Beklagten gegebenen Zusicherung. Der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, wer ihm wann genau und in welcher Form welche Zusicherung welchen genauen Inhalts abgegeben haben soll.
Aufgrund der §§ 7, 8 ERA steht dem Kläger ab September 2013 die begehrte Leistungszulage in Höhe von 13 % nicht (mehr) zu. Der Kläger wird im Zeitentgelt (Grundentgelt und Leistungszulage, die sich durch Beurteilung gemäß § 8 ERA ermittelt) vergütet, §§ 7 Abs. 1, 8 ERA. Die dem Kläger zustehende tarifliche Leistungszulage hat sich aufgrund der am 5. August 2013 erfolgten, vom Kläger nicht beanstandeten Leistungsbeurteilung auf 9,97 % verringert.
Ein Anspruch des Klägers auf (Weiter-)Zahlung einer Leistungszulage in Höhe von 13 % des Tarifgehalts ergibt sich auch nicht aus den Bestimmungen des ERA-Einführungstarifvertrages, insbesondere dessen § 5 "Besitzstandsregelung". Bei der Auslegung einer Tarifnorm ist zunächst von deren Wortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung, ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG, Urteil vom 27. August 2013 - 10 AZR 701/12 - BeckRS 2013, 73482 Rz. 13; vom 11. Juli 2012 - 10 AZR 477/11 - NZA-RR 2012, 661 [BAG 11.07.2012 - 10 AZR 488/11] Rz. 13; vom 29. August 2001 - 4 AZR 337/00 - NZA 2002, 1346, 1347; vom 5. Oktober 1999 - 4 AZR 578/98 - NZA 2000, 268, jeweils m. w. N.). Von diesen Grundsätzen ausgehend ergibt sich für den hier zu entscheidenden Fall Folgendes: Die Besitzstandsregelung § 5 Abs. 1 ERA-ETV betrifft ausweislich ihres Wortlauts die "erstmalige Anwendung des Entgeltrahmenabkommens" und führt aus, dass "aus diesem Anlass" "nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen für den einzelnen Beschäftigten keine Minderung seines bisherigen tariflichen Entgelts, bestehend aus tariflichem Grundlohn zuzüglich individueller Leistungszulage bzw. Akkordmehrverdienst oder Prämie und tariflichem Gehalt zuzüglich individueller Leistungszulage, erfolgen" darf. Lediglich für diesen Fall ist die Sicherung des Einkommens durch Ausweisung einer Entgeltdifferenz vorgesehen. Auch für den Vergleich des bisherigen tariflichen Entgelts mit dem neuen tariflichen ERA-Entgelt ist in § 5 Abs. 4 ERA-ETV ausdrücklich der "Stichtag der Ersteinführung des ERA" genannt. Schließlich regelt § 5 Abs. 5 ERA-ETV, dass diese Entgeltdifferenz bis zu 10 % des bisherigen tariflichen Entgeltes als Ausgleichszulage, eine in Einzelfällen darüber hinausgehende Differenz als Überschreiterzulage zuzüglich zum neuen tariflichen ERA-Entgelt gezahlt wird. Dabei nimmt nur die Überschreiterzulage an Tariferhöhungen teil. Die Reduzierung der Ausgleichszulage kann frühestens zwölf Monate nach der Mitteilung der Ersteingruppierung an den Beschäftigten durch den Arbeitgeber erfolgen. Nachfolgende Erhöhungen werden bis auf 1 %-Punkt des tariflichen Erhöhungsprozentsatzes auf die verbliebene Ausgleichszulage angerechnet. Durch diese Regelung des § 5 Abs. 5 ERA-ETV wird deutlich, dass das vor Einführung des ERA gezahlte Entgelt gerade nicht in der bisherigen Zusammensetzung garantiert werden und an Tariflohnerh öhungen teilnehmen sollte. Es sollte lediglich das bisherige Einkommen zum Stichtag gesichert werden.
Auch aus den Mitteilungen zu § 4 Abs. 1 ERA ergibt sich lediglich, dass bestehende betriebliche Vereinbarungen zum Leistungsentgelt und zur Zahlung von Leistungszulagen bestehen bleiben. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von 13 % unabhängig vom Inhalt der bisherigen betrieblichen Regelungen folgt hieraus nicht.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zahlung einer persönlichen Leistungszulage von mindestens 10 % des Tarifentgelts gemäß § 8 Abs. 5 ERA. Ein solcher Anspruch besteht nach § 8 Abs. 5 ERA nur dann, wenn der Arbeitgeber auf eine methodisch individuelle Beurteilung der Leistung verzichtet. Die Beklagte hat im Jahr 2013 Leistungsüberprüfungen durchgeführt. Allein daraus, dass die Beklagte in den vorangegangenen Jahren auf eine entsprechende Leistungsüberprüfung verzichtet hat, ergibt sich kein Verzicht auf eine methodisch individuelle Leistungsbeurteilung in der Zukunft. Ergänzende Gesichtspunkte, aus denen sich unter Berücksichtigung des in § 8 Abs. 6 ERA vorgesehenen jährlichen Beurteilungsrhythmus ein entsprechender Verzicht der Beklagten entnehmen lassen würde, hat der Kläger nicht vorgetragen.
Aus § 8 Abs. 1 ERA folgt ebenfalls kein individualrechtlicher Anspruch auf eine persönliche Leistungszulage auf 10 %. Vielmehr müssen nach dieser Vorschrift lediglich die Leistungszulagen der Beschäftigten im Zeitentgelt insgesamt mindestens 10 % der Summe der tariflichen Grundentgelte der nach dem Entgeltgrundsatz "Beurteilung" erfassten Beschäftigten im jeweiligen Geltungsbereich betragen. In § 8 Abs. 1 Unterabs. 3 S. 2 ERA ist ausdrücklich klargestellt, dass hieraus nicht abgeleitet werden kann, dass jeder Beschäftigte im Zeitentgelt eine Leistungszulage zu beanspruchen hat. Hieraus ergibt sich, dass nicht jeder Beschäftigte im Zeitentgelt eine Leistungszulage (in Höhe von mindestens 10 %) beanspruchen kann.
Der Kläger hat gegen die Beklagte schließlich keinen Anspruch auf Zahlung einer Leistungszulage in Höhe von 13 % des Grundgehaltes aus dem Arbeitsvertrag der Parteien (§ 611 Abs. 1 BGB) in Verbindung mit den Grundsätzen einer betrieblichen Übung.
Unter einer betrieblichen Übung wird die gleichförmige, regelmäßige Wiederholung bestimmter vorbehaltsloser Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, die den Inhalt des Arbeitsverhältnisses gestaltet und geeignet ist, vertragliche Ansprüche zu begründen, wenn die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen durften, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer auch künftig gewährt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern regelmäßig stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen für die Zukunft. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille des Arbeitgebers, sondern ob der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) dahin verstehen konnte und durfte, der Arbeitgeber wolle sich zu einer über seine gesetzlichen, tarifvertraglichen und vertraglichen Pflichten hinausgehenden Leistung verpflichten (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BAG, Urteil vom 29. August 2012 - 10 AZR 571/11 - NZA 2013, 40; vom 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - NZA 2012, 81; vom 24. März 2010 - 10 AZR 43/09 - NZA 2010, 759 Rz. 16 jeweils m. w. N.). Dies ist im Wege der Auslegung des Verhaltens des Arbeitgebers zu ermitteln. Ansprüche aus betrieblicher Übung können daher nur entstehen, wenn für die Leistung noch keine andere - kollektiv- oder individualvertragliche - Anspruchsgrundlage besteht (BAG, Urteil vom 1. April 2009 - 10 AZR 393/08 - AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 84 Rz. 16; vom 10. Dezember 2002 - 3 AZR 671/01 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 252 unter I.2 der Gründe, jeweils m. w. N.).
Grundsätzlich kann eine betriebliche Übung auch bezüglich übertariflicher Leistungen und übertariflicher Anteile einer einheitlichen Leistung entstehen (BAG, Urteil vom 24. März 2010 - 10 AZR 43/09 - NZA 2010, 759 Rz. 17 m. w. N.). Dem tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers muss aber aus Sicht der Arbeitnehmer der Wille zu Grunde liegen, eine bestimmte übertarifliche Leistung zu erbringen (BAG, Urteil vom 29. August 2012 - 10 AZR 571/11 - NZA 2013, 40, 41 Rz. 20 m. w. N.). Hierbei trägt nicht der Arbeitgeber die Darlegungslast dafür, dass er für den Arbeitnehmer erkennbar irrtümlich glaubte, die betreffenden Leistungen in Erfüllung tarifvertraglicher oder sonstiger Pflichten erbringen zu müssen. Vielmehr ist es Sache des Klägers, die Anspruchsvoraussetzungen darzulegen. Dazu gehört im Fall der betrieblichen Übung auch die Darlegung, dass das Verhalten des Arbeitgebers aus Sicht des Empfängers ausreichende Anhaltspunkte dafür bot, der Arbeitgeber wolle Zahlungen erbringen, ohne hierzu bereits aus anderen Gründen - etwa auf Grund eines Tarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarung verpflichtet zu sein (BAG, Urteil vom 29. August 2012 - 10 AZR 571/11 - NZA 2013, 40, 41 Rz. 20 m. w. N.; vom 19. Juni 2001 - 1 AZR 598/00 - NZA 2002, 408 [Ls.]).). Erst wenn solche Darlegungen des Arbeitnehmers die Entstehung einer betrieblichen Übung belegen, ist es Sache des Arbeitgebers, dem durch geeigneten Vortrag entgegenzutreten.
Nach diesen Maßstäben ist die Beklagte im Streitfall nicht aus dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit den Grundsätzen zur betrieblichen Übung verpflichtet, an den Kläger eine Leistungszulage in Höhe von 13 % des tariflichen Entgelts zu zahlen. Die Beklagte war bzw. ist zur Zahlung einer Leistungszulage an den Kläger nach dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit den tariflichen Bestimmungen (§ 8 ERA bzw. die entsprechenden Vorgängerregelungen) verpflichtet. Die Zahlung der Leistungszulage zur Erfüllung ihrer tariflichen Verpflichtung hat die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin, die Z. Y. AG, auch dadurch deutlich gemacht, dass sie beispielsweise im Schreiben vom 28. April 1995 zwischen Tarifgehalt, Leistungszulage und übertariflicher Zulage unterschieden hat. Aus dieser Unterscheidung folgt im Umkehrschluss, dass es sich bei der Leistungszulage aus Sicht der Beklagten gerade nicht um eine - gesondert ausgewiesene - übertarifliche Zulage handelt. Hätte die Beklagte eine übertarifliche Leistung erbringen wollen, hätte es nahe gelegen, dies in irgendeiner Weise zum Ausdruck zu bringen. Der Kläger konnte daher aus der Zahlung der Leistungszulage nicht schließen, ihm solle diese Leistungszulage auch in Zukunft auf Dauer unabhängig von den jeweiligen tariflichen Bestimmungen gewährt werden.
Der Kläger hat auch nicht dargelegt, dass die Beklagte aus seiner Sicht unabhängig von der Leistungsbeurteilung eine in ihrer Höhe über die tarifliche Verpflichtung hinausgehende Leistungszulage in Höhe von 13 % zahlen wollte, ohne hierzu aus anderen Gründen verpflichtet zu sein. Wie sich aus dem vom Kläger vorgelegten, an ihn gerichteten Schreiben der Beklagten vom 28. April 1995 ergibt, hatte die Beklagte die Leistungszulage von 13 % seinerzeit aufgrund einer Leistungsbewertung ermittelt. Die Höhe der Leistungszulage beruhte daher gerade auf der betrieblichen Beurteilung der persönlichen Leistung des Klägers und entsprach damit der tariflich geschuldeten Höhe. Auch ist in den Entgeltabrechnungen nur eine "einheitliche" Leistungszulage ausgewiesen. Eine Aufspaltung in einen tariflich geschuldeten und einen übertariflichen Anteil an der Leistungszulage wurde von der Beklagten gerade nicht vorgenommen. Das Verhalten der Beklagten bot daher nach Auffassung der Kammer aus Sicht des Arbeitnehmers keine Anhaltspunkte dafür, neben der tariflichen eine weitere übertarifliche Leistungszulage zu zahlen.
Der Kläger hat daher gegen die Beklagte weder einen Zahlungsanspruch für die Monate September bis Dezember 2013 noch einen Anspruch auf Feststellung, dass die Beklagte an ihn eine Leistungszulage in Höhe von 13 % des Grundentgelts zu zahlen hat. Die Berufung des Klägers hatte somit keinen Erfolg.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.