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04.12.2014 · IWW-Abrufnummer 143393

Finanzgericht Sachsen: Beschluss vom 09.10.2014 – 8 V 1346/13

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Sachsen

Beschl. v. 09.10.2014

Az.: 8 V 1346/13

In dem Finanzrechtsstreit
1. Herr H. S.,
2. Frau N. S.,
- Antragsteller -
Prozessbevollmächtigte/r: Steuerberater K.,
gegen
Finanzamt, vertreten durch den Vorsteher,
- Antragsgegner -
wegen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (Einkommensteuer 2007 bis 2010, Gewerbesteuermessbetrag 2007 bis 2010 und Umsatzsteuer 2007 bis 2010, Zinsen zur Einkommensteuer 2009 und 2010)
hat der 8. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht sowie die Richter am Finanzgericht und am 9.10.2014
beschlossen:
Tenor:

1.

Die Vollziehung der geänderten Bescheide des Antragsgegners über die Umsatzsteuer für die Kalenderjahre 2007 bis 2010 jeweils vom 23.7.2013 wird bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Rechtsbehelfsentscheidungen in der Hauptsache bzw. bis zur anderweitigen Beendigung des Rechtsbehelfsverfahrens ausgesetzt.
2.

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
3.

Die Kosten des Verfahrens werden den Antragstellern zu 85 % und dem Antragsgegner zu 15 % auferlegt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob Entschädigungszahlungen aus Urheberrechtsverletzungen gemäß § 97 Urheberrechtsgesetz - UrhG - die gewerblichen Einkünfte des Antragstellers zu 1. erhöht haben und ob in diesem Zusammenhang vom Antragsteller zu 1. gegenüber den Verletzern eine sonstige Leistung erbracht worden ist, die der Umsatzsteuer unterlag sowie um Zinsen infolge der Auflösung eines Investitionsabzugsbetrags und die Korrektur von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

Die Antragsteller wurden in den Streitjahren 2007 bis 2010 als Eheleute zusammenveranlagt. Der Antragsteller zu 1. war in den Streitjahren als Händler mit Audio- und Hi-Fi-Geräten im Internet (im Folgenden: Einzelunternehmen) selbständig tätig. Im Rahmen des Einzelunternehmens stellte der Antragsteller zu 1. die zu veräußernden gebrauchten Rundfunkgeräte auf der Internethandelsplattform A) ein. Die Inserate waren mit Lichtbildern der betreffenden Geräte versehen. Die Lichtbilder sind zuvor im Rahmen des Einzelunternehmens erzeugt worden.

In einer Vielzahl von Fällen verwendeten Dritte (sog. Verletzer) die Lichtbilder, die zuvor den Inseraten des Einzelunternehmens beigefügt waren, für eigene Inserate auf der Internethandelsplattform A). Der Antragsteller zu 1. räumte den Verletzern insoweit kein Nutzungsrecht ein.

Zur Verfolgung der dadurch begangenen Urheberrechtsverletzungen beauftragte der Antragsteller zu 1. als Inhaber des Einzelunternehmens eine Rechtsanwaltskanzlei. Die Rechtsanwaltskanzlei mahnte die Verletzer schriftlich ab, in dem sie die Ansprüche auf Unterlassung und Schadenersatz gemäß § 97 UrhG geltend machte, verbunden mit der Aufforderung zur Abwendung einer Unterlassungsklage bzw. eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, eine entsprechend strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Die Verletzer wurden im Rahmen des zu Gunsten des Antragstellers zu 1. bestehenden Schadenersatzanspruchs aus § 97 UrhG aufgefordert, im Wege der Lizenzanalogie eine fiktive Lizenzgebühr als Lizenzentschädigung zu zahlen (vgl. z.B. Bl. 114-115 Bd. I Betriebsprüferakten).

Die Verletzer unterschrieben überwiegend neben der strafbewehrten Unterlassungserklärung (vgl. z.B. Bl. 127 Bd. I Betriebsprüferakten) eine Verpflichtungserklärung mit dem Inhalt, an den Antragsteller zu 1. als Inhaber des Einzelunternehmens für die unberechtigte Bildnutzung im Rahmen einer näher bezeichneten A)-Auktion eine Lizenzentschädigung in angegebener Höhe zu zahlen (vgl. z.B. Bl. 126 und Bl. 144 Bd. I Betriebsprüferakten).

Die Einnahmen aus den Lizenzentschädigungen wurden auf dem Erlöskonto a) des Einzelunternehmens des Antragstellers zu 1. wie folgt gebucht:

- für 2007 in Höhe von insgesamt 53.062,98 Euro,

- für 2008 in Höhe von insgesamt 202.935,64 Euro,

- für 2009 in Höhe von insgesamt 182.411,67 Euro und

- für 2010 in Höhe von insgesamt 115.788,55 Euro.

In den Gewinnermittlungen durch Einnahme-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz - EStG - für die Zeiträume 1.1.2007 bis 31.12.2007 und 1.1.2008 bis 31.12.2008 stellte der Antragsteller zu 1. diese Einnahmen als Neutrale Erträge - Betriebseinnahmen nicht steuerbar - ein. In den Gewinnermittlungen durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG für die Zeiträume 1.1.2009 bis 31.12.2009 und 1.1.2010 bis 31.12.2010 wies der Antragsteller zu 1. diese Einnahmen nachrichtlich im Kontennachweis zur Gewinn- und Verlustrechnung als - Nicht steuerbare Einnahmen Schadenersatz - aus.

In der jeweiligen Jahreserklärung wurde der Gewinn aus Gewerbetrieb um diese Einnahmen gemindert. Die Einnahmen wurden bisher als nicht steuerbare Einnahmen aus Schadenersatz erklärt. Die Beträge wurden vom ermittelten Gewinn aus Gewerbetrieb abgezogen. Die Einnahmen unterlagen bisher nicht der Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer.

Für die Anschaffung eines Pkw B) nahm der Antragsteller zu 1. im Rahmen seines Einzelunternehmens im Jahr 2007 einen Investitionsabzugsbetrag nach § 7 g Abs. 1 EStG n.F. in Höhe von 11.960 Euro gewinnmindernd vor. Die Anschaffung erfolgte im Jahr 2008 und die Veräußerung am 21.10.2009.

Bezüglich der Objekte W.-Str., Wohneinheit 9, H.-Str., Wohneinheiten 4 und 22 sowie S.-Str., Wohneinheit 7, alle angeschafft mit Datum vom 16.11.2009, erklärten die Antragsteller im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2009 keine Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung.

Am 21.12.2012 wurde für das Einzelunternehmen des Antragstellers zu 1. die Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer betreffend eine Betriebsprüfung angeordnet. In ihrem Prüfungsbericht vom 3.7.2013 vertrat die Prüferin die Auffassung, dass es sich bei den Lizenzentschädigungen um Betriebseinnahmen handeln würde, die als Einkünfte aus dem Gewerbetrieb gewinnerhöhend zu erfassen seien. Mit der Zahlung der Lizenzentschädigung sei die Einwilligung des Antragstellers zu 1. zur Verwertung im üblichen Umfang durch den Verletzer verbunden gewesen. Hier hätten sich Leistender und Leistungsempfänger dergestalt gegenüber gestanden, dass ein nach § 1 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz - UStG - steuerpflichtiger Leistungsaustausch anzunehmen sei. Die Abgrenzung zum echten Schadenersatz sei geprüft worden, aber abzulehnen gewesen. Die Überlassung der Urheberrechte an den Lichtbildern sei eine steuerpflichtige sonstige Leistung, die dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c) unterliegen würde. Die Auflösung des Investitionsabzugsbetrags nach § 7 g Abs. 2 EStG würde zu Zinsforderungen gemäß § 233 a Abgabenordnung - AO - in Höhe von 791 Euro zum 31.12.2009 und in Höhe von 3.110 Euro zum 31.12.2010 führen. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die durch die Antragsteller mit der Einkommensteuererklärung 2010 um 2.439 Euro zu hoch erklärt worden sind, seien zu korrigieren und erhöhend für den Veranlagungszeitraum 2009 zu erfassen.

Der Antragsgegner schloss sich der Auffassung der Prüferin an und erließ am 23.7.2013 entsprechend geänderte Bescheide zur Einkommen- und Umsatzsteuer 2007 bis 2010 sowie zum Gewerbesteuermessbetrag 2007 bis 2010. Die Antragsteller legten dagegen am 16.8.2013 Einspruch ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung der geänderten Bescheide.

Mit Bescheid vom 30.8.2013 lehnte der Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung der geänderten Bescheide vom 23.7.2013 zur Einkommen- und Umsatzsteuer 2007 bis 2010 sowie zum Gewerbesteuermessbetrag 2007 bis 2010 ab. Dagegen richtet sich der gerichtliche Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vom 16.9.2013.

Die Antragsteller sind der Auffassung, dass es sich bei den Einnahmen aus Lizenzentschädigung in Abgrenzung von den steuerbaren Umsätzen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG um echten Schadenersatz handele, der nicht steuerbar sei. Der Antragsteller zu 1. hätte zu keiner Zeit die unerlaubten Verwertungshandlungen der Verletzer gebilligt. Ertragsteuerlich sei entscheidend auf die Differenzierung zwischen dem nicht übertragbaren Urheberpersönlichkeitsrecht des Antragstellers zu 1. und den übertragbaren Verwertungsrechten an den Lichtbildern abzustellen. Da die Lizenzentschädigungen für die Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts des Antragstellers zu 1. gezahlt worden seien und dieses nicht dem Betriebsvermögen des Einzelunternehmens zugerechnet werden könne, würde es sich nicht um Betriebseinnahmen handeln. Auf die Tatsache, dass die Lichtbilder im Rahmen des Gewerbetriebs des Antragstellers zu 1. erzeugt worden seien, sei nicht abzustellen. Eine gewinnerhöhende Berücksichtigung der Lizenzentschädigungen bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb müsse daher unterbleiben.

Gegen die Zinsforderungen infolge der Auflösung des Investitionsabzugsbetrags wenden die Antragsteller ein, dass die Veräußerung des Fahrzeugs im Folgejahr der Anschaffung hinsichtlich der Festsetzung von Zinsen gemäß § 233 a AO ein rückwirkendes Ereignis gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO darstelle, so dass der Zinslauf nicht in Gang gesetzt worden sei.

Hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die unstreitig im Kalenderjahr 2009 entstanden und erst im Veranlagungszeitraum 2010 erklärt worden sind, sind die Antragsteller der Auffassung, dass aus Vereinfachungsgründen eine zutreffende Verteilung auf die Kalenderjahre 2009 und 2010 nicht erforderlich sei, was mit dem Innendienst des Antragsgegners zuvor so abgesprochen worden wäre. Die Antragsteller meinen, sich insoweit auf einen Vertrauensschutz nach Treu und Glauben berufen zu können. Da dieser Sachverhalt keine neue Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO darstelle, würde es an einer Rechtsgrundlage für die Änderung des Einkommensteuerbescheide 2009 und 2010 fehlen.

Die Antragsteller beantragen,

die Vollziehung der geänderten Umsatz- und Einkommensteuerbescheide 2007 bis 2010 sowie Bescheide zum Gewerbesteuermessbetrag 2007 bis 2010 jeweils vom 23.7.2013 auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er ist der Auffassung, dass die Einnahmen aus den Lizenzentschädigungen umsatzsteuerlich sonstige Leistungen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG darstellen. Der Antragsgegner meint, dass der Antragsteller zu 1. im Gegenzug für die Lizenzentschädigung die missbräuchliche Verwendung der Lichtbilder im Nachhinein gebilligt hätte. Dies lasse sich aus der gesetzlichen Fiktion des § 100 Satz 3 Urheberrechtsgesetz - UrhG - ableiten. Ertragssteuerlich sei der objektive wirtschaftliche Zusammenhang mit dem Einzelunternehmen gegeben, weil die Urheberrechte an den Lichtbildern dem Betriebsvermögen zuzuordnen seien. Mithin würde es sich bei den Einnahmen aus den Lizenzentschädigungen um Betriebseinnahmen handeln.

Die Verzinsung des aufgelösten Investitionsabzugsbetrags ergebe sich in Anwendung des § 233 a AO; der Zinslauf beginne 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Veranlagungszeitraums. Gemäß § 7 g Abs. 4 Satz 4 EStG finde § 233 a Abs. 2 a AO (Verlagerung des Beginns des Zinslaufs nach Eintritt des rückwirkenden Ereignisses) keine Anwendung.

Die Änderung der Einkommensteuerbescheide 2009 und 2010 unterliege keinen ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit, weil die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung den Antragstellern in Höhe von 2.439 Euro, die erst für den Besteuerungszeitraum 2010 erklärt worden sind, bereits im Besteuerungszeitraum 2009 zugeflossen seien. Auf Vertrauensschutz könnten sich die Antragsteller nicht berufen, da eine Dokumentation der behaupteten Zusage des Innendienstes des Antragsgegners aus den Akten nicht ersichtlich und die Änderung der Einkommensteuerbescheide gemäß § 164 AO erfolgt sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf die vorbereitenden Schriftsätze und die zu Gericht gereichten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist nur teilweise erfolgreich.

1.

Die Aussetzung der Vollziehung der geänderten Umsatzsteuerbescheide 2007 bis 2010 vom 23.7.2013 erfolgt, weil gemäß § 69 Abs. 3, Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung - FGO - insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der mit Einspruch angefochtenen Verwaltungsakte bestehen.

a) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide bestehen dann, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfrage oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Dabei brauchen die für die Unrechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes sprechenden Bedenken nicht zu überwiegen (vgl. BFH, Beschluss vom 20.7.2012, V B 82/11, DStR 2012, 1702 [1703] m.w.N.).

b) Die geänderten Umsatzsteuerbescheide 2007 bis 2010 vom 23.7.2013 sind in ihrer Rechtmäßigkeit ernstlich zweifelhaft. Die dem Antragsteller zu 1. in den Streitjahren 2007 bis 2010 zugeflossenen Lizenzentschädigungen gemäß § 97 Abs. 2 UrhG in der Fassung vom 1.9.2008 (BGBl. I 2008 S. 1191) sowie gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG in der Fassung vom 1.1.2000 bis 31.8.2008 (BGBl. I 1995 S. 842) dürften in Abgrenzung von den steuerbaren Umsätzen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG nicht steuerbare Schadenersatzleistungen darstellen.

Der BFH hat Entschädigungen oder Schadensersatzzahlungen nicht als Entgelt im Sinne des Umsatzsteuerrechts angesehen, wenn die Zahlung nicht für eine Lieferung oder sonstige Leistung an den Zahlenden erfolgt, sondern weil der Zahlende nach Gesetz oder Vertrag für einen Schaden einzustehen hat (BFH, Urteil vom 10.12.1998, V R 58/97, BFH/NV 1999, 987; vgl. auch Urteil vom 16.01.2003, V R 36/01, BFH/NV 2003, 667). Nicht entscheidend ist jedenfalls die von den Parteien gewählte Bezeichnung (BFH, Urteil vom 06.05.2004, V R 40/02, BStBl II 2004, 854; BFH, Urteil vom 07.07.2005, V R 34/03, BStBl II 2007, 66) oder, ob es sich nach nationalem Zivilrecht um eine Schadensersatzleistung handelt (BFH, Urteil vom 17.05.2011, V B 73/10, BFH/NV 2011, 1544 und BFH, Beschluss vom 18.11.2010, XI B 28/10, BFH/NV 2011, 204). Die Tatsache, dass die Zahlung Gegenstand bzw. Folge einer gütlichen Einigung war, hat der BFH weder für die Annahme von Schadensersatz noch für einen Leistungsaustausch genügen lassen (BFH, Urteil vom 16.01.2003 V R 36/01, BFH/NV 2003, 667 und BFH, Urteil vom 18.01.1990 V R 6/85, BFH/NV 1991, 130), vielmehr ggf. Feststellungen dazu für notwendig erachtet, ob ein vertraglicher Anspruch (noch) bestand.

Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung, der der Senat folgt, ist im Streitfall erheblich, ob letztlich durch die abgeschlossenen Verpflichtungserklärungen (vgl. z.B. Bl. 126 und Bl. 144 Bd. I Betriebsprüferakten) ein vertraglicher Anspruch bestand, der abgegolten (Entgelt für steuerbare Leistung) oder ein gesetzlicher Schadenersatzanspruch (nicht steuerbar), auch zur Vermeidung eines Zivilrechtsstreits, dokumentiert werden sollte.

Zwischen den Zahlenden (Verletzern) und dem Antragsteller zu 1. bestand kein Rechtsverhältnis, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht worden sind. Die Schädiger haben im Zusammenhang mit den gezahlten Lizenzentschädigungen auch keine sonstige Leistung vom Geschädigten erhalten. Diese stellen daher kein Entgelt im Sinne des Umsatzsteuerrechts, sondern nicht steuerbaren Schadenersatz dar.

Die vom Antragsgegner vertretene Auffassung, dass mit der Zahlung der Entschädigung die Einwilligung des Antragstellers zu 1. zur Verwertung im üblichen Umfang als erteilt gilt; der Zahlende mithin im Sinne der gesetzlichen Fiktion gemäß § 100 Satz 3 UrhG in der Fassung vom 1.9.2008 sowie gemäß § 101 Abs. 1 Satz 3 UrhG in der Fassung vom 1.1.2000 bis 31.8.2008 auf diese Weise das Nutzungsrecht (einfaches Verwertungsrecht) an dem missbräuchlich verwendeten Lichtbild in der Weise erworben habe, dass die vergangene Verwertungshandlung abgedeckt sei, überzeugt nicht. Einerseits ist die zivilrechtliche Wertung für die Abgrenzung von Geldzahlungen als steuerbares Entgelt für eine Leistung oder nicht steuerbaren Schadenersatz nicht entscheidend (vgl. Bunjes/Robisch UStG 11. Aufl. § 1 Rn. 45 m.w.N.). Andererseits ist der Anwendungsbereich des § 100 Satz 3 UrhG in der Fassung vom 1.9.2008 sowie des § 101 Abs. 1 Satz 3 UrhG in der Fassung vom 1.1.2000 bis 31.8.2008 für die gegenständlichen Lizenzentschädigungszahlungen nicht eröffnet. Die Regelung des § 100 UrhG (nahezu inhaltsgleich zu § 101 Abs. 1 UrhG a.F.) enthält als Ausnahmevorschrift eine Abwendungsbefugnis des Verletzers, mit der sich dieser gegen die Ansprüche aus den §§ 97 und 98 UrhG zur Wehr setzen kann, soweit ihm kein Verschulden - auch keine Fahrlässigkeit - vorgeworfen werden kann. Eine Haftung auf Schadenersatz gemäß § 97 UrhG ist auf Grund des hierfür erforderlichen Verschuldens selbstredend nicht abwehrfähig (Wandtke/Bullinger/Bohne, Praxiskommentar zum Urheberrecht 4. Aufl. 2014, § 100 Rn. 1). Die Norm des § 100 UrhG bzw. § 101 Abs. 1 UrhG a.F. stellt eine Spezialvorschrift zu § 251 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - dar und legt die Voraussetzungen für ein Ablösungsrecht des Verletzers fest. Es müssen sämtliche Voraussetzungen, wie fehlendes Verschulden des Verletzers, Unverhältnismäßigkeit des Schadens und Zumutbarkeit der Ablösung für den Verletzten, vorliegen. Erst dann tritt die gesetzliche Fiktion der Einwilligung durch den Verletzten (§ 100 Satz 3 UrhG bzw. § 101 Abs. 1 Satz 3 UrhG a.F.) ein. Andernfalls würde das Ziel einer umfassenden Verhinderung von Rechtsverletzungen im Urheberrecht konterkariert werden (Wandtke/Bullinger/Bohne, Praxiskommentar zum Urheberrecht 4. Aufl. 2014, § 100 Rn. 2).

Die abgeschlossenen Verpflichtungserklärungen (vgl. z.B. Bl. 126 und Bl. 144 Bd. I Betriebsprüferakten), die Grundlage für die gezahlten Lizenzentschädigungen sind, enthalten bereits keine Regelung für ein Ablösungsrecht des Verletzers. Im Übrigen liegen die Voraussetzung des § 100 UrhG bzw. § 101 Abs. 1 UrhG a.F. bei den zu beurteilenden Sachverhalten auch nicht vor. Die Verletzer handelten zumindest fahrlässig gemäß § 276 Abs. 1 BGB. Hier ist insbesondere eine Verletzung der Nachforschungspflicht bezüglich Rechte Dritter, die einer Verwertung der Lichtbilder entgegenstehen könnten, anzunehmen. Mithin scheidet die Annahme eines Ablöserechts der Verletzer, das zu der vom Antragsgegner angenommenen gesetzlichen Fiktion des § 100 Satz 3 UrhG bzw. § 101 Abs. 1 Satz 3 UrhG a.F. führen könnte, von vornherein aus.

Im Übrigen wäre der Antragsgegner für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 100 UrhG bzw. § 101 Abs. 1 UrhG a.F. darlegungspflichtig. Können die für die Beurteilung erforderlichen Tatsachen nicht festgestellt werden, geht dies nach den Regeln der Feststellungslast zu Lasten des Finanzamts, da es sich um die Feststellung steuerbegründender Tatsachen handelt (vgl. BFH, Beschluss vom 28.1.2008, V B 63/07, zitiert nach [...]). Bislang sind derartige Feststellungen zu den einzelnen Lizenzentschädigungszahlungen durch den Antragsgegner im Tatsächlichen nicht getroffen worden.

2.

Soweit der Antragsgegner seinen geänderten Ertragsteuerbescheiden 2007 bis 2010 vom 23.7.2013 zugrunde gelegt hat, dass sämtliche Schadenersatzzahlungen wegen der Verletzung des Urheberrechts - Lizenzentschädigungen - in Höhe von 53.062,98 Euro (2007), in Höhe von 202.935,64 Euro (2008), in Höhe von 182.411,67 Euro (2009) und in Höhe von 115.788,55 Euro (2010) die Einkünfte des Antragstellers zu 1. aus Gewerbebetrieb in den betreffenden Besteuerungszeiträumen erhöht haben, ist dies zutreffend und unterliegt keinen ernstlichen Zweifeln.

Die Zahlungen sind dem Antragsteller zu 1. im Rahmen seines Einzelunternehmens in voller Höhe zugeflossen, es liegen deshalb Einnahmen in vorgenannter Höhe vor.

Die Einnahmen stellen auch Betriebseinnahmen dar. Der Begriff der Betriebseinnahmen ist gesetzlich nicht definiert. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind Betriebseinnahmen alle Zugänge in Geld oder Geldeswert, die durch den Betrieb veranlasst sind. Eine betriebliche Veranlassung ist anzunehmen, wenn ein objektiver wirtschaftlicher oder tatsächlicher Zusammenhang mit dem Betrieb besteht. Subjektive Kriterien sind für die Beurteilung der betrieblichen Veranlassung ohne Bedeutung (BFH, Urteil vom 22.7.1988, III R 175/85, BStBl II 1988, 995). Der Begriff "betriebliche Veranlassung" wird von der Rechtsprechung des BFH im gleichen Sinne verstanden, wie bei den Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG, BFH-Urteil vom 15.2.1990, IV R 13/89, BStBl II 1990, 621, unter 1.). Den Gegensatz zu Betriebseinnahmen bilden Einnahmen, für deren Zufluss nicht der Betrieb, sondern private Umstände die Veranlassung gegeben haben (BFH-Urteil vom 9.5.1985, IV R 184/82, BStBl II 1985, 427, unter 1.).

Den erforderlichen Zusammenhang der Einnahmen, die der Antragsteller zu 1. auf Grund seiner Rechte aus § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG in der Fassung vom 1.1.2000 bis 31.8.2008 bzw. § 97 Abs. 2 Satz 1 in der Fassung vom 1.9.2008 erlangt hat, mit dem Gewerbebetrieb des Antragstellers zu 1. stellen die Antragsteller durch Sachvortrag selbst her. Die Lichtbilder sind durch den Antragsteller zu 1. im Rahmen seines Einzelunternehmens gefertigt worden. Sie dienten der Veranschaulichung der bei A) eingestellten Inserate, indem sie die zur Veräußerung angebotenen Waren abbildeten. Die Abmahnungen der Verletzer erfolgten im Namen des Antragstellers zu 1. als Inhaber des Einzelunternehmens. Als Vertragspartner in den strafbewehrten Unterlassungsverfügungen sowie den Verpflichtungserklärungen firmiert der Antragsteller zu 1. als Inhaber des Einzelunternehmens. Die Kostennoten der Rechtsanwälte sind an das Einzelunternehmen des Antragstellers zu 1. adressiert. Zudem lässt die geschäftsinterne Behandlung der Vorgänge wie der Vorsteuerabzug aus den Kostenrechnungen der beauftragten Rechtsanwaltskanzlei und die Buchung der Einnahmen aus den Lizenzentschädigungen auf dem Erlöskonto a) auf den erforderlichen objektiven wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Gewerbebetrieb des Antragstellers zu 1. schließen. Im Übrigen werden zwei Digitalkameras, C./C. und C./D., als Inventar im Anlagevermögen des Einzelunternehmens des Antragstellers zu 1. geführt.

Soweit die Antragsteller vortragen, es müsse bereits deshalb etwas anderes gelten, weil die Lizenzentschädigungen nicht für die Einräumung eines Nutzungsrechts am Urheberrecht, sondern als Schadenersatz für die Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts des Antragstellers zu 1. gezahlt worden sei, können sie damit nicht durchdringen. Denn Entschädigungen, die für die widerrechtliche Verwendung einer Fotografie und damit für die Verletzung eines höchstpersönlichen Rechts gezahlt werden, können zu gewerblichen Einkünften führen (vgl. BFH, Urteil vom 11.7.1991, IV R 33/90, BFHE 165, 362, BStBl. II 1992, 353). Das Urheberrecht kann nicht in der Weise aufgespalten werden, dass die Verwertungsrechte zum Betriebsvermögen, die Urheberpersönlichkeitsrechte jedoch zum Privatvermögen zu rechnen sind (BFH, Beschluss vom 27.11.1992, IV B 129/91, BFH/NV 1993, 471-472).

3.

Die Verzinsung des aufgelösten Investitionsabzugsbetrags in Höhe von 791 Euro zum 31.12.2009 und in Höhe von 3.110 Euro zum 31.12.2010 und die insoweit erfolgte Änderung der angegriffenen Bescheide unterliegt keinen ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit.

Der Pkw B) wurde wie geplant angeschafft, jedoch vor Ablauf der Nutzungs- und Verbleibensfrist des § 7 g Abs. 1 Nr. 2 b EStG veräußert. Die Wirtschaftsgüter, für die der Investitionsabzugsbetrag in Anspruch genommen wurde, müssen ausschließlich oder nahezu ausschließlich, d.h. zu 90 % betrieblich genutzt werden. Wird diese Anforderung nicht erfüllt, ist der Abzugsbetrag nach § 7 g Abs. 1 EStG rückgängig zu machen.

Die Steuerbescheide waren gemäß § 7 g Abs. 4 EStG zu ändern. In Anwendung des § 233 a Abs. 1 und 2 AO entstanden Nachzahlungszinsen, wobei der Zinslauf 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Veranlagungszeitraums beginnt. Eine Verlagerung des Beginns des Zinslaufs nach Eintritt des rückwirkenden Ereignisses kommt nicht in Betracht, weil § 7 g Abs. 4 Satz 4 EStG die Anwendung von § 233 a Abs. 2 a AO ausschließt. Eine Anwendung von § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO, auf den § 233 a Abs. 2 a AO verweist, kommt entgegen der Auffassung der Antragsteller daher nicht in Betracht.

Da gegen die Höhe der Zinsen keine Einwände vorgebracht wurden und Rechenfehler nicht ersichtlich sind, war die vom Antragsgegner vorgenommene Verzinsung des aufgelösten Investitionsbetrags rechtmäßig. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen daher insoweit nicht.

4.

Im Übrigen bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen und geänderten Einkommensteuerbescheide 2009 und 2010 im Hinblick auf die Einkünfte der Antragsteller aus Vermietung und Verpachtung.

Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus den Objekten W.-Str., H.-Str. sowie S.-Str., die im Kalenderjahr 2009 in Höhe von 2.439 Euro unstreitig auf dem Konto des Hausverwalters vereinnahmt und erst im Besteuerungszeitraum 2010 erklärt worden sind, waren dem Besteuerungszeitraum 2009 durch entsprechende Änderung der Einkommensteuerbescheide zuzuordnen. Da die Einkommensteuerbescheide 2009 vom 25.5.2011 und 2010 vom 16.3.2010 nicht vorbehaltlos ergangen waren, konnte insoweit eine Änderung nach § 164 Abs. 2 AO erfolgen. Die Änderung der Einkommensteuerbescheide 2009 und 2010 ist entgegen der Auffassung der Antragsteller daher nicht an den Anforderungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu messen. Soweit die Antragsteller vortragen, mit dem Innendienst sei abgesprochen worden, dass aus Vereinfachungsgründen eine zutreffende Verteilung auf die Kalenderjahre nicht erforderlich wäre, können sie sich nicht auf einen Vertrauensschutz nach Treu und Glauben berufen, weil eine derartige verbindliche Zusage oder tatsächliche Verständigung mit dem Antragsgegner weder dokumentiert noch inhaltlich nachvollziehbar ist.

Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung waren demnach entsprechend zu berichtigen.

5.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 1, § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

Das Gericht hat bei der Kostenentscheidung die steuerlichen Auswirkungen des Antragsbegehrens herangezogen und ist von einem in den Veranlagungszeiträumen anzuwendenden Gewerbesteuerhebesatz von 460 % ausgegangen.

Danach waren die Kosten des Verfahrens, orientiert am Obsiegen der Antragsteller hinsichtlich der Umsatzsteuer 2007 bis 2010 und dem Unterliegen im Übrigen, mit einem Verhältnis von 15 % zu 85 % aufzuteilen.

6.

Die Beschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 128 Abs. 3 Satz 2, § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

...

RechtsgebieteUrhG, EStG, UStGVorschriften§ 97 Abs. 1 S. 1 UrhG; § 100 S. 3 UrhG; § 101 Abs. 1 UrhG; § 4 Abs. 1 EStG; § 4 Abs. 3 EStG; § 7g Abs. 1 Nr. 2b EStG; § 7g Abs. 2 EStG; § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG

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