26.03.2014 · IWW-Abrufnummer 171484
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein: Beschluss vom 28.01.2014 – 1 Ta 4/14
1.
Die Festsetzung des Mehrwerts eines Vergleichs wegen einer Verpflichtung des Arbeitgebers zur Herausgabe bestimmter Arbeitspapiere in Höhe von 100,00 EUR pro Arbeitspapier hält sich im Rahmen des dem Arbeitsgericht zustehenden Ermessens. Den insoweit in Betracht kommenden Rahmen zieht das Beschwerdegericht zwischen 100,00 EUR bis 250,00 EUR je Papier. Die genaue Höhe hängt von der Bedeutung des Papiers für den Arbeitnehmer im konkreten Fall ab.
2.
Der von der Streitwertkommission vorgeschlagene Wert von 10% eines Bruttomonatseinkommens pro Papier hält das Beschwerdegericht dem gegenüber nicht für sachgerecht.
3.
Ein Sonderlösungsrecht des Arbeitnehmers mit der Möglichkeit der Erhöhung der vereinbarten Abfindung erhöht den Mehrwert des Vergleichs regelmäßig nicht.
Im Beschwerdeverfahren pp. hat die I. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 28.01.2014 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... beschlossen: Tenor: Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 08.01.2014 - 2 Ca 1942 c/13 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen. Gründe: I. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers wendet sich gegen die Festsetzung der Höhe eines übersteigenden Vergleichswerts durch das Arbeitsgericht. Die Parteien des Hauptverfahrens haben vor dem Arbeitsgericht einen Kündigungsschutzprozess geführt. Dieser ist durch Beschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO verglichen worden. Im Vergleich sind Gegenstände zusätzlich geregelt worden, die nicht Gegenstand des Hauptverfahrens waren, unter anderem ist in II. des Vergleichs eine sofortige unwiderrufliche Freistellung des Klägers vereinbart und in VI. ein Sonderlösungsrecht für den Kläger zur Wahrung seiner Chancen auf dem Arbeitsmarkt. In V. des Vergleichs verpflichtet sich die Beklagte zur Erteilung von insgesamt fünf im Einzelnen bezeichneten Arbeitspapieren. Das Arbeitsgericht hat auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers den Gegenstandswert durch Beschluss festgestellt. Den Mehrwert des Vergleichs hat es hinsichtlich der Freistellung auf ein Gehalt bemessen, für jedes Arbeitspapier hat es EUR 100,00, also insgesamt EUR 500,00 angesetzt. Das Sonderlösungsrecht des Klägers hat es nicht werterhöhend berücksichtigt. Gegen diesen ihm am 10.01.2014 zugestellten Beschluss hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers noch am gleichen Tag Beschwerde eingelegt. Er rügt den aus seiner Sicht zu niedrigen Ansatz für die Arbeitspapiere und meint insoweit, entsprechend der Empfehlung der Streitwertkommission sei pro Arbeitspapier ein Wert von 10% einer Monatsvergütung anzusetzen. Danach betrage der Mehrwert des Vergleichs wegen der Arbeitspapiere 5 x EUR 674,24, also EUR 3.371,20. Der Vergleichsmehrwert hinsichtlich des Sonderlösungsrechts, für den eine Empfehlung der Streitwertkommission nicht existiere, sei entsprechend einem Beschluss des Landesarbeitsgericht Hamburg mit einem Bruttomonatsgehalt, also EUR 6.742,42 werterhöhend zu berücksichtigen. Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 16.01.2014 nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. II. Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers hat keinen Erfolg. 1. Die Beschwerde ist gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft. Der Wert des Beschwerdegegenstands ist erreicht. Bei Zugrundelegung des vom Prozessbevollmächtigten des Klägers beantragten Wertes würde sich sein Gebührenanspruch um mehr als EUR 200,00 erhöhen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers ist auch gemäß § 33 Abs. 2 Satz 2 RVG antragsbefugt. Damit ist die Beschwerde zulässig. 2. In der Sache ist die Beschwerde nicht begründet. Die Festsetzung des Gegen-standswerts für die Verpflichtung zur Herausgabe der Arbeitspapiere mit jeweils EUR 100,00 pro Papier hält sich im Rahmen des Ermessens, das dem Arbeitsgericht bei der Beurteilung des Gegenstandwerts zusteht. Das Sonderlösungsrecht ist jedenfalls im vorliegenden Fall nicht werterhöhend zu berücksichtigen. a) Die Festsetzung eines Wertes von jeweils 100,00 EUR pro Arbeitspapier durch das Arbeitsgericht ist nicht zu beanstanden. In der Rechtsprechung sind in der Vergangenheit unterschiedliche Beträge für den Gegenstandswert beim Antrag auf Erteilung eines Arbeitspapiers angesetzt worden. So hat das LAG Rheinland-Pfalz mit Beschluss vom 02.06.2009 (1 Ta 98/09) einen Betrag von 50,00 bis 100,00 EUR je Arbeitspapier für angemessen gehalten, das LAG Hessen in einem Beschluss vom 09.07.2003 (15 Ta 123/03) einen Betrag von 150,00 EUR pro Arbeitspapier. Die Beschwerdekammer vertritt insoweit die Auffassung, dass die Festsetzung eines Betrages von EUR 100,00 bis EUR 250,00 je Arbeitspapier durch das Arbeitsgericht nicht die Grenzen des dem Arbeitsgericht zustehenden Ermessens überschreitet und daher durch das Beschwerdegericht nicht zu beanstanden ist. An dieser Auffassung hält das Beschwerdegericht auch im Hinblick auf die Empfehlungen der Streitwertkommission fest. Richtig ist, dass die von den LAG-Präsidentinnen und - Präsidenten eingesetzte Streitwertkommission bei der Erteilung von Arbeitspapieren einen Betrag von 10% einer Monatsvergütung als angemessenen Wert vorschlägt. Diesem Vorschlag folgt das Beschwerdegericht - auch nach Rücksprache mit den weiteren Kammervorsitzenden des LAG - nicht. Die Anknüpfung an das Bruttomonatsgehalt stellt keinen überzeugenden Bezugspunkt für die Wertfestsetzung dar. Es ist nicht erkennbar, warum etwa ein Sozialversicherungsnachweis für einen Arbeitnehmer, der 4.000,00 EUR verdient hat, mehr Wert haben soll, als für einen Arbeitnehmer, der 1.000,00 EUR verdient hat. Hinzu kommt, dass mit der Anknüpfung an das Bruttomonatshalt ein zusätzlicher Ermittlungsaufwand für das Arbeitsgericht anfallen kann, der sachlich nicht gerecht-fertigt erscheint. Sachgerecht ist es demgegenüber durch Pauschalbeträge, die entsprechend dem konkreten Interesse des Klägers an den begehrten Arbeitspapieren variieren können, einen angemessenen Wert zu ermitteln. b) Auch das in Ziff. VI. des Vergleichs vereinbarte Sonderlösungsrecht der Parteien ist nicht werterhöhend zu berücksichtigen. Das entspricht der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein (Beschluss vom 04.07.2013 - 6 Ta 93/13). Dort ist bereits zutreffend ausgeführt: Für die Wertberechnung bei Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend. Eine Abfindung wird nicht hinzugerechnet, § 42 Abs. 3 (jetzt Abs. 2) Satz 1 GKG. Das bedeutet, dass es bei dem Vierteljahreswert bleibt, unabhängig davon, ob eine Beendigung zu dem vom Arbeitgeber mit der Kündigung beabsichtigten Termin vereinbart und hierfür eine Abfindungszahlung gewährt wird, ob zur Erledigung des Kündigungsrechtsstreits eine unbefristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vereinbart wird oder ob die Beendigung zu einem späteren oder früher als dem vom Arbeitgeber beabsichtigten Termin erfolgt. Auch wenn sich im letzteren Fall die Abfindung erhöht, hat sie nach § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG unberücksichtigt zu bleiben. Das von den Parteien vereinbarte Sonderlösungsrecht entspricht der letzten der gerade genannten Fallvarianten. Bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhöht sich die Abfindung des Klägers. Damit unterliegt auch das Sonderlösungsrecht den Beschränkungen, die § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG für die Gegenstandswertberechnung vorgibt. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers auf eine anders lautende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamburg (Beschluss vom 10.04.2002 - 7 Ta 8/02) hinweist, hat das LAG Hamburg selbst bereits mit Beschluss vom 07.12.2011 (7 Ta 31/11) diese Rechtsprechung aufgegeben und diese geänderte Rechtsprechung bestätigt durch Beschluss vom 30.04.2013 (8 Ta 6/13). Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Hamburg kommt die Werterhöhung für ein Sonderlösungsrecht nur dann in Betracht, wenn keine unwiderrufliche Freistellung vereinbart wird. Ob diese Auffassung zutrifft, kann dahingestellt bleiben, weil im vorstehenden Fall in II. des Vergleichs eine unwiderrufliche Freistellung vereinbart ist. 3. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers trägt die Kosten des erfolglosen Beschwerdeverfahrens. Nach § 33 Abs. 9 RVG ist nur das Antragsverfahren gebührenfrei, nicht aber das Verfahren über die Beschwerde. Gegen die Entscheidung gibt es kein Rechtsmittel, § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG.