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04.12.2013 · IWW-Abrufnummer 171106

Hessisches Landesarbeitsgericht: Urteil vom 13.03.2013 – 12 Sa 747/12

Das Aufbringen von flüssigen Bodenbelägen ist eine bauliche Leistung gern. § 1 S. 2 Abschnitt 11 VTV und kein Verlegen von Bodenbelägen iSv § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 38, das nur in Verbindung mit anderen baulichen Leistungen vom Geltungsbereich des VTV erfasst wäre.


Tenor: Unter Zurückweisung der Berufung wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 11. Mai 2012 - 6 Ca 232/11 - auf die Anschlussberufung der Klägerin teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst: Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 82.929,39 EUR zu zahlen. Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte 2/3 und die Klägerin 1/3 zu tragen. Die Revision wird zugelassen. Tatbestand: Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte für den Zeitraum von Dezember 2005 bis Dezember 2009 zur Zahlung von Beiträgen zum Sozialkassenverfahren im Baugewerbe verpflichtet ist. Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat nach den für allgemein verbindlich erklärten tariflichen Regelungen des Baugewerbes insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütungen zu sichern. Zu diesem Zweck haben die den Bautarifverträgen unterfallenden Arbeitgeber monatliche Beiträge für jeden beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten an den Kläger zu entrichten. Die Beklagte unterhielt während des gesamten Klagezeitraums einen Betrieb, in dem zu fast 100 % der Arbeitszeit der gewerblichen Arbeitnehmer Bodenbeläge in flüssiger Form (Elastomere) in Industrie-, Gewerbe- und Privatgebäuden aufgebracht werden. Der Aufbau des Bodens besteht in einer Grundierung plus einer Beschichtung von insgesamt 2 mm Stärke. Es existiert eine Vielzahl von Designs, die individuell nach Kundenwunsch gemischt werden. Von den allgemeinen technischen Vorschriften ist DIN 18365 (Bodenbelagsarbeiten) maßgebend. Der Kläger hat in erster Instanz im Wege der Mindestbeitragsklage zunächst Beiträge für einen gewerblichen Arbeitnehmer und eine Angestellte für den Zeitraum 12/2005 bis 12/2009 in Höhe von EUR 29.496,-- gegenüber der Beklagten geltend gemacht und die Klage in der Berufungsinstanz auf Zahlung von Beiträgen für weitere sieben gewerbliche Arbeitnehmer für den Zeitraum 12/2007 bis 12/2009 erweitert. Die Beschäftigung dieser Zahl von Arbeitnehmern im Klagezeitraum und die Höhe der zu entrichtenden Beiträge im Falle der Anwendbarkeit des VTV sowie ihre Berechnung sind zwischen den Parteien unstreitig, nachdem der Kläger die von der Beklagten in der Berufungsinstanz mitgeteilten Beschäftigungszeiten und ausgezahlten Löhne seiner Beitragsberechnung zugrunde gelegt hat. Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhalts, des streitigen Vorbringens beider Parteien und der in erster Instanz gestellten Anträge wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen (Bl. 56 - 57 d. A.). Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 11.05.2012 - 6 Ca 232/11 - die Beklagte zur Zahlung der eingeklagten Beiträge verurteilt. Zur Begründung (Bl. 58 - 62 d. A.) hat es ausgeführt, dass der Betrieb der Beklagten während des gesamten Klagezeitraums von Dezember 2005 bis Dezember 2009 unter den Geltungsbereich des VTV gefallen sei, weil die dort unstreitig überwiegend ausgeführte Tätigkeit des Aufbringens flüssiger Kunststoffe auf Böden als bauliche Leistungen nach § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV anzusehen ist. Die Tätigkeit diene der Vollendung eines Bauwerks und sei nicht als reines Verlegen von Bodenbelägen ohne Verbindung mit anderen baulichen Leistungen (§ 1 Absatz II Abschnitt V Nr. 38 VTV) vom Geltungsbereich der Bautarifverträge ausgenommen, denn das Verlegen der flüssigen Kunststoffe könne nicht als das Verlegen von Bodenbelägen angesehen werden. Diese Tätigkeit setze mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts voraus, dass ein Bodenbelag in Form von Bahnen oder Platten bereits existiert und zum Zwecke der Raumausstattung auf einen bereits vorhandenen Fußboden verlegt wird. Einer flüssigen Kunststoffmasse könne diese einen Bodenbelag prägende Qualität nicht zugesprochen werden, auch wenn die aufgetragene Kunststoffschicht später eine ähnliche Funktion erfülle wie ein Bodenbelag. Die von der Beklagten vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge hat das Arbeitsgericht nicht geteilt. Die Beklagte hat gegen das ihr am 16.05.2012 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts am 14.06.2012 Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16. 08.2012 - am 06.08.2012 beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen und der Klägerin am 10.08.2012 zugestellt worden. Die Klägerin hat mit am 10.9.2012 eingegangenem Schriftsatz im Wege der Anschlussberufung die Klage auf Zahlung von weiteren EUR 101.647,-- erweitert. Später hat sie die Klageerweiterung teilweise zurückgenommen und auf Zahlung von weiteren EUR 53,433,39 reduziert. Die Beklagte vertritt weiterhin die Ansicht, schon aus Rechtsgründen nicht dem Geltungsbereich des VTV zu unterfallen; denn die Allgemeinverbindlicherklärung des VTV sei aus mehreren Gründen verfassungswidrig. Sie verstoße gegen die negative wie die positive Koalitionsfreiheit. Des Weiteren verstoße die Allgemeinverbindlichkeit des VTV gegen Art. 3 Abs. 1, 12 und 14 GG. Letztendlich sei kein Grund ersichtlich, weshalb gerade im Baugewerbe eine Einrichtung wie die Klägerin im öffentlichen Interesse geboten sei. Für die näheren Ausführungen zu diesen rechtlichen Gesichtspunkten wird auf die Berufungsbegründung, S. 2 (Bl. 78 d. A.) Bezug genommen. Aber auch von der Art der tatsächlich fast ausschließlich ausgeübten Tätigkeit falle der Betrieb nicht unter den Geltungsbereich des VTV; denn das Aufbringen der flüssigen Bodenbeläge sei als Verlegen von Bodenbelägen i.S.d des § 1 Abs. II Abschnitt V Nr. 38 VTV anzusehen. Die von ihr in flüssiger Form verlegten Bodenbeläge seien lediglich eine Alternative der von Nr. 38 umfassten Bodenbeläge. Verlegt werde ein Bodenbelag nicht nur dann, wenn er in einem festen Aggregatzustand sei. Das Verlegen stelle von der Wortbedeutung vielmehr darauf ab, dass er in Trägheit versinkt bzw. liegt. Das träge Liegen aber sei Sinn eines jeden - auch flüssig ausgebrachten - Bodenbelags, unabhängig aus welchem Material er besteht. Da das Verlegen von Bodenbelägen nach Nr. 38 nur unter weiteren Voraussetzungen - nämlich in Verbindung mit anderen baulichen Leistungen - als bauliche Leistung angesehen wird, sei es für sich allein genommen dem Geltungsbereich des VTV Bau insgesamt entzogen und könne weder im Rahmen des Beispielskatalogs des Abschnitts V noch im Rahmen der Generalklausel des Abschnitts II als baulich bewertet werden. Abschließend führt die Beklagte aus, dass sie die Generalklausel des Abschnitts II, wenn davon jeder, der in irgendeiner Form in einem Bauwerk tätig werde, erfasst wird, für zu unbestimmt halte. Das Problem der Zuordnung von Bodenbelagsarbeiten mit Kunststoff sei seit Jahren bekannt. Hier hätten die Tarifvertragsparteien seit langem etwas unternehmen können, um für Klarheit zu sorgen. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 11.05.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen; die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen; die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere EUR 53.433,39 zu zahlen. Der Kläger verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil. Unter Verweis auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 07.04.1993 - 10 AZR 618/90 - vertritt er die Auffassung, dass eine flüssige Masse, die auf einen anderen Körper gegossen werde, schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch kein Körper sein könne, der auf einen anderen gelegt wird. Es verhalte sich damit genau so wie mit einem Anstrich des Bodens, der auch kein Belegen sei. Es sei für das Verlegen nicht auf das Ergebnis und die Funktion des Belags abzustellen. Die einem Bodenbelag ähnliche Funktion des gegossenen Kunststoffs sei für das "Verlegen" unerheblich; denn es ei nicht auf das Ergebnis, sondern allein auf die Art der Herstellung des Bodenbelags abzustellen. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die Berufungsverhandlung vom13.03.2013 Bezug genommen. Entscheidungsgründe: Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 8.11.2006 ist gemäß §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs.1 ArbGG, 517, 519, 520 ZPO). Die Anschlussberufung und die damit erfolgte Klageerweiterung sind ebenfalls zulässig. Der in erster Instanz obsiegende Kläger kann seine Klage nur im Wege der Anschlussberufung erweitern, einer Beschwer bedarf es nicht (Schwab/Werth/Schwab ArbGG § 64 Rn. 196). Die Anschlussberufung ist gemäß §§ 64 Abs. 6, 524 Abs. 1-3 ZPO rechtzeitig eingelegt und begründet worden. Die in der Klageerweiterung liegende Klageänderung ist gemäß §§ 533, 529 ZPO zulässig; denn sie ist sachdienlich und auf Tatsachen gestützt, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat, nämlich die Beurteilung der unstreitigen betrieblichen Tätigkeit in den Jahren 2005 bis 2009 im Hinblick auf die Tarifunterworfenheit des Betriebs der Beklagten. Berufung wie Anschlussberufung beruhen damit auf demselben Sachverhalt und hängen von der Entscheidung derselben Rechtsfrage ab. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet, die die Klage erweiternde Anschlussberufung des Klägers hingegen ist begründet. 1. Die Beklagte ist gemäß § 18 VTV vom 20.12. 1999 in der jeweils gültigen Fassung verpflichtet, an den Kläger Sozialkassenbeiträge für acht gewerbliche Arbeitnehmer und einen Angestellten in Höhe von weiteren EUR 53.433,392, insgesamt EUR 82.929,39, für den Zeitraum Dezember 2005 bis Dezember 2009 zu zahlen. Der VTV war in der für den Klagezeitraum maßgeblichen Fassung für allgemeinverbindlich erklärt, so dass seine Rechtsnormen auch für die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, wie die Beklagte, galten. Der Betrieb der Beklagten unterlag in den Jahren 2005 bis 20009 als Betrieb des Baugewerbes dem in § 1 VTV geregelten Geltungsbereich des VTV. Danach erstreckt sich der Geltungsbereich des Tarifvertrages auf diejenigen Betriebe, in denen überwiegend entweder die in § 1 Abs. 2 Abschnitt V genannten Beispielstätigkeiten ausgeführt werden oder aber Leistungen im Sinne der Abschnitte I bis IV (ständige Rechtsprechung seit BAG 18.1.1984 AP Nr. 60 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Ob hiernach bauliche Leistungen überwiegend erbracht werden, bemisst sich danach, ob die überwiegende betriebliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer auf derartige bauliche Tätigkeiten entfällt. Nicht maßgeblich sind dagegen wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst oder handels- oder gewerberechtliche Kriterien (ständige Rechtsprechung: BAG 28.4.2004 AP Nr. 264 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Ob die überwiegende Arbeitszeit auf bauliche oder nicht bauliche Leistungen entfällt, ist nach der Arbeitszeit eines Kalenderjahres zu beurteilen, soweit sich die Tätigkeiten des Betriebes über ein Kalenderjahr erstrecken und es sich nicht um Rumpfjahre handelt, in denen nur zu einem Teil des Jahres betriebliche Tätigkeiten ausgeführt worden sind. Nach diesen Grundsätzen unterhielt die Beklagte in den Kalenderjahren 2005 bis 20009 einen baugewerblichen Betrieb im tariflichen Sinn. Die unstreitig vom Betrieb in jedem Kalenderjahr des Klagezeitraums überwiegend ausgeführte Tätigkeit des Aufbringens flüssigen Kunststoffs als Bodenbelag ist eine bauliche Leistung i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV. Von dieser Vorschrift werden nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 07.04.1993 - 10 AZR 618/90, juris; BAG 14.01.2004 - 10 AZR 182/03 AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 263) Betriebe erfasst, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeit geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Dazu gehören alle Arbeiten, die irgendwie - wenn auch nur auf einem kleinen und speziellen Gebiet - der Vollendung eines Bauwerks zu dienen bestimmt sind. Dabei ist ein Bauwerk erst dann erstellt und damit baulich vollendet, wenn es wenn es in vollem Umfang seine bestimmungsgemäßen Zwecke zu erfüllen in der Lage ist. ein Bauwerk ist nicht schon dann bestimmungsgemäß erstellt, wenn es überhaupt genutzt werden kann. Zur Erstellung eines Bauwerks gehört nicht nur die Erstellung eines Rohbaus, sondern auch der vollständige Ausbau eines Bauwerks. Von daher erstreckt sich der betriebliche Geltungsbereich des VTV grundsätzlich auf das gesamte Bauausbaugewerbe und nimmt dabei nur die in Abschnitt VII erfassten Betriebe des Ausbaugewerbes von seinem Geltungsbereich aus. Nach diesen Grundsätzen dient die Herstellung eines Fußbodens bzw. eines Fußbodenbelags grundsätzlich der Fertigstellung eines Bauwerks zu seiner bestimmungsgemäßen Nutzung, egal, ob es sich um Industrie-, Gewerbe- oder Privatbauten handelt und ob dabei die Belastbarkeit, Reinigung, Abrieb oder die optische Gestaltung der Böden im Vordergrund steht. Entscheidend bleibt, dass erst mit dem Aufbringen des Bodens das Bauwerk seinen jeweiligen bestimmungsgemäßen Zweck erfüllt. Das Aufbringen von flüssigen Kunststoffen auf einen festen Boden ist nicht deshalb vom Geltungsbereich des VTV ausgenommen, weil es als "Verlegen von Bodenbelägen" i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 38 VTV, das nur in Verbindung mit anderen baulichen Leistungen selbst als baulich gilt, anzusehen wäre. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 07.04.1993 - 10 AZR 618/90) schließt schon der Wortlaut der Vorschrift eine solche Annahme aus. Das "Verlegen" und "Legen" verlange schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine Tätigkeit, bei der ein Gegenstand oder Körper auf einen anderen Gegenstand oder Körper verbracht, "gelegt wird". Ein "Belag" ist daher gerade ein Körper, der auf einen anderen Körper "gelegt wird". Der flüssigen Kunststoffmasse fehle es in der gleichen Weise an dieser erforderlichen Körperlichkeit wie einem Anstrich auf einen festen Körper. Diese Rechtsprechung trifft uneingeschränkt auch auf die betriebliche Tätigkeit der Beklagten zu. Die Tätigkeit der Beklagten ist auch nicht deshalb vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV ausgenommen, weil es sich bei dem Betrieb gemäß § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 6 VTV um einen Betrieb des Maler- und Lackiererhandwerks handelt. Ein Betrieb dieses Handwerkszweiges ist in erster Linie dadurch gekennzeichnet, dass in ihm Arbeiten verrichtet werden, die typischerweise den Betrieb als einen solchen des Maler- und Lackiererhandwerks ausweisen, z.B. das Aufbringen von Farb- und Lackanstrichen sowie Tapezierarbeiten. Solche Tätigkeiten führt die Beklagte jedoch nicht aus. Allein, dass sie Tätigkeiten ausführt, die zwar zum Berufsbild des Malers und Lackierers gehören, in derselben Weise aber auch von Betrieben unterschiedlichster Gewerbezweige in gleicher Weise ausgeführt werden (sog. sowohl-als-auch-Tätigkeiten), macht sie noch nicht zum Maler- und Lackierbetrieb (BAG aaO.). 2. Die von der Beklagten vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Allgemeinverbindlicherklärung der Bautarifverträge sind nicht geeignet, das hier auf der Basis der Regelungen des VTV Bau gefundenen Ergebnisses in Frage zu stellen. Die Allgemeinverbindlicherklärung des VTV BAU und die Folgen aus der Anwendung des VTV Bau auf alle Baubetriebe verstoßen entgegen der Ansicht der Beklagten weder gegen Art 9 Abs. 3 GG, 11 EMRK (negative wie positive Koalitionsfreiheit), noch gegen Art. 3 GG oder Art. 12 GG und 14 GG. Das Bundesverfassungsgericht sowie das Bundesarbeitsgericht haben sich, auch in der jüngeren Vergangenheit, mit den von der Beklagten aufgeworfenen Fragen und Bedenken wiederholt auseinandergesetzt und sind dabei, mit über die Jahrzehnte leicht wechselnden Begründungen, immer wieder zu dem Ergebnis gelangt, dass die Allgemeinverbindlicherklärung des VTV, die die Arbeitgeber unter seinen Geltungsbereich zwingt und ihnen Auskunfts- und Beitragsverpflichtungen auferlegt, nicht verfassungswidrig sei. Zur näheren Begründung sei auf diese Entscheidungen (BVerfG 24.05.1977 - 2 BvL 11/74 - NJW 1977, 2255; BVerfG 15.07.1980 - 1 BvR 24/74 - NJW 1981, 215; BverfG 10.09.1991 - 1 BvR 561/89 - NZA 1992, 125; BVerfG 18.07.2000 - 1 BvR 948/00; BVerfG 20.03.2007 - 1 BvR 1047/05 - NZA 2007, 609, BAG 28.07.2004 - 10 AZR 580/03 - NZA 2005, 1188; BAG 15.11.1995 - 10 AZR 150/95 - n.v.), sowie auf das Urteil der Kammer 10 des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 27.06.2008 - 10 Sa 1721/07 verwiesen, das die Rechtsprechung der obersten Gerichte zusammenfassend dargestellt hat. Die Allgemeinverbindlicherklärung des VTV verstößt nicht gegen Art. 9 Abs. 3 GG. Dieses Grundrecht schützt u.a. für jedermann und für alle Berufe das Recht, sich zu Koalitionen zusammenzuschließen (positive Koalitionsfreiheit). Als individuelles Freiheitsrecht umfasst die Koalitionsfreiheit auch das Recht des Einzelnen, einer Koalition fernzubleiben (negative Koalitionsfreiheit). Die negative Koalitionsfreiheit ist durch die Allgemeinverbindlicherklärung nicht verletzt. Durch die Allgemeinverbindlicherklärung der entsprechenden Tarifverträge erwirbt die Beklagte weder eine (Zwangs-)Mitgliedschaft in den jeweils beteiligten Arbeitgeberverbänden noch in den von den Koalitionen gebildeten gemeinsamen Einrichtungen. Wie vom Bundesverfassungsgericht festgestellt, hat das Fehlen eines Mitgliedschaftsverhältnisses für die Beklagte allerdings den Nachteil, dass sie die ordnungsgemäße Wahrnehmung ihrer Interessen durch die gemeinsame Einrichtung nicht wie ein organisierter Arbeitgeber mittelbar über die Berufsverbände, die Mitglieder der gemeinsamen Einrichtung sind, kontrollieren kann. Eine Teilhabe an den verbandsinternen, sich unmittelbar aus der Mitgliedschaft ergebenden Mitwirkungsrechten steht der Beklagten nicht zu, wenn und solange sie nicht zugleich auch die Mitgliedspflichten erfüllt. Dadurch könnte die Beklagte sich veranlasst sehen, der an der gemeinsamen Einrichtung beteiligten Berufsorganisation beizutreten. Soweit sich daraus ein gewisser Druck ergibt, Mitglied der Koalition zu werden, ist dieser jedoch nicht so erheblich, dass die negative Koalitionsfreiheit verletzt ist. Die Beklagte wird durch die Allgemeinverbindlicherklärung auch nicht in ihrem Grundrecht auf positive Koalitionsfreiheit verletzt. Das Bundesverfassungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass kein Vorrang allgemeinverbindlicher Tarifverträge gegenüber solchen Tarifverträgen besteht, die nicht für allgemeinverbindlich erklärt worden sind. Soweit eine Koalition einen Tarifvertrag für ihre Mitglieder abgeschlossen hat, deren Arbeitsverhältnisse gleichzeitig unter den räumlichen, betrieblichen, fachlich, persönlichen und zeitlichen Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrages fallen, ist die Frage, welcher Tarifvertrag maßgebend ist, ohne Rücksicht auf die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages nach den allgemeinen arbeitsrechtlichen Lösungsgrundsätzen für die Tarifkonkurrenz zu entscheiden. Von den Grundsätzen der Tarifkonkurrenz bzw. Tarifpluralität ist auch das Bundesarbeitsgericht bis jetzt nicht abgerückt. Zutreffend ist allerdings, dass wegen der gesetzlichen Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 3 AEntG der Grundsatz der Tarifkonkurrenz wegen des Urlaubskassenbeitrags nicht mehr eingreift. An der Verfassungsmäßigkeit des Arbeitnehmerentsendegesetzes bestehen jedoch entsprechend der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts keine Bedenken. Es verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, dass die Geltung der allgemeinverbindlichen Tarifnormen im vorliegenden Fall auf den Berufsbereich des Baugewerbes beschränkt ist. Diese Beschränkung des Geltungsbereichs hat seinen ausreichenden sachlichen Grund darin, dass in dem von den Regelungen erfassten Berufszweig hinsichtlich der Fluktuation der Arbeitnehmer besondere Verhältnisse gegeben sind. Ob in anderen Berufsbereichen, etwa dem Bereich der Metallbauer, wie die Beklagte meint, ein entsprechendes Regelungsbedürfnis besteht, haben die insoweit zuständigen Koalitionen in eigener Verantwortung zu klären. Grundsätzlich gilt, dass allgemeinverbindliche Tarifverträge am allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu messen sind. Die richterliche Kontrolle von Tarifverträgen wird jedoch dadurch begrenzt, dass die Tarifautonomie nach Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich gewährleistet wird. Den Tarifvertragsparteien steht deshalb eine Einschätzungsprärogative zu, soweit es um die Beurteilung der tatsächlichen Regelungsprobleme und der Regelungsfolgen geht. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die sachgerechteste und zweckmäßigste Lösung für ein Problem gefunden haben. Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung des VTV greift auch nicht in die Grundrechtspositionen der Beklagten aus Art. 12 Abs. 1 GG oder Art. 14 GG ein. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt in der Auferlegung von Beitragspflichten weder ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG noch ein Verstoß gegen Art. 14 GG vor. Durch die Beitragspflicht wird nämlich das Recht der Beklagten auf freie Berufswahl nicht beschränkt. Vielmehr wird durch die Beitragspflicht den branchenbedingten Besonderheiten des Baugewerbes Rechnung getragen, die es im öffentlichen Interesse gebieten, die Abwicklung von Teilansprüchen der Arbeitnehmer den Sozialkassen zu übertragen und dadurch Wettbewerbsverzerrungen und Schmutzkonkurrenz im Baugewerbe zu vermeiden. Der Unternehmer, der eine Tätigkeit im Baugewerbe ausüben will, muss daher von vornherein mit dieser branchenspezifischen Besonderheit rechnen. Dadurch wird die Freiheit seiner Berufswahl nicht unzulässig beeinträchtigt. Im Übrigen enthalten die allgemeinverbindlichen Tarifnormen über die Beitragspflicht zu den Sozialkassen keine Berufsausübungsregelung im Sinn von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG, da sie die Tätigkeit des einzelnen Arbeitgebers als gewerblicher Unternehmer nicht berühren. Das Recht der Beklagten auf Eigentum nach Art. 14 GG ist nicht verletzt, da das Vermögen als solches keinen verfassungsrechtlichen Schutz genießt. 3. Die Höhe der von der Beklagten geschuldeten Beiträge ist unstreitig. Der Kläger hat die Beiträge auf der Grundlage der von der Beklagten angegebenen Beschäftigungszeiten ihrer Arbeitnehmer und der ihnen gezahlten Bruttovergütung unter Zugrundelegung der jeweils geltenden Beitragssätze berechnet. Der abschließenden Berechnung des Klägers ist die Beklagte nicht mehr entgegengetreten. Nach dem Grundsatz der einheitlichen Kostenentscheidung waren den Parteien die Kosten des Rechtsstreits jeweils anteilig aufzuerlegen. Dabei treffen den Kläger die Kosten für die teilweise Klagerücknahme, die Beklagte die Kosten für die durchgesetzten Beitragsansprüche (§§ 64 Abs.6 ArbGG, 92, 269 Abs. 3 ZPO). Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob der Inhalt des Begriffs "Verlegen" in § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 38 VTV allein, wie in der Entscheidung vom 07.04.1993 - 10 AR 618/90 - ausgeführt, aus dem allgemeinen Sprachgebrauch abzuleiten ist, ohne die Funktionsbestimmung des flüssig aufgebrachten Kunststoffs (Elastomer), die sich von einem üblichen "körperlichen" Bodenbelag nicht unterscheidet, zu berücksichtigen. Hinweise: Hinweise Revision wurde eingelegt - Az. beim BAG: 10 AZR 428/13

RechtsgebietVTV-BauVorschriftenVTV-Bau Abschnitt II § 1 Abs. 2 VTV-Bau Abschnitt V § 1 Abs. 2

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