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19.11.2013 · IWW-Abrufnummer 171040

Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 06.12.2012 – 7 Sa 583/12

Ein Arbeitnehmer, der während der letzten 5 Jahre seines insgesamt knapp 12 Jahre andauernden Arbeitsverhältnisses zur Ausübung seines Betriebsratsamts vollständig von der Arbeitsverpflichtung freigestellt war, kann vom Arbeitgeber nicht verlangen, dass dieser Umstand in einem qualifizierten Arbeitszeugnis verschwiegen wird. Insbesondere hat er auch keinen Anspruch auf Erteilung zweier Arbeitszeugnisse - mit und ohne Erwähnung der Freistellung -, von denen er wahlweise Gebrauch machen könnte.



Der Arbeitgeber kann eine unterdurchschnittliche Aussage im Arbeitszeugnis zum "Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen" ("in der Regel angemessen") nicht mit dem - streitigen - Vorwurf rechtfertigen, der Arbeitnehmer habe Aufwendungsersatzansprüche des Betriebsrats manipuliert und auf Kosten des Arbeitgebers unautorisierte Rechtsgeschäfte mit Dritten abgeschlossen.


Tenor: Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 17.01.2012 in Sachen 3 Ca 950/11 h werden zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Parteien je zur Hälfte auferlegt. Für den Kläger wird die Revision zugelassen. Für die Beklagte wird die Revision nicht zugelassen. Tatbestand: Die Parteien streiten um zwei Aussagen in dem Arbeitszeugnis des Klägers. Der am 1973 geborene Kläger trat am 1. September 1998 in ein Arbeitsverhältnis zum beklagten Unternehmen. Bis zum 25.04.2005 war er als Mitarbeiter in der Qualitätskontrolle beschäftigt. Seit dem 26.04.2005 war der Kläger in seiner Eigenschaft als Mitglied des Betriebsrats von seiner beruflichen Tätigkeit in vollem Umfang freigestellt. Hieran änderte sich nichts, bis die Beklagte dem Kläger unter dem 24.06.2010 eine außerordentliche, fristlose Kündigung aussprach. Dem war ein Zustimmungsersetzungsverfahren der Beklagten gegen ihren Betriebsrat vorausgegangen, welches sich durch nachträgliche Erteilung der Zustimmung erledigt hatte. Der Kläger erhob gegen die ihn betreffende außerordentliche Kündigung Kündigungsschutzklage, die erstinstanzlich mit Urteil vom 24.07.2012 abgewiesen wurde. Der hiergegen gerichtete Berufungsrechtsstreit war im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des vorliegenden Verfahrens vor dem Berufungsgericht noch nicht abgeschlossen. Nach Ausspruch der Kündigung bat der Kläger die Beklagte um Ausstellung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses. Die Beklagte erteilte dem Kläger daraufhin unter dem Datum des 24.06.2010 ein Zeugnis folgenden Wortlauts: Zeugnis Die Q KG ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft des größten und weltweit erfolgreichsten a Teleshoppingunternehmens. Seit Ende 1996 versorgen wir D mit unserem Programm von unserem Dü Firmensitz sowohl über Satellit als auch über Kabel. Herr V , geb. am 1973, war vom 1. September 1998 bis zum 24. Juni 2010 in unserem Unternehmen als Mitarbeiter Qualitätskontrolle angestellt. Bis zum 25.04.2005 verrichtete er insbesondere folgende Tätigkeiten: -Musterziehung aller eingehenden Waren in Übereinstimmung mit dem Q Musterplan -Prüfung der Warenqualität und Sicherstellung des Einhaltens der Q -Qualitätsstandards -Prüfung der Übereinstimmung der Eingangsware mit der Produktbeschreibung im Warenwirtschaftssystem -direkte Kommunikation mit dem Einkauf über alle Produktmängel -Vervollständigung aller internen und externen Formulare -Überprüfung und/oder Änderung der Verpackungsart zur Vermeidung von Transportschäden -Freigabe der Artikel nach positiver Prüfung. Zeitweise vertrat Herr V während dieser Tätigkeit den Supervisor in seiner Abwesenheit bei der fachlichen Steuerung der Mitarbeiter. Im Verlauf seiner Tätigkeit eignete sich Herr V sehr gute Kenntnisse unseres unternehmenseigenen Warenwirtschaftssystems an. Er wies jederzeit eine gute Prüfleistung auf und erledigte sämtliche Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit. Seit dem 26.04.2005 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses war Herr V von seiner beruflichen Tätigkeit auf Grund seiner Mitgliedschaft in Betriebsrat freigestellt. Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen war in der Regel angemessen. Q KG H , den 24.06.2010 Unterschrift Der Kläger hat erstinstanzlich die vollständige und ersatzlose Streichung des vorletzten Zeugnisabsatzes begehrt, in welcher die Freistellung auf Grund seiner Betriebsratsmitgliedschaft erwähnt ist. Der Kläger hat hierzu die Ansicht vertreten, eine Betriebsratstätigkeit dürfe nur auf ausdrücklichen Wunsch des Arbeitnehmers in einem Zeugnis erwähnt werden. Es sei zwar richtig, dass er den Wunsch geäußert habe, ein Zeugnis zu erhalten, in dem seine Betriebsratstätigkeit aufgeführt sei. In Wirklichkeit habe er, der Kläger, die Beklagte aber gebeten gehabt, ihm nach Möglichkeit zwei Zeugnisse zu erteilen, eines mit und eines ohne Erwähnung der Betriebsratstätigkeit. Wenn die Beklagte zu dem Ergebnis komme, dass sie nur ein Zeugnis schulde, könne sie aber nicht ohne weiteres die Version mit Betriebsratstätigkeit wählen, da dies für ihn, den Kläger, nachteiliger sei. Ferner hat der Kläger gefordert, den letzten Satz des Zeugnisses durch die Formulierung zu ersetzen: "Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen war stets einwandfrei". Er hat hierzu ausgeführt, die von der Beklagten gewählte Formulierung bedeute eine unterdurchschnittliche Bewertung seines Sozialverhaltens, für welche die Beklagte keinerlei sachliche Rechtfertigung vorgetragen habe. Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, das dem Kläger unter dem 24.06.2010 erteilte Zeugnis wie folgt zu korrigieren: - Im vorletzten Absatz des Zeugnisses wird ausgeführt: "Seit dem 24.06.2005 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses war Herr V von seiner beruflichen Tätigkeit auf Grund seiner Mitgliedschaft im Betriebsrat freigestellt." Dieser Absatz ist ersatzlos zu streichen. - Der letzte Absatz des Zeugnisses lautet: "Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen war in Regel angemessen". Diese Formulierung ist wie folgt zu korrigieren: "Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen war stets einwandfrei." Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte hat bestritten, dass der Kläger ihr gegenüber zwei Zeugnisse unterschiedlichen Inhalts gewünscht habe. Er habe vielmehr nur ein Zeugnis verlangt und ausdrücklich darum gebeten, dass darin die Betriebsratstätigkeit erwähnt werden solle. Unabhängig davon, sei sie, die Beklagte, ohnehin verpflichtet gewesen, die Dauer der Freistellung des Klägers auf Grund seiner Betriebsratstätigkeit im Zeugnis mitzuteilen, da ansonsten für den Leser der falsche Eindruck entstanden wäre, der Kläger habe zwölf Jahre lang seine Tätigkeit in der Qualitätskontrolle verrichtet. Ferner hat die Beklagte eingewandt, der Kläger habe auch keinen Anspruch auf die von ihm gewünschte, sehr gute Verhaltensbeurteilung, da diese nicht der Wahrheit entspräche. Wie sie bereits in den Beschlussverfahren 3 BV 43/08 h, 3 BV 57/08 h und 3 BV 65/09 h dargelegt und unter Beweis gestellt habe, sei das Verhalten des Klägers gegenüber dem Arbeitgeber, den Vorgesetzten und Kollegen als ungenügend zu beurteilen. Mit Urteil vom 17.01.2012 hat die 3. Kammer des Arbeitsgerichts Aachen, Gerichtstag Heinsberg der Klage teilweise stattgegeben. Es hat die Beklagte dazu verurteilt, die vom Kläger verlangte Neuformulierung des letzten Zeugnissatzes vorzunehmen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe keine Umstände vorgetragen, die auf eine ungenügende Verhaltensbeurteilung des Klägers schließen ließen. Die Bezugnahme auf andere Verfahren ersetze keinen Prozessvortrag. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zum einen habe der Kläger unstreitig ein Zeugnis mit Erwähnung seiner Betriebsratstätigkeit gewünscht. Die Beklagte habe daher davon ausgehen können, dass sie mit einem Zeugnis, in dem die Betriebsratstätigkeit erwähnt wird, den Anspruch des Klägers erfülle, auch wenn sie seinem Wunsch nach zwei Zeugnissen nicht nachkomme. Im Übrigen ist das Arbeitsgericht der Auffassung der Beklagten beigetreten, dass ohnehin zur Vermeidung falscher Eindrücke beim Leser die Notwendigkeit bestanden habe, die fünfjährige Freistellung auf Grund der Betriebsratstätigkeit in das Zeugnis aufzunehmen. Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Kläger 06.07.2012, der Beklagten am 09.07.2012 zugestellt, nachdem die Fünfmonatsfrist des § 66 Abs. 1 ArbGG am 17.06.2012 abgelaufen war. Der Kläger hat gegen das Urteil am 14.06.2012 Berufung eingelegt und diese am 13.08.2012 begründet. Die Beklagte hat ihrerseits am 19.06.2012 Berufung eingelegt und diese am 07.08.2012 begründet. Der Kläger wiederholt seine Behauptung, er habe die Beklagte um Erteilung zweier Zeugnisse gebeten, wobei in einem davon seine Betriebsratstätigkeit erwähnt werden sollte, in dem anderen nicht. Dies sei aber gerade vor dem Hintergrund erfolgt, dass die Beklagte ihm in dem Vorgespräch vor der Zeugniserteilung mitgeteilt hatte, sie werde die Betriebsratstätigkeit ohnehin auf jeden Fall erwähnen, da sie sich dazu rechtlich verpflichtet fühle. Der Kläger räumt ein, keinen Rechtsanspruch auf Erteilung zweier verschiedener Zeugnisse zu haben. Wenn die Beklagte aber nur eine Zeugnisversion habe erteilen wollen, habe sie die für ihn weniger nachteilige wählen müssen, in welchem die Betriebsratstätigkeit nicht erwähnt würde. Die Beklagte könne sich auch nicht auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10.05.2005 berufen, wonach in einem Zeugnis die Elternzeit eines Arbeitnehmers erwähnt werden dürfe. In dem dortigen Fall habe die Elternzeit deutlich mehr als 2/3 des Gesamtzeitraums des Bestandes des Arbeitsverhältnisses eingenommen. Mit diesen zeitlichen Verhältnissen sei der vorliegende Fall nicht zu vergleichen, sei der Kläger doch lediglich in 5 von 12 Jahren freigestelltes Betriebsratsmitglied gewesen. Der Kläger und Berufungskläger zu 1) beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 17.01.2012, Aktenzeichen 3 Ca 950/11 h, abzuändern und der Klage in vollem Umfang stattzugeben. Die Beklagte, Berufungsbeklagte zu 1) und Berufungsklägerin zu 2) beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen und die Klage unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Aachen vom 17.01.2012, Aktenzeichen 3 Ca 950/11 h abzuändern und die Klage im vollem Umfang abzuweisen. Die Beklagte bestreitet weiterhin, dass der Kläger im Vorfeld der Zeugniserteilung zwei Zeugnisversionen gewünscht habe. Es sei vielmehr nur von der Erteilung eines Zeugnisses mit Erwähnung der Betriebsratstätigkeit die Rede gewesen. Hierauf komme es aber nicht an, da sie, die Beklagte, ohnehin von Rechts wegen nach dem Grundsatz der Zeugniswahrheit verpflichtet gewesen sei, die langjährige Freistellung des Klägers auf Grund der Betriebsratstätigkeit im Zeugnis zu erwähnen. Zur eigenen Berufung führt die Beklagte und Berufungsklägerin zu 2) aus, wie die Kündigungsvorwürfe zeigten, könne der Kläger keine bessere Verhaltensbeurteilung verlangen als im letzten Satz des Zeugnisses enthalten. Sie habe schon erstinstanzlich hierzu durch den Verweis auf das bei der gleichen Kammer des Arbeitsgerichts Aachen anhängige Zustimmungsersetzungsverfahren ausreichend vorgetragen. Es handele sich um gerichtsbekannte Tatsachen. Vorsorglich trägt die Beklagte nunmehr in der Berufungsinstanz vor, die Kündigungsvorwürfe bestünden zum einen darin, dass der Kläger zu Lasten des Vermögens der Beklagten im Bereich des Sportsponsorings finanzielle Verpflichtungen gegenüber Dritten eingegangen sei, ohne hierzu bevollmächtigt gewesen zu sein. Ferner habe er das Vermögen der Beklagten dadurch geschädigt, dass er zu Lasten der Beklagten Stornierungskosten einer Betriebsratsschulung habe abrechnen lassen, die in Wirklichkeit gar nicht angefallen seien. Der Kläger und Berufungsbeklagte zu 2) beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Der Kläger bekräftigt die Auffassung des Arbeitsgerichts Aachen, dass die Beklagte erstinstanzlich nichts vorgetragen habe, was die im letzten Satz des Zeugnisses enthaltene Verhaltensbeurteilung rechtfertigen könne. Der Kläger bestreitet die nunmehr von der Beklagten skizzierten Kündigungsvorwürfe. Er führt aus, dass auch diese, selbst wenn sie zuträfen, die in dem letzten Satz des Zeugnisses enthaltene Beurteilung nicht tragen könnten. Die Zeugnisformulierung beziehe sich nämlich auf das Sozialverhalten des Klägers seinen Kollegen und Vorgesetzten gegenüber. Diesbezüglich sei ihm im Laufe des gesamten Arbeitsverhältnisses nichts vorgeworfen worden und vorzuwerfen gewesen. Die Kündigungsvorwürfe beträfen hingegen die Kategorien Vertrauenswürdigkeit, Ehrlichkeit bzw. Loyalität, um die es in dem letzten Satz des Zeugnisses gar nicht gehe. Im Übrigen merkt der Kläger an, dass für den unbefangenen Leser aus dem Zusammenhang des letzten Zeugnissatzes mit dem vorletzten Zeugnisabsatz der Eindruck entstehen müsse, die schlechte Beurteilung seines Sozialverhaltens hänge mit der Art und Weise der Ausübung seines Betriebsratsamtes zusammen. Entscheidungsgründe: I. Die Berufungen beider Parteien gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 17.01.2012 sind zulässig. Die Berufungen sind gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft. Sie wurden auch innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet. II. Die Berufungen beider Parteien sind jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht Aachen hat den Rechtsstreit im Ergebnis in jeder Hinsicht richtig entschieden. Im Einzelnen: A. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte darauf, dass der vorletzte Zeugnisabsatz des Zeugnisses vom 24.06.2010, in welchem die Freistellung des Klägers auf Grund seiner Betriebsratsmitgliedschaft erwähnt wird, ersatzlos gestrichen wird. 1. Bei der Frage, ob die Betriebsratstätigkeit eines Arbeitnehmers in einem qualifizierten Arbeitszeugnis zu erwähnen ist oder nicht, ist zunächst zu differenzieren: Geht es nur um die Erwähnung einer Betriebsratstätigkeit bzw. einer Mitgliedschaft im Betriebsratsgremium als solcher, so geht das Berufungsgericht mit der wohl herrschenden Meinung davon aus, dass diese nur dann im Arbeitszeugnis zu erwähnen ist, wenn der Arbeitnehmer dies ausdrücklich wünscht (BAG AP Nr. 1 § 13 BAT; LAG Frankfurt, 6 Sa 779/76 ). Das - nicht freigestellte - Betriebsratsmitglied übt mit seiner Betriebsratstätigkeit ein Ehrenamt aus, das mit seinen arbeitsvertraglich geschuldeten Hauptleistungspflichten in keinem unmittelbaren Zusammenhang steht. Die Zweckbestimmung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses besteht darin, ein möglichst vollständiges, wahres, klares, aber auch wohlwollendes Bild von Führung und Leistung des Arbeitnehmers im Hinblick auf seine arbeitsvertraglichen Pflichten darzustellen. Hierzu ist die Erwähnung der ehrenamtlichen Betriebsratstätigkeit nicht unbedingt notwendig. Es kann daher der Einschätzung des Arbeitnehmers überlassen bleiben, ob er auf eine Erwähnung wert legt oder nicht. 2. Anders verhält es sich, wenn es sich um ein Betriebsratsmitglied handelt, dass wegen der von ihm übernommenen betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben vollständig von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt ist. a. Durch die Freistellung wird ein unmittelbarer Bezug zu den arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten hergestellt. Aussagen über Leistung und Führung in Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten sind nicht möglich, solange die primären arbeitsvertraglichen Pflichten suspendiert sind. War der Arbeitnehmer, wie dies zumeist und auch vorliegend der Fall ist, nur während eines Teiles der Gesamtdauer seines Arbeitsverhältnisses wegen Betriebsratstätigkeit freigestellt, so führt deren ersatzloses Verschweigen entweder zu einem dem Grundsatz der Zeugniswahrheit widersprechenden verfälschenden Eindruck bei dem neutralen Zeugnisleser oder es entsteht eine bedenkliche, letztlich auch für den Arbeitnehmer selbst nachteilige Darstellungslücke. b. Im vorliegenden Fall war der Kläger von seiner Einstellung zum 01. 09. 1998 an bis zum 25.04.2005 entsprechend seinen arbeitsvertraglich übernommenen Hauptleistungspflichten als Mitarbeiter in der Qualitätskontrolle tätig. Dies wird im ersten Teil des Zeugnisses unter Schilderung der in dieser Zeit im Einzelnen erledigten Aufgaben ausführlich dargestellt und im Mittelteil einer umfassenden Bewertung unterzogen. Hätte die Beklagte im Zeugnistext nicht ausdrücklich klargestellt, dass diese Tätigkeiten nur bis zum 25.04.2005 verrichtet wurden, wäre für den neutralen objektiven Leser der verfälschende Eindruck entstanden, dass der Kläger während der Gesamtdauer des knapp zwölfjährigen Arbeitsverhältnisses die fraglichen Tätigkeiten verrichtet hätte, und zwar bis zuletzt im Jahre 2010. Er wäre so in erheblicher Weise über die im Arbeitsverhältnis gewonnene Berufserfahrung des Klägers und über die Aktualität seiner Berufserfahrung getäuscht worden. c. Die Beklagte hat jedoch in der Einleitung der Tätigkeitsdarstellung klargestellt, dass der Kläger diese Tätigkeit nur "bis zum 25.04.2005" verrichtet hat. Denkt man sich nun aber bei dieser Gestaltung den vorletzten Zeugnisabsatz ersatzlos weg, so entsteht ein unvollständiges und in sich widersprüchliches Bild: Der Zeugnisleser erfährt, dass das Arbeitsverhältnis bis Juni 2010 gedauert hat, erhält aber keinerlei Informationen mehr über den Zeitraum von April 2005 bis Juni 2010. Das Gebot der Zeugniswahrheit beinhaltet aber auch den Anspruch des Zeugnislesers auf eine vollständige und widerspruchsfreie Darstellung. d. Eine Darstellungslücke, wie sie im vorliegenden Fall entstünde, wenn der vorletzte Zeugnisabsatz dem Klagebegehren des Klägers entsprechend ersatzlos gestrichen würde, entspricht aber auch nicht der Vorgabe, dass ein Zeugnis "wohlwollend" zu sein hat, und liegt somit auch nicht im wohlverstandenen Interesse des Klägers selbst; denn eine derartige Darstellungslücke provoziert notwendigerweise beim Zeugnisleser Spekulationen darüber, was in dem Arbeitsverhältnis während des langen Zeitraums, der keine nähere Erwähnung findet, in Wirklichkeit geschehen ist. Solche Spekulationen könnten z. B. auch zum Inhalt haben, ob der Arbeitnehmer vielleicht dauererkrankt war oder gar eine Freiheitsstrafe abgesessen hat. e. Aus alledem folgt ferner, dass der Kläger hinsichtlich seines Begehrens auf ersatzlose Streichung des vorletzten Zeugnisabsatzes auch nicht schutzbedürftig erscheint. Die Nichterwähnung einer Freistellungszeit als Betriebsrat auf Kosten einer Darstellungslücke im Zeugnis führt zu keiner Besserstellung des Arbeitnehmers, zumal verständige potentielle neue Arbeitgeber aus einem früheren Betriebsratsengagement eines Stellenbewerbers ohnehin keine automatisch negativen Schlussfolgerungen ziehen, während andererseits ein Verschweigen der Betriebsratsfreistellung und ein gleichzeitiges Verschweigen des Umstands, dass die im Zeugnis dargestellte sachlich-fachliche Tätigkeit nur während eines Teils des Arbeitsverhältnisses ausgeübt wurde, zu einer Täuschung der Zeugnisleser führt, auf die der Arbeitnehmer ebenfalls kein Anspruch hat. f. Hinzukommt, dass die vollständige Freistellung eines Betriebsrats- mitglieds von der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung nur mit seinem Einverständnis erfolgt und einem vorübergehenden vollständigen Wechsel in der eigenen Berufstätigkeit gleichkommt. Von einem Arbeitnehmer, der sich hierauf einlässt, kann erwartet werden, dass er die damit einhergehenden Folgen für seinen weiteren beruflichen Werdegang mit bedenkt. g. Für den Fall der Freistellung auf Grund Elternzeit hat die ober- und höchstrichterliche Rechtsprechung bereits anerkannt, dass diese in einem Arbeitszeugnis zu erwähnen ist, wenn sie nicht unerhebliche Zeiträume erfasst. Neben der von den Parteien zitierten Entscheidung des BAG vom 10.05.2005, 9 AZR 261/04 ist dabei auch auf die Entscheidung des LAG Köln vom 04.05.2012 in Sachen 4 Sa 114/12 hinzuweisen. In der letztgenannten Entscheidung hat das LAG Köln angenommen, dass eine am Ende eines insgesamt 5 1/2 Jahre dauernden Arbeitsverhältnisses liegende circa 14 monatige Elternzeit ebenfalls in einem Arbeitszeugnis zu erwähnen ist. Dementsprechend kann der Kläger sich im vorliegenden Fall ebenfalls nicht darauf berufen, dass es einer Erwähnung der betriebsratsbedingten Freistellung deshalb nicht bedurfte, weil diese nur einen quantitativ unerheblichen Zeitraum betroffen hätte. Das Gegenteil ist der Fall, war der Kläger jedoch im Rahmen eines knapp 12 Jahre andauernden Arbeitsverhältnisses für mehr als 5 Jahre von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt, und dies gerade während der letzten 5 Jahre des Arbeitsverhältnisses. h. Bei alledem spielt es keine entscheidungserhebliche Rolle, ob der Kläger, wie von ihm behauptet, der Beklagten gegenüber im Vorfeld der Zeugniserteilung die Ausstellung zweier verschiedener Zeugnisse erbeten hat oder ob dies der Behauptung der Beklagten entsprechend nicht der Fall war. Da die Frage, ob die mehr als fünfjährige Freistellung des Klägers im Zeugnis zu erwähnen war, gerade nicht von einem im freien Ermessen des Klägers liegenden Wunsch abhängig war, kann dahingestellt bleiben, welche Wünsche er der Beklagten gegenüber geäußert hat. i. Erst recht hatte der Kläger keinen Anspruch gegen die Beklagte darauf, zwei verschiedene Zeugnisversionen ausgestellt zu bekommen. Dies hat er aber im Laufe des Rechtsstreits auch ausdrücklich selbst eingeräumt. B. Die Berufung der Beklagten ist ebenfalls unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zu Recht dazu verurteilt, den letzten Satz des Zeugnisses dem Berichtigungswunsch des Klägers entsprechend abzuändern. 1. Die in dem letzten Zeugnissatz angesprochene Beurteilungskategorie des "Verhaltens gegenüber Vorgesetzten und Kollegen" betrifft das Sozialverhalten des Arbeitnehmers in der alltäglichen Kommunikation am Arbeitsplatz. Es betrifft die Frage, ob der Arbeitnehmer sich reibungslos in die Betriebsgemeinschaft eingefügt hat, den Betriebsfrieden eher gestört oder eher gefördert hat, sich ordentlicher Umgangsformen zu Vorgesetzten und Kollegen befleißigt hat u. ä. Gab es während der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses innerhalb dieser Kategorie des Sozialverhaltens keine ernstzunehmenden Beanstandungen gegenüber dem Kläger, so hat er in dem abschließenden Zeugnis einen Anspruch auf die Formulierung, dass sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen "stets einwandfrei" gewesen sei. 2. Nimmt der Arbeitgeber eine hiervon abweichende schlechtere Beurteilung des Sozialverhaltens in das Zeugnis auf, so obliegt es seiner Darlegungs- und Beweislast, aufzuzeigen, welche für den Arbeitnehmer letztlich typischen Beanstandungen die negative Abweichung rechtfertigt. a. Die von der Beklagten für die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bemühte Kategorie einer "durchschnittlichen" Beurteilung ist dagegen für die zusammenfassende Leistungsbeurteilung in einem Arbeitszeugnis entwickelt worden und passt auf spezielle Einzelaspekte wie z. B. das Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Mitarbeitern, bei denen es mehr um die Frage der Beanstandungsfreiheit als um die Frage einer qualitativen Bewertung geht, weniger. Ungeachtet dessen trifft es aber auch nicht zu, dass der Kläger mit dem Wunsch, dass sein Sozialverhalten als "stets einwandfrei" beurteilt werden möge, eine überdurchschnittliche Einzelbeurteilung anstrebt, während andererseits aber die von der Beklagten tatsächlich aufgenommene Formulierung, sein Verhalten sei "in der Regel angemessen", weit unterdurchschnittlich erscheint. Dabei erweckt die Formulierung der Beklagten negative Assoziationen in zweierlei Hinsicht: In qualitativer Hinsicht erscheint das Adjektiv "angemessen" wesentlich schwächer als der übliche Begriff "einwandfrei". In quantitativer Hinsicht weist die Bezeichnung "in der Regel" deutlich darauf hin, dass das Verhalten des Klägers des Öfteren auch Anlass zur Klage gegeben hat. b. Erstinstanzlich hat die Beklagte jegliche Darlegung vermissen lassen, die hätte geeignet sein können, die Aussage des letzten Zeugnissatzes zu rechtfertigen. Dies hat das Arbeitsgericht Aachen zu Recht beanstandet. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, dass eine für bestimmte Umstände darlegungsbelastete Partei nicht einfach pauschal auf irgendwelche für das laufende Verfahren eingereichte Anlagenkonvolute verweisen kann. Es ist nämlich nicht Aufgabe des Gerichts, sich aus einer Vielzahl von Unterlagen diejenigen Aussagen und Behauptungen herauszusuchen, die die darlegungsbelastete Partei mit ihrer Bezugnahme vielleicht gemeint haben könnte und/oder die für ihr Rechtsbegehren günstig sind. Erst recht muss dies für die pauschale und jeder Konkretisierung entbehrende Verweisung auf die Gerichtsakten anderer Verfahren gelten, auch wenn diese Verfahren zufällig vor derselben Kammer des Gerichts anhängig gewesen sein mögen. Dies gilt umso mehr, als nicht einmal alle der von der Beklagten in Bezug genommenen Verfahren den hiesigen Kläger betreffen. 3. Aber auch die erstmals in der Berufungsinstanz vorgenommene Konkretisierung der Beklagten durch den näheren Hinweis auf die von ihr vertretenen Kündigungsgründe ist nicht geeignet, die Berechtigung des letzten Zeugnissatzes plausibel zu machen oder gar unter Beweis zu stellen. a. Die Beklagte führt als Kündigungsgründe an, dass sie dem Kläger vorwirft, er habe das Vermögen der Beklagten dadurch geschädigt, dass er zu ihren Lasten Verpflichtungen gegenüber Dritten eingegangen sei, ohne hierzu bevollmächtigt gewesen zu sein. Außerdem wirft die Beklagte dem Kläger vor, er habe wiederum auf ihre finanziellen Kosten auf betrügerische Weise Aufwendungsersatz für Betriebsratsschulungen erschlichen. b. Ob diese von der Beklagten erhobenen und vom Kläger bestrittenen Vorwürfe berechtigt sind, wird im Kündigungsschutzverfahren abschließend zu klären sein. Die Vorwürfe betreffen jedoch nicht die hier in Rede stehende Kategorie des "Verhaltens des Klägers gegenüber Vorgesetzten und Kollegen", sondern Eigenschaften wie Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit oder Loyalität gegenüber der Arbeitgeberin. Die letztgenannten Kriterien finden bezeichnenderweise in dem streitigen Zeugnis keinerlei Erwähnung. Es kann, da nicht streitgegenständlich, dahingestellt bleiben, ob es sich insoweit gegebenenfalls um ein "beredtes Schweigen" der Beklagten handelt. Selbst wenn man sich jedoch vorstellt, dass der Kläger möglicherweise in erheblichem Maße gegen die Gebote der Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit und Loyalität verstoßen haben könnte, führt dies nicht dazu, dass ihm auch in der Kategorie des Sozialverhaltens im Umgang mit Vorgesetzten und Kollegen eine schlechte Zeugnisbeurteilung erteilt werden dürfte. Es handelt sich hierbei vielmehr um eine Vermengung sachlich unterschiedlicher Gesichtspunkte. III. Die Kostenfolge ergibt sich aus dem Verhältnis des beiderseitigen Obsiegens und Unterliegens. Die für die Entscheidung über die Berufung des Klägers erheblichen Sachfragen führen nach Auffassung des Berufungsgerichts zur Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Hinsichtlich der Berufung der Beklagten sind indessen für das Berufungsgericht Gründe, die zur Zulassung der Revision führen müssten, nicht ersichtlich.

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