29.10.2013 · IWW-Abrufnummer 170998
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 25.07.2013 – 2 Sa 504/12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten zu 1) wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 20.09.2012 - 3 Ca 667/12 - abgeändert, soweit es der Klage gegen den Beklagten zu 1) stattgegeben hat.
Die Klage gegen den Beklagten zu 1) wird als unzul ässig abgewiesen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden wie folgt verteilt: Die Gerichtskosten tragen die Klägerin und die Beklagte zu 2) jeweils zur Hälfte.
Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) trägt die Klägerin.
Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte zu 2) zur Hälfte.
Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin und der Beklagte zu 1) streiten in der Berufungsinstanz zuletzt noch über die Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle.
Die Klägerin war vom 01. Juli 2011 bis 30. Juni 2012 bei der Firma S. GmbH beschäftigt. Der Beklagte zu 1) wurde im Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der Firma S. GmbH vom Amtsgericht Ulm mit Beschluss vom 23. Januar 2012 zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und fungierte ab dem 30. Januar 2012 aufgrund des an diesem Tage angeordneten allgemeinen Verfügungsverbots als sog. starker vorläufiger Insolvenzverwalter. Am 28. März 2012 wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Ulm vom gleichen Tag das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma S. GmbH eröffnet und der Beklagte zu 1) zum Insolvenzverwalter ernannt.
Bei der Insolvenzschuldnerin erfolgte die Gehaltszahlung immer am Ende des Folgemonats für alle geleisteten Stunden aus dem Vormonat. Mit Schreiben vom 26. Januar 2012 (Bl. 13 d. A.) wurde der Klägerin folgendes mitgeteilt:
"Auszahlung Insolvenzgeld - Eilt sehr!
Sehr geehrte Frau D.,
Ihre Gehälter für die Monate Januar bis März 2012 werden im Rahmen des Insolvenzgeldes ausbezahlt. Damit Sie Ihr Entgelt wie gewohnt Anfang des Monats erhalten, werden Ihre Ansprüche durch die Sparkasse U. vorfinanziert. Zur Abwicklung der Insolvenzgeldvorfinanzierung ist es erforderlich, das Sie eine Anspruchsabtretung unterschreiben.
Dafür erhalten Sie diesem Schreiben beigefügt einen von der Bank erstellten Formvordruck "Ankauf von Ansprüchen auf Arbeitsentgelt" in 2facher Ausfertigung. Die Anspruchsabtretung erfordert Ihre Originalunterschrift.
(...)"
Der diesem Schreiben beigefügte Formvordruck "Ankauf von Ansprüchen auf Arbeitsentgelt" vom 25. Januar 2012, der von der Klägerin sodann unterzeichnet wurde, lautet wie folgt:
"Der Arbeitnehmer hat gegen den Arbeitgeber Ansprüche auf Netto-Arbeitsentgelte d. h. auf die um die gesetzlichen Abzüge verminderten Arbeitsentgelte für die Monate
Januar, Februar und März 2012
in der vom Arbeitgeber und vorläufigen Insolvenzverwalter bestätigten insolvenzgeldfähigen Höhe.
Zug um Zug gegen Zahlung dieser Beträge verkauft und überträgt der Arbeitnehmer der
Sparkasse U., U-Straße, U-Stadt
-nachstehend Sparkasse genannt -
die vorgenannten Ansprüche auf Arbeitsentgelt und damit die Ansprüche auf Insolvenzgeld. Der Kaufpreis entspricht dem jeweils angekauften Forderungsnominal. Der Arbeitgeber und der vorläufige Insolvenzverwalter, A., A-Straße, A-Stadt stimmen dem zu. Die Sparkasse nimmt die Übertragung an unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch die zuständige Agentur für Arbeit U-Stadt.
Der Arbeitnehmer sichert zu, dass die Ansprüche auf Arbeitsentgelt weder anderweitig abgetreten noch verpfändet sind und dass er keinen Antrag auf Insolvenzgeld gestellt und für den oben genannten Zeitraum keine Arbeitslosenunterstützung erhalten oder beantragt hat oder beantragen wird. Ein bereits gestellter Antrag auf Insolvenzgeld gilt für den Betrag der Vorfinanzierung als zurückgenommen.
Die Sparkasse übernimmt, außer der Verpflichtung der Zahlung des Kaufpreises, keine weiteren Verpflichtungen; sie steht insbesondere nicht ein für Lohnfolgekosten, d. h. für die das jeweilige Netto-Arbeitsentgelt übersteigenden Beträge wie Steuern und Sozialabgaben."
Mit der Lohn-/Gehaltsabrechnung "01/12" vom 31. Januar 2012 rechnete die Insolvenzschuldnerin unter Zugrundelegung der von der Klägerin im Dezember 2011 tatsächlich geleisteten 119,5 Stunden einen Bruttobetrag von 1.075,50 EUR ab. Der sich daraus ergebende Nettobetrag in Höhe von 808,63 EUR wurde von der Beklagten zu 2) an die Klägerin zur Auszahlung gebracht. In der Lohn-/Ge-haltsabrechnung "02/12" vom 23. Februar 2012 ist ein Bruttobetrag in Höhe von 855,00 EUR ausgewiesen, von dem 169,08 EUR Lohnsteuer und 2,61 EUR Kirchensteuer in Abzug gebracht sind. In der Lohnabrechnung "03/12" vom 26. März 2012 ist ein Bruttobetrag in Höhe von 1.152,00 EUR ausgewiesen, von dem der mit der Abrechnung "01/12" vom 31. Januar 2012 abgerechnete Bruttobetrag in Höhe von 1.075,50 EUR als "nicht insolvenzgeldfähig" in Abzug gebracht ist, wonach ein Bruttobetrag von 76,50 EUR bzw. ein Nettobetrag von 47,57 EUR verbleibt.
Mit ihrer beim Arbeitsgericht Trier am 14. Mai 2012 eingereichten Klage, die dem Beklagten zu 1) am 19. Mai 2012 und der Beklagten zu 2) am 21. Mai 2012 zugestellt worden ist, hat die Klägerin die Auszahlung der mit der Abrechnung "02/12" vom 23. Februar 2012 in Abzug gebrachten Lohn- und Kirchensteuer in Höhe von insgesamt 171,69 EUR netto und die Auszahlung eines weiteren Nettobetrages in Höhe von 808,63 EUR wegen der in der Abrechnung "03/12" vom 26. März 2012 vorgenommenen Verrechnung mit dem in der Abrechnung "01/12" vom 31. Januar 2012 ausgewiesenen Nettobetrag geltend gemacht.
Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, der mit der Abrechnung "02/12 " vom 23. Februar 2012 vorgenommene Abzug von Lohn- und Kirchensteuer sei unberechtigt, weil bei dem abgerechneten Bruttoentgelt in Höhe von 855,00 EUR nach ihren Steuermerkmalen keine Steuern anfielen. Weiterhin sei die mit der Abrechnung "03/12" vom 26. März 2012 vorgenommene Verrechnung mit dem aufgrund der Abrechnung "01/12" vom 31. Januar 2012 ausgezahlten Bruttobetrag in Höhe von 1.075,50 EUR unzulässig, so dass sie einen Anspruch auf Auszahlung des entsprechenden Nettobetrages in Höhe von 808,63 EUR habe.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, ihr 171,69 EUR netto zu zahlen,die Beklagten zu verurteilen, ihr 808,63 EUR netto zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 20. September 2012 - 3 Ca 667/12 - hat das Arbeitsgericht Trier der Klage gegen den Beklagten zu 1) stattgegeben und sie im Übrigen - d.h. in Bezug auf die Beklagte zu 2) - abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Seiten 4 - 6 = Bl. 96 - 98 d. A.) verwiesen.
Gegen das ihnen am 08. Oktober 2012 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts haben sowohl der Beklagte zu 1) als auch die Beklagte zu 2) mit Schriftsatz vom 7. November 2012, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 10. Januar 2013 mit Schriftsatz vom 10. Januar 2013, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.
Nach dem Beschluss des Amtsgerichts Ulm - Insolvenzgericht - vom 2. November 2012 - 3 IN 26/12 - hat der Beklagte zu 1) die drohende Masseunzulänglichkeit gem. § 208 InsO mit Schreiben vom 30. Oktober 2012 gegenüber dem Insolvenzgericht angezeigt. Mit Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 29. November 2012 (Bl. 119 - 121 d. A.) wurde der Klägerin aufgrund ihres Antrages vom 25. Mai 2012 Insolvenzgeld in Höhe von 980,32 EUR unter Verweis darauf bewilligt, dass der Nachzahlungsbetrag den "Feststellungen des Arbeitsgerichts Trier AZ 3 Ca 667/12 im Urteil vom 20. September 2012" entspreche.
Im Termin vom 18. April 2013 hat die Beklagte zu 2) ihre Berufung zurückgenommen. Die Klägerin hat aufgrund der durch den Beklagten zu 1) angezeigten drohenden Masseunzulänglichkeit die Zurückweisung der Berufung mit der Maßgabe beantragt,
dass sie für die Bundesagentur für Arbeit die Feststellung der Forderungen in Höhe von 171,69 EUR netto und 808,63 EUR netto zur Insolvenztabelle begehrt.
Der Beklagte zu 1) ist der Ansicht, dass die (geänderte) Klage mangels Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle unzulässig sei.
Der Beklagte zu 1) beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 20. September 2012 - 3 Ca 667/12 - abzuändern, soweit es der Klage gegen ihn stattgegeben hat, und die gegen ihn gerichtete Klage ebenfalls abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,