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21.07.2005 · IWW-Abrufnummer 052071

Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 25.01.2005 – 1 K 1489/04

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


SÄCHSISCHES FINANZGERICHT


Im Namen des Volkes


URTEIL


Az: 1 K 1489/04


In dem Finanzrechtsstreit


1. Herr M. G.,
2. , 2. Frau C. B.-G.,
Kläger


Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte G. & Partner,


gegen


Finanzamt, vertreten durch den Vorsteher,
Beklagter


wegen einheitlicher und gesonderter Feststellung 1998 bis 2000


hat der 1. Senat unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht der Richterin am Finanzgericht
des Richters am Finanzgericht und
der ehrenamtlichen Richter und

auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 25. Januar 2005


für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger betreiben seit dem 1. Januar 1995 eine Rechtsanwaltskanzlei in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Vorher hatte der Kläger zu 1 u. a. Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit i. H. von 1.915 DM (1992), - 11.004 DM (1993) und 4.094 DM (1994) erzielt. Die Kläger ermitteln ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG. Ansparabschreibungen wurden wie folgt gebildet: I

1996: 40.000 DM
1997: 60.000 DM
1998: 55.000 DM

Die Kläger lösten im Streitjahr 1998 die im Jahr 1996 gebildete Ansparabschreibung i.H.v. 40.000 DM auf.

Der Beklagte (das Finanzamt) folgte zunächst den Angaben der Kläger und erließ für 1996, 1997 und 1998 entsprechende Feststellungsbescheide. In der Anlage zum Feststellungsbescheid 1997 vom 12. April 1999, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging, heißt es u. a.: "Die Ansparrücklage im Jahr 1997 wurde nach § 7g Abs. 7 EStG gebildet."

Bei einer Betriebsprüfung war der Prüfer der Auffassung, dass der Kläger zu 1 kein Existenzgründer sei und demgemäß die Ansparabschreibungen nach § 7 g Abs. 3-5 EStG aufzulösen seien. Das Finanzamt folgte der Beurteilung des Prüfers und stellte mit Änderungsbescheiden vom 19. Dezember 2003 die Einkünfte für die Streitjahre
1998-2000 wie folgt fest:

1998: 94.165 DM (ursprünglich: 84.687 DM)
1999: 139.006 DM (ursprünglich: 71.506 DM)
2000: 129.443 DM (ursprünglich: 67.482 DM)

Hierbei hatte es die Ansparanschreibung von 1997 (60.000 DM) und 1998 (55.000 DM) in den Veranlagungsjahren 1999 und 2000 aufgelöst und gem. § 7g Abs. 5 EStG einen Gewinnzuschlag von 4.800 DM (1998), 7.200 DM (1999) und 6.600 DM (2000) vorgenommen. I
I
Nach erfolglosem Einspruch (Einspruchsentscheidung vom 18. Mai 2004) haben die Kläger Klage erhoben. Sie sind der Meinung, dass sie Existenzgründer nach § 7g Abs. 7 S. 2 EStG seien. Der Fall, dass in der Vorbereitungsphase der Betriebseröffnung geringfügige Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erzielt worden seien, sei vom Gesetz nicht geregelt. Da das Gesetz die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft nur dann als schädlich ansehe, wenn sie größer als ein Zehntel ist, seien auch geringfügige Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit unschädlich. Zudem seien die Einkünfte im Zeitraum der Betriebseröffnung erzielt worden. Aus der Anlage zum Feststellungsbescheid vom 12. April 1999 ergebe sich, dass die Ansparrücklage im Jahre 1997 nach § 7g Abs. 7 EStG wirksam und bestandskräftig gebildet worden sei. Das Finanzamt habe daher einen Vertrauenstatbestand geschaffen, auf den sie sich hätten verlassen können. Für den Fall, dass die GbR nicht als Existenzgründer zu behandeln sei, entfalle die Möglichkeit, eine Rücklage zu bilden, rückwirkend. Eine Verzinsung nach § 7 Abs. 5 EStG komme daher nicht in Betracht.

Die Kläger beantragen,
die FesteIlungsbescheide vom 19. Dezember 2003 und die Einspruchsentscheidung vom 18. Mai 2004 aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Steuerakten, die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Das Finanzamt hat die 1997 und 1998 gebildeten Rücklagen zu Recht im zweiten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahr gewinnerhöhend aufgelöst und einen Gewinnzuschlag vorgenommen. Das Finanzamt hat hierbei die Regelung des § 7 g Abs. 4 S. 2 EStG, wonach eine Rücklage gewinnerhöhend aufzulösen ist, wenn am Ende des zweiten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres die Rücklage noch vorhanden ist, ebenso zutreffend angewendet wie § 7 Abs. 5 EStG, wonach in diesen Fällen der Gewinn des Wirtschaftsjahres, in dem die Rücklage aufgelöst wird, für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat, um 6 vom Hundert des aufgelösten Rücklagenbetrages zu erhöhen ist.

1. Die Ausnahmevorschrift des § 7 g Abs. 7 EStG greift im Streitfall nicht ein, weil die Gesellschaft keine Existenzgründerin i. S. d. § 7 g Abs. 7 Nr. 2 EStG ist. Eine Mitunternehmerschaft ist hiernach nur dann als Existenzgründer anzusehen, wenn alle Gesellschafter die Voraussetzungen des § 7g Abs. 7 S. 2 Nr. 1 EStG erfüllen. Das ist hier nicht der Fall. Der Kläger zu 1 hat innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Wirtschaftsjahr der Betriebseröffnung Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG erzielt.

Nach dem eindeutigen Wortlaut ist jede noch so geringe Erzielung von Einkünften i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG schädlich. Eine Bagatellgrenze sieht das Gesetz nicht vor. Der noch mögliche Wortsinn lässt eine Auslegung, dass Bagatelleinkünfte unberücksichtigt bleiben, nicht zu. Der Senat brauchte daher auch nicht der Frage nachzugehen, ob der Kläger zu 1 in den Jahren 1992 bis 1994 tatsächlich nur Bagatelleinkünfte erzielt hat.

Die Gesellschaft kann auch nicht in analoger Anwendung des § 7g Abs. 7 S. 2 Nr. 1, 1. Alternative EStG (Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft zu weniger als einem Zehntel) als Existenzgründerin behandelt werden. Es fehlt an einer für einen Analogieschluss erforderlichen planwidrigen Gesetzeslücke. Eine solche Lücke liegt vor, wenn eine Regelung gemessen an ihrem Zweck unvollständig, d. h. ergänzungsbedürftig ist und wenn ihre Ergänzung nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht (BFH-Urteil vom 12. Oktober 1999 - VII R 21/97, BStBl II 2000, 220). Hiervon zu unterscheiden ist der sog. rechtspolitische Fehler, der gegeben ist, wenn sich eine gesetzliche Regelung zwar als rechtspolitisch verbesserungsbedürftig, aber doch nichtgemessen an der dem Gesetz immanenten Teleologie - als planwidrig unvollständig und ergänzungsbedürftig erweist (BFH-Urteil vom 26. Juni 2002 - IV R 39/01, BStBl II 2002, 697 m.w.N.). Ob es sich um eine Regelungslücke oder lediglich um einen sog. rechtspolitischen Fehler handelt, ist unter Heranziehung des Gleichheitsgrundsatzes zu ermitteln, wobei für den danach erforderlichen Vergleich auf die Wertungen des Gesetzes, insbesondere die Entstehungsgeschichte des Gesetzes zurückzugreifen ist (BFH-Urteil vom 26. Juni 2002 - IV R 39/01, BStBI II 2002, 697). Ob im Streitfall eine Gesetzeslücke vorliegt, kann offen bleiben. Jedenfalls wäre die Lücke nicht planwidrig. Der Gesetzgeber hat zur Vermeidung von unerwünschten Gestaltungen und Mitnahmeeffekten den Kreis der Existenzgründer bewusst sehr eng gezogen (BT -Drucks. 13/4839, S. 77; s. auch Roland in Bordewin/Brandt, EStG, § 7g Rn. 89).

Entgegen der Auffassung der Kläger kann die Betriebseröffnung i.S.d. § 7g Abs. 7 EStG nicht als ein mehrere Jahre umfassender und bereits 1992 begonnener Vorgang verstanden werden, so dass der Kläger zu 1 vorher keine Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG gehabt hätte. Das Gesetz stellt sowohl in Satz 1 als auch in Satz 2 des § 7g Abs. 7 EStG auf das Wirtschaftsjahr der Betriebseröffnung ab. Nach Angabe der Klägerin zu 2 in der mündlichen Verhandlung ist die GbR erst 1995 gegründet worden und sind die Kläger erst ab 1995 in GbR tätig geworden.

2. Der Umstand, dass in der Anlage zum Feststellungsbescheid 1997 festgestellt wird, dass die Ansparrücklage im Jahr 1997 nach § 7g Abs. 7 EStG gebildet wurde, steht nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung der späteren Verneinung der Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht entgegen (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1987 - IV R 58/85, BFH/NV 1987, 770). Das Finanzamt hat die Grundlagen der Besteuerung bei jeder Veranlagung selbständig festzustellen und die Rechtslage neu zu beurteilen; eine Bindung an rechtliche Beurteilungen bei früheren Veranlagungen besteht nicht (BFH-Urteil vom 9. Oktober 1985 - I R 149/82, BStBl II.

Umstände, durch die das Finanzamt eine Vertrauenslage für die Kläger geschaffen hätte, so dass es an die in der Anlage zum Feststellungsbescheid 1997 -- der im übrigen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist -- geäußerte Rechtsauffassung gebunden wäre, sind nicht erkennbar.

3. Die Rücklage war nach den in § 7g Abs. 4 - 6 EStG getroffenen Regelungen gewinnerhöhend aufzulösen.

§ 7 g Abs. 7 EStG gestattet dem Gründer kleiner und mittlerer Unternehmen, das Instrument der Ansparabschreibung in erweitertem Umfang zu nutzen. Absatz 7 modifiziert also die in den Absätzen 1 bis 6 vorgesehene Rücklagenbildung. So ersetzt z. B. Absatz 7 Satz 1 Nr. 2 den Höchstbetrag des Absatzes 3 Satz 5 von 300.000 DM "für im Gründungszeitraum gebildete Rücklagen" durch den Betrag von 600.000 DM. Damit ist ein Nebeneinander von Rücklagen nach Absatz 7 und Absatz 3 gesetzessystematisch ausgeschlossen. Der Steuerpflichtige kann sich auch nicht wahlweise für eine Rücklage nach Absatz 3 oder Absatz 7 entscheiden. Jede im Gründungszeitraum gebildete Rücklage fällt zwingend unter Absatz 7, wenn die Voraussetzungen vorliegen (Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 7g Tz. 138; Meyer/Ball, Finanz-Rundschau - FR - 1997, 77, 83), oder unter Absatz 3, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 7 nicht vorliegen.

Bezogen auf den Streitfall bedeutet dies, dass auf die in den Jahren 1997 und 1998 gebildeten Rücklagen die Vorschriften des § 7g Abs. 6, Abs. 4 Satz 2 mit der Folge anzuwenden sind, dass diese Rücklagen am Ende der Streitjahre 1999 und 2000 gewinnerhöhend aufzulösen sind. Außerdem ist nach § 7g Abs. 5 EStG der Gewinn des Wirtschaftsjahres, in dem die Rücklage aufgelöst wird, für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem der Rücklage bestanden hat, um sechs vom Hundert des aufgelösten Rücklagenbetrags zu erhöhen. Entgegen der Auffassung der Kläger führt die Nicht-Anwendbarkeit von § 7g Abs. 7 EStG nicht dazu, dass der Abzug als Betriebsausgabe (§ 7g Abs. 6 EStG) in dem Veranlagungszeitraum, in dem die Ansparrücklage gebildet wurde, rückgängig gemacht wird (ebenso Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 23. Juni 2002 - 3 K 2328/02, EFG 2003, 1560; a. A. Meyer/Ball, FR 1997, 77, 83; Finanzgericht Hamburg, Beschluss vom 4. August 2004 - III 264/04, Haufe-Index 1254716 ).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Der Senat hat die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (vgl. Nr. 3 der Gründe) zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).

RechtsgebietEStGVorschriften§§ 2 Abs. 1 Nr. 1-3, 7 Abs. 5, 7g Abs. 4 S. 2, Abs. 5-7 EStG

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