19.06.2001 · IWW-Abrufnummer 010497
Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 19.10.2000 – 15 K 7678/98 E
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
FINANZGERICHT DÜSSELDORF
Im Namen des Volkes
URTEIL
15 K 7678/98 E
In dem Rechtsstreit
wegen Einkommensteuer 1996
hat der 15. Senat in der Besetzung:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht
Richterin am Finanzgericht
Richter am Finanzgericht
ehrenamtlicher Richter
ehrenamtlicher Richter
auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 19.10.2000 für Recht erkannt:
Tenor:
Unter Änderung des Steuerbescheides vom 13.07.1998, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.09.1998 wird die Einkommensteuer 1996 auf 20.566,00 DM herabgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger erzielte im Streitjahr 1996 Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit gemäß § 19 EStG als Außendienstmitarbeiter im pharmazeutischen Bereich (Pharmavertreter). Er wurde für seinen Arbeitgeber im gesamten Bereich Nordrhein Westfalen eingesetzt. Am Stammsitz des Unternehmens in A-Stadt verfügte der Kläger über keinen eigenen Arbeitsplatz.
Gegen den Einkommensteuerbescheid vom 08.04.1998 legte der Kläger Einspruch ein, mit dem er u. a. beantragt, Kosten für ein 15,4 m² großes Arbeitszimmer i. H. v. 7.798,00 DM und für die Instandsetzung eines 16,8 m² großen Lagerraums i. H. v. 5.218,71 DM als Werbungskosten anzuerkennen.
Der Beklagte entsprach dem Einspruchsbegehren in der Einspruchsentscheidung vom 18.09.2000 nur teilweise, indem er Aufwendungen für das Arbeitszimmer i. H. v. 2.400,00 DM anerkannte.
Mit der hiergegen gerichteten Klage macht der Kläger die gesamten Aufwendungen für das Arbeitszimmer und für die Instandsetzung des Lagerraumes als Werbungskosten geltend.
Der Kläger vertritt die Ansicht, das Arbeitszimmer stelle den Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Betätigung dar, mit der Folge, dass Aufwendungen für das Arbeitszimmer in unbegrenzter Höhe abgezogen werden können. Zur Begründung führt er aus:
Er müsse täglich und deshalb nachhaltig die Kundenbesuche vor- und nachbereiten und koordinieren. Er verabrede in dem Zimmer die Termine, plane die Reiseroute, stelle die Ergebnisse seiner Außendiensttätigkeit zusammen und erstelle die Abrechnungen. Insgesamt stelle die Arbeit im Arbeitszimmer die Basis für seine außerhäusige Tätigkeit dar. Er verbringe ca. drei Stunden täglich im Arbeitszimmer.
Der Kläger beantragt,
Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer i. H. v. 7.798,00 DM sowie Kosten für die Instandsetzung des Lagerraumes i. H. v. 5.218,71 DM als Werbungskosten anzuerkennen; im Falle der Klageabweisung die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, die im Arbeitszimmer aufgeführten Arbeiten prägten nicht die Berufstätigkeit des Klägers. Die Außendiensttätigkeit überwiege und sei für den geschäftlichen Erfolg entscheidend.
Mit Schriftsatz vom 29.04.1999 hat der Beklagte mitgeteilt, dass die Aufwendungen für den Lagerraum i. H. v. 5.218,00 DM als Werbungskosten anerkannt werden können.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist teilweise begründet.
1. Lagerraum
Die Aufwendungen für den Lagerraum stellen Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs.1 EStG dar.
Der Kläger hat glaubhaft gemacht, dass der Raum fast ausschließlich beruflich genutzt wird. Der Beklagte hat der Anerkennung der Aufwendungen als Werbungskosten zugestimmt.
2. Arbeitszimmer
Die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer können gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 6 b Satz 3, 1 Halbsatz i. V. m. § 9 Abs. 5 EStG nur in Höhe von 2.400.00 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit anerkannt werden. Ein uneingeschränkter Abzug nach dem 2. Halbsatz der vorgenannten Vorschrift scheidet aus, da das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung bildet.
Das Gesetz regelt nicht, unter welchen näheren Umständen ein Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung bildet. Nach ganz überwiegender Meinung des Schrifttums (vgl. Nachweise bei Sohn in Kirchhof/Sohn EStG § 4 RdNr. Lb 187), der sich der Senat anschließt, beinhaltet der Begriff sowohl quantitative als auch qualitative Elemente.
Es ist entscheidend darauf abzustellen, wo der Steuerpflichtige nach allgemeiner Verkehrsauffassung (Gesamtbild der Verhältnisse) die für seinen beruflichen Erfolg wesentliche Leistung erbringt (Blümich/Wacker EStG § 4 RdNr. 485, Schmidt/Drenseck, EStG 19. Auflage § 19 RdNr. 60) und ob die für die berufliche Tätigkeit typische Tätigkeit (nur) im Arbeitszimmer ausgeübt werden kann.
Bei einem Handelsvertreter oder Kundendiensttechniker ist nach einhelliger finanzgerichtlicher Rechtsprechung das Arbeitszimmer hiernach regelmäßig nicht der Mittelpunkt der beruflichen Betätigung (vgl. FG München, Urteil vom 17.6.1998, EFG 1998, 1315, FG Baden Württemberg, Urteile vom 26.1.1999 und 4.5.1999, EFG 1999, 329 und 762; FG Köln, Urteile vom 11 10 1998 und 26.6.2000, EFG 1999, 223 und EFG 2000, 1054).
Der Kläger ist als Pharmavertreter einem Handelsvertreter vergleichbar. Die Kerntätigkeit des Klägers liegt im Außendienst. Sie besteht in der Beratung der Apotheker und der Ärzte in den Kliniken sowie in dem Verkauf der pharmazeutischen Präparate Die damit in Zusammenhang stehende Erledigung von Schreibarbeiten. Rechnungsstellung wie auch die Vor- bzw. Nachbereitung der Termine hat bloße Hilfsfunktion. Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers bleibt in der Beratung vor Ort, d. h. außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers, sodass die Aufwendungen für das Arbeitszimmer nur beschränkt abzugsfähig sind.
Der Auffassung des Klägers, der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit sei mit der regelmäßigen Stätte der Berufsausübung im Sinne der Rechtsprechung zu Dienst-/Geschäftsreisen bzw. dem Mittelpunkt der dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit im Sinne von § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 2 EStG (vgl. Schmidt/Heinicke § 4 RdNr. 594 und 597) gleichzusetzen, vermag der Senat nicht zu folgen. Der Begriff der Betriebsstätte ist zur Auslegung der streitigen Vorschrift nicht geeignet. Der Senat schließt sich insoweit den Ausführungen in den Entscheidungen des Finanzgerichts Köln in EFG 1999, 223 und in EFG 2000, 1054 an.
Die Steuer berechnet sich danach wie folgt:
Gesamtbetrag der Einkünfte bisher 126.419,00 DM
./. weitere Werbungskosten 5.219,00 DM
Summe 121.200,00 DM
./. Sonderausgaben wie bisher 22.986,00
DM zu versteuern nach der Splittingtabelle 98.214,00 DM
ESt hierauf 21.566,00 DM
./. kindbedingte Ermäßigung nach § 34 F EStG 1.000,00 DM
ESt neu 20.566,00 DM.
Im Hinblick auf die bislang höchstrichterlich nicht geklärte Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung" läßt der Senat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 und 137 Satz 1 FGO.
Soweit der Kläger obsiegt hat, hat er die Unterlagen, die zur Anerkennung der Aufwendungen für den Lagerraum angefallen sind, erst im Laufe des Klageverfahrens eingereicht.