06.03.2007 · IWW-Abrufnummer 070763
Bundesgerichtshof: Urteil vom 23.01.2007 – VI ZR 18/06
Die Frage, ob ein vom Geschädigten beanspruchter Unfallersatztarif aufgrund unfallspezifischer Kostenfaktoren im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlich ist, kann dann offen bleiben, wenn feststeht, dass dem Geschädigten jedenfalls die kostengünstigere Anmietung eines entsprechenden Fahrzeugs zugemutet werden konnte, weil ihm in der konkreten Situation ein Normaltarif, der in vollem Umfang seinen Bedürfnissen entsprach, ohne weiteres zugänglich war.
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 18/06
Verkündet am:
23. Januar 2007
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 15. November 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Zoll
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 29. November 2005 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin macht gegen den beklagten Kraftfahrzeughalter Ansprüche auf Ersatz restlicher Mietwagenkosten aus einem Verkehrsunfall vom 4. Januar 2002 geltend, bei dem der Pkw der Klägerin Opel Movano beschädigt wurde. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte für den entstandenen Schaden in vollem Umfang eintrittspflichtig ist. Streitig ist lediglich, in welcher Höhe Mietwagenkosten zu erstatten sind.
Das beschädigte Fahrzeug der Klägerin wurde bei der Firma Autohaus E. GmbH, zu der die Klägerin geschäftliche Beziehungen unterhält, repariert. Der Haftpflichtversicherer der Beklagten erstattete diese Kosten in vollem Umfang. Während der Reparaturzeit mietete die Klägerin bei der Firma E. GmbH zunächst einen Opel Movano für 10 Tage und sodann einen Opel Arena für weitere 8 Tage zu dem dort angebotenen Unfallersatztarif an. Die Firma E. GmbH bot auch Fahrzeuge zum günstigeren Normaltarif für Selbstzahler an.
Die Mietwagenkosten für die Zeit der Reparatur vom 5. bis einschließlich 21. März 2002 beliefen sich auf insgesamt 3.428,41 ¤. Der Haftpflichtversicherer der Beklagten erstattete vorprozessual insoweit einen Betrag von lediglich 897,24 ¤. Dem lag der Normaltarif nach der Preisliste Opel-Rent zugrunde, und zwar für den Opel Movano eine Wochenpauschale von 328,45 ¤ sowie drei Tagespauschalen von je 66,38 ¤ sowie eine Wochenpauschale für den Opel Arena von 307,76 ¤ und eine Tagespauschale in Höhe von 62,07 ¤ (jeweils netto). Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Erstattung des Differenzbetrages.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klägerin auf ihre Berufung einen Betrag von 1.212,94 ¤ zugesprochen und die weiter gehende Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann die Klägerin nur Erstattung der Kosten für die Anmietung des Ersatzfahrzeuges für eine Dauer von 18 Tagen nach dem Normaltarif der Firma E. GmbH verlangen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe schon nicht hinreichend konkret dargelegt, dass der von ihr in Anspruch genommene Unfallersatztarif der Firma E. GmbH erforderlich zur Wiederherstellung gewesen sei. Ausgehend von der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Unfallersatztarif sei Anknüpfungspunkt für die Prüfung der Normaltarif, also ein Tarif, der für Selbstzahler Anwendung finde und daher unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten gebildet werde. Eine Erhöhung des sich bei Anknüpfung an einen Normaltarif ergebenden Betrags sei nur gerechtfertigt, soweit dies unfallbedingt sei. Dies sei gemäß § 287 ZPO auf Grundlage des Vortrags des Geschädigten nach Beratung durch einen Sachverständigen zu schätzen. Insoweit sei keine Beweiserhebung veranlasst, da der Vortrag der Klägerin nicht hinreichend substantiiert sei. Maßgeblich sei allein die spezifische Kalkulation des von dem Geschädigten im Einzelfall in Anspruch genommenen Unfallersatztarifs, weswegen es eines substantiierten Parteivortrags zu der der Preisbildung zugrunde liegenden Kalkulation des betroffenen Mietwagenunternehmens bedürfe. Trotz eines ausdrücklichen gerichtlichen Hinweises habe die Klägerin keine umfassende konkrete Preiskalkulation der Firma E. GmbH hinsichtlich des Unfallersatztarifs vorgelegt.
Zur Frage, ob ihr kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich gewesen sei, habe die Klägerin nur vorgetragen, nicht nach weiteren Tarifen gefragt zu haben. Sie habe keine Umstände dargelegt, aus denen sich ergebe, dass ihr eine Nachfrage jedenfalls bei der Firma E. GmbH selbst nicht zumutbar gewesen wäre. Dies liege nach den konkreten Umständen auch nicht auf der Hand. Denn die Klägerin, ein Unternehmen, habe das beschädigte Fahrzeug erst zwei Monate nach dem Unfall reparieren lassen. Nach ihrem eigenen Vortrag habe sie schon zuvor geschäftliche Kontakte zur Firma E. GmbH gehabt, bei der sie einige ihrer Firmenfahrzeuge erworben habe, die sie auch dort habe reparieren lassen. Gerade in dieser Situation habe es nahe gelegen und sei zumutbar gewesen, sich vorab nach den verfügbaren Tarifen zu erkundigen.
Die von der Firma E. GmbH angebotenen Normaltarife, ausgehend von einer Tagesmiete, stellten den objektiv erforderlichen Herstellungsaufwand dar. Es sei der Klägerin insbesondere aufgrund der bestehenden geschäftlichen Kontakte zur Firma E. GmbH nicht zuzumuten gewesen, das Ersatzfahrzeug bei einem anderen Unternehmen anzumieten.
II.
Die Revision ist unbegründet.
1. Rechtlich unzutreffend ist - wie die Revision mit Recht geltend macht - allerdings die Auffassung des Berufungsgerichts, die Frage, ob der höhere Preis nach dem Unfallersatztarif aus betriebswirtschaftlicher Sicht gerechtfertigt sei, lasse sich nur dann beantworten, wenn der konkret gewählte Tarif des Vermieters daraufhin untersucht werde, ob in ihn typische unfallspezifische Leistungen einflössen, welche die Erhöhungen gegenüber dem Normaltarif rechtfertigten. Der erkennende Senat hat inzwischen entschieden, es sei nicht erforderlich, die Kalkulation des konkreten Vermieters nachzuvollziehen, vielmehr habe sich die Prüfung darauf zu beschränken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein den Mehrpreis rechtfertigten (vgl. Senatsurteile vom 25. Oktober 2005 - VI ZR 9/05 - VersR 2006, 133; vom 14. Februar 2006 - VI ZR 32/05 - VersR 2006, 564; vom 14. Februar 2006 - VI ZR 126/05 - VersR 2006, 669 und vom 4. April 2006 - VI ZR 338/04 - VersR 2006, 853).
Danach überspannt das Berufungsgericht die Anforderungen an die Darlegung der Klägerin, indem es konkrete Angaben zur Kalkulation des Unfallersatztarifs durch die E. GmbH fordert. Dies stellt auch die Revisionserwiderung nicht in Abrede. Soweit sie meint, der Vortrag der Klägerin sei insoweit gleichwohl als unzureichend anzusehen, kann dem nach dem jetzigen Verfahrensstand nicht gefolgt werden. Die Revision verweist im Einzelnen darauf, dass die Klägerin unter Beweisantritt zu den Gründen vorgetragen habe, die nach ihrer Meinung den Aufschlag auf den Normaltarif rechtfertigen. Dies ist im Ansatz auch dem angefochtenen Urteil zu entnehmen. Das Berufungsgericht hat diesen Vortrag deshalb für unzureichend gehalten, weil konkrete Darlegungen zur Kalkulation der E. GmbH fehlten. Dazu, ob der Vortrag der Klägerin auch aus anderen Gründen als unzureichend erscheint, fehlen - insbesondere für eine eigene Würdigung durch den erkennenden Senat - ausreichende Anhaltspunkte. Ob, wie die Revisionserwiderung geltend macht, die aufgeführten Faktoren keinen über dem Normaltarif liegenden Unfallersatztarif rechtfertigen, ist beim gegenwärtigen Verfahrensstand keine Rechtsfrage, sondern eine Tatfrage.
2. Dieser Frage musste das Berufungsgericht allerdings unter den Umständen des vorliegenden Falls nicht weiter nachgehen. Die Frage, ob ein vom Geschädigten beanspruchter Unfallersatztarif aufgrund unfallspezifischer Kostenfaktoren erforderlich ist im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, kann dann offen bleiben, wenn feststeht, dass dem Geschädigten jedenfalls ein günstigerer "Normaltarif" bekannt und in der konkreten Situation ohne weiteres zugänglich war, so dass ihm die kostengünstigere Anmietung eines entsprechenden Fahrzeugs unter dem Blickwinkel der ihm gemäß § 254 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht zugemutet werden konnte (vgl. Senatsurteile vom 14. Februar 2006 - VI ZR 32/05 - VersR 2006, 564, 565 und vom 4. Juli 2006 - VI ZR 237/05 - VersR 2006, 1425, 1426).
Davon ist hier auszugehen. Das Berufungsgericht führt unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats aus, die Klägerin habe den "Unfallersatztarif" nur dann wählen dürfen, wenn ihr unter Berücksichtigung ihrer individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für sie bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in ihrer Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich gewesen sei (vgl. dazu Senatsurteile vom 14. Februar 2006 - VI ZR 32/05 - aaO und vom 4. Juli 2006 - VI ZR 237/05 - aaO, S. 1426, jeweils m.w.N.). Die Klägerin habe hierzu lediglich vorgetragen, nicht nach weiteren Tarifen gefragt zu haben. Sie habe hier keine Umstände dargelegt, aus denen sich ergebe, dass ihr eine Nachfrage jedenfalls bei der Firma E. GmbH selbst nicht zumutbar gewesen wäre. Dies liege nach den konkreten Umständen auch nicht auf der Hand. Denn die Klägerin, ein Unternehmen, habe das beschädigte Fahrzeug erst zwei Monate nach dem Unfall reparieren lassen. Nach ihrem eigenen Vortrag habe sie schon zuvor geschäftliche Kontakte zur Firma E. GmbH gehabt, bei der sie einige ihrer Firmenfahrzeuge erworben habe und die sie auch dort habe reparieren lassen. Gerade in dieser Situation habe es nahe gelegen und sei zumutbar gewesen, sich vorab nach den verfügbaren Tarifen zu erkundigen.
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts greift die Revision nicht an. Insoweit sind auch Rechtsfehler nicht zu erkennen. Unter diesen Umständen steht aber fest, dass der Klägerin die kostengünstigere Anmietung eines Fahrzeugs möglich war und auch zugemutet werden konnte, weil der Normaltarif in vollem Umfang ihren Bedürfnissen entsprach. Auf die oben unter 1. erörterte Frage kommt es danach nicht mehr an.
Die Revision muss deshalb mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen werden.