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10.10.2014 · IWW-Abrufnummer 142947

Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 21.03.2014 – 3 UF 7/14

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Gründe:
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A.
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Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde bereits im ersten Rechtszug vorgenommen. Von einer erneuten Vornahme sind keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten, § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG.
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B.
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Die zulässige Beschwerde hat vorläufig Erfolg.
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I. Das Amtsgericht - Familiengericht – Gelsenkirchen hat durch den angefochtenen Beschluss zu Ziffer 4. den Antragsgegner zunächst zu Recht aufgrund seines ausdrücklich erklärten Anerkenntnisses vom 25.02.2013 für die Zeit ab Juli 2013 zur Zahlung von 206,00 Euro Kindesunterhalt an den Antragsteller verpflichtet.
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II. Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde hat der Antragsgegner jedoch sein Anerkenntnis zwar nicht ausdrücklich, aber jedenfalls unter Hinweis auf eine fehlende Bindung an die diesbezügliche Erklärung, konkludent widerrufen.
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Grundsätzlich kann zwar ein prozessuales Anerkenntnis weder angefochten noch widerrufen werden; um aber zu verhindern, dass bei Dauerschuldverhältnissen eine der zwischenzeitlich veränderten materiellen Rechtslage widersprechende Entscheidung ergeht, ist in solchen Fällen ein Widerruf des Anerkenntnisses zuzulassen, wenn die Voraussetzungen einer Abänderungsklage vorliegen (vgl. BGH, FamRZ 2002, 88; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Auflage, vor §§ 306, 307, Rn. 6). Ein Abänderungsgrund i.S.d. § 238 Abs. 1 FamFG ist vorliegend gegeben, da sich durch die - nach dem Anerkenntnis vom 25.02.2013 erfolgte – Geburt des zweiten Kindes des Antragsgegners am 24.07.2013 die der Unterhaltsberechnung zugrundeliegenden tatsächlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben.
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Auch konnte der Antragsgegner sein Anerkenntnis eingeschränkt für die Zeit ab Juli 2013 mit der Beschwerde widerrufen. Insofern ist auch der eingeschränkte Widerruf eines prozessualen Anerkenntnisses über laufenden Unterhalt mit dem bloßen Ziel der Anpassung im Sinne des §§ 323 ZPO, 238 FamFG zulässig und kann auch in der Rechtsmittelinstanz geltend gemacht werden (OLG Koblenz, Urteil vom 03. November 1997 – 13 UF 340/97 –, juris).
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Der Antragsgegner ist mit dem Widerruf seines Anerkenntnisses auch nicht präkludiert. Dem Antragsgegner wäre es zwar grundsätzlich möglich gewesen, nach der Geburt seines zweiten Kindes, noch vor dem 31.10.2013 - der nach Einleitung des schriftlichen Verfahrens und Bestimmung durch das erstinstanzliche Gericht als Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, dem Schluss der mündlichen Verhandlung mit Präklusionswirkung entspricht (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., § 128, Rn. 14) - sein Anerkenntnis zu widerrufen. Soweit jedoch in der zuletzt zitierten Entscheidung des OLG Koblenz die Möglichkeit des Widerrufs in zeitlicher Hinsicht dahingehend eingegrenzt worden ist, dass eine Geltendmachung in der Rechtsmittelinstanz nur dann noch zulässig ist, wenn die Partei die Änderung maßgeblicher Umstände nicht bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz geltend machen konnte, findet dies aufgrund des nunmehr in Familienstreitsachen geltenden § 115 FamFG keine uneingeschränkte Anwendung mehr. Grundsätzlich ist das Beschwerdeverfahren nach dem FamFG als volle zweite Tatsacheninstanz konzipiert, weil gemäß § 65 Abs. 3 FamFG die Beschwerde auf neue Tatsachen und Beweismittel gestützt werden kann und § 117 Abs. 2 FamFG eine Bezugnahme auf die Präklusionsvorschriften des Berufungsrechts der ZPO nicht enthält (vgl. Keidel/Weber, FamFG, 18. Aufl., § 115, Rn. 2; OLG Celle, Beschluss vom 20. April 2011 – 15 UF 251/10 –, juris, od. NJW-RR 2011, 1162-1164). Eine Zurückweisung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln wegen Verspätung ist daher nur unter den Voraussetzungen des § 115 FamFG, der auch im Beschwerdeverfahren Anwendung findet, zulässig (vgl. OLG Celle, a.a.O.)
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Gemäß § 115 S. 1 FamFG können in Ehesachen und Familienstreitsachen Angriffs- und Verteidigungsmittel, die nicht rechtzeitig vorgebracht werden, zurückgewiesen werden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Verfahrens verzögern würde und die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht. Grobe Nachlässigkeit erfordert dabei mehr als leichte Fahrlässigkeit, nämlich eine besondere Sorglosigkeit (vgl. Keidel/Weber a.a.O., Rn. 7). Dem anwaltlich vertretenen Antragsgegner musste angesichts seines ausdrücklich erklärten Anerkenntnisses auch bewusst sein, dass der bloße Vortrag geänderter tatsächlicher Verhältnisse durch Vorlage der Geburtsurkunde die prozessuale Wirkung vorheriger Erklärungen nicht entfallen lässt. Allerdings wäre hier zu Gunsten des Antragsgegners zu berücksichtigen, dass ein Widerruf jedenfalls nicht in bloßer Erwartung der Geburt des weiteren Kindes sondern erst danach wirksam erklärt werden konnte, da eine auch sichere Prognose künftiger Änderungen nicht ausreichend ist (vgl. BGH, NJW 1981, 2193, 2195, juris) und die Geburt erst nach der mündlichen Anhörung am 13.06.2013 – wenn auch vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung im obigen Sinne lag.
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Letztendlich bedarf es hier aber keiner Entscheidung, ob der erst in der Beschwerdeinstanz erfolgte Widerruf auf grober Nachlässigkeit beruht, denn eine Verzögerung des Verfahrens ist vorliegend nicht zu erwarten. Die Geburt des weiteren Kindes des Antragsgegners ist unstreitig und eine Beweisaufnahme hierzu wird nicht erforderlich sein.
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C.
14

Auch wenn die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts zu Recht aufgrund des Anerkenntnisses getroffen wurde, hält es der Senat für sachgerecht, die nun erforderlich gewordene Prüfung des laufenden Unterhaltsanspruches ab Juli 2013 nicht selbst vorzunehmen, sondern die Sache an das Familiengericht zurückzuverweisen, da der Beschwerdeführer ansonsten eine Tatsacheninstanz verlieren würde (vgl. Keidel/Sternal a.a.O., § 69 Rn. 14). Nach § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG kann eine solche Aufhebung und Zurückverweisung vorgenommen werden, wenn das Gericht des ersten Rechtszuges in der Sache noch nicht entschieden hat. Gemeint sind hier zwar in erster Linie die Fälle, in denen das Erstgericht einen gestellten Antrag für unzulässig hält oder die eigene Zuständigkeit verneint (vgl. Keidel/Sternal, a.a.O.), jedoch ist auch der vorliegende Sachverhalt nicht anders zu beurteilen, denn nach der in 1. Instanz gegebenen Situation war das Familiengericht grundsätzlich an das Anerkenntnis gebunden und an einer inhaltlichen Prüfung des Anspruchs jedenfalls im Umfang des Anerkenntnisses gehindert (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 307, Rn. 4; für den Fall einer widerrufenen Zustimmung gemäß § 1671 Abs. 2, Nr. 1 BGB: OLG Zweibrücken, FamRZ 2011, 992). Ein Zurückverweisungsantrag eines Beteiligten ist in einem solchen Fall nach dem eindeutigen Wortlaut des § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG nicht erforderlich (vgl. Keidel/Sternal, a.a.O).
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D.
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Der Senat hält es für geboten, dem Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, §§ 81, 84, 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 97 Abs. 2 ZPO, denn die Zurückverweisung beruht ausschließlich auf neuem Vorbringen in der Rechtsmittelinstanz. Dem steht nicht entgegen, dass in der Regel die Beschwerdeentscheidung, mit der die Entscheidung der ersten Instanz aufgehoben und die Sache zurückverwiesen wird, keine Kostenentscheidung enthält; etwas anderes hat nämlich zu gelten, wenn die Kostenfrage von der noch zu treffenden Entscheidung über die Hauptsache unabhängig ist, dies gilt vor allem in Fällen, bei denen die Zurückverweisung auf neuem Vorbringen in der Rechtsmittelinstanz beruht (vgl. OLG Hamburg, OLGR 2006, 384-385, juris; Keidel/Sternal, a.a.O, § 69, Rn. 39a).
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Soweit der Antragsgegner nämlich seine Beschwerde zudem auf seine Kreditverbindlichkeiten bei der Oberjustizkasse und dem D stützt, hat das Amtsgericht -ganz unabhängig davon, dass ausweislich der vorgelegten Belege die Zahlung an die Oberjustizkasse im Mai 2013 beendet war und die Zahlung an das D im Dezember 2012- zu Recht eine Berücksichtigung abgelehnt .

Rechtsgebiet§ 323 ZPOVorschriftenWiderruf, Anerkenntnis

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