30.09.2014 · IWW-Abrufnummer 142865
Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 30.06.2014 – 12 K 682/14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
12 K 682/14
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob Ruhegehaltszahlungen aus einer früheren Tätigkeit des Klägers als Mitarbeiter beim Europäischen Raumfahrtkontrollzentrum (im Folgenden ESOC - European Space Operations Centre -), eines der Operationszentren der Europäischen Weltraumorganisation (im Folgenden ESA - European Space Agency -), Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) - sogenanntes Ruhegeld - darstellen oder zu den sonstigen Einkünften gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG - sogenannte Leibrente - zählen.
Der Kläger ist alleinstehend und wurde deshalb im Streitjahr einzeln veranlagt. In seiner Steuererklärung erklärte er ausschließlich Pensionszahlungen in Höhe von 103.795 DM als sonstige Einkünfte. Dieser Betrag setzt sich aus Leistungen (Benefits) für 1997 in Höhe von 1.295,41 DM und für 1998 in Höhe von 94.838,16 DM sowie einer Steuerausgleichszahlung (Tax adjustment) für 1998 in Höhe von 7.662 DM zusammen. Hintergrund dieser Pensionszahlung ist, dass der Kläger als Mitarbeiter bei der ESOC beschäftigt war. Nach Erreichen der Altersgrenze trat er in Ruhestand und bezog eine Pension als ehemaliger Bediensteter.
Grundlage der Pensionszahlung durch die ESA ist, dass die ESOC – als Angehörige der Koordinierten Organisationen - zum 1. Juli 1974 eine Pensionsregelung für neueintretende Bedienstete eingeführt hatte, nach der Ruhegelder aus dem laufenden Haushalt der Organisation gezahlt wurden. Für Bedienstete, die – wie der Kläger – vor diesem Stichtag bei der Organisation tätig waren, wurde eine Übergangsregelung getroffen, die diesen ermöglichte, für die neue Pensionsregelung zu optieren. Dies setzte voraus, dass sie ihr Guthaben beim Versorgungsfonds der ESA abtraten. Der Kläger entschied sich mit schriftlicher Erklärung für eine Pension und zahlte aus seinem Guthaben beim Versorgungsfonds an die koordinierte Organisation den Betrag von 118.040,91 DM (Einkommensteuerakte Blatt 52).
Im Rahmen seiner Steuererklärung vertrat der Kläger die Auffassung, dass die Pensionszahlungen keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit seien; denn beruhten die Bezüge ganz oder teilweise auf früheren Beitragsleistungen des Bezugsberechtigten, gehörten sie gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 Lohnsteuerdurchführungsverordnung (LStDV) nicht zum Arbeitslohn. In diesem Fall stellten die Leistungen nicht Entgelt für die frühere Dienstleistung dar, sondern hätten ihren Rechtsgrund in den früheren Beitragsleistungen des Bezugsberechtigten. Vorliegend sei in den Pensionsregelungen festgehalten, dass die ESOC-Bediensteten eigene, „echte“ Beiträge zu ihrer Altersvorsorge leisteten.
Die Finanzierung der Altersvorsorge sei entscheidend für die Zuordnung der späteren Altersbezüge zur entsprechenden Einkunftsart. Bei der ESOC erfolge die Finanzierung der Ruhegehaltszahlungen durch die Arbeitnehmer und die Organisation. Während ihres aktiven Dienstes erbrächten die Bediensteten der ESOC regelmäßig eigene Beiträge zum Versorgungssystem der Organisation. Diese Beiträge entsprächen in der Regel einem Drittel der zur Finanzierung erforderlichen Gesamtkosten. Die anderen zwei Drittel würden von der Organisation selbst erbracht. Gemäß Art. 41 Nr. 1 der Pensionsregelung (ESA Pension Scheme Rules) würden grundsätzlich 7 v.H. des dem Bediensteten zustehenden Grundgehalts als Beitrag einbehalten.
Art. 41
Staff members´ contribution –
Costing the scheme
Art. 41
Mitarbeiterbeitrag –
Kosten der Regelung
Abs. 1
The staff members´ contribution to this Pension Scheme shall be 7 per cent of their salary and shall be deducted monthly.
Abs. 1
Der Mitarbeiterbeitrag zu dieser Versorgungsordnung wird 7 Prozent ihres Gehalts sein und wird monatlich abgezogen.
Abs. 2
Contributions properly deducted shall not be recoverable.
Abs. 2
Ordnungsgemäß einbehaltene Beiträge werden nicht wiederhergestellt.
(Anm.: Übersetzung durch das Gericht)
Nach Auffassung des Klägers würden die ESA-Bediensteten damit eigene Beiträge zu ihrer Altersvorsorge leisten, was auch die bisher zu dieser Thematik ergangene Rechtsprechung unterstütze. Es spräche nichts dafür, dass die Leistung der Beiträge durch eine Gehaltskürzung erfolgt sei. Es sei weder eine arbeitsvertragliche Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Kläger darüber getroffen worden, dass der dem Kläger zu zahlende Arbeitslohn zugunsten später auszuzahlender Versorgungsbeträge herabgesetzt werde, noch sei Platz für die Annahme, dass die Beiträge nicht aus dem eigenen Vermögen des Klägers gezahlt worden seien. Das ergebe sich daraus, dass die Beiträge Teil des dem Kläger zustehenden Lohnanspruchs seien, sodass eine wirtschaftliche Verfügung darüber gegeben sei. Die Einbehaltung der Beiträge vom Gehalt stelle keine Gehaltskürzung dar, sondern lediglich eine unschädliche Verrechnung.
Das Beitragssystem der ESOC sei mit dem der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar, bei dem das Vorliegen „echter Beiträge“ außer Frage stehe.
Dabei wäre für die Besteuerung der Alterseinkünfte unerheblich, ob die Leistungen aus dem laufenden Haushalt der Organisation, einem Pensionsfonds oder einem andern Alterssicherungssystem gezahlt würden. Ausschlaggebend für die Zuordnung zur Einkunftsart sei einzig und allein die Tatsache, dass der Bedienstete durch eigene Beiträge zu seiner Altersversorgung beigetragen habe.
Der Beklagte folgte der rechtlichen Einordnung des Klägers nicht und ordnete die Pensionszahlungen im Einkommensteuerbescheid vom 12. Juli 1999 den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu.
Gegen den Steuerbescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 14. Juli 1999 Einspruch ein, mit dem er den Ansatz der Ruhegehaltszahlungen bei den sonstigen Einkünften begehrt. Zur Begründung verwies er auf seine Ausführungen in der Steuererklärung.
Im weiteren Verlauf des Verwaltungsverfahrens änderte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid 1998 dahingehend, dass die Pensionszahlungen aufgeteilt wurden und sowohl nach § 19 EStG als auch nach § 22 EStG der Besteuerung unterzogen wurden. Zunächst wurden mit Änderungsbescheid vom 14. Dezember 1999 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 95.979 DM und sonstige Einkünfte in Höhe von 7.816 DM (Ertragsanteil 2.110 DM) angesetzt. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 28. Januar 2000 wurden sodann auf Einwand des Klägers Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 66.027 DM und sonstige Einkünfte in Höhe von 35.767 DM (Ertragsanteil 9.657 DM) angesetzt.
Im Übrigen lehnte der Beklagte den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 29. Juni 2000 als unbegründet ab. Der Beklagte führte aus, dass die Versorgungsbezüge insoweit wiederkehrende Bezüge im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3a EStG seien, als sie Ertrag eines durch die Einmalzahlung von 118.040,01 DM hingegebenen, auf die Lebenszeit des Bezugsberechtigten verrenteten Kapitals seien. Im Übrigen seien die als Ruhegelder nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG steuerbar.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger nunmehr mit seiner Klage.
Er ist der Ansicht, dass die ESA-Altersbezüge den sonstigen Einkünfte im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3a EStG zuzuordnen seien. Die Zuordnung erfolge in Abhängigkeit des Rechtsgrunds, auf dem die Einkünfte beruhten. Vorliegend habe er während seiner gesamten aktiven Tätigkeit eigene Beiträge zur Altersversorgung geleistet, sodass vorliegend von einer Leibrente auszugehen sei.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) käme es entscheidend darauf an, ob der Steuerpflichtige (auch) eigenes Vermögen zur Erlangung seiner Altersversorgung einsetze. Der Kläger ist der Ansicht, dass für ihn eine wirtschaftliche Verfügungsmacht über seine Beiträge zur Altersversorgung gegeben gewesen sei. Dass werde dadurch deutlich, dass er einen Anspruch auf Rückzahlung der angesammelten Beträge habe, falls er den Pensionsanspruch nicht erwirbt (Art. 11 Pension Scheme Rules).
Art. 11
Leaving allowance
Art. 11
Abfindung
A staff member whose service terminates otherwise than by reason of death or invalidity and who is not entitled to a retirement pension nor to the benefit of the provisions of Article 12.2, shall be entitled on leaving to a payment of:
i) the aggregate amount deducted from his salary in respect of his pension contribution, together with compound interest at the rate of 4 per cent per annum;
Ein Mitglied, dessen Dienst auf eine andere Weise als durch Tod oder Invalidität endet und das nicht zu einer Altersrente oder zu Leistungen aus den Bestimmungen des Artikels 12.2 berechtigt ist, wird beim Verlassen eine Zahlung in folgender Höhe erhalten:
i) der Gesamtbetrag der in Bezug auf seinen Pensionsbeitrag von seinem Gehalt abgezogen wurde, zusammen mit Zinsen und Zinseszinsen in Höhe von 4 Prozent pro Jahr;
(Anm.: Übersetzung durch das Gericht)
Der Bezugsrahmen der BFH-Entscheidung betreffend Ruhegehaltszahlungen an ehemalige NATO-Bedienstete vom 22. November 2006 X R 29/05 (Bundessteuerblatt – BStBl – II 2007, 402) sei nicht auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar. Vorliegend handele es sich um die Rechtsbeziehung eines Arbeitnehmers zu einer internationalen Organisation, die ihrerseits durch völkerrechtlichen Vertrag zu einem Träger völkerrechtlicher Rechte und Pflichten geworden sei. Der Arbeitgeber trete dem Kläger nicht auf der Grundlage privatrechtlicher Vereinbarungen gegenüber, sondern handle durch hoheitlichen Rechtsakt.
Eine Vergleichbarkeit mit beamtenrechtlichen Vorschriften sei nicht gegeben, da Beamte aufgrund des Alimentationsprinzips ohne eigene Beitragsleistung eine amtsangemessene Altersversorgung erhielten, dessen Höhe sich nach dem erreichten Dienstgrad und nicht nach ggf. fiktiven Beitragszahlungen richte.
Eine Vergleichbarkeit sei eher mit Angestellten der Deutschen Rentenversicherung zu sehen, die in ihrer Funktion als Arbeitgeber verpflichtet sei, für ihre Angestellten Beiträge in die Rentenversicherung zu leisten. In diesem Beispielsfall erfülle die Deutsche Rentenversicherung die Arbeitgeberfunktion und sei zugleich Trägerschaft der Versorgungsleistung. Auch die Finanzierung der künftigen Rentenansprüche erfolge in Analogie zu dem Versorgungssystem der ESA. Die Beiträge würden nicht in Form von Fonds angespart, sondern würden zeitgleich an aktuelle Versorgungsempfänger weitergereicht.
Die Vergleichbarkeit des Sachverhalts mit solchen von Bediensteten der NATO oder OECD scheitere daran, dass die eigenen Beiträge der ESA-Bediensteten zur Altersvorsorge aus versteuerten Bezügen stammten. Grundsätzlich seien die aktiven Bezüge der Bediensteten von koordinierten Organisationen von der nationalen Steuer befreit; allerdings unterlägen die Gehälter der ESA-Bediensteten einer internen progressiven Steuer; auch der Rentenbeitrag unterläge dieser internen Steuer. Grundlage sei das Gesetz zu dem Übereinkommen vom 30. Mai 1975 zur Gründung einer Europäischen Weltraumorganisation (EWO) vom 23. November 1976. Dort heiße es in der Anlage I Vorrechte und Immunitäten unter Art. XVIII Abs. 1 und 2 (Bundesgesetzblatt - BGBl - II 1976, 1861):
„Abs. 1: Nach Maßgabe der vom Rat festgelegten Bedingungen und Verfahrensregeln sind der Generaldirektor und die Mitglieder des Personals der Organisation für die von dieser gezahlten Gehälter und sonstigen Bezüge steuerpflichtig zugunsten der Organisation. Diese Gehälter und sonstigen Bezüge sind von der staatlichen Einkommensteuer befreit; die Mitgliedstaaten behalten jedoch das Recht, diese Gehälter und sonstigen Bezüge bei der Festsetzung des auf Einkommen aus anderen Quellen zu erhebenden Steuerbetrags zu berücksichtigen.
Abs. 2: Abs. 1 findet keine Anwendung auf Renten und Ruhegehälter, die von der Organisation an ehemalige Generaldirektoren und Mitglieder des Personals gezahlt werden.“
Diese Regelung diene der Gleichbehandlung der Bediensteten unabhängig von ihrer staatlichen Herkunft, sodass die Einkünfte anstelle der nationalen Besteuerung der Besteuerung der Organisation überlägen. Eine erneute Besteuerung der Rente bedeute daher eine Doppelbesteuerung. Die Vergleichbarkeit der internen Steuer zu einer nationalen Steuer ergebe sich daraus, dass die interne Steuer der ESA dem deutschen Staat zu Gute komme. Die interne Steuer erscheine auf der Einnahmeseite des Budgets der ESA und entlaste dadurch die Beiträge Deutschlands zum Budget der ESA. Die Wirkung auf den öffentlichen Haushalt sei dieselbe wie durch Zuflüsse durch nationale Steuern. Die interne Steuer weise zudem eine Progression auf und sei eine reale Größe, die Auswirkungen in der Progression bei der Besteuerung anderer Einkünfte hätte.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid für 1998 über Einkommensteuer vom 12. Juli 1999 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 28. Januar 2000 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Juni 2000 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Einkommensteuer mit 0 DM festgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bleibt bei seiner außergerichtlich vorgetragenen Rechtsauffassung und nimmt auf die Einspruchsentscheidung Bezug. Dem Kläger sei nicht zuzustimmen, wenn er meint, eigene Beiträge im Hinblick auf seine künftigen Ruhestandsbezüge erbracht zu haben. Aufgrund seiner Optionsausübung zugunsten der neuen Pensionsregelung habe er die darin festgelegte Kürzung seines Gehalts mit seinem Arbeitgeber vereinbart, einer zusätzlichen arbeitsvertraglichen Vereinbarung habe es nicht bedurft. Wie der Kläger selbst ausführe, handele es sich um einen Abzug, dem er sich nicht habe entziehen können. Durch die Ausgestaltung als Pflichtsystem sei ihm keinerlei wirtschaftliche Verfügungs- oder Bestimmungsmacht über die abzuführenden Beträge verblieben. Sie seien ihm auch nicht dadurch wieder eingeräumt worden, dass er im Falle eines vorzeitigen Ausscheidens aus den Diensten der ESOC einen Anspruch auf Auszahlung eines festgelegten Kapitalbetrags als Ausgleich für die verfallenen Rechte gehabt habe.
Es sei keinesfalls unerheblich, aus welchen Mitteln die Ruhestandsbezüge gezahlt würden. Bei der gesetzlichen Rentenversicherung und bei Zahlungen aus einer eigenständigen Versorgungseinrichtung würden die Altersbezüge aus ein- oder angesammelten, von dritter Seite zugeführten Kapitals geleistet. Der Anspruch des Berechtigten ergebe sich unmittelbar nur gegenüber dieser Institution, ein Anspruch gegenüber dem ehemaligen Arbeitgeber bestehe nicht. Es handele sich daher bei solchen Bezügen nicht um Leistungen aufgrund eines früheren Dienstverhältnisses, sondern aufgrund des eingezahlten Kapitals an sich. Anders verhalte es sich bei den Versorgungszusagen eines Arbeitgebers. Hier erfolge die Zahlung grundsätzlich im Hinblick auf die früheren Dienstleistungen, nicht wegen der Zurverfügungstellung von eigenem Kapital des Arbeitnehmers. Dem Wesen der arbeitgeberseitigen Versorgungszusage sei immanent, dass Beschäftigte zunächst geringere Bezüge erhielten, die bei Eintritt des Versorgungsfalls nachgezahlt würden. Dabei könne es keinen Unterschied machen, ob der Arbeitgeber die geringere Lohnzahlung offen durch Abzug vom Gehalt oder verdeckt durch von vornherein niedrigerem Ausweis in den Gehaltsabrechnungen vornehme. Wirtschaftlich liege immer ein Gehaltseinbehalt vor, den der Arbeitgeber frei in seinem laufenden Haushalt nach Belieben verwenden könne.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
Dem Gericht haben die den Streitgegenstand betreffenden Steuerakten vorgelegen.
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Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Einkommensteuerbescheid 1998 vom 12. Juli 1999 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 28. Januar 2000 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Juni 2000 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Der Beklagte hat zu Recht die Einkünfte des Klägers in Höhe von 68.027 DM den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zugeordnet.
Das Ruhegehalt des Klägers fällt nicht unter die Bestimmungen über die Freistellung der Gehälter und Bezüge der aktiven Bediensteten nach den jeweils in Betracht kommenden Regelungen über die Vorrechte und Befreiungen (Art. XVIII Abs. 2 Anlage I Vorrechte und Immunitäten des Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 30. Mai 1975 zur Gründung einer Europäischen Weltraumorganisation (EWO) vom 23. November 1976, a.a.O.). Sie unterliegt damit der inländischen Besteuerung. Nach den Doppelbesteuerungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland mit den Staaten, in den die koordinierten Organisationen ihren Sitz haben, steht das Besteuerungsrecht der Ruhegehälter allein dem Wohnsitzstaat des Pensionärs zu.
Die vom Kläger bezogenen Versorgungsleistungen in Höhe von 68.027 DM sind als Ruhegehälter im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG im Inland steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Sie sind entgegen der Ansicht des Klägers keine sonstige Einkünfte in Gestalt wiederkehrender Bezüge im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG (Leibrenten), da sie keine Erträge aus der Nutzung eigenen Vermögens des Klägers sind.
Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Gehälter, Löhne und andere Bezüge, die „für eine Beschäftigung“ im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden (Nr. 1); ferner Ruhegelder und andere Bezüge und Vorteile „aus früheren Dienstleistungen“ (Nr. 2). Die Einnahmen müssen durch das – gegenwärtige oder frühere – Arbeitsverhältnis veranlasst sein (BFH-Urteile vom 17. September 1982 VI R 75/79, BStBl II 1983, 39; und in BStBl II 2007, 402). Das ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer die Bezüge als Gegenleistung dafür erhält, dass er seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt bzw. gestellt hat.
Demgegenüber sind Leibrenten wiederkehrende Bezüge, die nur mit ihrem Ertragsanteil steuerbar sind (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG). Dabei ist der Ertragsanteil als pauschalierter Zinsanteil seiner Rechtsnatur nach das Entgelt für die Überlassung eines auf die Lebenszeit einer oder mehrerer Bezugspersonen zeitlich gestreckt auszuzahlenden Kapitals (BFH-Urteile vom 8. März 1989 X R 16/85, BStBl II 1989, 551; und in BStBl II 2007, 402). Von dem steuerbaren Ertragsanteil zu trennen ist die Auszahlung bzw. die Rückzahlung des mit dem eigenen Vermögen des Steuerpflichtigen gebildeten Kapitalstocks, die als bloße Vermögensumschichtung im privaten Bereich selbst nicht steuerbar ist (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 15. Juli 1991, GrS 1/90, BStBl II 1992, 78; und BFH-Urteil in BStBl II 2007, 402).
Ungeachtet dessen, dass der Tatbestand der „sonstigen“ Einkünfte gegenüber dem in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 EStG bezeichneten Einkunftsarten subsidiär ist (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG), liegen Einkünfte „für“ eine Beschäftigung bzw. „aus“ einem früheren Dienstverhältnis nur dann vor, wenn sie dem Steuerpflichtigen aus eben diesem Rechtsgrund zufließen. Um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 EStG) kann es sich daher nur handeln, wenn der Steuerpflichtige sie – abgesehen von der zu erbringenden oder erbrachten Dienstleistung – ohne rechtlich ins Gewicht fallenden Eigenbetrag erhält. Dagegen kann die Nutzung eigenen Vermögens nicht den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zugeordnet werden (BFH-Urteile vom 7. Februar 1990 X R 36/86, BStBl II 1990, 1062; und in BStBl II 2007, 402).
Die Zuordnung von Bezügen zu den sonstigen Einkünften setzt daher voraus, dass der Kläger zur Erlangung der Einkünfte eigenen Vermögen – insbesondere zugeflossenen Arbeitslohn – eingesetzt hat (BFH-Urteil in BStBl II 2007, 402). Entsprechend den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zum im Jahre 1974 eingeführten Pensionssystem der Koordinierten Organisationen – entwickelt an Fällen von Bediensteten der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der NATO –, denen sich das Gericht anschließt, hat der Kläger kein eigenes Vermögen eingesetzt.
Entgegen der Ansicht des Klägers hat er – über die Einmalzahlung in Höhe von 118.040,91 DM hinaus - keine eigenen Beiträge zum Versorgungssystem der ESA geleistet.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die ESA über ein eigenes Altersversorgungssystem verfügt. Unstreitig ist dabei auch, dass das Beitragssystem als Pflichtsystem konzipiert ist, dem sich die Bediensteten nicht entziehen können. Die Beiträge werden vom jeweiligen Grundgehalt einbehalten (vgl. Art. 41 ESA Pension Scheme Rules).
Entgegen der Ansicht des Klägers handelt es sich dabei nicht um eine Gehaltsverwendung im Sinne von „echten“ Beiträgen, sondern um eine Gehaltskürzung; denn zu diesem Zeitpunkt ist ihm das Gehalt noch nicht zugeflossen. Dadurch, dass die Beiträge des Klägers durch Gehaltskürzung in den Haushalt des Arbeitgebers einfließen und die Pensionszahlungen aus eben diesem Haushalt geleistet werden (sog. Direktzusage), hat die Pensionszahlungen ihre Grundlage im ursprünglichen Arbeitsverhältnis und nicht in der Hingabe des Vermögens. Nach der Rechtsprechung des BFH zu den in diesem Punkt vergleichbaren Systemen der OECD und der NATO ist es dabei unerheblich, ob die Beiträge vom Arbeitgeber zusätzlich zum geschuldeten Lohn einbehalten werden, oder ob die Beiträge durch einvernehmliche Herabsetzung des laufenden Gehalts aufgebracht werden. Für die Abgrenzung ist allein entscheidend, dass dem Kläger durch den Verzicht auf die Barauszahlung des Gehaltsanteils kein Arbeitslohn zugeflossen ist; denn von einem Zufluss (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG) ist dann auszugehen, wenn das Gehalt bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben wird, nicht hingegen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer lediglich zusagt, dem Arbeitnehmer künftig Leistungen zu erbringen. Entscheidend ist vorliegend, dass die Pensionszahlungen an den Kläger aus dem Haushalt der ESA erfolgen, ein eigenständiger Rechtsanspruch gegen einen als Träger der Versorgungsleistungen auftretenden Dritten nicht gegeben sei. Die Aufnahme in den Haushaltsplan der entsprechenden Organisation, hier der ESA, ist für die Annahme einen eigenständigen Rechtsanspruchs nicht ausreichend. Wegen der insoweit einheitlichen Ausgestaltung des Versorgungssystems der koordinierten Organisationen gilt dieser Grundsatz für alle angeschlossenen Mitglieder dieser Gruppe.
Dem Kläger ist zwar zuzugestehen, dass das Rentensystem der ESA Elemente der gesetzlichen Rente enthält. So besteht eine Vergleichbarkeit dahingehend, dass in beiden Systemen die Höhe der Versorgungszahlung in Abhängigkeit zur vorherigen Beitragsleistung erfolgt. Jedoch enthält das Rentensystem der ESA auch Elemente der Beamtenversorgung bzw. einer privaten Betriebsrente. Die Vergleichbarkeit zu diesen Systemen besteht darin, dass Versorgungsleistungen aus dem eigenen Haushalt der jeweiligen Institution bzw. des Betriebs erfolgen, es somit keinen externen Versorgungsträger gibt, demgegenüber ein eigenständiger Rechtsanspruch erworben werden konnte. Der zwingende Einbehalt von Beitragsleistungen hingegen ist allen Systemen immanent, wobei die Beitragsleistung der Beamten in ihre Bezüge „eingepreist“ ist.
In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH (vgl. ferner den Beschluss vom 27. November 2013 X B 192/12, Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2014, 227) ist somit für die Zuordnung der Versorgungsleistungen zu § 19 EStG oder § 22 EStG, d.h. für die Entscheidung, ob eine Gehaltskürzung oder eine Gehaltsverwendung vorliegt, maßgeblich, dass die Pensionszahlungen ähnlich der beamtenrechtlichen Versorgung aus dem Haushalt der ESA erfolgen.
Wenn der Kläger meint, dass ein ESA-Bediensteter mit einem Angestellten der Deutschen Rentenversicherung (DRV) vergleichbar sei, weil es auch dort keinen externen Versorgungsträger gebe, dennoch lediglich der Ertragsanteil der Altersversorgung der Besteuerung unterliege, so kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden. Die Einbehaltung von Gehaltsanteilen zum Zweck der Zukunftssicherung erfolgt bei den DRV-Angestellten nach dem gleichen Schema wie bei allen anderen der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegenden Angestellten in der Weise, dass diesen aufgrund der geleisteten eigenen Beiträge ein unmittelbarer und unentziehbarer Anspruch auf Altersversorgung gegen den Rentenversicherungsträger (im Fall der DRV-Angestellten zugleich Arbeitgeber) verschafft wird. Ein derartiges Alterssicherungssystem existiert bei der ESA mangels einer eigenständigen Versorgungseinrichtung gerade nicht. Soweit der Kläger meint, die in der BFH-Entscheidung in BStBl II 2007, 402 „herangezogenen Analogien“ träfen „nur auf privatrechtlich organisierte Versorgungssysteme“ zu, erwiest sich seine Argumentation schon deshalb als inkonsequent, weil es sich bei der NATO – ebenso wie bei den übrigen Mitgliedern der koordinierten Organisationen – gerade nicht um einen solchen „privaten Arbeitgeber“ handelt. Da aber sämtliche von den koordinierten Organisationen gezahlten Pensionen auf dem mit Wirkung vom 1. Juli 1974 eingeführten Pensionssystem beruhen, kann die Frage der Qualifikation der Einbehaltung von Arbeitslohn für die spätere Versorgung des jeweiligen Bediensteten (Gehaltskürzung oder Gehaltsverwendung) für alle Mitglieder der Gruppe auch nur einheitlich beantwortet werden.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die aktiven Bezüge steuerfrei gewährt wurden, oder die Bediensteten bei frühzeitigem Ausscheiden einen Erstattungsanspruch hätten; denn ein Erstattungsanspruch kann auch dann bestehen, wenn zunächst kein Zufluss des Gehalts im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG erfolgt ist. Jedenfalls führen diese Umstände nicht dazu, dass ein Anspruch des Klägers gegenüber einem Dritten, einem Träger von Versorgungsleistungen, besteht. Dass dem Kläger ein Anteil am Kapitalstock zusteht, ist nach Ansicht des BFH unerheblich.
Das Gericht sieht auch – im Anschluss an den Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 14. Oktober 2010 2 BvR 367/07, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung (HFR) 2011, 86 - keine Grundrechtsverletzung gegeben. Durch die Besteuerung der Pensionszahlung wird der Kläger nicht in seinem Grundrecht auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz – GG -) verletzt.
Es besteht keine Ungleichbehandlung zu DRV-Angestellten. Wie bereits oben ausgeführt, unterscheiden sich im Ruhestand befindliche DRV-Angestellten und der Kläger im Wesentlichen dadurch, dass die Altersversorgung der DRV-Angestellten nicht aufgrund einer innerbetrieblichen Rente ausgezahlt wird, sondern sie einen Anspruch gegenüber dem Versorgungsträger erworben haben, den sie zum Beispiel auch nicht verlieren, wenn sie während ihrer aktiven Dienstzeit den Arbeitgeber wechseln.
Eine verfassungswidrige Doppelbesteuerung des Ruhegehalts durch Anwendung des § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG läge nur dann vor, wenn die früheren Beiträge des Klägers („Staff members´contribution“) bereits der Einkommensteuer unterlegen hätten (BVerfG in HFR 2011, 88; Finanzgericht –FG - Köln, Urteil vom 18. August 2012 5 K 189/11, Entscheidungen der FG – EFG – 2013, 32). Dies war unstreitig nicht der Fall, da die Gehälter und sonstigen Bezüge der ESA-Mitarbeiter gemäß Art. VIII Abs. 1 Satz 2 der Anlage I – Vorrechte und Immunitäten – des Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 30. Mai 1975 zur Gründung einer Europäischen Weltraumorganisation vom 23. November 1976, a.a.O., während des aktiven Dienstes von der staatlichen Steuer befreit waren. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass in Anwendung von Abs. 1 Satz 1 dieser Bestimmung die früheren Beitragsleistungen des Klägers seitens des Arbeitgebers intern besteuert wurden. Denn zum einen sind derartige organisationsinterne Abgaben, auf deren Ausgestaltung und Verwendung der deutsche Fiskus keinen Einfluss hat, selbst unter Berücksichtigung des vom Kläger dargestellten mittelbaren Entlastungseffekts nicht einer staatlichen Besteuerung gleichzusetzen. Zum anderen scheitert ein Verstoß gegen das Verbot der staatlichen Doppelbesteuerung an dem vom BVerfG in HFR 2011, 88 bereits hervorgehobenen Umstand, dass der Kläger eine Steuerausgleichszahlung („Tax adjustment“) als Kompensation für nationale Steuerverpflichtungen erhält.
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 135 Abs. 1 FGO.
Da keine Gründe im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO ersichtlich sind, bestand für die Zulassung der Revision keine Veranlassung.