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10.09.2014 · IWW-Abrufnummer 142670

Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 15.07.2014 – 6 K 824/14

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Sachsen

Urt. v. 15.07.2014

Az.: 6 K 824/14

In dem Finanzrechtsstreit
Herr
- Kläger -
Prozessbevollmächtigter:
gegen
Finanzamt
- Beklagter -
wegen gesonderter Gewinnfeststellung 2007
hat der 6. Senat durch die Berichterstatterin gemäß §§ 5 Abs. 3 Satz 1, 6 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung als Einzelrichterin
auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 15. Juli 2014
für Recht erkannt:
Tenor:

1.

Der Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2007 vom 13. Februar 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2014 wird dahingehend geändert, dass ein Investitionsabzugsbetrag in Höhe von 25.031,-- EUR berücksichtigt wird.
2.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig die Berücksichtigung eines Investitionsabzugsbetrags.

Der Kläger erzielt gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb eines Wasserkraftwerks. In seiner Gewinnermittlung des Streitjahres 2007 machte er einen Investitionsabzugsbetrag von 31.500,-- EUR geltend und teilte auf Nachfrage des Beklagten mit, er plane die Anschaffung einer Steuerungsanlage und einer Turbine im Jahr 2009 oder 2010. Der Beklagte folgte dem und erließ am 17. April 2009 einen entsprechenden Gewinnfeststellungsbescheid. Im seiner Gewinnermittlung des Jahres 2008 erfasste der Kläger die Anschaffung einer Fischaufstiegshilfe (Fischtreppe), für die er den Investitionsabzugsbetrag von 31.500,-- EUR gewinnwirksam auflöste. Auf Nachfrage des Beklagten erklärte er, seine Mitteilung für das Jahr 2007 habe sich auf die Fischtreppe bezogen, für die der Investitionsabzugsbetrag habe gebildet werden sollen.

Nachdem der Kläger in den Jahren 2009 und 2010 keine Steuerungsanlage und auch keine Turbine angeschafft hatte, änderte der Beklagte den Gewinnfeststellungsbescheid des Jahres 2007 nach § 7g Abs. 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetztes (EStG) mit Bescheid vom 13. Februar 2012 und erhöhte den festgestellten Gewinn um 31.500,-- EUR.

Mit seinem Einspruch machte der Kläger geltend, er habe die geplante Investition mit dem Hinweis auf die Turbine und die Steuerungsanlage irrtümlich falsch bezeichnet. Der gebildete Investitionsabzugsbetrag habe die Fischtreppe betroffen, die Vorrang vor anderen Investitionen gehabt habe. Ohne die Errichtung der Fischtreppe habe er keine Betriebserlaubnis erhalten können. Die Anschaffungskosten der Fischtreppe hätten nicht 78.750,-- EUR, sondern 62.578,-- EUR betragen, so dass sich der Investitionsabzugsbetrag auf 25.031,-- EUR belaufe.

Das Gericht wies im einspruchsbegleitenden Aussetzungsverfahren auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) in den Urteilen vom 17. Juni 2010 (III R 43/06, BStBl. II 2013, 8 m. w. N.) und 17. Januar 2012 (VIII R 48/10, BStBl. II 2013, 952 m. w. N.) sowie vom 19. Dezember 2006 (VI R 63/02, BFH/NV 2007, 924 m. w. N.) hin. Im Hinblick auf diese Rechtsprechung gewährte es Aussetzung der Vollziehung. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die Bestandskraft stehe der gegebenenfalls nachträglichen Geltendmachung des Investitionsabzugsbetrages nicht entgegen. Durch den angefochtenen Änderungsbescheid sei der Fall insoweit wieder offen gewesen. Inhaltliche Beschränkungen für die Bescheidkorrektur im Rahmen dieser Änderung seien nicht ersichtlich.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2007 vom 13. Februar 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2014 dahingehend zu ändern, dass ein Investitionsabzugsbetrag in Höhe von 25.031,-- EUR berücksichtigt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Eine Berücksichtigung des Investitionsabzugsbetrages sei nur bis zum erstmaligen Eintritt der Bestandskraft möglich. Die Urteile des BFH vom 19. Dezember 2006 (VI R 63/02), vom 17. Juni 2010 (III R 43/06) und vom 17. Januar 2012 (VIII R 48/10), auf die das Gericht hinweise, seien jeweils zu anderen Verfahrenskonstellationen ergangen. Außerdem sei zu bedenken, dass zum Erlass des angefochtenen Änderungsbescheides eine Verpflichtung bestanden habe, weil nach damaligen Erkenntnissen der Investitionsabzugsbetrag nicht zu gewähren gewesen sei. Insofern sei es zweifelhaft, ob das BFH-Urteil aus 2006 so verstanden werden könne, dass nachträglich neue Gründe für den Investitionsabzugsbetrag geltend gemacht werden könnten. § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG stelle eine "punktuelle" Änderungsmöglichkeit bei Ausbleiben einer Investition dar. Allenfalls könnten gemäß § 177 der Abgabenordnung (AO) gegenläufige materielle Rechtsfehler korrigiert werden. Die Änderung des Ausübungswahlrechts falle nicht darunter

Der Senat hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 24. Juni 2014 der Berichterstatterin zur Entscheidung als Einzelrichterin übertragen.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze, das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die hinzugezogene Finanzgerichtsakte zum Verfahren 6 V 452/12 sowie die zum Streitfall übergebenen Steuerakten verwiesen.
Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg.

Der Kläger kann die Berücksichtigung des Investitionsabzugsbetrages für die Anschaffung der Fischtreppe im Rahmen der Änderungsfestsetzung beanspruchen.

Nach § 7g Abs. 1 EStG können Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgutes des Anlagevermögens bis zu 40 Prozent der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnmindernd abziehen (Investitionsabzugsbetrag).

Maßgeblich ist dabei die Sicht am Ende des Wirtschaftsjahres, für das der Steuerpflichtige den Abzugsbetrag geltend macht. Die aus dieser Sicht "künftige" Anschaffung kann bei Abgabe der Steuererklärung für das Abzugsjahr zwischenzeitlich bereits erfolgt sein. Es ist mithin für die Gewährung des Abzugsbetrages grundsätzlich nicht von Bedeutung, ob die Investition im Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung tatsächlich schon vorgenommen war. Eine im Vorfeld der Investition schon zu fassende Absicht späterer Wahlrechtsausübung nach § 7g EStG wird vom Gesetz nicht gefordert. Der Investitionsabzugsbetrag gehört zu den zeitlich unbefristeten Wahlrechten, die formell bis zum Eintritt der Bestandskraft derjenigen Steuerfestsetzung ausgeübt werden können, auf die sie sich auswirken sollen (zum Ganzen: Urteil des BFH vom 17. Januar 2012, VIII R 48/10, DStR 2012, 894 m. w. N.).

Es kann dahinstehen, ob der Antragsteller mit Erfolg geltend machen kann, er habe von Beginn an die Anschaffung der Fischtreppe zur Grundlage des beantragten Investitionsabzugsbetrages gemacht. Jedenfalls kann er für diese Investition nach Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung einen Investitionsabzugsbetrag nachträglich beanspruchen. Der Rechtsauffassung des Beklagten, nach der eine solche nachträgliche Wahlrechtsausübung nur dann in Betracht kommt, wenn die Änderung der Steuerfestsetzung - bzw. hier der Gewinnfeststellung - durchgängig bis zu dem Zeitpunkt der Geltendmachung möglich war, jedoch ausscheidet, wenn zwischenzeitlich einmal Bestandskraft vorlag, überzeugt nicht. Danach könnten nur diejenigen Steuerpflichtigen von den zeitlichen Möglichkeiten des Wahlrechts profitieren, die ihre Steuerbescheide - gegebenenfalls vorsorglich und ins Ungewisse hinein - mit Rechtsbehelfen angreifen, um den erstmaligen Eintritt der Bestandskraft hinauszuzögern. Andere Steuerpflichtige, die dies unterlassen, zu deren Gunsten aber zur Durchbrechung der eingetretenen Bestandskraft eine Korrekturnorm zur Verfügung steht oder für die - wie im Streitfall - ein Änderungsrahmen durch einen Eingriff des Finanzamtes in die Bestandskraft eröffnet ist, wären dagegen allein aufgrund dieses formalen Unterschieds an der nachträglichen Ausübung ihres Wahlrechts gehindert. Im Hinblick auf den Förderzweck des Investitionsabzugsbetrages erkennt das Gericht keinen sachlich gerechtfertigten Differenzierungsgrund zwischen den genannten Verfahrenslagen. Für die nachträgliche Berücksichtigung spricht auch die höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 7g EStG a. F., auf die der BFH in seiner Entscheidung vom 17. Januar 2012 (VIII R 48/10) verweist. Danach muss eine Rücklage nach § 7g Abs. 3 EStG a. F. nicht bereits bei erstmaliger Einreichung einer Steuererklärung, sondern kann auch später im Rahmen einer Bescheidänderung gebildet werden (Urteil des BFH vom 17. Juni 2010, III R 43/06, BFH/NV 2011, 104 m. w. N.). Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb für den Investitionsabzugsbetrag etwas anderes gelten sollte.

Der Auffassung des Beklagten, die Änderung gemäß § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG enthalte eine inhaltliche Beschränkung für Gegenkorrekturen, ist auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung ebenfalls nicht zu folgen.

Nach § 42 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 351 Abs. 1 AO können Verwaltungsakte, die unanfechtbare Verwaltungsakte ändern, insoweit angegriffen werden, als die Änderung reicht. Mit dieser Regelung wird sichergestellt, dass der bestandskräftig geregelte, unveränderte Teil des Verwaltungsakts im Interesse der Rechtssicherheit unberührt bleibt. Hinsichtlich des Anfechtungsrahmens kommt es auf den jeweiligen Tenor (Ausspruch) des Erstbescheids einerseits und des geänderten Steuerbescheids andererseits an. Hinsichtlich dieser Beschwer kann der geänderte Bescheid angefochten werden. Dabei können nach ständiger Rechtsprechung und ganz herrschender Meinung innerhalb des Änderungsrahmens nicht nur sämtliche Einwendungen erhoben werden, die sich nach Erlass des ursprünglichen Bescheids ergeben haben; vielmehr ist der Steuerpflichtige auch berechtigt, solche Einwendungen vorzubringen, die er bereits gegen den ursprünglichen Bescheid hätte vorbringen können. Dies ist eine Konsequenz daraus, dass bei der Steuerfestsetzung nur die festgesetzten Beträge, nicht jedoch die rechtlichen Begründungen in Bestandskraft (bzw. Rechtskraft) erwachsen (vgl. zum Ganzen: Urteil des BFH vom 19. Dezember 2006, VI R 63/02, BFH/NV 2007, 924 m. w. N.). Diese Rechtsprechung ist auch auf Feststellungsbescheide anzuwenden. Gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 AO gelten für die Feststellung die für die Besteuerung geltenden Vorschriften sinngemäß.

Das genannte Urteil erging zu einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Für die Änderung gemäß § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG ergibt sich nichts anderes. Insbesondere folgt eine Beschränkung nicht daraus, dass die Änderungsvorschrift des § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG keinen Ermessenspielraum eröffnet, denn dies gilt für die Änderung nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO gleichermaßen. Dem Gesetzeswortlaut des § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG ist die vom Beklagten angeführte inhaltliche Beschränkung für Gegenkorrekturen ebenfalls nicht zu entnehmen. Sie stünde mit dem Förderzweck nicht im Einklang. Dieser lässt vielmehr - wie dargelegt - auch die nachträgliche Geltendmachung des Abzugsbetrages im Rahmen einer Bescheidänderung sowie nach Durchführung der Investition zu (vgl. Urteile des BFH vom 17. Juni 2010, III R 43/06, BStBl. II 2013, 8 m. w. N. sowie vom 17. Januar 2012, VIII R 48/10, BStBl. II 2013, 952 m. w. N.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10 der Zivilprozessordnung. Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren erfolgt gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Gründe gegeben ist.

RechtsgebietEStGVorschriften§ 7g Abs. 3 S. 2 EStG

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