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15.04.2005 · IWW-Abrufnummer 051068

Landgericht Heilbronn: Urteil vom 03.12.2003 – 7 S 4/03

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Geschäftsnummer: 7 S 4/03 St
Früheres AZ: 1 S 30/03 St
6 C 5396/02
Amtsgericht Heilbronn

Verkündet am . Dezember 2003

Landgericht Heilbronn

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Berufungsverfahren XXX

wegen Schadensersatz

hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn auf die mündliche Verhandlung vom 12. November 2003 unter Mitwirkung von XXX

für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Heilbronn vom 17.06.2003 - 6 C 5396/02 ? abgeändert.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.862,15 ? zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 26.11.2002 zu zahlen.

2. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Gegen das Berufungsurteil wird die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 1.862,12 ?

Entscheidungsgründe:

I.

Hinsichtlich des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Amtsgerichts Heilbronn vom 17.6.2003 Bezug genommen. Das Urteil wurde den Klägervertretern am 15.7.2003 zugestellt (Blatt 63 der Akten). Am 13.8.2003 wurde namens der Klägerin beim Landgericht Heilbronn Berufung eingelegt (Blatt 71/72 der Akte), die mit am 15.9.2003 beim Landgericht eingehenden Schriftsatz der Klägervertreter (Blatt 79 der Akten) begründet wurde.

In der mündlichen Verhandlung vom 12.11.2003 vor der Berufungskammer erstattete der Sachverständige Dipl.-Ing. F ... ein mündliches Gutachten. Wegen des Inhalts wird auf den diesbezüglichen Aktenvermerk des Berichterstatters der Berufungskammer Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Insbesondere wurde die Berufung im Sinne des § 517 ZPO fristgemäß erhoben und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist des § 520 Abs. 2 ZPO ordnungsgemäß begründet.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache vollumfänglich Erfolg.

Der Klägerin steht gegenüber den Beklagten ein weiterer Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.862,15 ? zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 26.11.2002 zu. Dies ergibt sich im einzelnen aus folgenden Erwägungen:

1). Der Schadensersatz wegen Verursachung eines Totalschadens an einem marktgängigen PKW, für den ein gleichartiges und gleichwertiges Ersatzfahrzeug angeschafft werden kann, stellt nach herrschender Meinung in Rechtsprechung (vgl. z. B. BGHZ 115, 364) und Literatur (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB 6. A., § 249 Rn. 15) sowie nach der amtlichen Begründung zum Entwurf des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften (BT-Drs 14/7752 S. 13) einen Fall der Naturalrestitution dar, auf den die Vorschrift des § 249 BGB (und nicht etwa § 251 BGB) Anwendung findet.

Daher kommt auch im vorliegenden Fall die zum 1.8.2002 in Kraft getretene Norm des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB zur Anwendung, wonach bei der Beschädigung einer Sache der Schadensersatzbetrag die Umsatzsteuer nur mit einschließt, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
Darüber herrscht auch dem Grundsatz nach Einvernehmen bei den Parteien.

2) Zu ermitteln ist als Schadensersatzbetrag daher im konkreten Fall ?nachdem die Klägerin ein Ersatzfahrzeug von Privat erworben hat, so dass unstreitig keine Mehrwertsteuer angefallen ist- der Nettowiederbeschaffungswert des totalbeschädigten Fahrzeuges der Klägerin.

a) Die Problematik besteht darin, dass nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ein einheitlicher Nettowiederbeschaffungswert nicht zu ermitteln ist. Vielmehr hängt die Höhe dieses Wertes bei ein und demselben Fahrzeug davon ab, ob ein entsprechendes Ersatzfahrzeug bei de fiktiv zu unterstellenden Ersatzbeschaffung von Privat oder von einem Gebrauchtwagenhändler erworben würde, wobei in letzterem Falle der Wert noch einmal differiert, je nachdem ob das Ersatzfahrzeug regelbesteuert oder differenzbesteuert angeboten würde. Dies ist darauf zurückzuführen, dass auf den Gebrauchtwagenmarkt für den Kunden i. d. R. die Bruttoverkaufspreise maßgebend sind, unabhängig davon, ob und in welcher Höhe Mehrwertsteuer enthalten ist. Dies wiederum führt dazu, dass bei gleichem Bruttoverkaufspreis der durchschnittlich zu zahlende Nettokaufpreis eines regelbesteuerten Fahrzeuges niedriger ist als der eines vergleichbaren differenzbesteuerten Fahrzeuges.

Im vorliegenden Fall hat der Sachverständige den Bruttowiederbeschaffungswert bei Kauf von einem seriösen Gebrauchtwagenhändler auf 15.900 ? beziffert. Hiernach beträgt der Nettowiederbeschaffungswert, sofern es sich um ein regelbesteuertes Fahrzeug handeln würde, 13.706,90 ?, dagegen bei einem differenzbesteuerten Fahrzeug ca. 15.580 ?. Bei letzteren Wert wurde im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO von einem sich in der Rechtsprechung durchsetzenden, auf Erfahrungswerten beruhenden Durchschnittsdifferenzsteuerbetrag in Höhe von 2 % des Bruttoverkaufspreises ausgegangen, was auch die Beklagtenseite ?freilich nur hinsichtlich der Berechnung der Höhe nach- zu akzeptieren scheint (vgl. S. 3 der Klageerwiderung; Bl. 15 d. A.).
Der (Netto-) Wiederbeschaffungswert beim Kauf eines entsprechenden Fahrzeuges von Privat würde dagegen nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen, da der Privatverkäufer einen Teil der gegenüber dem Kauf beim Gebrauchtwagenhändler ersparten Mehrwertsteuer als ?Gewinnspanne? auf den Kaufpreis aufschlägt, ca. 8-9 % unter dem o. g. Bruttowiederbeschaffungswert liegen, mithin ca. 14.470 bis 14.630 ? betragen.

b) Es liegt auf der Hand, dass der Klägerin als Schadensersatzbetrag zumindest der letztgenannte Wiederbeschaffungswert (also: beim Kauf von Privat) zu ersetzen ist.

Zwar wurde in der Rechtsprechung der Grundsatz geprägt, dass für den Wiederbeschaffungswert der Preis maßgebend sei, der beim Kauf an einen seriösen Händler zu zahlen sei. Dem liegt jedoch die den Geschädigten begünstigenden Erwägung zugrunde, dass dieser ?auch bei der fiktiven Schadensberechnung- nicht auf den i. d. R. günstigeren Kauf eines Ersatzfahrzeugs von Privat verwiesen werden kann, sondern wie beim Kauf vom gewerblichen Gebrauchtwagenhändler abrechnen darf (vgl. BGH NJW 1982, 1864 ff). Denn die Rechtsprechung gewährt dem Geschädigten das Recht, den problemlosesten und sichersten Weg der Ersatzbeschaffung zu wählen (vgl. BGH aaO). Damit sollte dem Geschädigten gerade nicht das Wahlrecht, ob er ein Ersatzfahrzeug vom Händler oder von Privat erwerben bzw. entsprechend fiktiv abrechnen möchte, genommen werden.

Hieran hat sich durch die neue Vorschrift des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB nichts geändert. Die Norm verfolgt erkennbar den Zweck, die Gefahr einer Überkompensation dadurch zu verringern, dass der Unfang des Schadenersatzes stärker daran ausgerichtet wird, welche Dispositionen der Geschädigte tatsächlich zur Schadensbeseitigung trifft (vgl. BT-Drs 14/7752, S. 13). Eine Einengung des Wahlrechts der Geschädigten ?etwa in der Richtung des ausschließlichen Erwerbs eines Ersatzfahrzeugs vom gewerblichen Händler sollte aber hiermit erkennbar nicht einhergehen. Dies würde den Zweck der Reform über das eigentliche Ziel hinaus ausdehnen und im Ergebnis zu einer nicht vollständigen Kompensation des Geschädigten führen.

Die Klägerin, die immerhin ein ?wenn auch nicht gleichwertiges- Ersatzfahrzeug von Privat erworben hat, darf daher zumindest den Wiederbeschaffungswert ersetzt verlangen, der dem üblichen Kaufpreis eines gleichwertigen Ersatzfahrzeuges von Privat entspricht, mithin ca. 14.470 bis 14.630 ?.

c) Die Klägerin kann aber stattdessen auch den Nettowiederbeschaffungswert eines differenzbesteuerten Fahrzeuges, also insgesamt 15.580 ? verlangen.
Das dem Geschädigten zustehende Wahlrecht, in welcher Weise und von wem er ein Ersatzfahrzeug erwirbt, impliziert auch bei der fiktiven Schadensabrechnung ? die Möglichkeit, vom gewerblichen Händler ein differenzbesteuertes Fahrzeug zu erwerben oder auf dieser Basis abzurechnen, und zwar auch dann, wenn tatsächlich von Privat erworben wurde.
Der o. d. Zweck Gesetzesnovelle, den Umfang des Schadenersatzes an den tatsächlichen Dispositionen des Geschädigten zu orientieren wurde durch § 249 Abs. 2 S. 2 BGB letztlich nicht vollständig, sondern eben nur hinsichtlich des Mehrwertsteuerbetrages umgesetzt, und gebietet nicht die vollständige Schadensabrechnung entsprechend der tatsächlich gewählten Ersatzbeschaffung (vgl. BT-Drs. 14/7752 S. 14).
Dies wird offensichtlich auch von den Beklagten nicht in Zweifel gezogen, die trotz Ersatzkauf der Klägerin von Privat- die Schadensberechnung auf der Basis des Ersatzkaufs vom gewerblichen Händler durchführen, allerdings unter ausschließlichem Ansatz des Wiederbeschaffungswertes eines regelbesteuerten Fahrzeuges.
Letzteres würde aber zu einer Verletzung des oben darstellten Wahlrechtes des Geschädigten führen, der bei einem Ersatzkauf auch ein differenzbesteuertes Fahrzeug erwerben dürfte. Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht wäre hiermit nicht verbunden, zumal bei einem tatsächlichen Kauf vom gewerblichen Händler das regelbesteuerte Fahrzeug (brutto) nicht günstiger wäre als das differenzbesteuerte.
Eine Ausnahme wäre nur für den Fall zu machen, dass dem beschädigten Pkw vergleichbare Fahrzeuge auf dem Markt tatsächlich nicht oder allenfalls in Ausnahmefällen differenzbesteuert angeboten werden, weil in diesem Falle eine entsprechende Ersatzbeschaffung ?auch bei hypothetischer Betrachtungsweise nicht ernstlich in Betracht käme. Dies ist aber vorliegend nicht der Fall. Der Sachverständige hat anhand einer Schwacke-Statistik, Stand Juli 2003, die immerhin 95 % der von Gebrauchtwagenhändlern verkauften Fahrzeuge erfasst, belegt, dass der streitgegenständliche Fahrzeugtyp Audi A 3 zu 62 % differenzbesteuert und lediglich zu 38 % regelbesteuert verkauft wird. Selbst wenn hierbei zu berücksichtigen ist, dass für den hier maßgeblichen Zeitpunkt des Schadenseintrittes (10/02) keine Statistik vorhanden ist und der Prozentsatz der differenzbesteuerten Fahrzeuge bei neuerem Baujahr (das Fahrzeug der Klägerin war zum Unfallzeitpunkt 2 Jahre und 4 Monate alt) geringer sein dürfte, lassen die Angaben des Sachverständigen durch den Schluss zu, dass es zum Unfallzeitpunkt einen nicht unerheblichen Prozentsatz vergleichbarer differenzbesteuerter Ersatzfahrzeuge auf dem Markt gegeben hat, die von der Klägerin hätten erworben werden können. Dann darf die Klägerin aber entsprechend fiktiv abrechnen, mit Ausnahme der im Preis enthaltenen Differenzsteuer (§ 249 Abs. 2 S. 2 BGB).

3) Der noch offen stehende Schadensersatzanspruch der Klägerin berechnet sich mithin wie folgt:

15.900,00 ?
- 318,00 ? (2 % Differenzsteuer)
- 13.706,99 ? (von den Beklagten bezahlter Betrag)
= 1.875,01 ?

Daher ist der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.862,15 ? vollumfänglich begründet.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus Verzugsgesichtspunkten (§§ 286, 288 Abs. 1 BGB).

4) Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf einer analogen Anwendung von § 708 Nr. 10 ZPO.

5) Gegen dieses Urteil wird die Revision zugelassen, nachdem der entscheidenden Rechtsfrage, welcher Wiederbeschaffungswert bei der Schadensberechnung zugrunde zu legen ist, grundsätzliche Bedeutung zukommt und die Fortbildung des Rechts und die Scherung einer einheitlichen Rechtssprechung des Revisionsgerichts erfordert.

RechtsgebieteVerkehrsrecht, Wiederbeschaffungswert, UmsatzsteuererstattungVorschriften§ 249 Abs. 2 S. 2 BGB

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