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03.07.2014 · IWW-Abrufnummer 141953

Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 14.04.2014 – 32 SA 14/14



Das zuständige Gericht kann, wenn ein Mahnverfahren vorangegangen ist und mehrere Antragsgegner Widerspruch oder Einspruch eingelegt haben, nicht mehr nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bestimmt werden, wenn auf Veranlassung des Klägers bereits beide Verfahren vom Mahngericht an verschiedene Prozessgerichte abgegeben wurden und der Kläger seine Ansprüche gegenüber beiden Streitgerichten begründet hat, ohne zugleich auf eine Zuständigkeitsbestimmung hinzuwirken (im Anschluss an Senat, Beschlüsse vom 22.10.2012 - 32 SA 42/12 - und 19.04.2013 - 32 SA 9/13 - ).


Oberlandesgericht Hamm

32 SA 14/14

Tenor:

Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens der gerichtlichen Zuständigkeitsbestimmung.

Der Wert für das Verfahren der gerichtlichen Zuständigkeitsbestimmung wird auf 47.980,90 € festgesetzt.

G r ü n d e :

A.

Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma T GmbH von den Beklagten als Gesamtschuldner die Erstattung von Zahlungen aus Geschäftsführerhaftung i.H.v. 239.544,49 € nebst Zinsen. Die Beklagte zu 1. war alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Insolvenzschuldnerin. Den Beklagten zu 2. nimmt der Kläger als faktischen Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin in Anspruch.

Auf Antrag des Klägers sind gegen beide Beklagte zunächst Mahnbescheide durch das Amtsgericht I –Mahnabteilung - erlassen worden.

Nach Eingang des Widerspruchs der Beklagten zu 1. hat das Amtsgericht I das gegen die Beklagte zu 1. gerichtete Verfahren an das Landgericht E abgegeben, welches der Kläger im Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids als Prozessgericht im Falle des Widerspruchs benannt hatte. Dort ist die Akte am 12.08.2013 eingegangen. Der Kläger hat seinen Anspruch mit Schriftsatz vom 22.11.2013 begründet.

Nach Eingang des Widerspruchs des Beklagten zu 2. hat das Amtsgericht I das gegen den Beklagten zu 2. gerichtete Verfahren an das Landgericht C abgegeben, welches der Kläger im Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids als Prozessgericht im Falle des Widerspruchs benannt hatte. Dort ist die Akte am 08.08.2013 eingegangen. Der Kläger hat seinen Anspruch mit Schriftsatz vom 13.09.2013 begründet. Am 16.12.2013 wurde vor dem Landgericht C bereits mündlich verhandelt.

Der Kläger beabsichtigt, beide Beklagte als Streitgenossen in einem Prozess in Anspruch zu nehmen. Mit Antragsschrift vom 04.02.2014 beantragt er daher, das zuständige Gericht zu bestimmen. Er regt an, das Landgericht C als das gemeinsam zuständige Gericht zu bestimmen.

B.

Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen aufgrund des fortgeschrittenen Verfahrensstadiums nicht vor.

I.

Das Oberlandesgericht Hamm ist gemäß § 36 Abs. 1 ZPO als das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht im Verhältnis zu den in Betracht kommenden Landgerichten in E und C zur Entscheidung über das Gesuch um gerichtliche Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen.

II.

Einer Zuständigkeitsbestimmung steht jedoch entgegen, dass auf Veranlassung des Klägers bereits beide Verfahren vom Mahngericht an verschiedene Prozessgerichte abgegeben wurden und der Kläger seine Ansprüche gegenüber beiden Streitgerichten begründet hat, ohne zugleich auf eine Zuständigkeitsbestimmung hinzuwirken.

1.

Die Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstands nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kommt über den Wortlaut der Vorschrift („verklagt werden sollen“) grundsätzlich auch dann in Betracht, wenn gegen alle Beklagten bereits eine Klage anhängig ist, weil die Bestimmung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruht und es im Interesse der Parteien liegen kann, bei einer von vornherein gegen mehrere Beklagte (mit verschiedenen allgemeinen Gerichtsständen) gerichteten Klage auch noch nach Klageerhebung ein für alle Beklagten zuständiges Gericht zu bestimmen, um die Entscheidung des Rechtsstreits durch ein einziges Gericht herbeizuführen (BGH NJW 1978, 321; NJW-RR 2011, 929, Tz. 7).

Zulässig ist die Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstands im Interesse der Prozessökonomie deshalb, wenn der Antragsteller bereits mehrere Beklagte vor einem Gericht verklagt hat und einzelne davon die Unzuständigkeit dieses Gerichts geltend gemacht haben (BGH NJW 1984, 739).

Auch bei vorheriger gemeinsamer Inanspruchnahme der Beklagten im Wege des Mahnverfahrens schließt die Abgabe der Verfahren durch das Mahngericht an die für das Streitverfahren zuständigen Gerichte trotz Begründung der Rechtshängigkeit dort nicht von vornherein eine Gerichtsstandsbestimmung aus. Der Bundesgerichtshof hat daher eine Bestimmung der Zuständigkeit gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auch in einem Fall vorgenommen, in dem ein gegen mehrere Antragsgegner eingeleitetes Mahnverfahren nach Widerspruch zunächst an verschiedene Gerichte abgegeben worden war (BGH NJW 1978, 1982; zustimmend Musielak/Voit, ZPO, 11. Aufl., § 696, Rn. 3; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 696 ZPO Rn 10).

2.

Gleichwohl können sich im Einzelfall aufgrund des konkreten Verfahrensstandes Einschränkungen ergeben, die der nachträglichen Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstandes gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO entgegenstehen.

Die Bestimmung des zuständigen Gerichts ist etwa dann abzulehnen, wenn auf Grund des Standes des Prozesses die Bestimmung eines anderen als mit der Klageerhebung angerufenen Gerichts aus Gründen der Prozessökonomie praktisch ausscheidet und damit dem übergeordneten Gericht im Ergebnis keine Wahlmöglichkeit bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO verbleibt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn in dem anhängigen Prozess bereits eine Beweisaufnahme durchgeführt worden ist oder gegen einen Beklagten eine Sachentscheidung ergangen ist (BGH NJW 1978, 321; Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 36 ZPO Rn 16).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ferner eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen, wenn eine Klage trotz entsprechender Möglichkeit nicht von vornherein gegen alle Beklagte gerichtet wird, sondern diese bewusst in getrennten Prozessen vor unterschiedlichen Gerichten verklagt werden und hierdurch gerade nicht zum Ausdruck gebracht wird, dass die Beklagten als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen. Entscheidet die klagende Partei sich nicht für diese Möglichkeit, so muss sie sich hieran festhalten lassen, da § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO keine ausreichende Grundlage bildet, über den Anwendungsbereich des § 147 ZPO hinaus zwei anhängige Verfahren auch dann miteinander zu verbinden, wenn diese bei unterschiedlichen Gerichten anhängig sind (BGH NJW-RR 2011, 929, Tz. 8).

3.

Im Streitfall besteht eine vergleichbare, eine Einschränkung erfordernde Ausgangslage, so dass eine Gerichtsstandsbestimmung nicht getroffen werden kann.

a.

Nach allgemeiner Auffassung ist im Mahnverfahren ein Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts zwar noch nicht zumutbar, bevor nicht feststeht, dass zumindest zwei Antragsgegner Widerspruch oder Einspruch eingelegt haben und infolge dessen eine Gerichtsstandsbestimmung überhaupt erst zulässig ist (BGH NJW 1978, 1982; Musielak/Voit, a. a. O.). Zudem eröffnet das Gesetz dem Antragsteller nicht die Möglichkeit, bereits im Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids von vornherein einen einheitlichen Gerichtsstand anzugeben, da § 690 Abs. 1 Nr. 5 ZPO verlangt, dass das für das streitige Verfahren zuständige Gericht zu bezeichnen ist. Daher kann der Antragsteller nicht immer verhindern, dass es zu einer vorübergehenden Trennung der Verfahren kommt.

b.

Vor diesem Hintergrund kommt es – sofern wie im Streitfall weder eine Beweisaufnahme stattgefunden hat noch eine Sachentscheidung gegen einen der Beklagten ergangen ist - zur Überzeugung des Senats für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Gerichtsstandsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nach vorheriger Einleitung eines Mahnverfahrens ebenfalls entscheidend darauf an, ob die den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids stellende Partei hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass die Beklagten als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen (vgl. Senat, Beschluss vom 19.04.2013 - I-32 SA 9/13, Tz. 4, zitiert nach juris.de).

Dies ist nicht mehr der Fall, wenn das Mahngericht die Verfahren an die unterschiedlichen Streitgerichte abgegeben hat und die klagende Partei ihre Ansprüche gemäß § 697 Abs. 2 ZPO begründet, ohne zugleich einen Antrag nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zu stellen oder aber jedenfalls einen solchen anzukündigen (vgl. BGH NJW-RR 2013, 1531, 1532, Tz. 8). Denn durch die Begründung ihrer Ansprüche gegenüber den unterschiedlichen Streitgerichten gibt die klagende Partei zu erkennen, die Beklagten in getrennten Verfahren gerichtlich in Anspruch nehmen zu wollen.

c.

Bei Anwendung dieser Grundsätze scheidet im Streitfall eine Zuständigkeitsbestimmung aus. Der Kläger hat erst im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 16.12.2013 vor dem Landgericht C mit Antragsschrift vom 04.02.2014, beim Oberlandesgericht eingegangen am 06.02.2014, einen Antrag auf gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit gestellt. Zu diesem Zeitpunkt waren die Anspruchsbegründungen bei den Landgerichten in C und E bereits eingegangen, so dass eine Zuständigkeitsbestimmung im Streitfall nicht mehr in Betracht kommt.

III.

Ob darüber hinaus eine Entscheidungsmöglichkeit auch deshalb nicht eröffnet, ist, weil mit § 32 ZPO ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand der Streitgenossen begründet ist (vgl. hierzu Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 36 ZPO Rn 15), kann angesichts der vorstehenden Ausführungen dahinstehen.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO (vgl. BGH NJW-RR 1987, 757).

D.

Bei der Wertfestsetzung ist der Senat davon ausgegangen, dass dem Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung regelmäßig das Kosteninteresse eines Klägers zugrunde liegt, kein isoliertes neues Verfahren gegen den weiteren Beklagten führen zu müssen. Ausgehend davon ist für die Wertfestsetzung ein geschätzter Ansatz von 20 % der Hauptsache angemessen. Dies entspricht hier einem Betrag von 47.980,90 €, da sich der Gegenstandswert für den Rechtsstreit auf 239.544,49 € beläuft.

RechtsgebietMahnverfahrenVorschriftenZPO §§ 36, 690

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