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06.04.2005 · IWW-Abrufnummer 050942

Oberlandesgericht Köln: Urteil vom 24.02.2005 – 8 U 61/04

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 30.07.2004 - 15 O 232/04 - wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Kläger begehren vom Beklagten Schadensersatz in Höhe von 40.195,77 Euro wegen angeblicher steuerlicher Fehlberatung. Dieser Betrag ergibt sich aus dem Umstand, dass im Zuge einer Gewinnausschüttung der vom Kläger zu 2.) geführten Firma H. GmbH, einer Herstellerin für Kühl- und Heizanlagen, im Jahre 2001 eine Steuermehrbelastung der Kläger im Rahmen ihrer privaten Steuerveranlagung eingetreten ist. Der Beklagte war sowohl hinsichtlich der steuerlichen Angelegenheiten der vom Kläger zu 2.) betriebenen Gesellschaft als auch hinsichtlich der privaten Steuerangelegenheiten der beiden Kläger als Steuerberater tätig. Die Kläger machen eine vermeintliche Falschberatung zur Einkommen- und Kirchensteuer geltend.

Bereits in den Jahren vor 2001 war zwischen den Parteien aufgrund vorangegangener Änderungen des Körperschaftssteuergesetzes über die Frage der Ausschüttungen der im Unternehmen des Klägers zu 2.) angefallenen Gewinne u.a. aus dem Jahr 1998 gesprochen worden. Entsprechend dem Rat des Beklagten wurde zunächst von einer Ausschüttung abgesehen. Ende des Jahres 2001 stellte sich im Hinblick auf eine am 01.01.2002 in Kraft tretende Änderung des Körperschaftssteuergesetzes für den Kläger zu 2.) die Frage, wie mit dem in seiner Gesellschaft im Jahr 1998 angefallenen Gewinn verfahren werden soll. Das Problem der Gewinnausschüttung sprach er im Herbst 2001 gegenüber dem Beklagten erneut an. Dieser empfahl dem Kläger zu 2.) und der von ihm geführten Gesellschaft mit Schreiben vom 29.10.2001 (Bl. 6-7 d.A.), das mit 45 % Körperschaftssteuer belastete Eigenkapital aus dem Jahr 1998 mit Wirkung zum 31.12.2001 nach dem alten Körperschaftssteuerrecht auszuschütten. Dies geschah unter Hinweis darauf, dass sich ausweislich der von ihm vorgenommenen Alternativberechnung bei nicht erfolgter Ausschüttung des Kapitals nach alter Rechtslage ein steuerlicher Verlust in Höhe von 171.431,00 DM für das Unternehmen ergebe, wozu er auf seine - im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 13.07.2004 vorgelegte - dem vorgenannten Schreiben beigefügte Berechnung (Bl. 64 d.A.) verwies. Bei dieser Berechnung versäumte der Beklagte die Einrechnung der Kirchensteuer. Ob und in wieweit sich bei einem Vorgehen nach alter bzw. neuer Rechtslage steuerliche Auswirkungen für die von den Klägern im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung zu zahlende Kirchensteuer ergeben würde, war auch dem Inhalt des Schreibens nicht zu entnehmen. Unstreitig hat der Beklagte die Kläger zudem nicht über die Möglichkeit eines Kirchenaustritts und eine hiermit verbundene Steuerersparnis aufgeklärt.

Entsprechend dem Rat des Beklagten erfolgte die Ausschüttung des Kapitals. Dies bewirkte eine Kirchensteuermehrbelastung der Kläger im Jahr 2001, die unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger zu 2.) die Kirchensteuer wieder als Sonderausgabe berücksichtigen konnte, effektiv zu einer Steuermehrbelastung der Kläger in Höhe der Klageforderung führte.

Die Kläger haben die Auffassung vertreten, der Beklagte habe sie bereits Ende des Jahres 2000, zumindest aber Anfang des Jahres 2001 über die konkreten steuerlichen Folgen der beabsichtigten Ausschüttung der im Jahr 1998 angefallenen Unternehmensgewinne, insbesondere über eine zu erwartende, erheblich höhere Kirchensteuerbelastung belehren und in diesem Zusammenhang frühzeitig auf die Möglichkeit eines Kirchenaustritts zur Vermeidung dieser zusätzlichen Steuerlast informieren müssen. Hierzu haben sie sich auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG Düsseldorf NJW-RR 2003, 1071 ff.) berufen. Sie haben behauptet, dass sie bei entsprechender Aufklärung bereits Anfang des Jahres 2001 aus der Kirche ausgetreten wären. Dies ist unstreitig nach mehr als dreißig Jahren Kirchenmitgliedschaft mit Wirkung zum 30.12.2003 geschehen.

Die Kläger haben beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 40.195,77 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 02.11.2003 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Kläger seien im Hinblick auf den möglichen Austritt aus der Kirche zur Vermeidung der zusätzlichen Steuerbelastung im Zusammenhang mit der Gewinnausschüttung nicht aufklärungsbedürftig gewesen; eine entsprechende Beratungspflicht habe ihn nicht getroffen. Vor der Nachfrage des Klägers zu 2.) im Herbst 2001 habe für ihn keine Veranlassung zu einer Belehrung über die Höhe der bei einer Gewinnausschüttung im Jahre 2001 anfallenden Kirchensteuer bestanden, insbesondere nicht bereits Anfang des Jahres 2001. Zudem hat er hinsichtlich der Höhe des geltend gemachten Schadens die Ansicht vertreten, den Klägern wäre bei entsprechender Beratung allenfalls eine Ersparnis von 3.350,00 Euro zugute gekommen, was einem Anteil von 1/12 der Klageforderung entspricht. Denn bei einer Austrittserklärung im November 2001 wäre der Kirchenaustritt frühestens am 01.12.2001 wirksam geworden mit der Folge, dass allenfalls eine auf diesen Monat bezogene Jahreskirchensteuermehrbelastung hätte vermieden werden können; zuvor habe keine Verpflichtung zu einer Beratung bzw. Aufklärung bestanden.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die Klage abgewiesen und einen Anspruch auf Schadensersatz wegen steuerlicher Fehlberatung aus positiver Vertragsverletzung verneint. Es hat zwar im Kern insoweit eine Pflichtverletzung bejaht, als der Beklagte die Kläger vollständig und umfassend über die ihnen drohenden steuerlichen Folgen der beabsichtigten Ausschüttung hätte aufklären müssen. Indessen habe diese Verpflichtung für den Beklagten nicht bereits im Zusammenhang mit der Änderung des Körperschaftssteuergesetzes Ende des Jahres 2000 bzw. Anfang des Jahres 2001 bestanden, sondern erst im Herbst 2001 aufgrund der konkreten Anfrage des Klägers zu 2.). Hinsichtlich der insoweit bejahten schuldhaften Fehlberatung, aufgrund derer eine Mehrbelastung mit Kirchensteuern für den Monat Dezember 2001 in Höhe von 3.350,00 Euro angefallen sei, führe dies indessen nicht zu einem Schadensersatzanspruch. Es steht nicht fest, dass die Kläger bei entsprechender Beratung durch den Beklagten über eine steuerliche Mehrbelastung in dieser Größenordnung tatsächlich mit Wirkung zum 01.12.2001 aus der Kirche ausgetreten wären. Die Kläger hätten auch unter Berücksichtigung der Beweiserleichterungen des § 287 ZPO nicht dargelegt und nachgewiesen, dass sie bei Kenntnis der in Rede stehenden zusätzlichen Belastung mit Kirchensteuern im Rahmen der Gewinnausschüttung aus der Kirche ausgetreten wären. Abweichend von der Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf in dem zitierten Urteil kämen den Klägern die Grundsätze des Anscheinsbeweises nicht zu Gute.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird gem. § 540 Abs. 1 ZPO auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil (Bl. 79-94 d.A.) Bezug genommen.

Die Kläger haben gegen das Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel, mit dem sie ihren Klageantrag weiter verfolgen, ordnungsgemäß begründet. Unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens meinen sie nach wie vor, dass eine Beratungspflicht bereits vor Oktober 2001, nämlich schon Ende des Jahres 2000 bestanden habe. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kämen ihnen die Grundsätze des Anscheinsbeweises zu Gute, da zum Kirchenaustritt keine ernsthaften Verhaltensalternativen bestanden hätten. Wegen der Einzelheiten ihres Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbegründung vom 26.10.2004 (Bl. 132-136 d.A.) und den weiteren Schriftsatz vom 18.01.2005 (Bl. 165-166 d.A.) Bezug genommen.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Landgerichts Bonn vom 30.07.2004 - 15 O 232/04 - aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an sie 40.195,77 Euro nebst 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.11.2003 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und meint nach wie vor, dass für ihn hinsichtlich der Möglichkeit des Kirchenaustritts ebenso wenig eine Beratungspflicht bestanden habe wie hinsichtlich des Anfalls der Kirchensteuer. Beweiserleichterungen kämen den Klägern nicht zu Gute. Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens des Beklagten wird auf die Berufungserwiderung vom 05.11.2004 (Bl. 144-147 d.A.) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Kläger hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zurecht abgewiesen. Das Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO). Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend einen Anspruch der Kläger gegen den Beklagten aus positiver Vertragsverletzung des Steuerberatungsvertrags verneint.

1. Mit dem Landgericht ist der Senat der Auffassung, dass eine für die Bejahung eines Anspruchs aus positiver Vertragsverletzung notwendige Pflichtverletzung nicht bereits deshalb gegeben ist, weil der Beklagte nicht über die Möglichkeit des Kirchenaustritts und eine damit verbundene Steuerersparnis belehrt hat. Denn als Steuerberater oblag ihm unter Zugrundelegung der Anforderungen der Rechtsprechung zu den allgemeinen Vertragspflichten des Steuerberaters keine entsprechende Hinweis- oder Beratungspflicht.

a. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, der der erkennende Senat folgt, hat der Steuerberater im Rahmen seines Auftrags den Mandanten umfassend zu beraten und ihn über alle bedeutsamen steuerlichen Angelegenheiten und deren Folgen zu unterrichten. Insbesondere muss er seinen Auftraggeber möglichst vor Schaden bewahren, weshalb er den sichersten Weg zu dem erstrebten steuerliche Ziel aufzuzeigen und sachgerechte Vorschläge zu dessen Verwirklichung zu unterbreiten hat. Die Beratung soll den Mandanten in die Lage versetzen, eigenverantwortlich seine Rechte und Interessen wahren und eine Fehlentscheidung vermeiden zu können (vgl. nur BGH DB 2004, 131 ff., m.w.N.; Senat, Urt. v. 21.11.2002, OLGR 2003, 69 ff.). In den durch Inhalt und Umfang des Mandats gezogenen Grenzen hat er den Auftraggeber auch ungefragt über die bei der Bearbeitung auftauchenden steuerlichen Fragen zu belehren, nicht jedoch in Bezug auf Vorgänge, die ihm lediglich bei Gelegenheit des erteilten Auftrags bekannt geworden sind, zu diesem jedoch in keiner unmittelbaren Beziehung stehen. Insoweit gilt anderes aufgrund der den steuerlichen Berater als vertragliche Nebenpflicht treffenden Verpflichtung, den Mandanten vor Schaden zu bewahren, nur hinsichtlich offen zu Tage liegender Fehlentscheidungen des Mandanten (vgl. grundlegend BGH NJW 1995, 958 f.). Dem Steuerberater obliegt in den Grenzen seines Auftrages demnach eine umfassende Beratungspflicht, den Auftraggeber vor vorhersehbaren und vermeidbaren Nachteilen zu bewahren. Ziel dieser Rechtsprechung ist die Aufklärung des regelmäßig sachunkundigen Mandanten über alle steuerrelevanten Umstände, die für seine bevorstehende Entscheidung erheblich sein können. Hierbei hat er auf rechtlich zulässige Möglichkeiten der Steuervermeidung dann hinzuweisen, wenn er beauftragt ist, einen Mandanten über alle steuerlichen Folgen einer beabsichtigten Maßnahme und deren Verhütung zu unterrichten und soweit von der Belehrungsbedürftigkeit des Auftraggebers auszugehen ist (BGH NJW 1997, 518 ff.).

b. Auf dieser Grundlage ist auch die Haftung eines Steuerberaters zum Anfall und Ausmaß von Kirchensteuern im Zusammenhang mit einer geplanten Gewinnausschüttung zu beurteilen. Davon ist nicht nur semantisch die Verletzung einer gedachten Pflicht zur Beratung über den Kirchenaustritt selbst zu unterscheiden (vgl. zutreffend Zugehör, DStR 2003, 1124 ff.). Die Rechtsprechung zum Umfang der Pflichten eines Steuerberaters mag zwar insoweit grundsätzlich auch für eine Beratung über steuerrelevante Umstände, die ein Mandant (konkret) zur Vorbereitung einer höchst persönlichen Lebens-, Glaubens- oder Gewissensentscheidung in Auftrag gegeben hat (vgl. Zugehör, a.a.O.), gelten. Ungeachtet dessen, dass ein solcher Auftrag vorliegend nicht in Rede steht, ist hieraus indessen nicht der Schluss zu ziehen, dass hiermit die Empfehlung des Kirchenaustritts verbunden ist. Mit einer solchen - rein an Vermögensinteressen ausgerichteten - Empfehlung würde der Steuerberater unzulässigerweise in den höchstpersönlichen Entscheidungsbereich seines Auftraggebers eindringen, so dass ein entsprechendes Vorgehen weder vertrags- noch sachgerecht wäre (vgl. Zugehör, a.a.O.; Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 3. Auflage, Rdn. 322). Die Pflicht zur umfassenden Beratung über vermeidbare Steuerbelastungen findet jedenfalls ihre Grenze bei Fragen, die eine höchstpersönliche Entscheidung des Mandanten voraussetzen. Es bleibt allein Sache des Mandanten, ohne fremden Einfluss zu entscheiden, ob er der Mitgliedschaft in einer Kirche aus immateriellen Gründen des Glaubens, des Gewissens und des religiösen Bekenntnisses oder dem materiellen Interesses an einer Ersparnis der Kirchensteuer den Vorrang einräumt, was letztlich seine Bestätigung in Art. 4 GG findet (vgl. Zugehör, a.a.O.). Dies hat auch im vorliegenden Fall zu gelten. Die Beratungspflicht des Beklagten betraf im Hinblick auf die am 01.01.2002 in Kraft getretene Änderung des Körperschaftssteuergesetzes die aufgetreten Frage, wie mit den in der Gesellschaft des Klägers zu 2.) im Jahr 1998 angefallenen Gewinnen verfahren werden soll. Eine Verpflichtung des Beklagten, in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit eines Kirchenaustritts mit der Folge einer Steuerersparnis hinzuweisen, kann hieraus indessen nicht hergeleitet werden.

c. Soweit der von den Klägern herangezogenen Entscheidung des OLG Düsseldorf (NJW RR 2003, 1071 ff.) die Ansicht zu entnehmen sein sollte, die vom Steuerberater geschuldete Beratung umfasse auch den Hinweis, den Anfall von Kirchensteuern durch Austritt aus der Kirche zu vermeiden, wäre dieser Auffassung demnach nicht zu folgen. Allerdings vermag der Senat nicht festzustellen, dass jene Entscheidung von einer so weitreichender Pflicht ausgeht. Das OLG Düsseldorf hat - wenn auch mit weltanschaulich getragenen Ausführungen - lediglich dargelegt, dass zu der von einem Steuerberater geschuldeten Beratung die Darlegung sämtlicher steuerlicher Auswirkungen eines Rechtsgeschäfts gehöre, somit auch die Belehrung über Anfall und Ausmaß der Kirchensteuer. Indessen hat es nicht ausdrücklich festgestellt, dass der Steuerberater seinen Mandanten einen Kirchenaustritt als Mittel der Steuerersparnis hätte empfehlen müssen.

2. Dem Beklagten ist deshalb allenfalls insoweit eine Pflichtverletzung vorzuwerfen, als er aufgrund der konkreten Anfrage der Kläger im Herbst 2001 bedingt durch die Nichtberücksichtigung der Kirchensteuer nicht vollständig und richtig über die Folgen der Gewinnausschüttung beraten hat. Ausgehend davon, dass dies aus den zutreffenden Erwägungen in der angefochtenen Entscheidung, denen sich der Senat anschließt, allenfalls zu einem Anspruch auf Ersatz der Mehrbelastung mit Kirchensteuern für den Monat Dezember 2001 in Höhe von 3.350,00 Euro führen könnte, hat die Klage und damit die Berufung auch insoweit keinen Erfolg. Denn hier ist der Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Schadenseintritt zu verneinen.

a. Zutreffend hat das Landgericht hierzu ausgeführt, dass eine Beratungspflicht und deren Verletzung sich allein aus der im Rahmen des bestehenden Mandats im Oktober 2001 erteilten Anfrage ergibt und infolge dessen hinsichtlich des durch die Gewinnausschüttung bedingten Anfalls der Kirchensteuer eine zuvor bestehende Pflichtverletzung nicht anzunehmen ist. Der Umstand, dass die Parteien bereits in den vorangegangenen Jahren im Zusammenhang mit den seinerzeit in Kraft getretenen Änderungen des Körperschaftssteuergesetzes über die Frage der Ausschüttung der Gewinne gesprochen hatten, begründet keine Verpflichtung des Beklagten, die Kläger bereits aus Anlass der Verkündung des geänderten Körperschaftssteuergesetzes am 23.10.2000, also am Ende des Jahres 2000 bzw. Anfang des Jahres 2001 konkret darüber zu belehren, dass bzw. welche Folgen sich bei der beabsichtigten Ausschüttung der Gewinne aus dem Jahr 1998 ergeben könnten. Eine solche Pflicht ist insbesondere auch nicht hinsichtlich der im Rahmen ihrer privaten Steuererklärung zu zahlende Kirchensteuer zu bejahen. Der konkrete Beratungsbedarf über die steuerlichen Auswirkungen ergab sich für den Beklagten vielmehr erst aufgrund der Anfrage des Klägers zu 2.) im Herbst 2001, als die Gewinnausschüttung im Zusammenhang mit der ab 01.01.2001 in Kraft tretenden Gesetzesänderung anstand. Neue Gesichtspunkte, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, zeigt das Berufungsvorbringen nicht auf.

b. Allerdings ist dem Beklagten nach Inhalt und Umfang des Mandats eine Pflichtverletzung insoweit vorzuwerfen, als er die Kläger aufgrund der konkreten Anfrage im Herbst 2001 nicht vollständig und richtig über das Ausmaß der im Zuge der empfohlenen Gewinnausschüttung der Gesellschaft anfallenden steuerlichen Belastung aufgeklärt hat. Die Beratungspflicht erstreckte sich vorliegend auf eine Belehrung über die Folgen der empfohlenen Gewinnausschüttung. Hierbei hätte jedenfalls im Rahmen der Vergleichsberechnung des Beklagten die anfallende Kirchensteuer berücksichtigt werden müssen. Die Kläger verfolgten mit ihrer Anfrage für den Beklagten erkennbar auch das Ziel, eine vollständige Aufklärung über alle Steuerfolgen einer Gewinnausschüttung der GmbH zu erhalten, um auf dieser Grundlage eigenverantwortlich entscheiden zu können, ob sie die empfohlene Gewinnausschüttung vornehmen oder nicht. Dies dokumentiert die vom Beklagten vorgenommenen Vergleichsberechnung (Bl. 64 d.A.), die - bis auf die Kirchensteuer - die maßgeblichen Positionen beinhaltet. Insoweit steht der Umstand, dass die ordnungsgemäße Beratung, konkret also die vollständige Vergleichsberechnung unter Einbeziehung der anfallenden Kirchensteuer möglicherweise im Zusammenhang mit einer daraus folgenden höchstpersönlichen Entscheidung der Kläger - hier: Kirchenaustritt - gestanden haben mag, einer Pflichtverletzung nicht entgegen (so zutreffend Zugehör, a.a.O.). In Rede steht insofern nämlich nicht die persönliche Entscheidung, die der Steuerberatung entzogen wäre, sondern die Pflicht zur Beratung, welche konkreten, bezifferbaren Folgen sich bei einer Gewinnausschüttung ergeben. Hierzu gehört aber betragsmäßig auch die Kirchensteuerbelastung.

Vor dem Hintergrund, dass der Beklagte aufgrund des ihm erteilten Auftrags die steuerlichen Auswirkungen im Einzelnen berechnet hat, steht der Pflichtverletzung entgegen der Auffassung des Beklagten im übrigen nicht entgegen, dass die Kläger nicht belehrungsbedürftig gewesen seien. Das Landgericht geht insofern zutreffend davon aus, dass der Steuerberater grundsätzlich von der Belehrungsbedürftigkeit seines Auftraggebers bzw. Mandanten auszugehen hat und dies sogar gegenüber rechtlich und wirtschaftlich erfahrenen Personen gilt (BGH NJW 2001, 517 ff.; Zugehör, a.a.O.; jew. m.w.N.). Etwas anderes gilt nur, wenn der Berater mit Sicherheit davon ausgehen kann, dass dem Mandanten Art und Umfang des mit der beabsichtigten rechtlichen Gestaltung verbundenen Risikos in vollem Umfang bekannt sind und es deshalb keiner weitergehenden Belehrungen oder Warnungen des gerade wegen seiner besonderen Sachkunde hinzugezogenen Beraters bedarf, wobei der Berater insoweit darlegungs- und beweispflichtig ist (BGH NJW 1992, 820 f; 1992, 1159 ff.; 2001, 517 ff.; BGH NJW RR 2001, 1351 ff.). Denn die Belehrungspflicht, die vorliegend verletzt worden ist, bezieht sich auf die Pflicht, eine sachgemäße Einschätzung der konkret auf die Kläger zukommenden Steuerlast im Falle der Gewinnausschüttung im Jahre 2001 aufzuzeigen und - wie geschehen, allerdings unvollständig - zu berechnen. Hierzu hätten indessen auch die Daten der vom Beklagten - so seine eigene Begründung im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13.07.2004 (Bl. 59 d.A.) - "vergessenen" Kirchensteuerbelastung gehört. Es ist zudem insoweit weder dargelegt noch erkennbar, dass die Kläger den Umfang der Belastung hätten richtig voraussehen können.

c. Der Beklagte hat mithin zwar die Pflicht zur Beratung über alle Folgen der Gewinnausschüttung durch Nichtberücksichtigung einer Steuerart, und zwar der Kirchensteuern aufgrund der Nachfrage im Herbst 2001 verletzt. Indessen ist insofern der Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung einerseits und dem Eintritt des daraus erwachsenden allgemeinen Vermögensschadens anderseits zu verneinen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Anspruchsteller darzulegen und zu beweisen, dass die schuldhafte Pflichtverletzung den geltend gemachten Schaden verursacht hat. Der Beweis wird erleichtert durch die Anwendung der Vorschrift des § 287 ZPO, die gegenüber den strengeren Anforderungen des § 286 ZPO die Darlegungs- und Beweislast des Mandanten verringert, und der Regeln des Beweises des ersten Anscheins (BGH NJW 2000, 1572 ff., m.w.N.; BGH NJW 1993, 734 f.; 1994, 3295 ff.; 1995, 3248 ff.; 2002, 292 ff.).

aa. Die für eine Beurteilung nach § 287 ZPO geforderten ausreichend greifbaren Anhaltspunkte, die vorliegend eine deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit dafür bieten, dass die Kläger bei pflichtgemäßer Aufklärung über das Ausmaß der Kirchensteuer bereits im Jahre 2001 aus der Kirche ausgetreten wären, sind indessen nicht von ihnen vorgebracht. Insofern vermag der Senat der abweichenden Auffassung des OLG Düsseldorf (a.a.O.) in dem in der Konstellation vergleichbaren Fall nicht zu folgen. Das OLG Düsseldorf knüpft in seiner Entscheidung an die Behauptung des Auftragsgebers an, er habe bereits jahrelang den Kirchenaustritt erwogen und dem Steuerberater erklärt, er werde bei neuen größeren Steuerbelastungen aus der Kirche austreten (vgl. insoweit Zugehör, DStR 2003, 1171 ff.). Diese Umstände sind ebenso wenig wie im vorliegenden Fall die Behauptung der Kläger, sie wären bei Kenntnis der zu erwartenden Kirchensteuerbelastung aus der Kirche ausgetreten, stichhaltige Anhaltspunkte für ein derartiges Wahrscheinlichkeitsurteil. Dies gilt auch, wenn man berücksichtigt, dass der Kläger zu 2.) nach seinem eigenen Vorbringen schon seit dreißig Jahren keine Beziehung mehr zur Kirche gehabt haben will und nur deshalb nicht aus der Kirche ausgetreten sei, weil sein Vater ein überzeugter Christ war und für ihn nach dessen Tod keine Veranlassung mehr bestanden habe, in der Kirche zu verbleiben. Auch der pauschale Vortrag, dass die infolge der Gewinnausschüttung angefallene Kirchensteuer ein Vielfaches der in den Vorjahren bezahlten Steuerbeträge betragen und deshalb jedenfalls aus wirtschaftlichen Gründen der Kirchenaustritt nahe gelegen habe, ändert nichts. Insoweit mag zwar die Auffassung des Landgerichts zweifelhaft sein, dass nicht die mehrbelastende Höhe der Kirchensteuer für das gesamte Jahr 2001 maßgeblich sei, sondern allenfalls die in Betracht kommende Mehrbelastung in Höhe von 3.350,00 Euro. Denn die höchstpersönliche Glaubensentscheidung hängt nicht unbedingt allein von der Höhe der Kirchensteuerbelastung und damit ausschließlich wirtschaftlichen Erwägungen ab, wenn dies im Einzelfall auch der Fall sein kann. Jedenfalls liefern allein die wirtschaftlichen Folgen eines Kirchenaustritts, hier die steuerlichen Vorteile, keine stichhaltigen Anhaltspunkte für ein derartiges Wahrscheinlichkeitsurteil.

Die Begründung des OLG Düsseldorf (a.a.O.) ist im übrigen auch im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislast für den haftungsausfüllenden Ursachenzusammenhang unzutreffend. Sie geht dahin, dass dann, wenn ein Kirchenaustritt objektiv geeignet ist, erhebliche steuerliche Belastungen zu vermeiden, es für die Verneinung des Ursachenzusammenhangs der Feststellung konkreter Anhaltspunkte und sonstiger Umstände bedürfte, die gegen einen Kirchenaustritt des Mandanten sprechen können. Es ist indessen grundsätzlich nicht Sache des Steuerberaters, zur Verneinung des Ursachenzusammenhangs konkrete Anhaltspunkte dafür vorzubringen, dass der Mandant bei einem solchen Hinweis vom Kirchenaustritt abgesehen und die anfallende Kirchensteuer hingenommen hätte. Dies führte zu einer Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast für den haftungsausfüllenden Ursachenzusammenhang zu Lasten des Steuerberaters (zutreffend Zugehör, a.a.O., S. 1171 ff.).

bb. Mit dem Landgericht ist der Senat zudem der Auffassung, dass die Grundsätze des Anscheinsbeweises entgegen der Meinung des Oberlandesgerichts Düsseldorf nicht greifen.

Nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises kann bei einem typischen Geschehensablauf mit Rücksicht auf die Lebenserfahrung von einem bestimmten unstreitigen oder bewiesenen Sachverhalt auf eine bestimmte Folge oder umgekehrt aus einen feststehenden Erfolg auf eine bestimmte Ursache geschlossen werden (vgl. nur BGH NJW 2001, 1140 ff.). Danach kann zu Gunsten des Mandanten als Anspruchsteller eine tatsächliche Vermutung dafür bestehen, dass dieser sich nach der Lebenserfahrung bei pflichtgemäßen Vorgehen seines Beraters beratungsgerecht verhalten hätte. Das gilt aber lediglich dann, wenn bei verständiger Betrachtung nur eine solche Entscheidung und Reaktion des Mandanten sinnvoll und zweckmäßig gewesen wäre, etwa weil diese ihm den größeren Vorteil gebracht hätte. Selbst wenn der Berater keine bestimmte Maßnahme vorzuschlagen, sondern seinen Mandanten nur erschöpfend über die Rechtslage aufzuklären hatte, können die Grundsätze des Anscheinsbeweises anzuwenden sein, wenn bei vernünftiger Sicht allein eine bestimmte Entscheidung des Auftraggebers nahe gelegen hätte. Dagegen entfällt der Anscheinsbeweis, wenn bei pflichtgemäßem Verhalten des Beraters verschiedene vernünftige Handlungsweisen des Mandanten in Betracht gekommen wären (BGH NJW 2002, 593 ff., 594). Die Regeln des Anscheinsbeweises gelten dabei nicht generell und unabhängig davon, ob für die Entscheidungsfindung des Mandanten neben wirtschaftlichen Erwägungen auch religiöse, ideelle oder sonstige Motive eine Rolle spielen. Im höchstpersönlichen Entscheidungsbereich des Mandanten sind die Regeln des Beweises des ersten Anscheins unanwendbar (vgl. BGHZ 31, 351 ff., für individuelle Willensentschlüsse; Zöller/Greger, ZPO, 23. Auflage, Vor § 284 Rdn. 31 m.w.N.; Zugehör, a.a.O., S. 1171 ff.).

Auf dieser Grundlage sind entgegen der Ansicht des OLG Düsseldorfs die Regeln des Anscheinsbeweises unanwendbar in einem Fall, in dem wie hier eine von einem Berater empfohlene Vermögensdisposition eine hypothetische höchstpersönliche Lebens-, Glaubens- und Gewissensentscheidung erfordert hätte und es um die Frage geht, wie diese Entscheidung ausgefallen wäre. Denn hier stehen immaterielle, subjektive Vorstellungen, Empfindungen, Anschauungen, Wertungen und Überzeugungen im Vordergrund, denen wirtschaftliche Erwägungen nachgeordnet sind, wenn dies auch in Einzelfällen umgekehrt sein mag (zutreffend Zugehör, a.a.O., S. 1171 f.). Auch wenn höchstpersönliche Entscheidungen steuerliche und/oder wirtschaftliche Folgen haben, greifen die nur für Vermögensverfügungen geeigneten Kriterien, die den Anscheinsbeweis kennzeichnen, also etwa "Lebenserfahrung", "Vorteil" und "Nachteil" sowie "vernünftige Handlungsweisen", nicht. Es lässt sich in diesem Bereich nicht zwingend mit Hilfe von Erfahrungssätzen feststellen, dass nur eine bestimmte Entscheidung und Reaktion als sinnvoll und zweckmäßig nahe liegt. Bei hypothetischen höchstpersönlichen Entscheidungen fehlt gerade der typische Geschehensablauf, der die Anwendung des Anscheinsbeweises rechtfertigt. Denn nur regelmäßige, übliche, häufige und gleichmäßige Geschehensabläufe berechtigten zu dem Schluss, dass das Geschehen auch im konkreten Fall so gewesen ist bzw. in einem hypothetischen Fall so gewesen wäre, wie es sich in Fällen dieser Art regelmäßig abzuspielen pflegt, es sich also um einen Ablauf nach "Muster" handelt (vgl. BGH NJW RR 1988, 789 ff.). Einen Erfahrungssatz, das steuerliche oder wirtschaftliche Vorteile zum Kirchenaustritt führen, gibt es demnach nicht. Der Anschein spricht daher nicht dafür, dass sich die Kläger bei vollständiger und damit richtiger Beratung zu einem Kirchenaustritt entschlossen hätten, weil dies bei wirtschaftlicher Betrachtung die einzig mögliche Entscheidungsalternative gewesen wäre, durch die sie sich der drohenden Kirchensteuerlast hätten entziehen können. Die hierfür erforderliche deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit für einen Kirchenaustritt der Kläger bei pflichtgemäßer Beratung durch den Beklagten kann nicht angenommen werden.

Da die Kläger hinsichtlich des hier in Rede stehenden, dem Beklagten vorzuwerfenden Pflichtverstoßes die haftungsausfüllende Kausalität nicht dargelegt und bewiesen haben und ihnen auch die Beweiserleichterung des § 287 ZPO nicht weiter helfen, steht ihnen auch insoweit kein Schadensersatzanspruch zu.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache im Hinblick darauf, dass der Umfang von Beratungspflichten des Steuerberaters über steuerliche Aspekte einer höchstpersönlichen Entscheidung in Rede steht, grundsätzliche Bedeutung hat, § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 40.195,77 Euro.

RechtsgebietZPOVorschriftenZPO § 286 ZPO § 287 ZPO § 529 ZPO § 540 Abs. 1

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