18.03.2005 · IWW-Abrufnummer 050790
Verwaltungsgericht Koblenz: Urteil vom 02.12.2004 – 7 K 2188/04.KO
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
VERWALTUNGSGERICHT KOBLENZ
URTEIL
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Verwaltungsrechtsstreit
1. der Frau ...
2. des Herrn ...
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte: zu 1-2: Rechtsanwälte
gegen
die Verbandsgemeinde...,
vertreten durch den Bürgermeister,
- Beklagter -
beigeladen:
Herr ...
wegen Baurechts
hat die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 02. Dezember 2004, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Dr. Fritz
Richter am Verwaltungsgericht Karst
Richter am Verwaltungsgericht Graf
ehrenamtlicher Richter Bauzeichner Krämer
ehrenamtliche Richter Dozent Pauly
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Kläger begehren ein bauaufsichtliches Einschreiten der Beklagten gegen den Beigeladenen.
Sie sind Inhaber eines grundbuchlich gesicherten lebenslänglichen Wohnrechtes an dem Grundstück Gemarkung B., Flur ..., Flurstück 115/1 in B.-F. (B.- Weg ...).
Der Beigeladene ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Nachbargrundstückes Flur ..., Flurstücke 191/113 und 190/113. Auf dem Grundstück hält er insgesamt 5 auf einem eingezäunten Teil des Anwesens frei laufende Huskies sowie einen Mischlingshund. Im rückwärtigen Bereich der Parzelle 191/113 wurde unmittelbar an das Wohnhaus angrenzend eine zwingerartige Konstruktion aus Metallzaunelementen errichtet.
Beide Grundstücke liegen im unbeplanten Innenbereich.
Mit Schreiben vom 25. November 2002 beantragten die Kläger bei der Beklagten, dem Beigeladenen die Hundehaltung auf dem Nachbargrundstück zu untersagen, da das Gebell und Geheul der Tiere tags wie nachts zu einer unzumutbaren Lärmbelästigung und darüber hinaus zu erheblichen Geruchsbelästigungen unmittelbar an der Grundstücksgrenze führe.
Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 12. August 2003 sowie ? nach erneuter Aufforderung ? nochmals mit Schreiben vom 10. Dezember 2003 ein Einschreiten ab. Dazu führte sie im Wesentlichen aus, die Umgebungsbebauung entspreche einem Allgemeinen Wohngebiet. Bei der Haltung der Huskies handele es sich um eine reine Hobbytierhaltung. Auch verursachten die bereits seit 1995 auf dem Grundstück gehaltenen Tiere keine unzumutbaren Belästigungen. Bei zwei Ortbesichtigungen habe man kein Gebell feststellen können. Anhaltendes Gebell entspreche auch nicht der Natur von Huskies. In den vergangenen 7 Jahren seien zudem weder von den Klägern noch von Dritten Störungen durch die Tiere geltend gemacht worden. Danach sei die Geltendmachung subjektiver Nachbarrechte bereits seit längerer Zeit verwirkt. Für ein Einschreiten wegen einer objektiven Rechtsverletzung sehe man nach pflichtgemäßer Ermessensausübung keinen Anlass.
Über einen hiergegen seitens der Kläger mit Schreiben vom 07. Januar 2004 erhobenen Widerspruch ist bislang noch nicht entschieden.
Am 15. Juli 2004 haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung machen sie im Wesentlichen geltend, dass es durch die ganztägig freilaufenden Tiere zu einer erheblichen Überschreitung der nach der Art der Umgebungsbebauung hier maßgeblichen Immissionsrichtwerte für ein Allgemeines Wohngebiet komme. Danach sei die Haltung von 5 Huskies in der Örtlichkeit auch dann unzulässig, wenn sie nur hobbymäßig betrieben werde. Auch seien die Nachbarrechte der Kläger nicht verwirkt, und zwar weder in Bezug auf die Beklagte noch auf den Beigeladenen. Beim Einzug des Beigeladenen im Jahre 1995 habe es zunächst nur einen Hund gegeben. Etwa 1997 seien es dann 5 Hunde gewesen.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte zu verurteilen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts gegen die Errichtung der Hundezwinger und das Halten von 5 Huskies einzuschreiten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
und verweist dazu auf ihre Schreiben vom 12. August und vom 10. Dezember 2003.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
Er trägt insbesondere vor, dass sich die Huskies bereits seit 9 Jahren auf dem Grundstück befänden. Der Vorwurf einer unzumutbaren Lärmbelästigung sei völlig aus der Luft gegriffen. Eventuelle Geruchsbelästigungen im Bereich der Grundstücksgrenze rührten nicht von den Huskies, sondern von einem auf dem Nachbargrundstück gehaltenen Kater her. Die Umgebungsbebauung entspreche auch nicht einem Allgemeinen Wohngebiet, sondern einem Mischgebiet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie 1 Heft Verwaltungsakten, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die ? auch ohne vorherige Durchführung eines Vorverfahrens nach den §§ 68 ff. VwGO als so genannte Untätigkeitsklage im Sinne des § 75 VwGO zulässige - Klage ist unbegründet.
Die Ablehnung des beantragten bauaufsichtlichen Einschreitens gegen den Beigeladenen ist rechtlich nicht zu beanstanden und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Anspruchsgrundlage für das begehrte Tätigwerden der Beklagten ist § 81 Satz 1 LBauO. Danach kann dann, wenn bauliche Anlagen oder andere Anlagen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 LBauO gegen baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoßen, die Bauaufsichtsbehörde deren teilweise oder vollständige Beseitigung auf Kosten der nach § 54 LBauO Verantwortlichen anordnen oder die Benutzung der Anlagen untersagen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.
Vorliegend kann indessen offen bleiben, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten vorliegen. Insbesondere bedarf es keiner Klärung, welcher Gebietscharakter gemäß § 34 Abs. 2 BauGB bei der Prüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit der Husky-Haltung und der hierzu errichteten Zwingerkonstruktion zugrunde zu legen wäre, ob eine Tierhaltung dieser Größenordnung den Rahmen der für eine Wohnnutzung in einem Allgemeinen Wohngebiet bzw. einem Mischgebiet (§§ 4 bzw. 6 BauNVO) typischen Freizeitbeschäftigung überschreiten würde sowie ? verneinendenfalls -, ob eine derartige Nutzung im vorliegenden Einzelfall nicht etwa wegen von ihr verursachter Belästigungen oder Störungen im Sinne des § 15 BauNVO unzulässig wäre.
Selbst wenn nämlich danach die Voraussetzungen für ein bauaufsichtliches Einschreiten der Beklagten vorlägen, könnten die Kläger dieses rechtlich nicht verlangen.
Zwar ist das Ermessen der Bauaufsichtsbehörde bei durch Verstöße gegen nachbarschützendes Baurecht herbeigeführten Verletzungen eines Nachbarn in eigenen Rechten regelmäßig auf ein Einschreiten reduziert, weil bei sachgerechter Interessenabwägung den Belangen des rechtswidrig beeinträchtigten Nachbarn Vorrang einzuräumen ist (vgl. etwa OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. März 1997, 1 A 12051/96.OVG).
Vorliegend wäre jedoch ein öffentlich-rechtliches Abwehrrecht der Kläger gegen die von ihnen beanstandete Nutzung auch dann, wenn es ursprünglich bestanden haben sollte, zwischenzeitlich verwirkt mit der Folge, dass das Ermessen der Beklagten hierdurch bereits keiner Einschränkung unterläge und überdies die Entscheidung, nicht einzuschreiten, die Kläger auch nicht in ihren eigenen Rechten verletzen würde.
Der Einwand der Verwirkung öffentlich-rechtlicher Abwehrrechte des Nachbarn beruht im Regelfall einerseits auf der Untätigkeit des Berechtigten über einen längeren Zeitraum, dem sog. Zeitmoment, und andererseits auf dem Hinzutreten besonderer Umstände.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof stellt hierzu in seinem Beschluss vom 28. März 1990, 20 B 89.3055, BauR 1990, 593 fest, in bestimmten Fällen könne jedoch auch der Zeitablauf alleine für die Annahme einer Verwirkung ausreichen. Unter Berücksichtigung der sich aus dem sog. ?nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis? ergebenden beidseitigen Rücksichtnahmepflichten müsse, so der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, der Grundstückseigentümer selbst bei ungenehmigten Nutzungen spätestens nach einigen Jahren Gewissheit haben, ob sich der Nachbar mit ihnen abgefunden hat; es wäre für ihn unzumutbar, wenn der Nachbar sein Einschreiten gegen die Nutzung auf unbegrenzte Zeit in der Schwebe halten könnte.
Nichts anderes ergibt sich aber auch dann, wenn man mit dem Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 16. April 2002, 4 B 8/02, BauR 2003, 1031, zwar auf dem kumulativen Vorliegen eines zusätzlichen besonderen Umstandsmomentes besteht, als solches jedoch ein ?Nichtstun? des Nachbarn ausreichen lässt, falls der Nachbar aus dem ?nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis? zu positivem Tun verpflichtet war. Eine solche Verpflichtung besteht anerkanntermaßen (vgl. etwa BVerwG, a. a. O.) etwa zur Abwendung eines wirtschaftlichen Schadens. Nichts anderes kann nach Auffassung der Kammer auch dann gelten, wenn statt wirtschaftlicher Belange für den Nachbarn erkennbar ein gewichtiges immaterielles Interesse an der Fortführung der streitgegenständlichen Nutzung in Rede steht. So aber liegt es hier. Bei der Haltung von Hunden über Jahre hinweg entspricht es ? zumindest, soweit es sich wie hier um eine Hobby-Tierhaltung handelt - allgemeiner Lebenserfahrung, dass mit der Zeit eine vertiefte emotionale Beziehung zwischen Mensch und Tier entsteht, die es für den Halter als schwerwiegenden Eingriff erscheinen ließe, die Tiere nach so langer Zeit wieder weggeben zu müssen. Anhaltspunkte dafür, dass es sich vorliegend anders verhalten könnte, vermag die Kammer nicht zu erkennen; im Gegenteil haben der Beigeladene und seine Lebensgefährtin in der mündlichen Verhandlung am 02. Dezember 2004 den täglichen Umgang mit den Huskies glaubhaft und auch durch ein offensichtlich vorhandenes profundes Fachwissen untermauert als einen wesentlichen Lebensinhalt geschildert.
Danach ist hier davon auszugehen, dass ein öffentlich-rechtliches Abwehrrecht des Klägers ? so es überhaupt bestanden haben sollte ? jedenfalls verwirkt ist. Selbst wenn wie klägerseits behauptet die volle Anzahl der auf dem Grundstück des Beigeladenen gehaltenen Tiere erst im Jahre 1997 erreicht worden sein sollte, hätte die konkret streitgegenständliche Haltung von 5 Huskies im Zeitpunkt des an die Beklagten gerichteten Antrages auf Einschreiten bereits seit rund 5 Jahren von den Klägern unbeanstandet stattgefunden. Mit Blick etwa auf die gesetz-geberische Wertung in § 51 Abs. 1 Satz 1 des Nachbarrechtsgesetzes Rheinland-Pfalz vom 15. Juni 1970 (GVBl. S. 198), wonach der Anspruch auf Beseitigung von Anpflanzungen ohne ausreichenden Grenzabstand ausgeschlossen ist, wenn der Nachbar nicht innerhalb von 5 Jahren nach dem Anpflanzen Klage auf Beseitigung erhoben hat, erscheint der Kammer jedenfalls das rügelose Verstreichenlassen dieses Zeitraumes durch die Kläger ausreichend, um eine Verwirkung anzunehmen. Ob hierzu vorliegend möglicherweise sogar ein kürzerer Zeitraum genügt hätte ? der Bayerische Verwaltungsgerichtshof spricht in seinem zitierten Urteil eine Verwirkungsfrist von 3 Jahren an, ohne sich allerdings auf eine solche festzulegen; zudem ist bei der Haltung von ausgewachsenen Tieren anders als etwa bei regelmäßig noch wachsenden Anpflanzungen im Sinne des § 51 Nachbarrechtsgesetz der volle Umfang der hierdurch verursachten Beeinträchtigungen unmittelbar erkennbar und damit auch dem Nachbarn zuzumuten, eventuelle Einwände hiergegen geltend zu machen ? bedarf mithin keiner weiteren Klärung.
Danach war die Klage abzuweisen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 154 Abs. 1, 159, 167 VwGO. Davon, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen den Klägern aufzuerlegen, war nach § 162 Abs. 3 VwGO abzusehen, da der Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich damit gemäß § 154 Abs. 3 Satz 1 VwGO seinerseits ebenfalls keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
Gründe für eine Zulassung der Berufung nach den §§ 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO liegen nicht vor.
Rechtsmittelbelehrung
Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz beantragen. Dabei müssen sie sich durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte und Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.
Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Koblenz, Deinhardplatz 4, 56068 Koblenz, E-Mail-Adresse: gbk.vgko@vgko.jm.rlp.de, schriftlich, in elektronischer Form oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Deinhardplatz 4, 56068 Koblenz, E-Mail-Adresse: gbk.ovg@ovg.jm.rlp.de, schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen.
Die elektronische Form wird durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die den Maßgaben der Landesverordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 07. Dezember 2004 (GVBl. S. 542) entspricht und als Anhang einer elektronischen Nachricht (E Mail) zu übermitteln ist.
Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,-- ? festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).
Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der Beschwerde angefochten werden.