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17.09.2004 · IWW-Abrufnummer 042417

Landgericht Heilbronn: Urteil vom 05.05.2004 – 7 S 1/04

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Geschäftsnummer
7 S 1/04 Wa
1 C 201/03 Amtsgericht
Brackenheim

Landgericht Heilbronn
7. Zivilkammer

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Berufungsverfahren xxx

wegen Schadensersatz

hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn auf die mündliche Verhandlung vom 21. April 2004 unter Mitwirkung von XXX

für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung der Beklagten Ziffer 1 wird das Urteil des Amtsgerichts Brackenheim vom 19.12.2003, Aktenzeichen 1 C 201/03, abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt der Kläger.

4. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

5. Gegen dieses Urteil wird die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Streitwert für die Berufungsinstanz: 1780,21 ?

Tatbestand

Bezüglich des Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf das erstinstanzliche Urteil (Bl. 75a ff d.A.) Bezug genommen. Das Urteil wurde den Parteivertretern jeweils am 15.12.2003 zugestellt (Bl. 81f d.A.). Die Berufung der Beklagten Ziffer 1 (Bl. 83 d.A.) ging am 08.01.2004, die Berufungsbegründung (Bl. 89ff d.A.) am 13.02.2004 beim Landgericht Heilbronn ein. Die sogleich mit Begründung versehene Anschlussberufung des Klägers (Bl. 95 ff d.A.) ging am 17.02.2004 beim Landgericht Heilbronn ein. Mit Berufung erstrebt die Beklagte Ziffer 1 die Abweisung der Klage. Der Kläger erstrebt über seine Anschlussberufung die Verurteilung der Beklagten Ziffer 1 auch zur Erstattung des Nutzungsausfalls in Höhe von 236,00 ?, welche ihm durch das Amtsgericht versagt wurde.

Entscheidungsgründe

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten Ziffer 1 ist begründet. Die zulässige Anschlussberufung ist unbegründet. Die gegen die Beklagte Ziffer 1 gerichtete Klage ist unschlüssig.

I.

Zurecht hat das Amtsgericht eine Haftung der Beklagten Ziffer 1 aus §§ 823 Abs. 1 5.Var. BGB verneint. Die im Unfallzeitpunkt siebenjährige Beklagte Ziffer 1 ist für die Beschädigung des PKW des Klägers nach § 828 Abs. 2 Satz 1 in der seit dem 1. August 2002 gültigen Fassung (Artikel 229 § 8 Abs. 1 EGBGB) nicht verantwortlich.

Die Beklagte Ziffer 1 haftet dem Kläger auch nicht über § 829 BGB.
Nach dieser Vorschrift ist eine auf Grund der §§ 827, 828 BGB nicht verantwortliche Person für einen von ihr verursachten Schaden unter bestimmten Umständen insoweit ersatzpflichtig, als die Billigkeit die Schadloshaltung des Geschädigten nach den Umständen, insbesondere nach den Verhältnissen der Beteiligten, erfordert. Vorliegend erfordert die Billigkeit eine Schadensersatzpflicht der Beklagten Ziffer 1 nicht. Die für die Beklagte Ziffer 1 bestehende Familienhaftpflichtversicherung begründet auch nach der Neuregelung des § 828 Abs. 2 Satz 1 BGB durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 nicht deren Haftung nach § 829 BGB.

An die Erfüllung des Tatbestandes des § 829 BGB sind hohe Anforderungen zu stellen. § 829 BGB stellt im Haftungssystem des Bürgerlichen Gesetzbuches eine Ausnahmevorschrift dar. Auf dies Vorschrift kann eine Haftung nicht schon gestützt werden, wenn es die Billigkeit erlaubt. Vielmehr müssen die gesamten Umstände des Falles eine Haftung des schuldlosen Schädigers aus Billigkeitsgründen ?erfordern? (BGHZ 127, 186, 192; BGH NJW 1979, 2096,2097 linke Spalte).

Dies setzt ein wirtschaftliches Gefälle voraus, also erheblich bessere Vermögensverhältnisse des Schädigers gegenüber dem Geschädigten (BGH NJW 1979, 2096). Dabei hat es der Bundesgerichtshof bisher abgelehnt, das Bestehen einer freiwilligen Versicherung haftungsbegründend heranzuziehen, wenn eine Ersatzpflicht sonst bei Berücksichtigung aller Umstände nicht bestände. Eine solche Versicherung kann allenfalls im Rahmen der Korrektur eines wegen sonstiger Umstände nach § 829 BGB zu zahlenden Betrages berücksichtigt werden (BGHZ 76, 279, 283; 127, 186, 190f; vgl. Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl. 2004; § 829 Rn 19). Hieran hat sich durch die Neuregelung des § 828 Abs. 2 Satz 1 BGB nichts geändert (vgl. AG Ahaus, NJW-RR 2003, 1184; AG Marburg, ZfS 2003, 443).
Mit der Neufassung des § 828 Abs. 2 BGB hat der Gesetzgeber die Verantwortlichkeit von Kindern im Straßenverkehr bewusst eingeschränkt und das Risiko, durch im Straßenverkehr unerfahrene Kinder einen Schaden zu erleiden, den anderen Verkehrsteilnehmern aufgebürdet. Ausweislich des Regierungsentwurfes zum zweiten Schadensersatzrechtsänderungsgesetz (BR-Drucksache 742/01, Seite 37) hat der Gesetzgeber auch gesehen, dass mit der Neuregelung des § 828 Abs. 2 BGB eine Haftung Minderjähriger nach § 829 BGB ?stärker in den Blick genommen? werden kann (vgl. Eggert, Verkehrsrecht aktuell 3/03). Hätte er in Abweichung von der langjährigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGHZ 76, 279, 283; NJW 1979, 2096, 2097, jeweils mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen) alleine das Bestehen einer freiwilligen Haftpflichtversicherung für eine Billigkeitshaftung nach § 829 BGB ausreichen lassen wollen, hätte ihm eine entsprechende Änderung des § 829 BGB freigestanden. Dies hat er gleichwohl nicht getan. Wollte man nun dennoch über eine geänderte Auslegung dieser Vorschrift das bloße Bestehen einer Haftpflichtversicherung für eine Haftung nach § 829 BGB ausreichen lassen, würde das auch weiterhin Tatbestand dieser Norm vorhandene Billigkeits-?Erfordernis? vollständig ausgehöhlt. Angesichts der weiten Verbreitung freiwilliger Haftpflichtversicherungen führte § 828 Abs. 2 BGB entgegen seinem aus dem Wortlaut erkennbaren Zweck, geistigen Unzulänglichkeiten von Kindern im Straßenverkehr Rechnung zu tagen, sogar zu einer Ausweitung ihrer Haftung. Dieses Ergebnis wäre widersinnig. Zudem ginge der Ausnahmecharakter des § 829 BGB im Haftungssystem des Bürgerlichen Gesetzbuches verloren.

Nach diesen Grundsätzen kommt eine Haftung der Beklagten Ziffer 1 vorliegend nicht in Betracht. Der Sachverhalt bietet keine ausreichenden Anhaltspunkte, aus denen heraus die Billigkeit eine Haftung der Beklagten Ziffer 1 gegenüber dem Kläger erfordert. Einziges Argument des Klägers ist insoweit das Bestehen der Familienhaftpflichtversicherung, welches alleine jedoch aus den genannten Gründen eine Haftung nicht zu begründen vermag.

II.

Mangels Schlüssigkeit der Klage ist auch die Anschlussberufung unbegründet.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO sowie einer analogen Anwendung des § 708 Nr. 10 ZPO.

Gegen dieses Urteil wird gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO die Revision zugelassen. Die Rechtsfrage, ob durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 und die damit verbundene Neuregelung der Haftung Minderjähriger im Straßenverkehr in §§ 828 Abs. 2 BGB der Anwendungsbereich des § 829 BGB im Hinblick auf eine bestehende freiwillige Haftpflichtversicherung erweitert wurde, hat grundsätzliche Bedeutung. Es handelt sich um eine noch nicht höchstrichterlich entschiedene, klärungsbedürftige Rechtsfrage, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist (BGHZ 151, 221; Zöller, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 543 Rn 11 m.w.N.).

RechtsgebietBGBVorschriften§ 823 Abs. 1 BGB § 828 Abs. 2 Satz 1 BGB § 829 BGB

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