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29.07.2004 · IWW-Abrufnummer 042007

Prozessrecht aktiv 08/2004

Taktische Überlegungen des Gläubigeranwalts bei der Erledigung




  • Bestreitet der Schuldner wahrheitswidrig, um dadurch zumindest noch zu erreichen, dass die Kosten gegeneinander aufgehoben werden, muss der Klägeranwalt im Fall der Beweisbarkeit erreichen, dass eine Beweisaufnahme durchgeführt wird. Das ist nicht einfach, denn wegen der Zahlung des Gegners (oder eines Dritten) ist die Klageforderung erfüllt und die Klage deshalb unbegründet und abweisungsreif, falls der Kläger nicht für erledigt erklärt. Im Fall der Erledigungserklärung wird das Gericht regelmäßig keine mündliche Verhandlung durchführen.

    Der Klägeranwalt muss das Gericht also auch zu einer mündlichen Verhandlung zwingen. Das ist noch relativ einfach, denn hierzu ist nur erforderlich, dass die Erledigungserklärung für den Kläger zunächst nicht abgegeben wird. Dies zwingt auch einen deshalb nicht gerade erfreuten Richter zur mündlichen Verhandlung, denn ohne Erledigungserklärung muss (nach mündlicher Verhandlung) durch Urteil entschieden werden.

    Eine Gefahr besteht für den Kläger nicht, denn die erforderliche Erledigungserklärung kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung abgegeben werden. In der mündlichen Verhandlung bei der Antragstellung muss dann für erledigt erklärt werden, denn die ursprüngliche Klage ist unbegründet geworden.

    Zu einer Beweisaufnahme dazu, dass die Klage vor der Zahlung durch den Gegner begründet war, kann der Kläger das Gericht wie folgt zwingen:

  • Wenn sich der Beweis durch Urkunden führen lässt, können diese im Termin vorgelegt werden. Bei Privaturkunden ist nur zu beachten, dass es die Originalurkunden sind, denn der Beweis ist nur durch Vorlage (nicht deren Ankündigung!) des Originals zu führen (BGH NJW-RR 89, 1323). Bei öffentlichen Urkunden genügt eine beglaubigte Abschrift (§ 435 ZPO).

  • Beim Zeugenbeweis ist es schwieriger, denn das Gericht wird wegen der Erfüllung keine Zeugen laden. Hier muss also der Klägeranwalt dafür sorgen, dass die Zeugen im Termin präsent sind. Er muss seinen Mandanten informieren, dass dieser für das Erscheinen der nicht vom Gericht geladenen Zeugen sorgt. Sind im Termin Zeugen anwesend, muss der Anwalt noch das Gericht davon überzeugen, dass es die Zeugen vernimmt. Diese Konstellation kommt vor Gericht sehr selten vor und ist vielen Richtern unbekannt. Die Erledigung der Hauptsache wird nämlich vielfach gleichgesetzt mit: Keine Beweisaufnahme mehr.

    Praxishinweis: Hier sollte der Klägeranwalt die Prozessbeteiligten mit entsprechenden Zitaten überraschen (Mü-Ko/Lindacher, ZPO, 2. Aufl., § 91a Rn. 52; Musielak/Wolst, a.a.O., § 91a Rn. 22; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 91a Rn. 26).


    Allerdings ist die veröffentlichte Rechtsprechung und ein Teil der Literatur anderer Ansicht. Außerdem kann der Beklagte, wenn er nicht überrascht wird, die Zeugenvernehmung dadurch verhindern, dass er seinerseits (nicht präsente) Zeugen benennt; die Durchführung eines neuen Beweisaufnahmetermins wird ganz überwiegend für unzulässig erachtet.


    Weigert sich das Gericht unter Hinweis auf andere Entscheidungen, eine Vernehmung präsenter Zeugen durchzuführen oder hat der Kläger keine Beweismittel, bleibt ihm nur die Chance, das unredliche Verhalten des Beklagten offen zu legen. Hier kann die Argumentation lauten: Warum wird gezahlt (gleich, ob vom Gegner oder einem Dritten), obwohl angeblich die Klageforderung nicht besteht?

  • Zahlt der Gegner, erklärt die Erledigung und erkennt sogar die Kostenlast an, muss der Anwalt des Klägers nur noch die Erledigung erklären. Ein Kostenantrag ist nicht erforderlich, da von Amts wegen entschieden wird.

    Um nicht unnötig zu einer Verhandlung zu müssen, sollte die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und eine evtl. erforderliche Aufhebung eines bereits anberaumten Termins beantragt werden. Ob das Gericht später im Kostenfestsetzungsverfahren von dem Wegfall zweier Gerichtsgebühren ausgeht oder nicht, kann dem Klägeranwalt so lange gleichgültig sein, wie sicher ist, dass eine Kostenerstattung durch den Beklagten erfolgen wird. Ist dies zweifelhaft, sollte sich der Kläger auf die Entscheidung des OLG München (NJW-RR 03, 1656) beziehen.

  • Begleicht der Gegner nur die Zinsforderung nicht, muss der Klägeranwalt seinen Mandanten fragen, ob er hierauf besteht. Ist dies der Fall, muss wegen der Zinsen weiter prozessiert werden.

  • War die Klageforderung nicht fällig und reagiert der Gegner hierauf richtig mit Protest gegen die Kostenlast, hat der Klägeranwalt keine Chance. Ausnahme: Der Gegner zahlt bei Fälligkeit nicht sofort. Hier ist zu empfehlen, zunächst überhaupt nicht zu reagieren (es ist ja nur anerkannt, aber noch nicht „erledigt“ worden). In einem Verhandlungstermin ist darauf hinzuweisen, dass das Anerkenntnis, wie die Nichtzahlung zeige, offenbar nur ein „Lippenbekenntnis“ war und deshalb auf eine Veranlassung zur Klageerhebung zu schließen ist. Dann findet § 93 ZPO keine Anwendung. Ist die Frage der Fälligkeit aus tatsächlichen Gründen streitig und zu Gunsten des Klägers beweisbar, muss entsprechender Beweis angeboten werden.

  • Bei Einreden des Gegners ist deren Auswirkung auf die Klageforderung zu prüfen. Falls noch möglich, sollte ein erforderlicher Zug-um-Zug-Antrag nachgeholt werden.

  • Rechnet der Beklagte mit einer Forderung auf, gegen die der Kläger schon vorprozessual hätte aufrechnen können, sind die Chancen des Klägers schlecht. Es müsste geprüft werden, ob für den Kläger ein Aufrechnungsverbot bestand. Häufig vergessen werden aus AGB resultierende Aufrechnungsverbote. Zu prüfen ist auch, ob der Kläger evtl. vorprozessual mit einer anderen Forderung gegen diejenige des Beklagten aufgerechnet hat. Zur Kostentragung des Beklagten kann der Kläger dann noch kommen, wenn ihm eine weitere Forderung gegen den Beklagten zusteht, mit der er gegen die Aufrechnungserklärung des Beklagten hätte aufrechnen können.

    Dies kann er (gleiche Beträge unterstellt) zwar nicht mehr, wenn der Beklagte bereits die Aufrechnung erklärt hat und dadurch seine und die Klageforderung erloschen sind (§ 389 BGB). Hier kann der Kläger aber geltend machen, die Klageerhebung sei nicht mutwillig gewesen, denn er habe vorgehabt, mit der nicht rechtshängig gemachten Forderung aufzurechnen.



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