02.07.2004 · IWW-Abrufnummer 041656
Kammergericht Berlin: Urteil vom 11.02.2003 – 27 U 430/01
Hat der Auftragnehmer die Gewährung eines Nachlasses an eine Bedingung - hier: Erteilung von Wartungsaufträgen innerhalb von sechs Monaten nach Gesamtbaufertigstellung - geknüpft, muss der Auftraggeber ggfs. darlegen und beweisen, dass der Bedingungseintritt vom Auftragnehmer treuwidrig vereitelt wurde.
KG, Urteil vom 11.02.2003 - 27 U 430/01
In dem Rechtsstreit
....
hat der 27. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. Februar 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht K####, den Richter am Landgericht A#### und die Richterin am Kammergericht S#### für Recht erkannt:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 10. Oktober 2001 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin --23 O 8/01 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Wegen des Sachverhalts in erster Instanz einschließlich der dort gestellten Anträge des Urteilstenors und der Entscheidungsgründe wird auf das am 10. Oktober 2001 verkündete Urteil der Zivilkammer 23 des Landgerichts Berlin - 23 O 8/01 - Bezug genommen. Das Urteil ist der Beklagten am 29. Oktober 2001 zugestellt worden. Sie hat dagegen am 28. November 2001 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 28. Januar 2002 am 22. Januar 2002 begründet.
Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag insoweit weiter, als das Landgericht der Klage wegen der von den Klägern vorgenommenen Nachberechnungen vom 10. März 2000 in Höhe von 87.412,92 DM stattgegeben hat. Die Beklagte ergänzt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und hält daran fest, dass die Voraussetzungen für die 1%-ige Nachlassgewährung auf die Nettogesamtsummen der ersten Teilschlussrechnung vom 15. Dezember 1998 und der vierten Teilschlussrechnung vom 30. Dezember 1998 vorliegen und die Kläger daher zu keiner entsprechenden Nachberechnung ihrer Werklohnforderungen berechtigt seien.
Die Beklagte trägt insbesondere vor:
Bis heute sei es zu Keiner Gesamtbaufertigstellung gekommen, denn noch immer seien die Kläger mit Mängelbeseitigungsarbeiten beschädigt. Wartungsverträge seien am 1. Juli bzw. am 1. August 2000 abgeschlossen worden. Im Jahre 1999 habe es nur unzureichende Angebote für Wartungsverträge seitens der Kläger gegeben. Die ersten Angebote hätten sich nur auf den ursprünglich vereinbarten Leistungsumfang bezogen, obwohl im weiteren Verlauf längst erheblich geänderte bzw. zusätzliche Leistungen erforderlich gewesen seien. Erstmals im Frühjahr2000 hätten die Kläger angemessene und prüffähige Angebote vorgelegt. Nach deren Vorlage seien die Wartungsverträge rechtzeitig innerhalb der sechsmonatigen Frist abgeschlossen worden. Hinsichtlich der Heizung sei ein Abschluss nicht möglich gewesen, da die insoweit zuständige #### zwischenzeitlich in Insolvenz gegangen sei und die Wartungsleistungen gar nicht mehr hätten ausgeführt werden können. Die Beklagte meint, die Nachlassgewährung sei ohnehin nicht von einer zeitlichen Komponente abhängig. Zudem seien Wartungsverträge bzgl. aller Leistungen der Kläger für die Nachlassgewährung gar nicht erforderlich gewesen.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 10. Oktober 2001 verkündeten Urteils des Landgericht Berlin, 23 O 8/01, die Klage auch insoweit abzuweisen, als die Beklagte verurteilt wurde, an die Kläger einen Betrag in Höhe von 87.412,92 DM.(=44.693,52 Euro) nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 5. März 2001 zu zahlen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens angefochtene Urteil.
Die Kläger tragen insbesondere vor:
F ür die Gesamtbaufertigstellung sei auf den Zeitpunk abzustellen, in dem das #### die Räumlichkeiten am 23. November 1988 in Benutzung genommen habe. Sämtliche Wartungsvertragsangebote seien den Beklagten gemäß den von ihr in der Ausschreibung vorgegebenen Mustern bereits mit dem Bauvertragsangebot der Kläger vom 17. Januar 1997 vorgelegt worden. Nicht für sämtliche Leistungen der Klägerin gemäß Ursprungsangebot seien sodann Wartungsverträge abgeschlossen worden. Der Nutzer - #### - habe sich zum Teil zur hauseigenen Wartung entschlossen. Dies widerspreche dem Ausschreibungsumfang gemäß Ziffer 10.30 der Besonderen Vertragsbedingungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst den beigefügten Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich des nachberechneten Werklohnes in Höhe von insgesamt 87.412,92 DM zu Recht stattgegeben.
I.
Die Beklagte ist zur Nachzahlung des ihr zunächst nicht in Rechnung gestellten Werklohns aus der ersten und vierten Teilschlussrechnung in Hohe von jeweils einem Prozentpunkt verpflichtet. Die in der Nachlassklausel vereinbarte Voraussetzungen für die Gewährung eines Preisnachlasses sind nicht erfüllt.
Die nach §§ 133, 157 BGB gebotene Auslegung der auf der Rückseite des Auftragsschreibens vom 17. Januar. 1997 vereinbarten Nachlassklausel führt zu dem Ergebnis, dass der 1%-ige Preisnachlass nur dann gewährt werden sollte, wenn erstens hinsichtlich aller von den ARGE-Mitgliedern in Los 1 errichteten Anlagen entsprechende Wartungsverträge abgeschossen werden und zweitens diese Verträge innerhalb der vereinbarten Sechs-Monatsfrist zustande kommen. Beides ist nicht der Fall.
1.
Der erste Halbsatz nennt zwei alternativ geltende Bedingungen für die Nachlassgewährung: entweder die Beauftragung von Los 2, gemeint ist der Abschluss des Betriebsvertrages, oder aber der Abschluss "der Wartungsverträge". Bei beiden Alternativen handelt es sich um Folgeaufträge, an denen die Mitglieder der ARGE ersichtlich ein erhebliches wirtschaftliches Interesse hatten. Daher waren sie für den Fall des Zustandekommens eines der beiden Folgeaufträge im Gegenzug bereit, auf den Werklohn hinsichtlich der in Los 1 errichteten Anlagen den besagtet Nachlass einzuräumen. Aus der Sicht der Vertragsschließenden waren beide Vertragsalternativen (Betreiberertrag/Wartungsverträge) vom Auftragsvolumen wirtschaftlich vergleichbar. Hierauf deuten bereits die Regelungen zu Ziffern 10.29 und 10.30 der Weiteren Besonderen Vertragsbedingungen (WBVB) hin, die Gegenstand der Ausschreibung waren. Aus diesen geht hervor, dass sich die Beklagte anstelle des in Aussicht genommenen Abschlusses des Betreibervertrages vorsorglich den Abschluss von Verträgen zur Wartung der in Los 1 errichteten technischen Anlagen vorbehielt. Eindeutig ist insoweit jedoch das Protokoll vom 16. Januar 1997 über das nach § 24 VOB/A geführte Aufklärungsgespräch im Rahmen des Vergabeverfahrens zum Punkt "Preisklarstellung". Denn dort ist ausdrücklich klargestellt, dass die beiden alternativen Vertragspakete von ihrer "Leistungshöhe Vergleichbar" sind und sich deshalb der angebotene Nachlass auf jede der beiden Alternativen bezog. Da der Betreibervertrag unstreitig alle - nicht etwa nur einige - in Los 1 errichteten Anlagen erfasst, sollte dies ersichtlich auch für die Wartungsverträge gelten. Denn nur der Abschluss a11er Wartungsverträge erfüllte die protokollierte Vorgabe der Vergleichbarkeit beider Vertragsalternativen. Dann aber reichte es für eine Inanspruchnahme des vereinbarten Preisnachlasses nicht aus, dass Wartungsverträge nur hinsichtlich einiger Anlagen für Los 1. abgeschlossen wurden. Erforderlich waren vielmehr Verträge für die komplette Wartung aller Anlagen einschließlich der Heizungsanlage. Nach dem unwidersprochenen und damit als unstreitig zu behandelnden Vortrag der Kläger ist es aber bis heute nicht zum Abschluss eines Wartungsvertrages hinsichtlich der für Los 1 errichteten Heizungsanlage gekommen. Schon allein aus diesem Grund ist die Beklagte nicht berechtigt, den Preisnachlass für sich in Anspruch zu nehmen.
2.
Abgesehen davon und ohne dass es hierauf noch entscheidend ankommt, ist auch die zweite Voraussetzung, an die der vereinbarte Preisnachlass knüpft, nicht erfüllt. Denn diejenigen Wartungsverträge, die dann - mit Ausnahme der Heizungsanlage - tatsächlich am 1. Juli und 1. August 2000 zustande kamen, sind jedenfalls nicht fristgerecht geschlossen worden. Die in der Nachlassklausel vereinbarte sechsmonatige Frist war im Zeitpunkt dieser Vertragsschlüsse bereits abgelaufen.
Nach dem Wortlaut der Nachlassklausel war für den Fristbeginn auf die "Gesamtbaufertigstellung" abzustellen. Dieser Begriff ist auslegungsbedürftig. Nach dem Ergebnis der vorzunehmenden Auslegung nach §§ 133, 157 BGB war damit die Übergabe bzw. den Nutzungsbeginn der in Los 1 errichteten Anlagen gemeint. Ausgangspunkt ist auch hier der bereits oben beschriebene Ansatz, dass die Vertragsschließenden von der Gleichwertigkeit der beiden Vertragsalternativen ausgingen. Wäre die Entscheidung auf den Abschluss eines Betreibervertrages gefallen, so sollte der Vertragsschluss nach der Regelung in Ziffer 10.28 der WBVB ausdrücklich nach "Übergabe der Baumaßnahme" bzw. ab "Übergabe der in Los 1 enthaltenen Anlagen" erfolgen. Für den Fall, dass auf den Abschluss eines Betreibervertrages verzichtet wird, war von vornherein an den Abschluss von Wartungsverträgen gedacht (Ziffer 10.30 WBVB). Deshalb war es unerlässlich, dass die Bieter bereits bei Abgabe des Hauptangebots schon die entsprechenden Wartungsvertragsmuster ausfüllen und abgeben sollten. Auch aus die Übergabe zur Nutzung ein reibungsloser Anlagenbetrieb gewährleistet sein sollte, der entweder mittels Betreibervertrag oder aber durch entsprechende Wartungsleistungen ab Nutzungsbeginn sicherzustellen war. Ab Übergabe und Nutzung bestand Wartungsbedarf. Unter diesen Umständen liegt es fern, bei dem Begriff der Gesamtbaufertigstellung und damit für den Beginn der vereinbarten Sechs-Monatsfrist - wie die Beklagte meint - auf die mängelfreie Erstellung der Anlagen abzustellen. Denn abgesehen von den vorstehenden Ausführungen hatten die Kläger ersichtlich keinerlei Interesse daran, möglicherweise erst Jahre später - ggf. nach Abschluss etwaiger Mängelbeseitigungsarbeiten hinsichtlich der Leistungen zu Los 1 - die Wartung fortzuführen. Nur die Übernahme der Erstwartung im Anschluss an die Übergabe mit ggf. verlängerter Folgewartung war für die Errichter der Anlagen wirtschaftlich interessant und kalkulierbar. Und genau hierzu diente der angebotene Preisnachlass als Anreiz. Von Kalkulatorischer Bedeutung war dabei nicht nur die komplette Übernahme der Wartungsarbeiten alternativ zum Abschluss des Betreibervertrages. Ebenso bedeutsam war zugleich auch die Befristung des angebotenen Nachlasses auf einen verbindlichen Zeitraum, in dem mit dem Abschluss der sich lohnenden Folgeverträge gerechnet werden konnte.
Ist bei dieser Sachlage für den Fristbeginn die Inbetriebnahme, Nutzung bzw. die Übergabe der Anlagen maßgebend, so steht aufgrund des unwidersprochenen Tatsachenvortrages dir Kläger fest, dass dies Spätestens am 23. November 1998 der Fall war, dem Tag, an dem das Bundespräsidialamt in die betreffenden Räumlichkeiten eingezogen war und damit die in Los 1 errichten Anlagen zur Nutzung übergeben wurden. Die Sechs-Monatsfrist lief demnach am 23. Mai 1999 ab. Bis dahin ist es auch nach dem Vortrag der Beklagten zu keinem Abschluss von Wartungsverträgen gekommen. Die nach Fristablauf am 1. Juli und 1. August 2000 geschlossenen Verträge waren daher nicht nur aufgrund ihres umzureichenden Umfangs (s.o.), sondern noch dazu aus Fristgründen nicht geeignet, die Preisnachlassvoraussetzungen zu erfüllen.
Auf die von den Parteien aufgeworfene Frage der Beweislastvereilung kommt es unter diesen Umständen nicht an. Die maßgeblichen Tatsachen insbesondere der Fehlende Wartungsvertragabschluss für die Heizungsanlage sind der Einzug des Bundespräsidialamtes am 23. November 1998 - sind unstreitig.
Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte schließlich darauf; die Kläger hatten den Bedingungseintritt treuwidrig verhindert, weil sie das Nichtzustandekommen des Wartungsvertrages hinsichtlich der Heizungsanlage selbst zu vertreten haben. Die Beklagte stützt sich hierbei darauf, dass die ihr unterbreiteten Angebote zum Abschluss von Wartungsverträgen bis zum Frühjahr 2000 unzureichend gewesen seien.
Dies ist jedoch ohne Belang. Denn die Klägerin hat sämtlich Wartungsvertragsangebote einschließlich Heizungsanlage unstreitig gemäß den in der Ausschreibung vorgegebenen Mustern gemäß Ziffer 10.30 der WBVB bereits mit dem Bauvertragangebot vom 17. Januar 1997 vorgelegt. Weitere Erklärungen waren in diesem Zusammenhang nicht erforderlich.
Denn nach den vorliegenden Ausschreibungsunterlagen - insbesondere nach den bereits oben zitierten Ziffern 10.29 und 10.30 der WBVB - war es Sache der Beklagten, Verbindung mit dem Nutzer aufzunehmen, um entweder Los 2 oder aber die Wartungsleistungen zu beauftragen. Diesem Zweck dienten die als unerlässlich bezeichneten Angebote nach "AMEV-Wartungsvertragsmuster", die - wie bereits erwähnt - nach Ziffer 10.30 der WBVB schon frühzeitig eine weichenstellende Entscheidung vorbereiten sollten. Erst später sollte ggf. im Wege der Nachkalkulation und der Vertragsanpassung im Einzelnen weiter mit den Bietern verhandelt werden. Auch daraus folgt, dass es Aufgabe entweder der Beklagten oder aber der nutzenden Verwaltung war, anhand der vorgelegten Mustervertragsangebote etwaigen Änderungsbedarf zu ermitteln und dann ggf. an den betreffenden Bieter heranzutreten, um die Überarbeitung seiner Angebote zu veranlassen. Genau dies ist im vorliegenden Fall dann auch geschehen. Mit schreiben vom 29. Februar 2000 verfasste das Bundespräsidialamt ein an die ARGE gerichtetes Schreiben, um neue adäquate Angebote einzuholen. Dieses Schreiben kam allerdings zu spät. Die Sechs-Monatsfrist war zu diesem Zeitpunkt längst abgelaufen. Dies geht zu Lasten der Beklagten, die einen Preisnachlass nicht in Anspruch nehmen kann.
4.
Für eine Vertragsanpassung ist kein Raum, nachdem feststeht, dass - obwohl grundsätzlich möglich - zum Teil bis heute nicht alle Wartungsverträge - jedenfalls auch nicht innerhalb einer angemessenen Frist - abgeschlossen sind.
Da der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen die #### erst vom 6. Juni 2001 stammt, hätte bis dahin ein Wartungsvertrag hinsichtlich der Heizungsanlage längst abgeschlossen sein können, so dass auch der insoweit von der Beklagten erhobene Einwand ins Leere geht.
II.
Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben. Sie war mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO.
Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 n. F. ZPO bestand nicht, denn weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.