Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

27.05.2004 · IWW-Abrufnummer 040981

Oberlandesgericht Naumburg: Urteil vom 15.04.2003 – 9 U 12/03

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG

URTEIL

9 U 12/03 OLG Naumburg
9 O 2255/02 LG Magdeburg
verkündet am 15.04.2003

In dem Rechtsstreit

...

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgericht Naumburg unter Mitwirkung des Richters am Oberlandesgericht Dr. Tiemann, des Richters am Oberlandesgericht Manshausen und des Richters am Oberlandesgericht Dr. Otparlik auf die mündliche Verhandlung vom 15.4.2003 für Recht erkannt:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 10.12.2002 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg (9 O 2255/02) wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 32.000,-- Euro abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der am 15.10.1951 geborene Kläger war auf der Grundlage des Agenturvertrages vom 7.12.1991 (Bl. 9 f.) als Handelsvertreter für die Beklagte tätig. Mit Schreiben vom 24.9.2001 (Bl. 11) kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis zum 31.3.2002 und stellte den Kläger mit sofortiger Wirkung von seiner Tätigkeit frei. Für die Zeit der Freistellung erhielt der Kläger eine Betreuungs- und Verwaltungsprovision sowie einen sog. AP-Ausgleich. Der Agenturvertrag enthält in § 4 ein Wettbewerbsverbot für die Dauer des Vertragsverhältnisses. Der Kläger hat bei der Beklagten unstreitig unverfallbare Anwartschaften auf eine betriebliche Altersrente erworben, deren Barwert 26.965,-- Euro beträgt. In der Berufungsinstanz ist zwischen den Parteien ebenfalls unstreitig, dass dem Kläger ein Ausgleichsanspruch gemäß § 89 b HGB i.H.v. 27.462,51 Euro zusteht. Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz ausschließlich um die Frage, ob es der Billigkeit i.S.v. § 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB entspricht, dass die Beklagte den Barwert der Altersrente auf den Ausgleichsanspruch angerechnet und dem Kläger lediglich die rechnerische Differenz von 497,51 Euro gezahlt hat. Wegen des Sachverhalts im übrigen wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 43 - 48).

Das Landgericht hat der Zahlungsklage des Klägers stattgegeben. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung.

Sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag aus erster Instanz. In der Berufungsbegründung behauptet die Beklagte erstmals, dass dem Kläger bekannt gewesen sei, dass die Beklagte den Ausgleichsanspruch mit dem Barwert verrechnen werde. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 25.2.2003 (Bl. 72 - 76).

Die Beklagte beantragt,

das am 10.12.2002 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft seinen Vortrag aus erster Instanz. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungserwiderung vom 26.3.2003 (Bl. 101 - 109).

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Zutreffend hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von 26.965,-- Euro verurteilt und den Kapitalwert der Altersrente nicht berücksichtigt. Die Berücksichtigung des Kapitalwertes entspricht im vorliegenden Fall nicht der Billigkeit. Die Rechtsprechung hat eine Anrechnung dann für billig gehalten, wenn die Altersversorgung den praktischen Zweck einer Ausgleichszahlung übernimmt (ständige Rechtsprechung seit BGHZ 45, 268, 272). Wesentlicher Gesichtspunkt dieser Rechtsprechung sind zwei Aspekte: Zum einen berücksichtigt der Bundesgerichtshof die Zeitspanne, die zwischen der Beendigung des Vertragsverhältnisses und dem Beginn des Bezugs der Rentenleistung liegt. Darüber hinaus wird berücksichtigt, ob der Vertrag eine Regelung darüber enthält, dass eine Verrechnung erfolgen kann und sich der Handelsvertreter dadurch am Risiko, dass er den Beginn der Rentenzahlung nicht erlebt, beteiligt (BGH VersR 1984, 185, 186). Vor diesem Hintergrund hat die Rechtsprechung bereits folgende Fallkonstellationen entschieden:

Bezug der Rentenleistung sofort nach Vertragsbeendigung: Anrechnung gerechtfertigt (BGHZ 45, 268);

Zeitspanne von 24 Jahren zwischen Vertragsbeendigung und Rentenbeginn: Anrechnung gerechtfertigt, weil der Vertrag eine Anrechnungsklausel enthielt (BGH VersR 1984, 184);

Zeitspanne von 21 Jahren zwischen Vertragsbeendigung und Rentenbeginn: Anrechnung nicht gerechtfertigt, weil keine Anrechnungsklausel vereinbart (BGH NJW 1994, 1350);

Zeitspanne von 13 Jahren zwischen Vertragsbeendigung und Rentenbeginn: Anrechnung nicht gerechtfertigt, weil keine Anrechnungsklausel vereinbart (OLG Köln VersR 1997, 615);

Zeitspanne von 21 Jahren zwischen Vertragsbeendigung und Rentenbeginn: Anrechnung gerechtfertigt, weil der Vertrag eine Anrechnungsklausel enthielt (OLG Köln VersR 2001, 1377; die dagegen eingelegte Revision hat der BGH mit Urteil vom 20.11.2002 - VIII ZR 211/01 - zurückgewiesen).

In der zuletzt genannten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich seinen Standpunkt wiederholt, dass im Einzellfall eine lange zeitliche Differenz zwischen Beendigung des Handelsvertretervertrages und der Fälligkeit der Versorgungsansprüche einer Anrechnung auf den Ausgleichsanspruch entgegenstehen kann (a.a.O, S. 11). Der Senat schließt sich der Ansicht des OLG Köln (VersR 1997, 615) an, dass es auch eine Zeitspanne von deutlich weniger als 20 Jahre rechtfertigen kann, von einer Anrechnung abzusehen. Soweit mit der Berufung erstmals behauptet wird, dass der Kläger um die Verrechnungsabsicht der Beklagten gewusst habe, ist dieser Vortrag gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zuzulassen. Der Vortrag ist auch nicht hinreichend substantiiert, weil keine Anknüpfungspunkte dafür benannt werden, woraus sich diese Kenntnis ergeben soll. Dem schriftlichen Agenturvertrag ist dazu nichts zu entnehmen. Soweit die Berufung weiter darauf abstellt, dass der Kläger während der Zeit der Freistellung Zahlungen von der Beklagten erhalten hat, ist dies für die Billigkeitsentscheidung ohne Bedeutung, weil es sich dabei lediglich um einen vertraglichen Anspruch handelt (§ 11 Nr. 2 des Agenturvertrages). Es ist zwar grundsätzlich richtig, dass der Ausgleichsanspruch auch dazu dienen soll, die Zeitspanne zu überbrücken, die es braucht, um eine neue berufliche Existenz aufzubauen (OLG Köln a.a.O.). Wenn es dem Kläger gelungen sein sollte, nahtlos seine Tätigkeit für ein anderes Unternehmen fortzusetzen, rechtfertigt dies im vorliegenden Fall nach Ansicht des Senats gleichwohl eine Anrechnung nicht, wenn der Vertrag bis zu seiner Beendigung über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren - unstreitig - ohne Beanstandungen durchgeführt wurde. Bei Abwägung aller Umstände ist der Senat der Ansicht, dass es bei einer Zeitdifferenz von rund 14 Jahren bis zum Beginn der Versorgungsleistungen im vorliegenden Fall nicht der Billigkeit entsprechen würde, eine Verrechnung mit dem Ausgleichsanspruch vorzunehmen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 543 ZPO nicht vorliegen.

RechtsgebieteHGB, AusgleichsanspruchVorschriften§ 89b I Nr. 3 HGB

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr