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20.04.2004 · IWW-Abrufnummer 041049

Bayerisches Oberstes Landesgericht: Beschluss vom 03.03.2004 – 4 St RR 8/2004

1. Auch bei steuerrechtlichen Vorfragen von grundsätzlicher Bedeutung verbleibt dem Strafrichter ein Ermessensspielraum zu der Frage, ob das Strafverfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des finanzgerichtlichen Verfahrens ausgesetzt werden soll.



2. Eine "sonstige Leistung" im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG liegt auch ohne eine als solche erkennbare Erwerbstätigkeit bei der gelegentlichen Vermittlung eines Immobiliengeschäfts jedenfalls dann vor, wenn das Entgelt für die Vermittlung nicht zwischen den Beteiligten lediglich verrechnet wird.


Tatbestand:

Die Angeklagte hatte sich gegen Versprechen einer Provision bereit erklärt, einem Immobilienkäufer beim Erwerb eines Grundstücks in Berlin behilflich zu sein. Sie erhielt nach dem Kaufabschluss fünf Millionen DM für ihre Mitwirkung, obwohl sie nach außen hin kaum tätig geworden war. Diesen Einkunftsbetrag gab sie unter Mitwirkung des mitangeklagten Steuerberaters nicht bei der Einkommenssteuererklärung an. Beide Angeklagte wurden in der Berufungsinstanz zu Freiheitsstrafen verurteilt. Sie rügten in ihrer Revision u.a., dass das Landgericht ihren Antrag auf Aussetzung des Verfahrens nach § 396 AO zu Unrecht abgelehnt habe. Mit der Sachrüge machten sie geltend, die Provisionszahlung unterliege nicht der Einkommenssteuerpflicht. Die zulässige Revision erwies sich in diesen Punkten als unbegründet.

Gründe:

1. Die zulässige Formalrüge der Verletzung des § 396 AO ist nicht begründet, weil schon eine Verletzung dieser Vorschrift nicht feststellbar ist, so dass es auf die Beruhensfrage im Sinne des § 337 StPO (vgl. Kohlmann, Steuerstrafrecht, RN. 62 zu § 396 AO) nicht ankam.

§ 396 gestattet dem Strafgericht die Aussetzung des Verfahrens; ein Anspruch des Angeklagten hierauf besteht nicht (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH NStZ 1985, 126).

In der Literatur wurde nun vereinzelt (z.B. Felix, FR 1985, 31; Heuer DStZ 1985, 285, Isensee NJW 1085, 1007/1009) der Standpunkt vertreten, die Aussetzungsberechtigung gem. § 396 AO habe sich seit dem Spendenurteil des BFH vom 18.9.1984 bei Fragen von grundsätzlicher Bedeutung in eine Aussetzungspflicht verwandelt; andernfalls würde dem Steuerpflichtigen sein gesetzlicher Richter entzogen. Dieser Meinung folgt der Senat schon deswegen nicht, weil gesetzlicher Richter immer derjenige ist, der für ein bestimmtes Verfahren zuständig ist; im Strafverfahren ist es der Strafrichter. Würde man eine "Ermessensreduzierung auf Null" befürworten, entfiele wegen der Dauer der finanzgerichtlichen Verfahren praktisch jede Möglichkeit effektiver - weil tatnaher - steuerstrafrechtlicher Verfolgung (ebenso Rolletschke/Kemper/Cratz, Steuerverfehlungen, Rdnr. 11 zu § 396 AO).

§ 396 AO soll zwar verhindern helfen, dass widersprüchliche Entscheidungen im Straf- und Steuerverfahren ergehen, kann dies aber ohnehin nicht ausschließen: Eine Bindung des Strafrichters an die Entscheidung des Steuergerichts besteht nämlich nicht (Koch/Zeller, AO, Rdnr. 3 zu § 396 AO). Hält das Strafgericht die Überlegungen des Finanzgerichts nicht für überzeugend, muss es sie nicht übernehmen (vgl. Gast - de Haan in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, RN 21 zu § 96 StPO. Allein die Existenz des § 396 AO belegt, dass dem Strafrichter die Vorfragenkompetenz eingeräumt wurde (vgl. BGH NStZ 1991, 88 m.w.N.).

Demnach hatte der Senat nur zu prüfen, ob sich die Kammer ihrer Aussetzungsbefugnis bewusst war und nicht sachfremde Erwägungen in ihren Ermessensgebrauch einfließen ließ. Ein Ermessensfehler liegt nicht schon darin, dass die Kammer keine Zweifel an der steuerrechtlichen Vorfrage hatte (BGHSt 34, 272/274 und BGH NStZ 1991, 88). Zur Frage des Ermessengebrauchs schließt sich der Senat insoweit den zutreffenden Ausführungen der Staatsanwaltschaft bei dem Revisionsgericht an, die wie folgt lauten:

Die Frage der Verfahrensaussetzung ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu prüfen. Bei der Ermessensausübung ist das sowohl im öffentlichen Interesse liegende als vor allem dem Schutz der Angeklagten dienende Beschleunigungsgebot zu berücksichtigen (Art. 6 I MRK). Deshalb hat das Landgericht mit der Zurückweisung des Aussetzungsantrages sein Ermessen beanstandungsfrei ausgeübt. Dabei war vom Landgericht vor allem folgendes zu berücksichtigen: Die Steuerhinterziehung liegt erhebliche Zeit zurück. Auch die raffinierte Art der Tatausführung hat dazu beigetragen, dass erst sehr spät ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Der 1. Senat des Finanzgerichts M. hat in zwei Entscheidungen vom 24.06.1999 und 23.05.2001 den Tatbestand ebenso als erwiesen angesehen wie das Landgericht. Es ist nicht erkennbar, wann der Bundesfinanzhof in München über die zugelassene Revision entscheiden wird. In Anbetracht der Dauer des Verfahrens war eine weitere Verzögerung des Strafverfahrens auch unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes nicht hinnehmbar.

Eine Aussetzung des Verfahrens war deshalb weder für das Landgericht noch für den Senat geboten.

2. Die erhobene Sachrüge ist unbegründet:

Die Revision macht mit der Sachrüge u.a. fehlende Ausführungen im angefochtenen Urteil zum Leistungsbegriff in Verbindung mit einer Subsumtion des Tatverhaltens der Angeklagten geltend.

Diese Rechtsmittelbegründung übersieht, dass das Landgericht als Ausgangspunkt seiner Rechtsausführungen hierzu mitteilt, dass es die Rechtslage zum Leistungsbegriff nach § 22 Nr. 3 EStG "in Übereinstimmung mit dem Urteil des 1. Senats des FG München vom 23.05.2001" beurteile. Die Gründe dieser Entscheidung sind im Urteil wiedergegeben, vom Landgericht ergänzt und halten rechtlicher Nachprüfung stand. Von der sprachlichen Bedeutung weist der Begriff der Leistung auf ein Verhalten hin, das durch Einwirken auf einen Geschehensablauf zu einem wirtschaftlichen Erfolg führt. Dieser muss auf Grund eines durch Leistungsaustausch gekennzeichneten Verhaltens veranlasst sein; d. h. jemand muss um des Entgelts willen gehandelt haben, was durch die Kammer auch so festgestellt wurde Es bedarf keines gegenseitigen Beitrags (BFH X R 108/91 v. 26. 5. 1993, BFHE 171, 500: Gesellschafterbeitrag). "Sonstige Leistungen" im Sinne von § 22 Nr. 3 EStG umfassen jedes Tun, Unterlassen oder Dulden, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann, und das um des Entgeltes willen erbracht wird (BFH BStBl II 1994, 96/98).

Den Erfolg des angestrebten Grundstückserwerbs durch den späteren Käufer zu fördern, übernahm die Angeklagte gegen ein erfolgsabhängiges Betreuungshonorar. Es kann keinen rechtlichen Zweifeln unterliegen, dass sie bei für den Erfolg kausalem Handeln die vereinbarte Provision als Einkünfte aus Leistungen im Sinne von § 22 Nr. 3 EStG hätte versteuern müssen. Nichts anderes kann aber gelten, wenn ein aktives Tätigwerden der leistungsbereiten Angeklagten erst gar nicht abverlangt wird und gleichwohl der Erfolg eintritt. Dieser Wertung entsprechend rechnete ja auch die Angeklagte nach gescheiterten Formulierungsversuchen ("Belohnung", absprachegemäß "festgesetzten Betrag" vgl. Urteilsinhalt) für ihre "Bemühungen im Zusammenhang Projekt B." 5 Mio. DM ab. Die Benennung der der Angeklagten obliegenden Mitwirkung durch die Parteien ist dabei nicht entscheidend, sondern was beide Seiten nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse wirklich gewollt und tatsächlich bewirkt haben (BFH BStBl. II 2001, 391/392). Hier war dem Käufer jedes Mittel recht, den beabsichtigten Grundstückskauf zu fördern und sei es nur durch eine Art erwartete psychische Beihilfe der Angeklagten.

Als der Erfolg tatsächlich bewirkt war, kam es auf einen nachgewiesenen Kausalbeitrag der Angeklagten offenbar ebenso wenig an, wie ein solcher im Zuge der im Urteil dokumentierten Vertragsanbahnungen verlangt oder gar konkretisiert worden war. In diesem sensiblen Bereich der Unterstützung von Vertragsabschlüssen wird ein messbares und kausales Tätigwerden im Einzelfall weder nachzuweisen sein noch - wie der Fall zeigt - vom Vertragspartner (hier: Käufer) erwartet werden.

Der Revision kann auch nicht darin beigepflichtet werden, die Zahlung des Käufers an die Angeklagte sei ähnlich wie bei Lotterien etc. unabhängig von einer konkreten Tätigkeit geleistet worden. Wie bereits erwähnt, war die Angeklagte mit einer Förderung der Kaufvertragsverhandlungen zugunsten des Käufers bezogen auf ein bestimmtes Objekt betraut. Wenn die Leistungsbeschreibung vom Käufer nicht im Einzelnen vorgegeben, sondern der Angeklagten überlassen war, lag das an der Besonderheit der von ihr einzubringenden Kontakte zu dem Zeugen C. auf der Verkäuferseite. Im Unterschied zu jedermann zugänglichen Gewinnspielen etc. war der Käufer nur um die "Gunst" der Angeklagten in Bezug auf das Klima der Vertragsgespräche bemüht. Es mag durchaus erstaunen, wie leicht über Millionenbeträge, die von den Kunden des Käufers aufgebracht worden sind, hier verfügt wurde, einem öffentlichen Quiz oder ähnlichem ist der Vorgang jedoch deshalb keinesfalls gleichzusetzen. Außer der Angeklagten hätte kein anderer mit dem Käufer eine derartige Abmachung erzielt und das Geld erhalten.

Zunächst ist zu der im zuletzt genannten Schriftsatz zitierten Entscheidung des Finanzgerichts Baden-Württemberg zur sog. Eigenprovision, die nicht rechtskräftig ist, auszuführen, dass die Frage, ob eine vom Vermittler einer Immobilie an den Erwerber weitergegebene (Eigen-)Provision, die der Vermittler vom Verkäufer erhält, beim Käufer zu "sonstigen Leistungen" im Sinne von § 22 Nr. 3 EStG führt oder grundsätzlich beim Käufer - nur - zu einer Minderung des Kaufpreises, nicht mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbar ist, da sich hier im Verhältnis Angeklagter zu Viktoria-Versicherung keine verrechenbaren Ansprüche gegenüberstanden. Soweit in diesem Zusammenhang von der Rechtsprechung der Finanzgerichte der Versuch unternommen wird, den Leistungsbegriff bei § 22 Nr. 3 EStG weiter so einzuschränken, dass eine Erwerbstätigkeit hinzukommen müsse (vgl. z.B. FG München BStRE 2003, 340/341), ist der Bundesfinanzhof dem bislang nicht gefolgt (jedenfalls offen gelassen, BStBl II 1998, 619/620).

Gemeinsam ist diesen Entscheidungen (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.7.2003 - 12 K 285/99; FG München a.a.O., vgl. auch Kithler, DStR 2003, 19) auch immer derselbe Ausgangssachverhalt, dass es nicht zum Geldfluss kam, sondern der Vermögenszugewinn im Ersparen von Aufwendungen durch Verrechnung lag. Da gerade dieser Gesichtspunkt vorliegend nicht zum Tragen kommt, braucht auf diese Problematik im Hinblick auf die Strafbarkeit der beiden Angeklagten nicht näher eingegangen zu werden.

RechtsgebieteAO, EStGVorschriftenAO § 396 EStG § 22 Nr.3

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