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26.02.2004 · IWW-Abrufnummer 040501

Prozessrecht aktiv 03/2004

Ist die Vernehmung des Mandanten ordnungsgemäß erfolgt?


FrageAntwort
1. Von welcher Grundlage muss ich bei meinen Überlegungen ausgehen? Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Frage, ob die Angaben des Mandanten, die d
ieser bei seiner Befragung durch die Polizei, die StA oder den Ermittlungsrichter gemacht hat,
ggf. deshalb unverwertbar sind, weil hinsichtlich dieser Angaben ein Beweisverwertungsverbot besteht.
2.Woraus kann sich in diesen Fällen das
Beweisverwertungsverbot
ergeben?
Das Beweisverwertungsverbot folgt in diesen Fällen häufig
aus Verstößen gegen § 136 Abs. 1 StPO, wenn der Mandant vom befragenden Ermittlungsbeamten nicht oder
nicht ordnungsgemäß belehrt worden ist. Handelte es sich bei der Befragung nämlich bereits um die
Vernehmung eines Beschuldigten im engeren Sinn und nicht nur um eine "informatorische Befra-gung"
(s.u., Nr. 5 u. 6), musste der Mandant nach § 136 Abs. 1 StPO vor der Vernehmung über seine Rechte
belehrt werden (BayObLG PA 03, 166). Die Vorschrift gilt zwar nach ihrer Stellung im Gesetz nur für
so genannte richterliche Vernehmungen. Sie ist aber über § 163a Abs. 4 StPO auch auf Vernehmungen
durch Polizeibeamte anwendbar.
3. Wann liegt eine Vernehmung im Sinne des § 136 StPO vor? Der Begriff der Vernehmung ist in der StPO nicht definiert. Meist wird hierunter die
Herbeiführung einer Aussage durch ein staatliches Ermittlungsorgan in einem Ermittlungsverfahren
verstanden (eingehend Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren,
3. Aufl., Rn. 1836 ff.).
4. Wann ist der Mandant Beschuldigter im Sinne der StPO? Werden die Ermittlungen gegen den Mandanten auf Grund einer Strafanzeige geführt, muss er
immer als Beschuldigter behandelt werden (Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., Einl. Rn. 77).

Praxishinweis:
Im Übrigen ist für die Beschuldigteneigenschaft die Stärke des Tatverdachts
entscheidend (BGHSt 37, 48; 40, 211; NJW 97, 1591; OLG Karlsruhe MDR 94, 500). Entscheidend ist,
ob Tatsachen vorliegen, die auf die nahe liegende Möglichkeit der Täterschaft oder Teilnahme
schließen lassen. Das ist von besonderer Bedeutung bei so genannten informatorischen Befragungen
(BayObLG PA 03, 166).
5. Was sind so genannte informatorische Befragungen? Informatorische Befragungen sind formlose Befragungen einer einzelnen oder auch mehrerer
Personen, die das Ziel haben, zunächst nur festzustellen, ob überhaupt eine Straftat begangen
wurde und wer als Beschuldigter oder (nur) als Zeuge in Betracht kommt (BGH NStZ 83, 86; OLG
Oldenburg NJW 67, 1096; OLG Stuttgart MDR 77, 70).
6. Welche (besonderen) Regeln gelten für die informatorischen
Befragungen?
Eine informatorische Befragung ist noch keine Beschuldigtenvernehmung und
auch noch keine (Zeugen-)Vernehmung im engeren Sinne (OLG Düsseldorf NJW 68, 1840; KG JR 92, 437).
Das bedeutet, dass zwar die Auskunftsverweigerungsrechte aus §§ 52 ff. bestehen. Die Auskunftsperson
muss aber noch nicht nach § 136 Abs. 1 StPO belehrt werden.
7. Wann muss die Belehrung der Auskunftsperson als Beschuldigter
erfolgen?
Die Belehrung als Beschuldigter ist erforderlich, wenn die Auskunftsperson
als "Beschuldigter" im Sinne der StPO und nicht mehr nur als Zeuge vernommen wird. Das ist der
Fall, wenn sie ernstlich als Täter in Betracht kommt.
Praxishinweis: Ergibt sich während
einer informatorischen Befragung, dass der Befragte als Täter in Betracht kommt, muss der Vernehmende
ihn nun als Beschuldigten belehren und darf erst dann mit der Vernehmung fortfahren.
8. Gilt das auch, wenn die Auskunftsperson spontan gegenüber den
Polizeibeamten Angaben macht?
Nein. Bei so genannten Spontanäußerungen handelt es sich
nicht um Vernehmungen im engeren Sinn. Hat der Beschuldigte also von sich aus, ungefragt und aus
eigenem Antrieb gegenüber dem Polizeibeamten Angaben gemacht, kann er sich später nicht darauf berufen,
dass er nach § 136 StPO hätte belehrt werden müssen (BGHSt 34, 365; OLG Köln StraFo 98, 21).

Praxishinweis:
Etwas anderes gilt aber für Bekundungen, die nach telefonischer Ankündigung von
Angaben bei der Polizei gemacht werden (OLG Köln VRS 80, 32) oder wenn die Angaben als Reaktion auf
eine staatliche Strafverfolgungsmaßnahme gemacht werden (OLG Frankfurt StV 94, 117).
Der
Verteidiger muss bei "Spontanäußerungen" seines Mandanten allerdings immer prüfen, ob diese
gegebenenfalls deshalb unverwertbar sind, weil der Mandant sie nicht "im vollen Besitz seiner
geistigen Kräfte" gemacht hat (BGHSt 39, 349; 42, 170; LG Osnabrück zfs 99, 49 [für eine
Trunkenheitsfahrt]).
9. Wann muss die Belehrung erfolgen? Die Belehrung muss
vor der Vernehmung des Mandanten erfolgen.
10. Worüber muss der Beschuldigte belehrt werden? Der Umfang der
Belehrung ergibt sich aus § 163a Abs. 4 i.V.m. § 136 Abs. 1 S. 2 bis 4 StPO. Der Mandant muss also
darüber belehrt werden, dass
  • es ihm freisteht, sich zur Beschuldigung zu äußern oder nicht
    zur Sache auszusagen,
  • er auch schon vor seiner Vernehmung einen Verteidiger beiziehen kann
    und
  • er einzelne Beweiserhebungen beantragen kann.
11. Welche Folgen hat der Verstoß gegen die Belehrungspflicht? Ist
der Beschuldigte vor einer Vernehmung nicht entsprechend § 136 Abs. 1 S. 2 bis4 StPO belehrt worden,
dürfen die von ihm bei dieser Vernehmung gemachten Angaben nicht zu seinem Nachteil verwertet werden.
Es besteht insoweit ein Beweisverwertungsverbot (BGHSt 38, 214; Meyer-Goßner, a.a.O. § 136 Rn. 20;
Burhoff, a.a.O., Rn. 1372 ).
Praxishinweis: Eine Ausnahme gilt, wenn der Beschuldigte
sein Schweigerecht gekannt hat (zuletzt BGHSt 47, 172) oder er der Verwertung ausdrücklich zustimmt.
12. Besteht das Beweisverwertungsverbot uneingeschränkt? Das
Beweisverwertungsverbot infolge unterlassener Belehrung besteht auf jeden Fall im Strafverfahren.

Praxishinweis: Ob die unterlassene Betroffenenbelehrung im OWi-Verfahren ebenfalls zu
einem Beweisverwertungsverbot führt, ist in der Literatur umstritten. Diese Frage wird von
Brüssow (StraFo 98, 395) und Hecker (NJW 97, 1833) bejaht. Göhler (OWiG, 13. Aufl., § 46 Rn. 10c) will
sie unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH (BGHSt 38, 214) vom Einzelfall abhängig machen.
Unabhängig davon, ob diese Ansicht grundsätzlich zutreffend ist, muss man m.E. sowohl wegen der
Bedeutung des "nemo-tenetur-Grundsatzes" als auch wegen der möglichen weitreichenden Folgen für den
Betroffenen bei einer Verletzung von § 136 StPO auch im OWi-Verfahren ein Beweisverwertungsverbot
annehmen (siehe aber BGH, a.a.O.).
13. Welche sonstigen Fehler bei einer Vernehmung können zu einem
Beweisverwertungsverbot führen?
Zu einem Beweisverwertungsverbot kann es (auch) führen,
wennn
  • die Anwesenheit des Verteidigers bei der Vernehmung vereitelt worden ist
    (BGHSt 42, 15) oder
  • die für richterliche Vernehmungen geltende Benachrichtigungspflicht
    verletzt worden ist (BGHSt 42, 86).
Praxishinweis: Ob ein Beweisverwertungsverbot auch
besteht, wenn der Beschuldigte nicht auch über sein Recht belehrt worden ist, einen Verteidiger
beizuziehen, hat der BGH bislang nicht eindeutig entschieden (einerseits BGH NStZ 97, 609;
andererseits BGH NStZ 97, 502; wegen weiterer Rechtsprechungs-Nachweise siehe Burhoff, Handbuch für
die strafrechtliche Hauptverhandlung, 4. Aufl., Rn. 1166d).



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