27.01.2004 · IWW-Abrufnummer 040224
Landgericht Limburg: Beschluss vom 29.09.2003 – 5 Qs 127/03
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
5 Qs 127/03
Beschluss
In dem Ordnungswidrigkeitenverfahren...
wegen: Verstoßes gegen das Straßenverkehrsgesetz
hat die 1. Strafkammer des Landgerichts in Limburg an der Lahn durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Haberstock als Vorsitzenden, den Richter am Landgericht Müller und die Richterin Riehl am 29. September 2003
beschlossen :
1. Der Beschluss des Amtsgerichts Wetzlar vom 13.6.2003 wird aufgehoben.
2. Die Durchsuchung der Wohnung sowie der Geschäftsräume des Beschuldigten V zum Auffinden und zur Durchführung der Beschlagnahme des Führerscheins wird angeordnet.
Gründe:
Mit Bußgeldbescheid vom 22.7.2002 ordnete das Regierungspräsidium Kassel gegen den Beschuldigten wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24 StVG in Verbindung mit §§ 37 Abs. 2, 49 Abs. 3 Nr. 2 StVO (Überfahren einer roten Ampel) ein Fahrverbot von einem Monat an, das gemäß § 25 Abs. 2 a StVG mit dem Gelangen des Führerscheins in amtliche Verwahrung, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft des Bußgeldbescheides wirksam werden sollte.
Der gegen den Bußgeldbescheid eingelegte Einspruch des Beschuldigten wurde durch rechtskräftiges Urteil verworfen.
In der Folgezeit gab der Beschuldigte seinen Führerschein trotz Aufforderung nach Ablauf von vier Monaten nicht in amtliche Verwahrung. Daraufhin ordnete das Regierungspräsidium in Kassel am 11.3.2003 die Beschlagnahme des Führerscheins gemäß § 25 Abs. 2 S. 4 StVG an und beantragte, nachdem der Beschuldigte trotz mehrfacher Besuche nicht unter seiner Wohnanschrift angetroffen wurde, beim Amtsgericht Wetzlar den Erlass eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses.
Mit Beschluss vom 13.6.2003 lehnte das Amtsgericht Wetzlar den beantragten Durchsuchungsbeschluss mit der Begründung ab, es gebe keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Durchsuchung der Wohnung zur Durchführung der Beschlagnahme eines Führerscheins gemäß § 25 Abs. 2 S. 4 StVG.
Hiergegen richtet sich die zulässige und begründete Beschwerde des Regierungspräsidiums in Kassel.
§ 25 Abs. 2 S. 4 in Verbindung mit § 25 Abs. 4 S. 1 StVG ist die rechtliche Grundlage für die Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten. Bereits der Wortlaut des § 25 Abs. 4 S. 1 StVG, in dem es heißt ?wird der Führerschein ... bei dem Betroffenen nicht vorgefunden ..." zeigt, dass der Gesetzgeber von der Zulässigkeit einer Durchsuchung zwecks Auffinden eines Führerscheins ausging.
Dass hierbei auch die Durchsuchung der Wohnung gemeint ist, ergibt sich durch Auslegung unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte des § 25 StVG und der Parallele zu § 463 b StPO.
Das Fahrverbot des § 25 StVG entstand im Rahmen der Entkriminalisierung einiger Verkehrsdelikte, die zu Ordnungswidrigkeiten herabgestuft wurden, als äquivalent zu dem im strafrechtlichen Bereich geltenden Fahrverbot des § 44 StGB. Um dieses ordnungswidrigkeitsrechtliche Fahrverbot vollstrecken zu können, wurde ebenfalls die entsprechende Regelung aus dem strafrechtlichen Bereich, nämlich § 463 b StPO, im wesentlichen sogar wortgleich übernommen. Für § 463 b StPO ist jedoch allgemein anerkannt, dass in der Anordnung der Beschlagnahme des Führerscheins zur Durchsetzung des Fahrverbotes aus § 44 StGB gleichzeitig die Anordnung der Wohnungsdurchsuchung bei dem Betroffenen enthalten ist (vgl. statt aller: Meier/Gossner, § 463 b Randnr. 1).
Unter Berücksichtigung dieser Entstehungsgeschichte des § 25 StVG und insbesondere der nahezu wortgleichen Übereinstimmung des § 463 b Abs. 3 StPO in den § 25 Abs. 4 StVG lassen sich jedoch keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass der Gesetzgeber diesem zum Trotz einen anderen Regelungsinhalt für § 25 Abs. 4 StVG festlegen wollte.
Dieses Ergebnis wird zudem durch die Regelung des § 67 Abs. 2 Nr. 1 Strafvollstreckungsordnung gestützt. Darin ist bestimmt, dass ein Fahrverbot gemäß § 25 StVG nach den gleichen Grundsätzen vollstreckt wird wie ein Fahrverbot gemäß § 44 StGB.
Auch die Auslegung des § 25 Abs. 4 StVG unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Regelung führt zu keinem anderen Ergebnis.
Denn § 25 Abs. 4 StVG soll der Vollstreckungsbehörde ermöglichen, das in dem Bußgeldbescheid angeordnete Fahrverbot auch zwangsweise durchzusetzen. Die Anordnung der Beschlagnahme des Führerscheins ohne die Möglichkeit der Durchsuchung der Wohnung bliebe als Zwangsmittel sinnlos, würde es nur die freiwillige Herausgabe erfassen. Auch dies folgt bereits aus dem Wortlaut, wonach die Beschlagnahme einen entgegenstehenden Willen des Beschuldigten voraussetzt.
§ 25 Abs. 4 StVG ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen das Zitiergebot oder aus Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG verfassungswidrig.
Zwar besteht grundsätzlich eine Zitierpflicht bei nachkonstitutionellen Gesetzen. Allerdings ist das Zitat des eingeschränkten Grundrechtes dann entbehrlich, wie das Bundesverfassungsgericht wiederholt festgestellt hat (Bundesverfassungsgericht Entscheidung Bd. 5 S. 13 und Bd. 64 S. 72 und 80 f.), wenn eine alte, bereits vorhandene und bekannte Grundrechtsbeschränkung vom Gesetzgeber - ggf. auch leicht verändert - nur wiederholt wird. Es kommt darauf an, ob eine neuartige Eingriffsmöglichkeit normiert werden, bei der es der Warn- und Klarstellungsfunktion des Zitiergebotes bedarf. Eine solche neuartige Eingriffsart liegt aber gerade nicht vor bei der Durchsuchung der Wohnung zur Durchsetzung eines Fahrverbotes, denn bei der Vollstreckung des Fahrverbotes aus dem StGB nach den Regeln der StPO, aus denen § 25 Abs. 4 StVG übernommen wurde, war von jeher anerkannt, dass eine Wohnungsdurchsuchung zur Durchsetzung der Beschlagnahme zulässig sein sollte. Mit der Erstreckung auch auf die Vollstreckung von Fahrverboten nach Ordnungswidrigkeitenrecht wurde die bekannte Grundrechtsbeschränkung lediglich auf einen neuen Anwendungsfall ausgedehnt.
Auch dann, wenn man dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht folgen wollte und § 25 Abs. 4 StVG wegen Verstoßes gegen das Zitiergebot für nichtig hielte, wäre vorliegend die Wohnungsdurchsuchung dennoch zulässig.
In diesem Fall, wenn die verdrängte Spezialregelung des § 25 Abs. 4 StVG unwirksam wäre, würden Bußgeldbescheide nach der allgemeinen Regelung des § 90 Abs. 1 OwiG vollstreckt.
Die Vollstreckung würde nach den Vorschriften der landesrechtlichen Verwaltungsvollstreckungsgesetze erfolgen, die in der Regel - und so auch in Hessen -eine ausdrückliche Durchsuchungsbefugnis für die Vollstreckungsbeamten zum Zwecke der Vollstreckung enthalten. In Hessen ist eine solche ausdrückliche Durchsuchungsbefugnis in § 7 Abs. 1, Abs. 3 HVwVG normiert.
Zuständig für den Erlass der gerichtlichen Anordnung ist das nach § 687 § 104 OWiG zuständige Amtsgericht. Vor der Anordnung der Durchsuchung hat das Amtsgericht lediglich zu prüfen, ob die vollstreckungsrechtlichen Voraussetzungen für die Durchführung dieser Maßnahme vorliegen und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt ist.
Die Wohnungsdurchsuchung zum Auffinden eines Führerscheins zur Durchsetzung eines in einem Bußgeldbescheid angeordneten Fahrverbotes ist nicht unverhältnismäßig.
Die Durchsetzung der Beschlagnahme dient zum einen der Vollstreckung der im Bußgeldbescheid verhängten Sanktion des Fahrverbotes, zum anderen auch der Verhinderung des Missbrauchs des Führerscheins bei rechtskräftigem Fahrverbot, der eine Straftat nach § 21 StVG darstellen würde.
Maßgeblich für die Verhältnismäßigkeit ist dabei nicht nur der ursprüngliche Pflichtenverstoß, der zur Sanktionierung mit dem Fahrverbot geführt hat. Hierbei ist ferner zu beachten, dass die Verhängung eines Fahrverbotes gemäß § 25 Abs. 1 StVG ohnehin nur dann in Betracht kommt, wenn eine ?grobe und beharrliche Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers" vorgelegen hat, so dass es sich hierbei regelmäßig schon nicht mehr um eine Bagatelle handelt.
Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Durchsuchung der Wohnung Folge der Weigerung ist, den Führerschein in amtliche Verwahrung zu geben.
Gegen die Verhältnismäßigkeit spricht auch nicht das Argument, das Fahrverbot vollstrecke sich selbst, weil es ab Rechtskraft bzw. mit Ablauf der Viermonatsfrist nach Rechtskraft wirksam wird. Zum einen hätte es der Regelung der zwangsweisen Durchsetzung des Fahrverbotes durch Beschlagnahme dann nicht bedurft und im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass ein solcher Verstoß bei einer zufälligen Verkehrskontrolle nicht auffällt, so lange der Betroffene seinen Führerschein vorzeigen kann.