14.12.2000 · IWW-Abrufnummer 001511
Landgericht Karlsruhe: Beschluss vom 05.10.2000 – 12 Qs 8/00
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
12 Qs 8/00
Beschluss vom 05.10.2000
Strafsache gegen
Unbekannt
wegen Steuerhinterziehung
hier: Beschwerde des Dritten gegen Durchsuchung und Beschlagnahme
Tenor:
1. Auf die Beschwerde der wird der Beschluss des Amtsgerichts Pforzheim vom 01.02.2000 - 3 Gs 4/00 - hinsichtlich der Beschlagnahme von Unterlagen
aufgehoben
2. Es wird festgestellt, dass die aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Pforzheim vom 01.02-2000 - 3 Gs 4/00 - in den Geschäftsräumen der durchgeführte Durchsuchung
rechtswidrig
war.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin Fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe:
Am 25.01.2000 leitete das Finanzamt Pforzheim - Steuerfahndung gegen namentlich unbekannte Kunden das Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung durch Hinterziehung der Kapitalertragssteuer ein.
Das Amtsgericht Pforzheim ordnete mit Beschluss vom 01.02.2000 - 3 Gs 4/00 - die Durchsuchung der Geschäftsräume der und die Beschlagnahme aller "Unterlagen, Datenbestände und Depotübertragungen seit 1993 an, die im Zusammenhang stehen mit dem Verkauf oder der Einlösung von Wertpapieren, die als Tafelgeschäfte vorgenommen wurden oder die anonym oder namentlich an oder von ausländischen Kreditinstituten verkauft oder zurückgegeben wurden und Zinszahlungen aus diesen Tafelpapieren, soweit die Zinszahlungen von ausländischen Banken erfolgten oder die über inländische Korrespondenzbanken abgewickelt wurden, sowie die Beschlagnahme aller Unterlagen, die die namentliche Zuordnung anonymer Geschäfte auf bestimmte Kunden ermöglichen", alle Unterlagen ab 01.01.1993, insbesondere die im Beschluss im Einzelnen aufgeführten Unterlagen. Insoweit wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
Ferner wurde die Beschlagnahme von Unterlagen aus den Jahren vor 1993 angeordnet, soweit sie einen Bezug zum Tatvorwurf haben und geeignet sind, die noch verfolgbaren Taten der bisher noch unbekannten Kunden der aufzuklären.
Aufgrund dieses Beschlusses erfolgte zu einem unbekannten Zeitpunkt die Durchsuchung der Geschäftsräume sowie die Beschlagnahme diverser von Art und Umfang her unbekannter Unterlagen.
Mit Schriftsatz vom 22.02.2000 legte der Prozeßvertreter der Beschwerdeführerin, gegen den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss Beschwerde ein.
Mit Beschluss vom 02.03.2000 half das Amtsgericht Pforzheim der Beschwerde nicht ab.
Die Beschwerde geben die Durchsuchung der Geschäftsräume der ist zulässig, obwohl die Maßnahme bereits abgeschlossen ist.
Die Beschwerde bleibt auch nach Beendigung der Durchsuchung zulässig, da die Duchsuchung einen tiefgreifenden, tatsächlich nicht mehr fortwirkenden Grundrechtseingriff darstellt, gegen den, solange die Maßnahme andauert, kein wirksamer Rechtsschutz zu erlangen ist (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., Rn. 18 a vor. § 296). Dies ist nicht nur bei der Durchsuchung von Wohnräumen, sondern auch bei der Durchsuchung von Geschäftsräumen der Fall.
Auf die Beschwerde der war festzustellen, dass die Durchsuchung ihrer Geschäftsräume rechtswidrig war.
Nach § 103 StPO ist bei anderen Personen als Beschuldigten die Durchsuchung nur zur Ergreifung des Beschuldigten oder zur Verfolgung von Spuren einer Straftat oder zur Beschlagnahme bestimmter Gegenstände zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die gesuchte Person, Spur oder Sache sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet, d.h., es muss aufgrund bestimmter bewiesener Tatsachen, nicht nur wie bei § 102 aufgrund von Vermutungen, die Annahme gerechtfertigt sein, dass die Durchsuchung zur Auffindung der gesuchten Spur oder des bestimmten Beweismittels führen wird (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., Rn. 6 zu § 103 StPO).
Allein die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin im Rahmen von Tafelgeschäften Inhaberschuldverschreibungen veräußert, kann den Anfangsverdacht einer Steuerhinterziehung durch die Kunden nicht begründen. Tafelgeschäfte sind, auch wenn sie im zeitlichen Zusammenhang mit der Einführung der Zinsabschlagsteuer vorgenommen wurden, legal und es gibt keine Vermutung, dass bei Tafelgeschäften generell mißbräuchliche Zwecke verfolgt werden. Dass die Kunden bei Tafelgeschäften anonym bleiben, ist durch die Art der Abwicklung bedingt, keineswegs kann daraus der Verdacht abgeleitet werden, dass die Kunden möglicherweise Steuern hinterziehen. Dies gilt selbst dann, wenn feststeht, dass Kunden die Zinsscheine im Ausland eingelöst haben. Vielmehr bedarf es weiterer, konkret und individuell begründeter Anhaltspunkte für eine Straftat, wobei allgemeine kriminalistische Erwägungen, gestützt aus statistische Erhebungen nicht ausreichend sind. Der freie Kapital- und Zahlungsverkehr ist durch Art.73 b EGV geschützt und dieser wäre faktisch beeinträchtigt, wenn auch steuerehrliche Bürger eine Strafverfolgung befürchten müßten, bloß weil sie bei der Einlösung von Zinskupons ausländische Banken in Anspruch nehmen. Dies gilt auch für die Beschlagnahme solcher Unterlagen, die der Identifizierung von Fondsanteilen im Rahmen eines Tafelgeschäftes dienen (LG Bielefeld, WM 2000, 239f).
Um den genannten auf bestimmten Tatsachen beruhenden Anfangsverdacht zu begründen bedarf es vielmehr weiterer konkreter Anhaltspunkte. Allein die deutliche Diskrepanz zwischen den von ausgezahlten und den rechnerisch ermittelten Zinsbeträgen ist dazu nicht ausreichend. So wurde nicht ermittelt, wieviel der genannten Papiere auf Depotgeschäfte entfallen und wie viele der Zinskupons bei deutschen Korrespondenzbanken eingelöst wurden. Es mag sein, dass die Einlösung bei deutschen Korrespondenzbanken gebührenpflichtig ist und daher wirtschaftlich ungünstig. Dies genügt aber nicht - zumindest nicht im Rahmen des § 103 StPO, bei dem konkrete Tatsachen erforderlich sind und kriminalistische Wahrscheinlichkeiten nicht ausreichen -, um dies völlig zu vernachlässigen. Bei der Entscheidung des LG Detmold v. 12.03.1999 - wistra 1999, 435 - war als zusätzliches den Anfangsverdacht begründendes Element eine deutliche Veränderung im Verhalten der Kunden festgestellt worden, nämlich ein deutliches Ansteigen der tatsächlich im Ausland eingelösten Zinskupons seit Einführung der Zinsabschlagssteuer gegenüber den Vorjahren, bei der Entscheidung des Landgerichts Itzehoe - wistra 1999, 432 - eine über den bloßen Kauf von Inhaberschuldverschreibungen hinaus gehende Anonymisierung der Bezahlung der Inhaberschuldverschreibungen oder der Zinszahlungen bei gleichzeitig unterhaltenem Girokonto.
Nachdem bereits die Durchsuchung der Geschäftsräume rechtswidrig war, konnte die Beschlagnahme der dabei mitgenommenen Papiere nicht aufrechterhalten bleiben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung von § 467 StPO.