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11.06.2014 · IWW-Abrufnummer 141704

Finanzgericht Köln: Urteil vom 06.11.2013 – 3 K 2728/10

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Köln

3 K 2728/10

Tenor:

Unter Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 05.01.2010 und teilweiser Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 29.07.2010 wird die Einkommensteuer 2008 auf den Betrag herabgesetzt, der sich ergibt, wenn Unterhaltsaufwendungen in Höhe von 2.261 € gemäß § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin zu 9% und dem Beklagten zu 91% auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die 1969 geborene Klägerin wohnte im Streitjahr (2008) mit ihren beiden minderjährigen Kindern im Bezirk des Beklagten. Von ihrem Ehemann lebte sie getrennt und wurde alleine zur Einkommensteuer veranlagt. Sie war als Betriebswirtin nichtselbständig tätig. Ihr Nettoeinkommen betrug im Streitjahr rund 19.000 €.

Die Klägerin ist das einzige Kind der 1948 geborenen und im Streitjahr 60 Jahre alten Frau A. Diese ist geschieden und lebte im Streitjahr alleine in B (Russland). Sie war nicht erwerbstätig und bezog eine Altersrente in Höhe von jährlich 46.878 Rubel. Diese war ihr in Übereinstimmung mit dem einschlägigen Gesetz der Russischen Föderation ab Vollendung ihres 55. Lebensjahres im Jahr 2003 gezahlt worden. Außerdem bezog die Mutter staatliche Sozialleistungen in Höhe von 32.538 Rubel. Insgesamt hatte sie damit im Streitjahr 79.416 Rubel zur Verfügung. Der Betrag ist in Übereinstimmung mit den Beteiligten auf 2.173 € umgerechnet worden. Vermögen hatte die Mutter nicht.

Die Klägerin unterstützte ihre Mutter im Streitjahr wie folgt. Während einer Besuchsreise nach B (Russland) übergab die Klägerin ihrer Mutter im Januar einen Bargeldbetrag im Wert von umgerechnet 600 €, welchen die Klägerin in Deutschland von ihrem Konto abgehoben hatte. Von März bis Mai war die Mutter bei der Klägerin in C zu Besuch. Die Wohnung hier ist etwa 100 m² groß; für die Mutter stand ein eigenes Zimmer zur Verfügung. Während ihres Aufenthaltes übernahm die Mutter zur Entlastung der Klägerin die Haushaltsführung. Die Mutter brauchte für die Unterbringung und Verpflegung nichts zu zahlen. Die Klägerin wandte hierfür - anteilig - mindestens 10 € pro Tag und während der drei Monate insgesamt 900 € auf. 300 € übergab die Klägerin der Mutter im April in bar für die Anschaffung von Kleidung. Kurz vor der Rückreise, Ende Mai, erhielt die Mutter von der Klägerin nochmals 600 €, um deren Lebensunterhalt bis zum Jahresende zu sichern. Im November zahlte die Klägerin 97 € für eine Krankenversicherung der Mutter, deren nächster Besuch in C für Anfang 2009 geplant war.

Die Mutter unterstützte im Streitjahr ihre eigene 1926 geborene Mutter D, die verwitwete Großmutter der Klägerin. Diese lebte alleine in einer Wohnung in E in der Ukraine. Sie hatte 2007 einen Schlaganfall erlitten und benötigte danach lebenslange Pflege. Wegen des Krankheitsbildes wird auf die ärztliche Auskunft vom 16.07.2012 verwiesen (Bl. 73 FG-Akte). Eine Tagespflege bekam sie nicht. An drei Werktagen pro Woche erhielt sie Besuch von Mitarbeitern eines ambulanten Pflegdienstes - das „... -, die ihr bei den notwendigsten Verrichtungen des täglichen Lebens halfen. Diese Aufgaben übernahmen an den anderen Tagen und den Wochenenden auf freiwilliger Basis die Nachbarn der Großmutter, soweit es ihnen möglich war. Dabei kam es allerdings immer wieder zu plötzlichen und unerwarteten Engpässen. In solchen Fällen reiste die Mutter der Klägerin jeweils kurzfristig an, um die Pflege zu übernehmen und zwar im Streitjahr vom 30.06. bis 27.07. und vom 08.09 bis 17.10. Zwischen B (Russland) und E bestand eine direkte Flugverbindung; ein Flug dauerte rund zwei Stunden. Die Mutter der Klägerin musste allerdings die Einreisebestimmungen der Ukraine beachten, wonach die Aufenthaltsdauer für ausländische Bürger dort auf maximal 90 Tage pro Halbjahr begrenzt ist. Zudem musste sich die Mutter selbst in B (Russland) einer regelmäßigen medizinischen Behandlung unterziehen.

In der Einkommensteuererklärung beantragte die Klägerin, als Unterhaltsleistungen für ihre Mutter insgesamt 2.685 € abzuziehen. Zuletzt sind davon noch 2.497 € streitig geblieben, nämlich die drei Bargeldübergaben in Höhe von 600 €, 300 € und 600 €, die Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung in Höhe von 900 € sowie die Kosten für die Krankenversicherung in Höhe von 97 €.

Durch Bescheid vom 03.01.2010 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für das Streitjahr fest, ohne die geltend gemachten Unterstützungszahlungen zu berücksichtigen. Zur Begründung stützte er sich auf die Rechtsauffassung des BMF, wonach bei im Ausland lebenden Personen im erwerbsfähigen Alter bis 65 Jahre grundsätzlich davon auszugehen sei, dass diese ihren Lebensunterhalt durch eigene Arbeit verdienen. Die unterhaltsberechtigte Person habe ihre Arbeitskraft zur Bestreitung des Lebensunterhalts auszuschöpfen. Sie treffe eine Erwerbsobliegenheit.

Mit dem Einspruch wandte sich die Klägerin im Wesentlichen gegen die zugrunde gelegte Altersgrenze und vertrat den Standpunkt, dass das frühere Renteneintrittsalter in der Russischen Föderation sowie die dortige Arbeitsmarktsituation berücksichtigt werden müssten. Wegen der Einzelheiten wird auf ihre Schreiben vom 09.01., 31.01. und 05.03.2010 Bezug genommen.

Der Beklagte wies den Einspruch am 29.07.2010 als unbegründet zurück. Er stützte sich dabei auf das kurz zuvor - am 07.06.2010 - ergangene BMF-Schreiben zu § 33a EStG. Danach könne bei Personen unter 65 Jahren, die bereits eine Rente beziehen, auf den Einsatz der eigenen Arbeitskraft nur verzichtet werden, wenn die Rente aufgrund eines schlechten Gesundheitszustandes oder einer Behinderung gezahlt werde.

Mit der Klage verfolgt die Klägerin den Abzug der Unterhaltsleistungen weiter.

Sie macht nunmehr geltend, dass der Mutter eine Erwerbstätigkeit schon deshalb nicht möglich sei, weil sie sich um die Pflege der Großmutter habe kümmern müssen. Die Unterstützungsleistungen nur während der Monate abzuziehen, in denen die Mutter in der Ukraine gewesen sei, sei nicht akzeptabel. Denn die Mutter habe sich während der übrigen Zeit ständig für einen Einsatz bereithalten müssen.

Die Klägerin beantragt,

die Einspruchsentscheidung vom 29.07.2010 aufzuheben und Einkommensteuerfestsetzung 2008 vom 05.01.2010 zu ändern und dabei Unterhaltszahlungen in Höhe von 2.497 € zu berücksichtigen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage insoweit abzuweisen, als mehr als 800 € an Unterhaltsaufwendungen geltend gemacht werden.

Er hält an seiner Rechtsauffassung fest. Die Obliegenheit zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gelte für jede Person bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres. Die Verhältnisse des Wohnsitzstaates der unterstützten Person seien im Hinblick auf die Altersgrenze nicht zu berücksichtigen. Arbeitslosigkeit bei Personen im Ausland sei grundsätzlich nicht als gewichtiger Grund anzuerkennen. Deshalb sei es nicht entscheidungserheblich, ob eine über 60 Jahre alte Person in B (Russland) auf dem Arbeitsmarkt einer Beschäftigung nachgehen könne. Bei der Mutter der Klägerin könne lediglich für die drei Monate, während der sie die Großmutter in der Ukraine gepflegt habe, eine Erwerbstätigkeit nicht verlangt werden. Da für die Unterstützungsleistungen das Monatsprinzip gelte, könnten insoweit maximal 800 € - die im Schriftsatz des Beklagten vom 04.07.2012 erläutert worden sind - berücksichtigt werden. Während der übrigen neun Monate bleibe die Mutter jedoch zur Erwerbstätigkeit verpflichtet. Dem stehe nicht entgegen, dass das BMF-Schreiben Umfang und Dauer eines Pflegeeinsatzes nicht spezifiziert regele.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist im Wesentlichen begründet.

Der Einkommensteuerbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung ist gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 FGO zu ändern, weil er rechtswidrig ist und die Klägerin dadurch in ihren Rechten verletzt, soweit der Beklagte bei der Festsetzung der Einkommensteuer entgegen § 2 Abs. 4 in Verbindung mit § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG den Gesamtbetrag der Einkünfte nicht um außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 2.261 € gemindert hat. Wegen des weitergehenden Betrages in Höhe von 236 € (= 2.497 € abzüglich 2.261 €) ist die Verwaltungsentscheidung rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Rechtsgrundlage für den Abzug von Unterhaltsaufwendungen ist § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG, der nach seiner Überschrift die außergewöhnliche Belastung in besonderen Fällen regelt. Anzuwenden ist für das Streitjahr 2008 § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG gemäß der Bekanntmachung der Neufassung des Einkommensteuergesetzes vom 19. Oktober 2002 (BGBl. I S. 4210), geändert durch Art. 9 Nr. 25 des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 vom 29. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3076) und Art. 1 Nr. 22 des Jahressteuergesetzes 2007 vom 13. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2878). Diese Bestimmung lautet: Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt und eine etwaige Berufsausbildung einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag des Steuerpflichtigen die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 7.680 € im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall im Umfang eines Betrages von 2.261 € erfüllt.

1. Der Klägerin sind 2.497 € Aufwendungen für den Unterhalt ihrer Mutter erwachsen. Zum Unterhalt gehören insbesondere Aufwendungen für Ernährung, Kleidung, Wohnung und notwendige Versicherungen, insbesondere für eine Krankenversicherung (BFH, Urteil vom 30.06.2011 VI R 14/10, BFHE 234, 191, BStBl II 2012, 876).

Hinsichtlich der 300 € für Bekleidung und der 97 € für die Krankenversicherung bedarf es keiner weiteren Ausführungen.

Die Klägerin hat ihrer Mutter außerdem zwei Mal Bargeld übergeben, nämlich im Januar 600 € und im Mai nochmals 600 €. Es sollte ganz allgemein ihrem Unterhalt dienen. Eine weitergehende Zweckbestimmung ist nicht erforderlich. Aufwendungen für den Unterhalt müssen "laufende Bedürfnisse“ des Berechtigten abdecken. Das setzt aber begrifflich keine laufenden Zahlungen voraus, es sind gelegentliche, etwa nur ein- oder zweimalige Leistungen im Jahr möglich (BFH, Urteil vom 05.09.1980 VI R 75/80, BFHE 131, 475, BStBl II 1981, 31). Das Monatsprinzip aus § 33a Abs. 4 Satz 1 EStG führt zu keiner Kürzung. Die erste Zahlung (600 €) wurde bereits im Januar geleistet. Die zweite Zahlung (600 €) erhielt die Mutter der Klägerin Ende Mai. Es ist nicht davon auszugehen, dass sie zu diesem Zeitpunkt die 600 € aus dem Januar bereits aufgebraucht hatte, da sie bis dahin drei Monate lang kostenfrei bei der Klägerin untergebracht und verpflegt worden ist. Der Gesamtbetrag in Höhe von möglicherweise 1.200 € kann ohne Weiteres während der verbleibenden sieben Monate (Juni bis Dezember) anteilig für den Unterhalt verwendet worden sein.

Zum Unterhalt der Mutter gehörte schließlich eine Unterkunft und Verpflegung während ihres Aufenthalts in C. Die Klägerin hat diesen Unterhalt in Form von Sachleistungen erbracht, nämlich durch unentgeltliche Überlassung eines Zimmers in ihrer Wohnung und kostenlose Verpflegung. Da auf diesem Weg der Unterhaltsanspruch der Mutter teilweise erfüllt wird, handelt es um eine im Zahlungswege abgekürzte Leistung (vgl. dazu BFH, Urteil vom 18.10.2006 XI R 42/04, BFH/NV 2007, 1283). Für die Bewertung gilt § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG. Es ist nicht strittig, dass die von der Klägerin angesetzten 10 € pro Tag bzw. 900 € in drei Monaten keinesfalls über den üblichen Endpreisen am Abgabeort liegen (§ 8 Abs. 2 Satz 1 EStG).

2. Die Mutter ist eine der Klägerin gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigte Person. Die gesetzliche Unterhaltspflicht ist nach inländischen Maßstäben zu bestimmen, auch wenn die unterhaltene Person – wie hier – nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist, weil sie im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 33 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 EStG). Das gilt auch im Fall einer Unterhaltspflicht nach ausländischem Recht, wenn diese Unterhaltspflicht nach Art. 18 EG BGB im Inland verbindlich ist. Nach der neueren Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 05.05.2010 VI R 29/09, BFHE 230, 12, BStBl II 2011, 116, vom 30.06.2010 VI R 35/09, BFHE 230, 538, BStBl II 2011, 267 und vom 27.07.2011 VI R 13/10, BFHE 234, 307, BStBl II 2011, 965 und vom selben Tag Urteil zu VI R 62/10, BFH/NV 2012, 170) knüpft die gesetzliche Unterhaltsberechtigung gemäß § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG im Sinne einer konkreten Betrachtungsweise an alle zivilrechtlichen Voraussetzungen eines Unterhaltsanspruchs an. Diese sind hier im Umfang der 2.261 € erfüllt.

Die Unterhaltspflicht der Klägerin ergibt aus §§ 1601, 1589 Satz 1 und 3 BGB. Die Klägerin und ihre Mutter sind Verwandte in gerader Linie.

a) Die Mutter der Klägerin war bedürftig im Sinne des § 1602 Abs. 1 BGB. Sie war während des ganzen Streitjahres außerstande war, sich selbst zu unterhalten. Sie verfügte über kein Vermögen. Ihre eigenen Einkünfte und Bezüge überstiegen in Höhe des Betrages von 2.261 € die Grenzbeträge gemäß § 33a Abs. 1 Sätze 1, 4 und 5 EStG, was unter 3. noch näher ausgeführt wird. Die Mutter der Klägerin traf im Streitjahr zu keiner Zeit eine so genannte Erwerbsobliegenheit.

Nach der eingangs zitierten neueren BFH-Rechtsprechung sind Personen im arbeitsfähigen Alter, die die zum Bestreiten des Lebensunterhalts zur Verfügung stehenden Quellen, insbesondere ihre Arbeitskraft nicht ausschöpfen, nicht bedürftig im Sinne des § 1602 Abs. 1 BGB. Selbst wenn am Wohnort Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung geherrscht hat, darf daraus nicht ohne nähere Ermittlungen geschlossen werden, die unterstützte Person habe trotz Bemühens keine Arbeitsstätte, zumindest in der Form von Gelegenheitsarbeit, gefunden. Die Anforderungen dürfen allerdings nicht überspannt werden. Das BVerfG (Beschluss vom 18.06.2012 1 BvR 2867/11, bei juris) hat sich kürzlich mit der Erwerbsobliegenheit im Zusammenhang mit der vergleichbaren Fragestellung befasst, ob der Unterhaltspflichtige gemäß § 1603 Abs. 1 BGB leistungsfähig ist. Danach müssen zur Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die zur Erfüllung der Unterhaltspflichten erforderlichen Einkünfte für den Verpflichteten objektiv erzielbar sein, was von seinen persönlichen Voraussetzungen wie beispielsweise Alter, beruflicher Qualifikation, Erwerbsbiographie, Gesundheitszustand und dem Vorhandensein entsprechender Arbeitsstellen abhängt.

Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Senat davon überzeugt, dass sich die Mutter der Klägerin im Streitjahr durchgängig nicht um eine Erwerbstätigkeit zu bemühen brauchte. Darüber besteht kein Streit für die Zeiträume, in denen die Mutter der Klägerin ihre eigene Mutter gepflegt hat. Für den Rest des Streitjahres gilt nichts anderes. Der eigene Einsatz der Mutter war nach Lage der Dinge unverzichtbar. Für die Mutter der Klägerin war nicht im Vorhinein absehbar, wann sie das nächste Mal zu ihrer Mutter reisen musste und wie lange die Anwesenheit dort erforderlich. Im Hinblick auf deren Zustand konnte diese Notwendigkeit gleichsam jederzeit eintreten. Eine kontinuierliche Pflege vor Ort war nicht möglich. Die Mithilfe der Nachbarschaft geschah auf freiwilliger Basis, die Mutter der Klägerin konnte diese also nicht einfordern. Sie stand also gleichsam ständig „auf Abruf“ und konnte durch die kurze Flugzeit auch unverzüglich erscheinen. Der Senat hält es bei einigermaßen lebensnaher Betrachtung für ausgeschlossen, dass ein Arbeitgeber bereit wäre, zu diesen Bedingungen eine 60 Jahre alte Frau - auch nur für Gelegenheitsarbeiten - einzustellen würde. Dabei lässt der Senat die von der Klägerin geschilderten Probleme auf dem Arbeitsmarkt in B (Russland) außer Betracht. Dem hat der Beklagte nichts von Belang entgegen gesetzt.

b) Die Klägerin war leistungsfähig im Sinne des § 1603 Abs. 1 BGB. Sie war bei Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen – nämlich der Unterhaltspflicht gegenüber ihren beiden Kindern – nicht außerstande, ihrer Mutter Unterhalt in Höhe von 2.261 € zu gewähren, ohne damit ihren eigenen angemessenen Unterhalt zu gefährden. Der Senat zieht dafür die Rechtsprechung sog. Opfergrenze heran (vgl. BFH-Urteil vom 11.12.1997 III R 214/94, BStBl II 1998, 292). Diese beträgt 1% je volle 500 € des Nettoeinkommens abzüglich je 5%-Punkte für jedes Kind. Das Nettoeinkommen der Klägerin betrug im Streitjahr rund 19.000 €. Daraus ergibt sich eine Opfergrenze in Höhe von 28%, also 5.320 €, die nicht überschritten wird.

3. Die Unterhaltsaufwendungen können nur bis zu dem Höchstbetrag abgezogen werden, der sich aus § 33a Abs. 1 Sätze 1, 4 und 5 EStG ergibt und hier bei dem im Tenor zuerkannten Betrag von 2.261 € liegt. Er errechnet sich wie folgt:

Nach § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG ist der Abzug der Aufwendungen auf maximal 7.680 € im Kalenderjahr begrenzt. Ist die unterhaltene Person nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, so können die Aufwendungen nach § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG - wie bereits dargestellt - nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaates der unterhaltenen Person notwendig und angemessen sind, höchstens jedoch der Betrag, der sich nach den Sätzen 1 bis 4 des § 33a Abs. 1 EStG ergibt. Zur Beurteilung der Notwendigkeit und Angemessenheit von Unterhaltsaufwendungen im Ausland zieht der Senat die für das Streitjahr von der Finanzverwaltung erstellte Ländergruppeneinteilung (BMF-Schreiben vom 09.09.2008 IV C 4 - S 2285/07/0005 – 2008/0449131, BStBl I 2008, 936) heran. Danach ist der in § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG geregelte Höchstbetrag von 7.680 € nur mit ½, also mit 3.840 € anzusetzen, wenn der Wohnsitzstaat der unterhaltenen Person - wie bei der Mutter der Klägerin - die Russische Föderation ist. Eine weitere Minderung folgt aus § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG, wenn die unterhaltene Person andere Einkünfte oder Bezüge hat. Das ist bei der Mutter der Klägerin der Fall, da sie im Streitjahr eine Altersrente und Sozialleistungen bezogen hat. Der Höchstbetrag vermindert sich dann um den Betrag, um den diese Einkünfte und Bezüge den Betrag von 624 € im Kalenderjahr übersteigen. Auch dafür gilt die Regelung in § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG über die Verhältnisse des Wohnsitzstaats, so dass nur ½ der 624 €, nämlich 312 € anrechnungsfrei bleiben.

Wegen der Berechnung im Einzelnen orientiert der Senat sich an dem BMF-Schreiben vom 7.6.2010 (IV C 4-S 2285/07/0006:1 Tz. 30 Beispiel 12, BStBl I 2010, 588), von dem auch der Beklagte im Schriftsatz vom 04.07.2012 ausgegangen ist. Die Rente und die Sozialleistungen der Mutter der Klägerin sind mit dem vollen Jahresbetrag als Einnahmen zu berücksichtigen, das sind hier umgerechnet 2.173 €. Hinsichtlich des Ertragsanteils hat sie Einnahmen aus sonstiger Tätigkeit (§ 22 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 a aa EStG), wegen des verbleibenden Betrages hat die Mutter andere Bezüge im Sinne des § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG. Der Jahresbetrag mindert sich um den Werbungskostenpauschbetrag (§ 9a Satz 1 Nr. 3 EStG) von 102 € und eine allgemeine Kostenpauschale von 180 €. Es verbleiben 1.891 €. Davon sind 312 € anrechnungsfrei. Die Mutter hat sonach eigene Einkünfte und Bezüge in Höhe von 1.579 €. Dadurch mindert sich der Höchstbetrag in Höhe von 3.840 € auf 2.261 €.

4. Der Senat macht von der ihm durch § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO eingeräumten Befugnis Gebrauch, die Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheid durch Angabe der hier zu Unrecht nicht berücksichtigten Unterhaltsaufwendungen in Höhe von 2.261 € so zu bestimmen, dass der Beklagte den Betrag, auf den die Einkommensteuer herabzusetzen ist, errechnen kann. Dieser teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit (§ 100 Abs. 2 Satz 3 FGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der eingeschränkte Klageabweisungsantrag spielt dabei keine Rolle. Der Beklagte hätte der Klage in Höhe des zuerkannten Betrages abhelfen müssen, was nicht geschehen ist.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat lässt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO die Revision zu. Er ist der Ansicht, dass im Streitfall hier die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert. Bisher hat er - soweit ersichtlich - nur wenige Fälle entschieden, in denen das Erfordernis der Erwerbsobliegenheit von Angehörigen im Ausland für einzelne Fallgruppen - Altersgrenze, Krankheit oder Behinderung beim Angehörigen bzw. bei Personen, denen er unterhaltspflichtig ist - näher präzisiert werden konnte. Dass dies möglich ist und von der Finanzverwaltung entsprechend praktiziert wird, zeigt das BMF-Schreiben vom 07.06.2010 (IV C 4-S 2285/07/0006:1, BStBl I 2010, 588).

RechtsgebietEStGVorschriften§ 2 Abs. 4 EStG; § 33a Abs. 1 S. 1 EStG

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